Protokoll der Sitzung vom 14.03.2024

Es soll künftig erstens Forschungsverbünden ermöglicht werden, Daten auch dann nutzen zu können, wenn es keine öffentliche Förderung gibt, zweitens möglich sein, mit Klardaten zu forschen, soweit die technischen Voraussetzungen gegeben sind, und drittens unter bestimmten Bedingungen gestattet sein, dass personenbezogene Daten, Daten aus bildgebenden Verfahren, Biomaterial und genetische Daten, die in den Krankenhäusern von Mecklenburg-Vorpommern existieren, als Trainingsdaten für die Entwicklung und Weiterentwicklung einer Künstlichen Intelligenz im Rahmen von Forschungsvorhaben genutzt werden dürfen.

Für die Praxis bedeutet die Gesetzesänderung zudem, dass nicht nur mehr Unikliniken mit diesen Daten forschen dürfen, sondern alle Krankenhäuser, die bei konkreten Forschungsvorhaben auch die Daten weiterer Krankenhäuser erhalten können. Dafür soll die bisherige

Regelung des Paragrafen 37 unseres Landeskrankenhausgesetzes angepasst werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich sind die Hürden zur Nutzung von Patientendaten aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes sehr hoch. Unbestritten ist daher, dass unsere Gesundheitsgesetze den Missbrauch dieser äußerst sensiblen Gesundheitsdaten verhindern müssen. Bei jedem Forschungsvorhaben muss die Patientin oder der Patient deshalb eingewilligt haben oder das öffentliche Interesse durch die zusätzliche Ethikkommission unter Beteiligung der oder des Datenschutzbeauftragten festgestellt werden.

Das bedeutet, dass mindestens eine der folgenden Bedingungen gegeben sein muss: vorherige Pseudonymisierung der Daten durch eine Treuhandstelle, vorherige Anonymisierung der Daten und ausschließlich Forschung im eigenen Haus in einem getrennten System. Patientinnen und Patienten in unserem Land müssen und können darauf vertrauen, dass ihre Daten im Einklang mit den datenschutzrechtlichen und technischen Vorgaben verarbeitet werden. Zudem können Patientinnen und Patienten natürlich jederzeit voraussetzungslos der Nutzung ihrer Daten widersprechen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wie Sie sehen, würden wir mit diesem deutschlandweit beispielgebenden Gesetz den Forschungsstandort, aber auch das Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern stärken, denn unsere Forscherinnen und Forscher würden künftig nicht nur auf den wertvollen, aber ungenutzten Routinedaten sitzen, sondern sie aktiv dafür nutzen können, die Behandlung unserer Patientinnen und Patienten zu verbessern. Und daher bitte ich um Ihre Unterstützung.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Ministerin!

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 36 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr de Jesus Fernandes.

Sehr geehrtes Präsidium! Werte Abgeordnete! Das Gesundheitsforschungsstärkungsgesetz, was hier heute eingebracht wird, ist zum Teil eine Chance, eine riesige Chance. Was für ein Schatz sind doch Gesundheitsdaten von Patienten! Ich will meinen, mit der größte menschliche Schatz, den die Menschheit überhaupt zu bieten hat, wenn man guckt, was man mit diesen Daten alles anstellen könnte. Und da geht auch die Kritik hin, die wir hier aussprechen wollen. Wenn das öffentliche Interesse von einer Ethikkommission festgelegt wird, dann hinterlässt das wesentlich mehr Fragezeichen als Antworten, meine Damen und Herren.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Warum das?)

Wir wissen alle, wie der Ethikrat bei Corona, in persona der Vorsitzenden Alena Buyx, vollkommen versagt hat, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und wenn hier das öffentliche Interesse – was bedeutet dann das eigentlich oder was kann das bedeuten – über allem, über dem persönlichen Interesse steht, was im Grundgesetz natürlich geschützt ist, und ich würde Ihnen da gerne ein bisschen auf die Sprünge helfen: Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, da gibt es das Recht auf informelle Selbstbestimmung, und das berührt genau eben diesen Bereich.

