Protokoll der Sitzung vom 24.09.2020

Ansonsten haben Sie die Meinungsänderung angesprochen. Ich bin ein klassischer Fall für geänderte Meinung, denn ich kann mich sehr gut erinnern – ich gehöre auch einer Risikogruppe an –, dass wir am Anfang täglich wie eine Art Kriegsberichterstattung die Zahlen, die Infektionszahlen bekamen und dann die Todeszahlen rechts. Und wenn man das gegenüberstellte – ich habe das jedenfalls gemacht –, ergab sich eine ziemlich schlimme Letalitätsquote von fast 5 Prozent, also da bekommt man schon Angst, bis ich dann irgendwann begriffen habe, dass 80 Prozent symptomfrei verlaufen, dass also die genannten Infektionen, die erkannten Infektionen, die wir messen, eigentlich gar nichts sagen. Und so ging es die ganze Zeit weiter.

Wir haben dann Ende August – auch jetzt wieder – permanent in den Medien die Mitteilung oder die Botschaft, dass die Infektionszahlen wieder kräftig ansteigen. Niemand hier, außer uns, hat sich ernsthaft mit diesem Argument auseinandergesetzt, dass diese gestiegenen Infektionszahlen überhaupt keine Aussagekraft haben, denn sie beruhen ganz überwiegend auf erhöhten Testungen. Damals im August waren – damals im August die drei Wochen – waren die Testungen um 51 Komma soundso viel Prozent gestiegen,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Sind die zwei Minuten rum?)

und die positiv Festgestellten um 49 Komma soundso viel, also etwas weniger. Im Grunde war der allein aussagekräftige Faktor, die Positivquote lag die ganze Zeit über bei 0,9. Nichts hat sich im Grunde verändert.

Und diese unvollständigen Informationen sind im Grunde Panikmache, jedenfalls in ihrer Wirkung. Und das läuft

die ganze Zeit so. Und die Frage, ob die Maßnahmen wirklich etwas bewirkt haben, ist bis heute zumindest unbeantwortet. Der Reproduktionsfaktor …

Herr Förster, …

… war bei Beginn …

… Ihre zwei Minuten …

… des Lockdowns …

… sind abgelaufen.

… bei null. Bei eins ist es geblieben die ganze Zeit über. Also die Wirkung der Maßnahmen in unserem Land ist bis jetzt nicht …

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Es ist …

(Der Abgeordnete Horst Förster spricht bei abgeschaltetem Saalmikrofon.)

Herr Ehlers, möchten Sie antworten?

Bitte schön!

Also ich glaube, die guten Zahlen, die wir im Land haben, lassen sich sicherlich auch auf die Maßnahmen, die getroffen wurden, zurückführen – nicht nur, das ist, glaube ich, auch klar. Ich glaube, auch die gute Durchimpfungsrate in den neuen Bundesländern ist auch eine Ursache dafür, warum es vielleicht in den neuen Bundesländern glimpflicher abgelaufen ist. Andere Ursachen wird es auch gegeben haben.

Und was Sie eingangs gesagt haben, habe ich hier schon im März gesagt, 80 Prozent sind symptomfrei abgelaufen. Das ist auch eine Tatsache, die sich an der Stelle auch nicht leugnen lässt. Aber, wie gesagt, trotzdem halte ich es für einen Fehler, jetzt zu sagen, alles aufzuheben, was Ihre Schlussfolgerung aus diesen Zahlen ist. Und natürlich ist es auch logisch, wenn mehr getestet wird, habe ich am Ende auch mehr Fälle. Das ist, glaube ich, auch jedem normal denkenden Menschen irgendwo sehr erklärlich.

Und jetzt kommt ja nur die Frage, welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus. Wir als Fraktion ziehen die Schlussfolgerung daraus, dass bestimmte Lockerungsmaßnahmen möglich sind. Also ich habe vor Wochen noch nicht davon träumen können, dass wir wieder zu Sportveranstaltungen gehen können, weil die Aussagen waren, das wird bis Ende des Jahres sowieso nichts. Und deswegen sagen wir, da Lockerungen durchsetzen, wo es möglich und verantwortbar ist, den Weg, den wir jetzt beschreiten, weiter zu lockern, aber jetzt nicht zu sagen, wir machen jetzt von null auf hundert und es wird wieder ein ganz normales Leben von heute auf morgen sein.

Aber ich glaube, wir haben in vielen Bereichen jetzt vernünftige Lockerungen auf den Weg gebracht. Gerade der Bereich „Veranstaltungen“, das ist der Bereich, glaube ich, der im Moment noch am meisten betroffen ist, aber

ich glaube, da sehe ich jetzt überhaupt gar keinen Widerspruch an der Stelle. Und von daher kann ich eigentlich auch nicht mehr dazu sagen, außer, dass wir da unterschiedliche Rückschlüsse aus den von Ihnen genannten Fakten ziehen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat jetzt noch einmal für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Dr. Jess.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute und verehrte Gäste! Ich muss sagen, ich werde auf die Einlassung von Herrn Barlen und von Herrn Koplin heute gar nicht eingehen, weil ich muss feststellen, das war so unterirdisch – leider, Herr Koplin, muss ich dazusagen –, Sie haben sich mit den Inhalten überhaupt nicht auseinandergesetzt.

(Julian Barlen, SPD: Oh doch!)

