Protokoll der Sitzung vom 23.03.2023

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Abgeordnete, zu Ihrem Redebeitrag gibt es einen Antrag auf Kurzintervention vonseiten der Fraktion der AfD.

Bitte schön, Herr de Jesus Fernandes!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ich will hier mal ein bisschen mit ein paar Unwahrheiten abräumen sozusagen. Sie haben gesagt, dass für uns das kein Problem ist, dass wir Arbeitslosigkeit haben, und Sie haben es völlig falsch wiedergege

ben, mit Absicht auch, das machen Sie öfter. Unterlassen Sie das bitte in Zukunft!

(Zuruf von Constanze Oehlrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben gesagt oder ich habe gesagt, auf die zehn Prozent oder die elf Prozent, die wir im Bereich Usedom oben haben, die Arbeitslosigkeit, dass wir unsere Fachkräfte quasi selber ausbilden sollten und dass wir kein Fachkräftezuwanderungsproblem haben, weil wir hier genug Potenzial im Land besitzen, dass wir einfach nur besser ausbilden müssen, damit wir das in den Arbeitsmarkt integrieren können. Das habe ich gesagt. Das ist eigentlich eine positive Botschaft. Darüber hätten Sie sich freuen können. Stattdessen sagen Sie, wir haben überhaupt kein Problem mit Arbeitslosigkeit und verbreiten irgendwelche Fake News über die AfD.

Möchten Sie darauf antworten? (Zustimmung)

Bitte schön!

Ja, sehr gerne, weil das Thema Arbeitskräftemangel, Fachkräftemangel und woher kriegen wir diese Fachkräfte, beschäftigt uns natürlich auch alle in diversen Ausschüssen und in diversen Kontexten. Und Sie haben gerade, wenn ich Sie richtig verstanden habe, gesagt, wir haben ja sozusagen Menschen, die Arbeit suchen, und die können jetzt diese Plätze füllen, die wir noch auf dem Arbeitsmarkt haben, wo wir Fachkräfte suchen. Diese Rechnung geht leider so nicht auf. Also wenn Sie sich Statistiken anschauen, selbst wenn wir, ich habe jetzt die genaue Zahl bundesweit nicht im Kopf, aber selbst wenn wir alle arbeitslosen Menschen, die wir gerade haben, jetzt in die Jobs bringen, die da gerade sind – was bei vielen, gerade bei Langzeitarbeitslosen, ein sehr langer Prozess ist, da ist sehr viel Weiterbildung, sehr viel Fortbildung, sehr viel Begleitung, das ist nicht unmöglich, und das müssen wir auf jeden Fall auch versuchen, und das sollen wir auch versuchen –, selbst dann reicht die Kapazität von sozusagen freien Fachkräften und sozusagen Arbeitsuchenden in unserem Land nicht aus. Wir brauchen eine große Zuwanderung in dieses Land. Insofern passt das in die Debatte, die wir heute früher schon hatten.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Jan-Phillip Tadsen, AfD: Was ist denn mit den Zugewanderten, die schon da sind?! – Horst Förster, AfD: Wir haben doch so viele! – Glocke der Vizepräsidentin)

Wir brauchen Menschen, die in dieses Land kommen, weil wir ohne Zuwanderung die, ich meine, 10.000 Jobs, die jedes Jahr sozusagen neu besetzt werden müssen, nicht besetzen können. Insofern, Ihre Idee von „Wir schieben die einen mal eben dahin, und dann ist das Fachkräfteproblem gelöst“, ganz so einfach ist es leider nicht, Herr de Jesus Fernandes.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Horst Förster, AfD: Die sind doch schon da. Warum geht das denn nicht?! – Zuruf von Jan-Phillip Tadsen, AfD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Für die Fraktion der AfD hat noch einmal das Wort der Abgeordnete Herr de Jesus Fernandes.

Danke schön, wertes Präsidium! Werte Abgeordnete!

Frau Shepley, Sie legen anscheinend gar keinen Wert auf unsere eigene Bevölkerung, die da denn auch arbeiten will, weil ich unterstelle mal, dass diese Leute, die arbeitslos sind, nicht freiwillig arbeitslos sind. Da haben Sie überhaupt gar keine Wertschätzung für unsere eigene Bevölkerung. Das möchte ich einmal anmerken.

(Thomas Krüger, SPD: Unterstellung!)