Wir haben auf der einen Seite die Möglichkeit, Krebs als Volkskrankheit eventuell besser zu bekämpfen. Wir haben die Möglichkeit, im Bereich Organspende wesentlich weiter voranzukommen. Aber es gibt eben auch die Möglichkeit des Missbrauchs. Wir wissen, dass Militär- oder Verteidigungsministerien gerne Universitäten und Hochschulen fördern finanziell für ihre Projekte. Und wir befinden uns in einer Situation, die nicht gerade sehr friedlich ist in Europa. Was kann das bedeuten? Was kann man da mit diesen Daten zum Beispiel anstellen? Und warum lassen wir das zu, dass völlig intransparent das Militär an Hochschulen und Universitäten forscht? Hier wäre die Möglichkeit, also die Tür wäre quasi offen, hier einen Missbrauch zu betreiben mit unseren Daten,

(Zuruf von Hannes Damm, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

was der Patient sicherlich so nicht will. Mich hat das ein bisschen erinnert an den Film „Die Insel“ – wer hat das gesehen? –, was man so machen kann.

Und gehen wir mal davon aus, dass momentan Amerika bei uns an den Unis auch aus dem Verteidigungshaushalt schon forschen lässt. Es ist ja nicht das einzige Land, was hier Geld zur Verfügung stellen würde. Was passiert zum Beispiel, wenn Russland hier irgendetwas fördern möchte mit finanziellen Mitteln im Bereich Forschung? Frau Schwesig ist ja da sehr aufgeschlossen.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD)

Und gucken wir mal, was China dazu sagt.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

China, es geht ja auch um die Datensicherheit, meine Damen und Herren. Regen Sie sich nicht so auf! Wer überträgt denn hier?

(Zuruf von Christine Klingohr, SPD)

Wer stellt denn hier die Infrastruktur zur Verfügung für die mobile Datenübertragung? Und wer liefert die Software dafür? Das ist Huawei, meine Damen und Herren, deutschlandweit. Das ist ein chinesischer Konzern. Wie wollen Sie sicherstellen, dass diese Daten nicht abgezweigt werden bei eventuellen Übertragungen? Hier gibt es ganz viele Fragezeichen, die total wichtig sind für eine öffentliche Anhörung, um eben das auszuräumen, wenn Sie das erreichen wollen, was Sie hoffentlich vorhaben, indem Sie tatsächlich die Bevölkerung von Volksleiden befreien wollen oder neue Forschungswege eben dort auf den Weg bringen wollen.

Wir möchten gerne, dass der Schutz der Privatsphäre noch besser verankert wird. Wir möchten gerne, dass es richtige Transparenz bei der Datennutzung gibt. Das gibt

Ihr Gesetzesentwurf nicht her. Dann muss es das Recht der Betroffenen geben, auch im Nachhinein noch dort zu widersprechen und die Verwendung einzuschränken, denn wir wissen alle, wer selber in einer Notlage ist, einer gesundheitlichen Notlage, der unterschreibt gerne erst mal alles, damit ihm geholfen wird. Auch da hat das für mich so ein bisschen ein Geschmäckle.

(Zuruf von Hannes Damm, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und was wir nicht möchten, wie gesagt, sind Gendatenbanken von unserer gesamten Bevölkerung, wenn hier das öffentliche Interesse angeführt wird oder so, das muss alles beleuchtet werden. Ich bin gespannt auf die Anhörung. Wir haben da konkrete Vorstellungen und Fragestellungen schon vorbereitet, und ich freue mich dann, ob das dann Einzug findet in die Zweite Lesung und den endgültigen Gesetzentwurf. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Harry Glawe, CDU: Reden Sie doch mal zum Thema!)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau Hoffmeister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns ja nicht das erste Mal in diesem Zusammenhang hier mit der Frage der Stärkung der Nutzung der Gesundheitsdaten, sondern wir haben das ja im September schon getan, als die Regierung sich den Auftrag hat geben lassen, ein solches Gesetz zu erstellen.

