Protokoll der Sitzung vom 13.03.2002

Meine Damen und Herren, wir erwarten von der Debatte im Bundesrat, dass unsere Parlamentsstellungnahme mit umgesetzt wird,

(Zustimmung bei der SPD)

und wir erwarten von der Kommission, dass die verfassungsrechtliche und parlamentarische Verantwortlichkeit der Regionen in föderalen Staaten respektiert wird. - Ich danke Ihnen sehr.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der CDU spricht der Kollege von der Heide.

(Biallas [CDU]: Dass wir das erleben dürfen!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten enthält wesentliche Kritikpunkte zum Weißbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu dem Thema „Europäisches Regieren“. Dennoch sollte auf einige Punkte ergänzend hingewiesen werden.

Das Ziel der von EU-Kommissionspräsident Prodi vorgelegten Initiative, die Transparenz der Tätigkeit der EU zu verbessern, ist zu begrüßen. Zu den wesentlichen Aufgaben der Europapolitik gehört es, den Gedanken der Europäischen Union stärker und verständlicher als bisher zu vermitteln. Dieser Aufgabe müssen sich nicht nur die Kommission und das Europäische Parlament, sondern auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellen. Aus diesem Grund ist auch das Land Niedersachsen politisch gefordert, seine Aktivitäten zur Information über Europa insbesondere im Hinblick auf die anstehende EU-Erweiterung zu verbessern und auszubauen.

Ferner ist die im Weißbuch formulierte Absicht der Kommission zu begrüßen, den Mitgliedstaaten mehr Eigenverantwortung bei der Durchführung von EU-Vorhaben einzuräumen und Zuständigkeiten zu delegieren. Dabei muss jedoch ausgeschlossen werden, dass durch Regelungen der EU unmittelbare Aufgaben von Ländern, Regionen und Kommunen genommen und damit deren Zuständigkeiten und Kompetenzen beeinträchtigt werden. Da die interne Zuständigkeitsverteilung eine Frage des nationalen Rechts ist, muss es der Kompetenz der Mitgliedstaaten überlassen bleiben, Aufgaben mit unteren Verwaltungsebenen zu regeln.

Begrüßenswert ist ferner die Ankündigung der EUKommission im Weißbuch, das Gemeinschaftsrecht weiter zu vereinfachen. Diese Absichtserklärung ist jedoch nicht ausreichend. Vielmehr wäre es sinnvoll gewesen, im Weißbuch konkrete Vorschläge darüber aufzunehmen, inwieweit die Regelungsdichtung der EU zurückgeführt und Entscheidungen auf unterer Ebene getroffen und umgesetzt werden können.

Abzulehnen ist der Vorschlag im Weißbuch, weitere autonome EU-Regulierungsagenturen zu schaffen. Bei zunehmender Auslagerung von Kompetenzen auf Agenturen werden das Mitentschei

dungsrecht und die politische Kontrolle durch das Europäische Parlament und den Rat erschwert.

Zudem ist eine zunehmende Zersplitterung der Exekutive zu befürchten, die zu einer Beeinträchtigung der Transparenz für Bürgerinnen und Bürger führt. Grundsätzlich muss sichergestellt werden, dass die im Weißbuch aufgeführten Vorschläge keinen zusätzlichen bürokratischen Aufwand schaffen. Ebenso wenig dürfen die Entscheidungsprozesse durch die Einbeziehung einer Vielzahl von politischen Akteuren verzögert werden.

(Beifall bei der CDU)

Bedauerlicherweise enthält das Weißbuch keine Vorschläge zur Verbesserung der Mitwirkung der Kommunen auf europäischer Ebene. Es sollte zu den wesentlichen europapolitischen Zielen gehören, die immer stärker betroffenen kommunalen Interessen möglichst umfassend in die europäische Meinungsbildung und Entscheidungsfindung einzubringen.

(Beifall bei der CDU)

Die Einrichtung und die Beteiligung im Rahmen des Ausschusses der kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften ist für eine wirkungsvolle kommunale Interessenwahrnehmung nicht ausreichend. Da der Ausschuss der Regionen derzeit nur eine beratende Funktion und keinen Organstatus hat, gehört die Aufwertung des Ausschusses der Regionen zu den wichtigsten kommunalen Forderungen im Zusammenhang mit der institutionellen Reform der EU.

(Beifall bei der CDU - Ehlen [CDU]: Sehr richtig!)

Hier sagen wir eindeutig: Es ist bedauerlich, dass das Weißbuch insofern keine Vorschläge enthält.