Zum Zweiten haben wir seit 2015 eine Zuwanderung. Die Arbeitslosigkeit geht aber nicht nach unten, die geht nach oben. Darüber sollten Sie mal nachdenken, wenn Sie über Fachkräftezuwanderung reden!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Dann ist es interessant zu hören, dass die SPD diesen Bericht auf den Weg bringen möchte. Also da konnte sich dann DIE LINKE dann doch durchsetzen, Harry. Was dabei rauskommt, ja gut, ich gucke mal in die Glaskugel, da wird dann drinstehen als Handlungsempfehlung: Stärkung endogener Faktoren in der Wirtschaft, Beschäftigungspolitik, länderspezifische Initiativen der Bundesagentur für Arbeit und landeseigene arbeitsmarktpolitische Initiativen, also ein Stichpunktzettel wieder, Schulpolitik, Ansätze gegen Schulverweigerung, niedrige Schulabschlüsse, praktische Förderung von bestimmten Problemschülern, gesundheitliche Versorgung im ländlichen Raum, Verkehrsinfrastruktur, Zusammenspiel Land und Kommunen und Unterstützung der Kommunen.

Meine Damen und Herren, das wissen wir alles. Wir haben, wie gesagt, die Zahlen und Fakten liegen auf dem Tisch. Wir können jetzt anfangen, das zu bekämpfen, wenn wir das wollen, oder zumindest die Landesregierung. Das will sie aber nicht, sie möchte nämlich jetzt selber auch einen Bericht schreiben. Da haben Sie ja die Landesregierung auf eine tolle Idee gebracht, Frau Shepley! Da wird wieder nichts passieren, und da helfen Sie auch keinem einzigen Armen im Land. Schade, schade!

(Rainer Albrecht, SPD: Konzept! Kein Bericht, ein Konzept!)

Dann ein wichtiger Punkt, stand auch in den Medien gerade drin, was das Land selber sofort machen kann und was ich auch ein bisschen schäbig finde, warum es das nicht tut: Das Museum in Peenemünde, meine Damen und Herren, das Land ist Eigner und zahlt seit Jahren keinen Tarif. Also wir haben hier so viele hausgemachte Probleme. Das Land kann als Vorreiter nach vorne gehen, genauso wie die SPD mit ihren AWO-Vereinen. Zahlen Sie Tarif, schon da holen Sie Leute mit aus der Armut! – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 8/1927 in den Sozialausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung durch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ansonsten Ablehnung abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 8/1927. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 8/1927 bei gleichem Stimmverhalten abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 27: Beratung des Antrages der Fraktion der FDP – Bürgerrechte schützen – Überwachungsgesamtrechnung, Drucksache 8/1937.

Antrag der Fraktion der FDP Bürgerrechte schützen – Überwachungsgesamtrechnung – Drucksache 8/1937 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Herr Wulff.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir machen mal einen Themenwechsel. Kommen wir von der Sozialpolitik zur Innen- und Sicherheitspolitik!

Wir hatten ja schon gesagt, Freiheits- und Bürgerrechte wurden in der Vergangenheit hart erkämpft und müssen immer wieder verteidigt werden. Und manchmal ist es so, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Wenn wir zum Beispiel mal den Gesundheitszustand eines Waldes beurteilen wollen – ich weiß, hier sind auch viele Agrarpolitiker im Raum –, dann kann ich ja nicht einfach so Pi mal Daumen gucken, gehts ihm gut oder gehts ihm nicht gut, sondern ich muss mir jeden Baum einzeln angucken und sehe dann, wie der gesamte Gesundheitszustand des Waldes am Ende ist.

Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen, was hier für die Bäume im Wald zutrifft, gilt für die Überwachungsmaßnahmen gegen die Bürgerinnen und Bürger im Land erst recht. Die Befugnisse der Sicherheitsbehörden sind in den letzten Jahrzehnten, auch vor dem Hintergrund der fortschreitenden Technologisierung und Digitalisierung, immer weiter ausgebaut worden. Wir haben auch in der Vergangenheit schon darüber gesprochen: Natürlich, neue Umstände, neue Methoden, auch im Bereich des Verbrechens, brauchen auch bei der Verbrechensbekämpfung neue Maßnahmen. Das ist auch gar nicht von der Hand zu weisen. Die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger wurden aber auch im gleichen Maße immer stärker eingeschränkt, wie die Möglichkeiten der Überwachung ausgeweitet wurden. Und Guido Westerwelle hatte einmal gesagt, die Freiheit stirbt scheibchenweise.

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP)

Es wird Zeit, die Überwachungsbefugnisse einmal intensiv zu überprüfen. Hier gehts uns auch einfach mal darum, niemandem jetzt irgendwelche bösen Absichten zu

unterstellen. Ich sage ja auch nicht, dass das, was in der Vergangenheit immer …

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

Ich sage auch nicht, was in der Vergangenheit an neuen Befugnissen hinzugekommen ist, war halt auch immer falsch und vielleicht auch gar nicht immer mit böser Absicht, aber am Ende ist das Ganze mehr wert als die Summe seiner Teile. Mit jeder Maßnahme, die hinzugefügt wurde, kommt in dem Gesamtpaket halt auch etwas dazu. Und ich habe ehrlich gesagt den Eindruck, dass wir den Überblick dort ein wenig verloren haben.