Ich finde es richtig, dass dieses Stärkungsgesetz uns vorgelegt wird, weil ich es richtig finde, dass wir Gesundheitsdaten tatsächlich für Forschungsvorhaben besser nutzen können und wir dafür den Zugang auch erleichtern wollen. Und ich finde es auch richtig, dass damit Universitätskliniken, aber auch alle anderen Krankenhäuser im Land einbezogen werden für eine solche Forschungsdatenbank, Nutzungsrechte zu erhalten. Ich halte es auch für richtig, dass diese Gesundheitsdaten dann für Trainingsdaten verwendet werden, um Fort- und Weiterentwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz tatsächlich zu ermöglichen.

Die CDU-Fraktion unterstützt also grundsätzlich, dass Gesundheitsdaten künftig zu forschungs- und gemeinwohlorientierten Zwecken besser und einfacher genutzt werden sollen. Dadurch wird – die Ministerin hat es ausgeführt – eine bessere Prävention möglich, eine Früherkennung tatsächlich ermöglicht, und es ist natürlich viel einfacher, wenn viele Gesundheitsdaten zur Verfügung stehen, um die Risiken, sagen wir mal Diabetes, tatsächlich besser zu ermitteln und zu erforschen. Und na klar ist es auch gut, dass das dann auch für die Entwicklung von Medikamenten genutzt werden kann und vor allem auch, um die Untersuchung von Nebenwirkungen besser zu ermöglichen. Und das, was uns besonders ermutigen sollte, ist, dass die Bevölkerung auch die Nutzung von Gesundheitsdaten grundsätzlich positiv sieht und eine hohe Akzeptanz dafür zu erwarten ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, selbstverständlich aber gibt es eben auch Risiken, keine Frage. Gesundheitsdaten sind die sensibelsten Daten eines jeden Einzelnen von uns. Und der Gesetzentwurf sieht ja vor, dass die Daten vorab durch eine Treuhandstelle pseudonymisiert und anonymisiert werden müssen und eben ausschließlich zur Forschung im eigenen Haus in einem getrennten System genutzt werden müssen. Und ich erinnere in diesem Zusammenhang an das bestehende Krebsregister in diesem Land in MecklenburgVorpommern. Und auch dort sind Registerstellen eingerichtet worden, Treuhandstellen und Zentralstellen errichtet worden, sodass wir da im Land auch über gute Erfahrungen verfügen.

Der Gesetzentwurf geht zu Recht darauf ein, dass man sich in einem Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und Wissenschaftsfreiheit bewegt und die richtige Balance gefunden werden muss. Ob diesem Gesetzentwurf dies gelungen ist, gilt es aus meiner Sicht im Kern im Rahmen der Anhörungen zu klären, denn Zweifel bleiben.

Wichtig ist auch zu klären, ob beispielsweise durch das Land in der Koordinierung, Vereinheitlichung und Vernetzung von Gesundheitsdaten weitere Rahmenbedingungen gelegt werden müssen, beispielsweise durch unterschiedliche Förderstrukturen, denn bereits jetzt gibt es bundesweit rund 300 verschiedene Register für Gesundheitsdaten, ohne dass diese wirklich effektiv genutzt und verglichen werden können. Baden-Württemberg hat beispielsweise mit MEDI:CUS eine cloudbasierte Gesundheitsplattform auf den Weg gebracht, indem der sichere und schnellere Austausch von Gesundheitsdaten ermöglicht wird. Das Projekt wird durch das Land gefördert und MEDI:CUS steht dabei für Medizindateninfrastruktur, ist cloudbasiert, universell und – so sagt man in Baden-Württemberg – sicher.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Anhörung wird sicherlich darüber Aufschluss geben, wo und ob es noch Optimierungsbedarf gibt. Diese Möglichkeiten wollen wir selbstverständlich nutzen und stimmen einer Überweisung zu. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich knüpfe gerne an den Redebeitrag meiner Vorrednerin an. Wir haben grundsätzlich ein Interesse daran, dass Menschen gesund bleiben und im Falle von Erkrankungen geheilt werden beziehungsweise weitestgehend eine Linderung erfahren. Und schaut man sich die Gesundheitsdaten der letzten Jahre/Jahrzehnte an, sind viele Fortschritte erreicht worden. Also verglichen mit der Wendezeit hat sich die Lebenserwartung, die durchschnittliche, um mehr als ein Jahrzehnt erhöht. Und das ist den Rahmenbedingungen geschuldet, das ist medizinisch-technischer Fortschritt, das sind auch die Bedingungen, unter denen an Krankenhäusern oder in Ambulanzen Menschen Heilung erfahren, das hat aber immer auch etwas mit Forschung und Erkenntnissen aus der Wissenschaft zu tun.