Und deshalb, denke ich mal, erübrigt sich das andere. Meine Kollegen haben das auch schon ausreichend dargestellt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich möchte aber ein paar weitere Zahlen, Daten, Fakten bringen, die unseren Antrag unter Umständen unterstützen und belegen können. Wir haben vor ein paar Tagen, am 21.09., gerade die gemeinsame Erklärung aller Verantwortungsträger in Mecklenburg-Vorpommern zum Thema „Corona im Griff behalten: MV bereitet sich auf Herbst und Winter vor“ verabschiedet. Nicht wir haben es verabschiedet, sondern wir haben davon erfahren. Damit verbunden ist ein 10-Punkte-Programm. Insgesamt können wir folgende Feststellung in diesem Papier gutheißen und unterstützen als AfD:

Das ist erstens, die Infektion mit SARS-CoV-2 wird in den Kontext mit den normalen Erkältungs- und Grippeviren gestellt, denn da gehören sie, was die Klinik betrifft, auch hin. Das danach aufgeführte 10-Punkte-Programm wird somit als Vorbereitung auf die Erkältungssaison verstanden, und das ist durchaus grundsätzlich gut nachvollziehbar.

Zweitens. Unsere Zustimmung finden auch folgende Angaben und Maßnahmen: Das betrifft die Schaffung eines Zentraldepots für Schutzausrüstungen, den Ausbau des öffentlichen Gesundheitsdienstes und die Aussage, ich zitiere, eine Corona-Impfpflicht „ist nicht geplant“, und die Aussage, ich zitiere sinngemäß, dass Corona-Regeln situationsgerecht – dort steht, fortzuschreiben sind, ich bin der Meinung, besser wäre „zu beurteilen“, das hätte dastehen sollen – und dass unverhältnismäßige Beschränkungen vermieden werden sollen. Gerade beim letzten Punkt, der Verhältnismäßigkeit der Anti-Corona-Maßnahmen, da setzt unser Antrag an.

(Beifall Horst Förster, AfD)

Und Sie dürfen davon ausgehen, dass wir uns bei real existierender Bedrohung epidemiologischen Maßnahmen nicht verweigern würden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wer will schon krank werden, aber es geht um die Prioritätensetzung.

Um unsere Position noch etwas deutlicher zu machen, möchte ich die SARS-CoV-2-Epidemie in MecklenburgVorpommern aus den Aspekten des Risiko- und Krisenmanagements beleuchten. Da gilt es zunächst, die Risiken zu identifizieren. Das sind, Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe zu kalkulieren. Das mache ich jetzt nicht, aber ich werde die Risiken benennen. Das ist einmal das Primärrisiko, das betrifft die Corona-Pandemie mit zu Beginn unbekannter Virulenz des Erregers, das heißt unbekannte Ausbreitungsgeschwindigkeit, und zweitens unklarem Krankheitsverlauf nach SARS-CoV-2Infektionen mit Covid-19-Komplikationen.

Dieses Primärrisiko war durch die Virologen mittels mathematischer Modelle kalkuliert worden. Dabei waren exponentielle Ausbreitung und, wenn ich mich recht erinnere, bis zu 100.000 Tote für Deutschland vorausgesagt worden. Heute sind sich viele Fachleute sicher, die mathematischen Modelle waren falsch.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Vielleicht, weil die Maßnahmen zu gut gegriffen haben.)

Es gibt ein paar, die gerne schwarzen Humor pflegen, die sind mit einem Sarg durch einen kleinen Ort gezogen in Deutschland mit dem Hinweis, wo sind die vielen Toten, ihr habt uns Tote versprochen, wir plädieren für eine Hilfe für die Bestattungsunternehmen. So weit ist es schon gekommen, meine Damen Herren.

Herr Dr. Jess, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Fraktionsvorsitzenden Frau Oldenburg?

Nein, gerne zum Schluss.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Im Anschluss ist keine Zwischenfrage mehr möglich.)

Ich komme zu b), zum Sekundärrisiko. Es gibt die Sekundärrisiken, das sind unverhältnismäßige Gegenmaßnahmen, über die wir gerade sprechen, und das betrifft den wirtschaftlichen Schaden, das betrifft soziale Verwerfungen und das betrifft die Schuldenbelastungen folgender Generationen. Wenn wir an die Freihaltung der Krankenhäuser denken, dann sind von den Krankenhausbetten, die frei gehalten wurden für Corona-Patienten, nur 10,46 Prozent dieser frei gehaltenen Betten im Krankenhaus in Mecklenburg-Vorpommern überhaupt belegt gewesen.

(Thomas Krüger, SPD: Vielleicht, weil die Maßnahmen gegriffen haben?! Wäre eine Möglichkeit.)

Ein funktionierendes …

Da kommen wir noch zu, da kommen wir noch zu.

Ein funktionierendes Risikomanagement bedarf zur Risikoüberwachung eines Werkzeugkastens mit Risikoindikatoren. Da steht die Frage, welche Risikoindikatoren haben die Entscheider, insbesondere in Mecklenburg

Vorpommern, für ihre Anti-Corona-Maßnahmen herangezogen.

Am Anfang meines Berufslebens habe ich zehn Jahre in einem Viruslabor des damaligen Bezirkshygieneinstituts als wissenschaftlicher Assistent gearbeitet. Wir haben unter anderem Verlaufskontrollen bei Hepatitis-Epidemien, virologischen Durchfallerkrankungen und epidemiologische Quarantäneüberwachungen vorgenommen. Die Ärzte haben immer klinisches Bild und Labordaten in ihrer Gesamtheit bewertet. Ich werde deshalb in meiner weiteren Bewertung der Risikoindikatoren der klinischen Ausprägung der SARS-CoV-2-Infektion den Vorrang einräumen. Nicht die Infektionszahlen aufgrund eines Testnachweises sind entscheidend für die Bewertung eines Risikos – mein Kollege hat schon darauf hingewiesen –, sondern die Zahl der real symptomatisch Erkrankten und der schwer Erkrankten und die Todeszahlen.