Der Antrag der GRÜNEN zum SOG gestern hat gezeigt, wie lang die Liste sein kann, was man alles streichen könnte oder halt auch nicht. Es wäre sinnvoll,

(Constanze Oehlrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schade, dass du nicht dabei warst.)

es wäre sinnvoll, wenn wir uns da mal drüber unterhalten.

Für uns, den Gesetzgeber, überhaupt erst einmal zusammenzutragen, durch welche Befugnisse in welchem Maß in die Bürgerrechte eingegriffen wird, und dann die einzelnen Befugnisnormen auch noch mal zu überprüfen, da müssen wir doch hin. Dabei sollten nicht nur die Auswirkungen dieser Eingriffsbefugnisse der Sicherheitsbehörden auf den Alltag der Menschen in den Fokus genommen werden, sondern wir müssen auch die Effektivität der Strafverfolgung bewerten. Wie sollen wir die Entscheidung treffen können, ob neue Überwachungsmaßnahmen, Eingriffsbefugnisse sinnvoll sind und vor allem notwendig sind, wenn wir nicht einmal wissen, welche Befugnisse es überhaupt alle gibt, wie oft davon Gebrauch gemacht wird oder welchen Mehrwert die für die Strafverfolgung am Ende bringen?!

(Beifall René Domke, FDP)

Vor der Entscheidung über neue Speicherungspflichten und -berechtigungen ist nicht einmal die Gesamtheit der verschiedenen bereits vorhandenen Datensammlungen in den Blick zu nehmen. Wir müssen doch mal gucken, was ist überhaupt alles schon da. Wir haben doch darüber gesprochen, wir sammeln Daten, wir sammeln Daten, wir sammeln Daten, dann gucken wir ins LKA und sagen, wie wertet ihr die denn überhaupt aus, dann sagen die, da kommen wir eigentlich gar nicht dazu, weil wir haben weder Personal noch die technische Ausstattung dazu. Dann müssen wir doch einmal hinterfragen, was wir da alles sammeln.

Und deswegen sagen wir, die Überwachungsgesamtrechnung ist Voraussetzung dafür, dass wir als Gesetzgeber empirisch fundiert und dann faktenorientiert eine Gesetzgebung gestalten können, die den verfassungsrechtlich verankerten Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land gerecht wird. Und die Novellierung des SOG hier im Lande Mecklenburg-Vorpommern steht auf der Tagesordnung. Das muss jetzt kommen. Und wie wollen wir denn seriös eine Evaluierung vornehmen, wenn wir keine vernünftige Grundlage dafür haben? Und wir sind der Meinung, dass eine Überwachungsgesamtrechnung genau diese Grundlage dafür sein kann, dass wir diese Novelle des SOG dieses Mal ordentlich und verfassungskonform und bürgerrechtssicher an der Stelle dann auch machen.

Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger darauf, also die auf den Bürgerinnen und Bürgern lastende Überwachungslast ist diesen gegenüber aber auch in einer Gesamtheit transparent zu machen. Das heißt, wir wollen auch darstellen, was ist denn eigentlich gesamt da drinnen. Wir wissen zum Beispiel, in Bayern, da ist vielleicht irgendwie eine viermal so hohe Überwachungslast wie in Mecklenburg-Vorpommern. Die Frage – also als Beispiel, wir wissen es ja noch nicht genau, weil wir noch keine Gesamtrechnung haben –, aber die Frage, ob in Bayern dann auch im gleichen Maße die Sicherheit viermal höher ist als in Mecklenburg-Vorpommern, das stelle ich hier mal ganz offen in den Raum, ich glaube nämlich, nicht. Und so müssen wir doch auch am Ende jedes Detail angucken.

Für eine qualifizierte parlamentarische wie auch eine gesellschaftliche Diskussion über Maßnahmen wie Videoüberwachung an Bahnhöfen, den Einsatz von Drohnen oder die Überwachung von Kennzeichen bedarf es einer verlässlichen Datengrundlage sowie einer Evaluation. Nur so lassen sich die Verfassungsklagen verhindern, und eine Überwachungsgesamtrechnung stellt einen wirksamen Ansatz für mehr Transparenz dar.

Und ich betone an der Stelle, wir wollen, dass unsere Polizei, dass unsere Sicherheitsbehörden effektiv arbeiten können. Aber wir wollen auch, dass unsere Bürgerinnen und Bürger darüber Bescheid wissen, welche Befugnisse da sind, und wir wollen nicht mehr Befugnisse einräumen als nötig.

(Beifall vonseiten der Fraktion der FDP)