Und wir haben – das wird in dem Gesetzentwurf ausführlich beschrieben – deutlich den Konflikt zwischen der Freiheit der Forschung nach Artikel 5 Grundgesetz und der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung, dort Artikel 9, die in besonderer Weise und ausdrücklich, wenn es um personenbezogene und um Gesundheitsdaten geht, hier einen Schutz eingebaut hat bis hin zum Verbot der Verwendung von Gesundheitsdaten.

Und es bedarf schon, Herr de Jesus Fernandes, also hoher Hürden, um Gesundheitsdaten im Interesse der Menschen nutzen zu können. Über einige Sachen hat Frau Ministerin gesprochen, eben diese persönliche Einwilligung. Die Ethikkommission, die Sie in Kritik gestellt haben, ist kein unfehlbares Gremium. Es gibt keine unfehlbaren Gremien. Aber schaut man sich das an, was dieses Gremium in den letzten Jahren vorgelegt hat – im Übrigen jeweils berufen und im Auftrag des Deutschen Bundestages und der Bundestagspräsidentin beziehungsweise des -präsidenten –, dann sind das immer Empfehlungen. Entscheidungen müssen andere treffen.

Und einen konkreten Entscheidungspunkt haben wir mit diesem Gesetzentwurf, nämlich diesen Konflikt aufzulösen, einerseits, dass wir möchten, dass Menschen gesund leben und die Möglichkeiten angewandt werden, die vorhanden sind, um zu heilen und zu pflegen und gesund zu bleiben, und andererseits eben diese Ausschlusskriterien. Und dieser Gesetzentwurf zeigt auf, wie das in Mecklenburg-Vorpommern geschehen kann. Und die Besonderheit in unserem Land ist, dass der Datenschutzbeauftragte unseres Landes aktiv auch im Vorfeld der Entstehung dieses Gesetzentwurfs mitgearbeitet hat, und aus dem Kreis von Datenschutzbeauftragten der Bundesrepublik – er ist ja nicht frei schwebend, hat ja auch in Konsultation mit Amtskolleginnen und Amtskollegen agiert – ist auch mithilfe der Expertise des Datenschutzbeauftragten dieser Weg hier skizziert worden, über den wir dann im Ausschuss zu beraten haben.

Und wir halten als Linksfraktion diesen Gesetzentwurf für einen sehr fortschrittlichen, weil Möglichkeiten genutzt werden, aber gleichzeitig bestehende Schutzkriterien nicht ausgehebelt werden, sondern klar deutlich gemacht wird, wer an welcher Stelle agiert und dass die Forschung nicht allein den beiden Unikliniken obliegt, sondern alle Krankenhäuser mit einbezogen werden, wir also eine große Anzahl von Expertinnen und Experten hier haben, die mitwirken können, das Gesundheitsland Nummer eins Mecklenburg-Vorpommern noch stärker aufzustellen an dieser Stelle. Wir sind sehr interessiert und gespannt auf diese Aussprache und Diskussion dann im Ausschuss und freuen uns darauf. Das will ich sagen. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Herr Abgeordneter, zu Ihrem Redebeitrag gibt es einen Antrag auf Kurzintervention seitens der Fraktion der AfD.

Bitte schön, Herr de Jesus Fernandes!

Vielen Dank!