Will man ein Zwischenfazit ziehen, so besteht Anlass zu der Feststellung, dass der deutsche Rechtsstaat dieser Doppelaufgabe in beeindruckender Weise gerecht ge
worden ist. Fühlen Bürgerinnen und Bürger sich in ihren Grundrechten beeinträchtigt, so steht gerichtlicher Rechtsschutz offen. Die staatlichen Schutzmaßnahmen haben der gerichtlichen Überprüfung dabei bislang sehr oft standgehalten. Und wo der Grundrechtsschutz überwogen hat, sind die Schutzkonzepte entsprechend angepasst worden. In meinen Augen ist das beispielhaft für einen funktionierenden Rechtsstaat und für einen wirksamen Grundrechtsschutz.
Bestätigt wird dieses Bild durch eine aktuelle Bürgerbefragung des Beamtenbundes. Die Befragung hat nämlich ergeben, dass das Vertrauen der Menschen in die politischen Institutionen in Deutschland in der letzten Zeit deutlich gestiegen ist. Die demokratisch legitimierten Institutionen, die ohnehin eine Stärke der Bundesrepublik Deutschland sind, wahren und schützen in dieser Zeit die Grundrechte und insbesondere die Meinungsfreiheit. Daran hat sich in Zeiten der Corona-Pandemie nichts geändert.
Und lassen Sie mich auf Ihr aktuelles Beispiel eingehen: Demonstrationen, die am Samstag, dem 29. August dieses Jahres in Berlin stattfinden sollten und letztlich auch stattgefunden haben, waren zunächst verboten. Die AfD-Fraktion hat dazu auch eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der das Verbot aus Gründen des Grundrechtsschutzes scharf kritisiert wurde. Demonstrationen sind Ausdruck der Versammlungsfreiheit. Geht es nicht nur um das Sich-Versammeln, sondern auch um die gemeinsame Kundgabe bestimmter Ansichten, ist auch die Meinungsfreiheit berührt. Wenn wir über den Schutz von Versammlungs- und Meinungsfreiheit und gegebenenfalls auch über den konkreten Fall sprechen, dann werde ich nicht die Entscheidung des Berliner Senats kommentieren. Es ist aber dennoch das Wichtigste, dass das Verwaltungsgericht Berlin das Verbot der Demonstrationen geprüft und weitgehend aufgehoben hat. Die Demonstrationen konnten also stattfinden und die Demonstranten konnten ihre Meinung äußern. Das hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich klargestellt. Für mich ist dieser Vorgang deswegen Ausdruck eines funktionierenden Rechtsstaats.
Hier vor dem Schloss oder an anderen Orten in der Schweriner Innenstadt sehe ich gerade auch in jüngster Zeit immer wieder Demonstrationen, auf denen Bürgerinnen und Bürger ihre Meinung, ob zu Corona oder anderen Themen in diesem Zusammenhang, zum Ausdruck bringen. Und ich kann nicht erkennen, dass wir – auch gegenwärtig in dieser Sondersituation einer Pandemie – um die Meinungsfreiheit besorgt sein müssen.
Meinungsfreiheit bedeutet Meinungsvielfalt. Die Freiheit ist nicht auf bestimmte Meinungsinhalte beschränkt. Jeder kann die Meinungsfreiheit, man könnte sagen, nach seinem Geschmack einsetzen. Das Bundesverfassungsgericht formuliert es grundlegend so, dass jeder frei sagen kann, was er denkt, auch, wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt. In der aktuellen Debatte hat es der ehemalige Bundespräsident Gauck damit auf den Punkt gebracht: Es müsse anerkannt wer
Gerade zur Corona-Pandemie waren sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten worden und werden es auch noch, und eins lassen Sie mich sagen: teils abseits jeglicher Wissenschaftlichkeit. Aber auch hier gilt, die Stärke der Demokratie lebt davon, dass sie andere, womöglich sogar abwegige Meinungen aushält, mit ihnen fair umgeht und in einen sachlichen und produktiven Streit treten kann. Die demokratische pluralistische Gesellschaft lebt von diesen konstruktiven Beiträgen. Aber sie verträgt es eben auch, abwegige und extreme Meinungen zu hören. Darin liegt ihre Stärke. Und unser Rechtsstaat ist es, der gewährleistet, dass das in Zukunft auch so bleibt. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Keine Demokratie ohne Grundrechte, und eines dieser Grundrechte ist die Meinungsfreiheit. Das ist nach unserer Auffassung die kürzeste und konkreteste Antwort in der Aussprache zu diesem doch recht abstrakt formulierten Thema. Aber das ist meine Auffassung, das ist meine Meinung.