Meine Damen und Herren, der Änderungsantrag der Grünen, der den kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften eine Normenkontrollklage vor dem EuGH erlauben soll, ist zwar für die weitere Diskussion richtig und wichtig, harmoniert aber nicht mit dem grundsätzlichen Ansatz, den wir gesehen haben, eine Stellungnahme zum Weißbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften „Europäisches Regieren“ zu geben. Deswegen werden wir diesen Änderungsantrag ablehnen, wollen ihn aber in der künftigen Diskussion nicht vernachlässigt wissen. Das sollte hier noch einmal klargestellt werden.

(Beifall bei der CDU)

Die Fraktion der Grünen wird durch den Kollegen Wenzel vertreten.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Weißbuch der Europäischen Union will mehr Bürgernähe und Transparenz sowie eine größere Effektivität und Kohärenz bei der Umsetzung von Vorhaben der Union.

Ich teile im Grundsatz die Auffassung, die in der Stellungnahme der deutschen Landesregierungen zum Ausdruck kommt. Dort werden Zweifel an dem Erfolg von rein verwaltungstechnischen Verbesserungen und Abstimmungsverfahren geäußert. Um das Vertrauen in die europäischen Institutionen zu stärken, sei darüber hinaus eine am Subsidiaritätsprinzip orientierte Abgrenzung der Zuständigkeiten erforderlich.

Mittlerweile liegen uns sehr umfangreiche Stellungnahmen der Länder und des Bundesrates zur Neuordnung der Kompetenzen in der EU vor. Sie spielen eine Rolle bei der Diskussion dieses Weißbuchs, aber auch bei der Arbeit des Konvents. Bei der Lektüre dieser Vorschläge hat man den Eindruck, dass einige Autoren die Kompetenzordnung vor sich her tragen, dabei aber ganz andere Ziele verfolgen.

Ministerpräsident Gabriel zielt mit seinen Attacken auf die FFH-Richtlinie, auf den Kern von „Natura 2000“ und damit auf ein zentrales europäisches Naturschutzprojekt. Wenn Gabriel hier Planungshindernisse beklagt,

(Wernstedt [SPD]: Herr Gabriel min- destens!)

verweist er damit nur auf Planungsmängel niedersächsischer Raumordnungs- und Straßenbauverwaltungen. Wenn der Ministerpräsident die Abschaffung der Strukturfonds fordert, mag das aus seiner Sicht für Niedersachsen opportun sein, weil Niedersachsen ab 2006 voraussichtlich nicht mehr Ziel-2-Gebiet ist. Aus europäischer Sicht gefährdet eine solche Sichtweise den Zusammenhalt der Union.

Ich halte es daher für notwendig, dass wir uns beim Thema Kompetenzordnung auf wesentliche Punkte konzentrieren. Wenn wir den Eindruck erwecken, dass wir im Rahmen der Arbeit des Konvents alle alten Fässer wieder aufmachen, werden wir uns in endlosen Diskussionen verzetteln. Tendenzen zur Renationalisierung oder zur Desintegration werden wir entschieden widersprechen.

Die wesentlichen Punkte sind meines Erachtens die Definition der Kernkompetenzen der EU, wie sie im Papier der Länder Bayern, Niedersachsen, NRW und Sachsen behandelt werden, die Wahrung der Rechte der gesetzgebenden Regionen in Europa und die Durchsetzung einer wirkungsvollen Kontrolle von Verletzungen des Grundsatzes der Subsidiarität.

Die Definition der Kernkompetenzen unter 1. muss im Konvent erfolgen. Hierzu werden wir eine weitere Debatte bekommen, wie die SPD-Fraktion schon angekündigt hat.

Zu 2. bin ich mit den Ausführungen in dem Antrag, der uns vorliegt, einverstanden.

Zu 3. schlagen wir Ihnen einen Änderungsantrag vor, der die Schaffung eines Klagerechtes für Kommunen und regionale Gebietskörperschaften vorsieht. Die Landesregierung will hier lediglich ein Klagerecht für den Ausschuss der Regionen, ebenso die Landtagsfraktion der SPD.

In den Diskussionen über „Europäisches Regieren“ gibt es immer wieder Kritik an mangelnder Transparenz und mangelnder Erkennbarkeit politischer Verantwortung. Viele der Reformvorschläge, die hier diskutiert werden, haben aber den Nachteil, dass sie noch kompliziertere Verfahren zur Folge haben.

Vor diesem Hintergrund bietet sich die Schaffung eines Klagerechtes für Kommunen und Regionen an. Wer seine Kompetenzen verletzt sieht, muss durch eine Normenkontrollklage vor dem EuGH das Recht auf Überprüfung haben. Ein solches Klagerecht ist wesentlich effektiver und in der Wirkung auch transparenter als Grundsätze und Prüfverfahren irgendwelcher öffentlicher Gremien. Es hat zudem die Folge, dass bei jeder Rechtssetzung die Möglichkeit der Überprüfung im Raum steht. Das hat schon im Vorfeld eine disziplinierende Wirkung.

Die Ausschussmehrheit hat sich diesem Vorschlag leider verschlossen. Ich gehe davon aus, wenn Sie

nur ein Klagerecht für den AdR fordern, werden Sie am Ende mit leeren Händen dastehen; oder Sie bekommen eine Kompetenzordnung, die komplizierter ist als das, was wir heute haben.

Ich würde mich über Ihre Zustimmung zu unserem Änderungsantrag freuen. Wenn Sie ablehnen, können wir die Entschließung leider nicht mittragen. Vielen Dank für‘s Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN - Frau Wörmer-Zimmermann [SPD]: Mit der Freude wird das heute nichts!)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung, und wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab, der eine Ergänzung der Stellungnahme vorsieht, und anschließend über die Beschlussempfehlung des Ausschusses.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 3223 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenstimmen! - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Drucksache 3167 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenstimmen! - Bei wenigen Gegenstimmen ist dieser Beschlussempfehlung zugestimmt worden.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 22: Besprechung: Gesundheit von Kindern in Niedersachsen Große Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 14/2859 - Antwort der Landesregierung - Drs. 14/3177

Die schriftliche Antwort der Landesregierung liegt Ihnen allen vor. In der Besprechung hat zunächst eine Vertreterin der die Frage stellenden Fraktion das Wort. Es handelt sich um die Kollegin Frau Elsner-Solar.

Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Gesellschaftliche Änderungsprozesse und aktuelle Befunde zum Gesundheitsstatus von Kindern und Jugendlichen machen es notwendig, dass der Kinder- und Jugendgesundheit größere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die SPD-Landtagsfraktion hat daher in der Großen Anfrage eine Fülle von Fragen an die Landesregierung gerichtet, für deren Beantwortung wir zu großem Dank verpflichtet sind.

Die Antworten zeigen Erfolge und Ergebnisse einer zielgerichteten Gesundheitspolitik für Kinder und Jugendliche auf. Sie zeigen darüber hinaus Qualitätsmängel und Handlungsbedarf, der der parlamentarischen Initiative zum Wohl von Kindern und Jugendlichen zugänglich ist.

Die Beantwortung unserer Großen Anfrage ermöglicht uns aufgrund der erbrachten Datenlage, auch künftige Gesundheitspolitik für Kinder und Jugendliche an den Handlungsorientierungen auszurichten: ungleiche Entwicklungen zu vermeiden, Fehlversorgung abzubauen, Qualität durch mehr Effektivität und Wirtschaftlichkeit zu sichern, was mehr Prävention heißt, sowie Lebenslagen zu beleuchten und Defizite zu kompensieren.

Wenn wir mit der Situation um die Geburt herum beginnen, so können wir positiv feststellen, dass ein Verzicht auf Krankenhausgeburten keinen Verzicht auf Qualität bedeuten muss. Die positiven Ergebnisse der APGAR-Werte – das sind Werte, die die Gesundheit des Säuglings um die Geburt herum definieren – bei den Hausgeburten zeugen von hoher Beratungs- und Begleitungskompetenz der eingesetzten Hebammen. Schwangerschaft und Geburt sind keine Krankheiten. Daher plädieren wir dafür, diesen Weg zu stärken. Wo keine Komplikationen zu erwarten sind, sollen die Umstände so normal wie möglich sein. Von der Gesundheitspolitik im Auge behalten, eventuell einer genaueren Analyse unterzogen werden sollten jedoch die leicht, aber immerhin steigenden Raten von Frühgeburten, Kaiserschnittgeburten und die damit einhergehende rückläufige Zahl von Normalgeburten.

In Anbetracht der Abhängigkeit „sozialer Status/Inanspruchnahme von Beratung“ sind insbesondere die neuen Projekte der Landesregierung zur Familienhilfe für junge Mütter durch Familienhebammen zur Wochenbettnachsorge bei schwierigen materiellen und psychosozial belastenden Lebenslagen in drei Projektregionen begrüßens