Zur Meinungsfreiheit gehört dann aber auch die Widerspruchsfreiheit. Es gehört zur Meinungsfreiheit, dass sich unterschiedliche Meinungen widersprechen.
Meine Damen und Herren, statt einer folgenlosen Aussprache hätte ich mir das Thema auch als Antrag vorstellen können. Erster Beschlusspunkt wäre dann: Dank an die Polizeikräfte für ihren Schutz des Reichstagsgebäudes bei der aus dem Ruder gelaufenen Demonstration von Rechtsextremisten und Esoterikern gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen in Berlin.
Das ist wohl Meinungsfreiheit. Eine Wertschätzung für die Polizei, wie Sie sie hier immer fordern, war das allerdings nicht.
Ja, in diesen Zeiten leiden unsere Grundrechte. Manchmal leidet die Demokratie an Ausgangsbeschränkungen, an Kontakt- und Versammlungsverboten, so notwendig und sinnvoll solche Verbote kurzfristig auch sein mögen. Es ist ein kaum akzeptabler Zustand für unsere Demokratie, dass Demonstrationen erst durch Gerichtsurteile ermöglicht wurden. Und es entspricht wohl auch nicht unserer Grundrechtskultur, dass die Eingriffe in unsere Freiheitsrechte durch Verordnungen der Landesregierungen erfolgten und nicht durch die Parlamente. Die unbestimmten Regelungen des Infektionsschutzgesetzes gehören spätestens nach dieser Krise auf den Prüfstand, um dem Prinzip der Gewaltenteilung wieder mehr Geltung zu verschaffen.
Nicht zur Meinungsfreiheit gehört Antisemitismus! Antisemitismus ist ein Verbrechen und lebt in jeder Krise neu auf. Ich halte es nicht für witzig. Ich kann nicht den Kopf schütteln, und ich kann da nicht weghören.
Und wer mit Menschen auf die Straße geht, die das Stigma der Schoah, dem größten Menschheitsverbrechen, den gelben Judenstern, als Gleichnis zur heutigen Zeit setzen, wer mit Menschen auf die Straße geht, die wie QAnon von Blut trinkenden jüdischen Finanzeliten schwafeln, wer mit Menschen auf die Straße geht, die Reichskriegsflaggen tragen, die und der toleriert mindestens Antisemitismus. Antisemitismus ist keine Meinung, Antisemitismus ist ein Verbrechen! Dem ist laut und deutlich zu widersprechen – immer!
Meine Damen und Herren, in diesen Krisenzeiten lernen wir alle jeden Tag dazu, und nach der Krise werden es viele schon immer gewusst haben.
In Wirklichkeit wissen wir aber viel zu wenig über Covid-19 und die Auswirkungen. Daher wird die Frage, ob jeder Grundrechtseingriff zu jeder Zeit verhältnismäßig, also auch geeignet und erforderlich war, strittig bleiben. Man mag also die Grundrechtseingriffe durchaus kritisch sehen, aber man muss gleichzeitig ganz klar sagen, die Meinungsfreiheit war in Deutschland jederzeit gewährleistet.
Meinungen kann man auf Schilder schreiben, Meinungen kann man sagen. So ein Mund-Nasen-Schutz hindert mich und Sie überhaupt nicht daran.
Ohne an dieser Stelle noch einmal das Thema Verschwörungserzählungen aufzumachen: In Corona-Zeiten beschwören auch solche Leute die Grundrechte, die diese Grundrechte sonst verlachen und verhöhnen. Und damit komme ich anschließend vom Antrag zum Antragsteller:
In der Freiheit meiner Meinung ist die AfD eine Partei, in der Grundrechte wenig gelten. Auf AfD-Veranstaltungen wird gejohlt, wenn NS-Verbrechen verharmlost, Juden verhöhnt, Muslime verachtet
und Unwahrheiten über Flüchtlinge gesagt werden. Wenn sich nun diese Verfassungsverächter zu Verteidigern der Meinungsfreiheit und der Grundrechte aufschwingen, dann lässt sich feststellen, eine Demokratie, die solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr!
Meine Damen und Herren, gerade weil aber seit einiger Zeit Antidemokraten versuchen, die Deutungshoheit über Symbole, Begriffe und Persönlichkeiten zu gewinnen, die unser demokratisches Selbstverständnis definieren, aus diesem Grund dürfen wir die Demokratie, die Grundrechte und die Meinungsfreiheit nicht Verfassungsfeinden überlassen, und dies nicht nur im Rahmen der Meinungsfreiheit, sondern vor allem im Interesse der Meinungsvielfalt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!