Wir kommen jetzt zur Abstimmung zu Punkt 14. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung in der Drucksache 3169 zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 2932 ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag so angenommen worden.
Wir kommen jetzt zu den Tagesordnungspunkten 15 bis 20, die vereinbarungsgemäß gemeinsam beraten werden, also
Tagesordnungspunkt 15: Zweite Beratung: Neue Wege in der Arbeitsmarktpolitik erproben - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 14/3027 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Sozial- und Gesundheitswesen Drs. 14/3178
Tagesordnungspunkt 16: Einzige (abschließende) Beratung: Der Arbeit Zukunft geben - Landesregierung muss aktiv werden - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2658 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Sozial- und Gesundheitswesen - Drs. 14/3179
Tagesordnungspunkt 17: Zweite Beratung: Beschäftigungsoffensive „Zeitarbeit mit 50plus“ starten - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3023 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Sozial- und Gesundheitswesen - Drs. 14/3181
Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung: Dienstleistungswirtschaft in Niedersachsen: Chance für Wachstum und Beschäftigung Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3190
Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung: Neuordnung des Niedriglohnsektors - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3199
Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung: Neuordnung der Arbeitsmarktpolitik - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3198
Die Anträge der Fraktion der SPD, Drucksache 3027, und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 3023, wurden in der 95. Sitzung am
24. Januar 2002 und der Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 2658, am 13. September 2001 an den Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.
Die Einbringung der Anträge unter den Tagesordnungspunkten 18, 19 und 20 soll nacheinander vorgenommen werden. Wer bringt den Antrag unter Punkt 18 ein? - Niemand?
Wir kommen dann zur Beratung. Folgende Redezeiten sind vereinbart worden: für die SPDFraktion bis zu 24 Minuten, für die CDU-Fraktion bis zu 32 Minuten, für die Fraktion der Grünen bis zu acht Minuten und für die Landesregierung bis zu acht Minuten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt hier regelmäßig ein Ritual: Diejenigen, die sich mit den wirklichen Problemen des Landes befassen wollen, werden als Nörgler und Standortnörgler beschimpft, die unser schönes Land Niedersachsen schlecht redeten. Diese Debatte, die immer wieder reflexartig geführt wird, wird von Ihnen dadurch getoppt, dass Sie sich jetzt entschieden haben, Arbeitsmarktzahlen, die eigentlich nur in einer Weise der Interpretation zugänglich sind, mit „Niedersachsen steht gut da“ zu überschreiben. So hat Gitta Trauernicht, die Sozialministerin unseres Landes, die Bekanntgabe der niedersächsischen Arbeitslosenzahlen für den Monat Februar kommentiert mit dem Zusatz: „Niedersachsen steht im Vergleich mit den anderen westdeutschen Bundesländern gut da.“
Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht nur eine Täuschung der Öffentlichkeit, sondern eine Unverschämtheit gegenüber den vielen hunderttausenden Arbeitslosen im Land, denen man quasi sagt, sie seien selber schuld.
Das ist auch eine Verhöhnung der Betriebe in Niedersachsen, die Insolvenz anmelden, die Sie im Stich lassen, um die Sie sich nicht kümmern, weil Sie erklären, Niedersachsen stehe gut da.
In Deutschland gibt es in den sieben westdeutschen Flächenländern folgende Arbeitslosenquoten: Baden-Württemberg: 5,6 %, Bayern: 6,8 %, Hessen 7,3 % - alle drei sind CDU- bzw. CSU-regiert -, Rheinland-Pfalz 7,7 %, Saarland 9,4 %, SchleswigHolstein 9,6 %, Nordrhein-Westfalen 9,6 % und Niedersachsen als Schlusslicht mit der roten Laterne 10 % im Monat Februar. Niedersachsen hat damit die höchste Arbeitslosigkeit aller westdeutschen Flächenländer und die zweithöchste in Westdeutschland; nur Bremen ist schlechter. Das ist die Wahrheit Ihrer Arbeitsmarktstatistik!
Wenn man die rote Laterne hat, wenn man mit 10 % Arbeitslosigkeit das Schlusslicht ist, wenn man beim Wachstum des Bruttoinlandsprodukts mit 0,3 % nahezu Schlusslicht ist - selbst Sachsen hatte im letzten Jahr ein doppelt so hohes Wachstum seiner Wirtschaftskraft -, wenn man bei der Entwicklung der Zahl der Erwerbstätigen - wo alle Steigerungen haben, weil Sie 630-DM-Jobs in Erwerbstätige umgewidmet haben - noch einen Rückgang von 0,2 % hat und nur SchleswigHolstein noch hinter uns liegt, dann ist es infam, Frau Trauernicht, in der Öffentlichkeit zu sagen: Niedersachsen steht gut da im Vergleich der anderen Länder. - Das ist einfach infam. Wir weisen das zurück.
Im Lande Niedersachsen gibt es 387 612 arbeitslose Menschen – 5 700 Arbeitslose mehr als im Vorjahresmonat. Dann zu sagen, wir ständen gut da, ist wirklich unglaublich.
Wenn einem, wie Ihnen hier in Niedersachsen, das Wasser bis zum Hals steht, dann sollte man den Mund nicht zu weit aufmachen; denn man ertrinkt automatisch, wenn einem das Wasser bis zum Hals steht.
Ich sage Ihnen: Nichts ist getan worden, um die Arbeitslosigkeit in diesem Land zu reduzieren. Wir haben seit Jahren im Bundesvergleich ein unterdurchschnittliches Wachstum, ein unterdurchschnittliches Wachstum gegenüber den Flächenländern. Das Saarland, das immer hinter uns gelegen hat, ist uns von 9,9 % über 9,7 % und 9,6 % auf jetzt 9,4 % Arbeitslosenquote immer weiter entrückt, seit die CDU im Saarland die Landesregierung übernommen hat. Das ist die Wahrheit im Vergleich der Bundesländer!
Wir haben hier Initiativen ergriffen und Vorschläge dazu gemacht, wohin es gehen müsste, um wieder besser dastehen zu können.
Vor wenigen Tagen sagte der Ministerpräsident in der Nordwest-Zeitung Oldenburg, es gebe in der Tat Gründe dafür, dass beispielsweise die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt werden müssten, dass dezentrales Management und dezentrale Verantwortung der örtlichen Verwaltungen gefragt seien. Als wir vor Jahren gesagt haben „Lasst uns von den Zentren für Arbeit und Einkommen in den Niederlanden lernen, lasst uns von Wisconsin in den Vereinigten Staaten mit der dortigen One-Stop-Strategie lernen, wo ein Beamter für einen umfassend zuständig ist“, haben Sie gesagt: Das ist alles Quatsch, alles Unsinn, das ist alles nicht nötig. Das machen wir nicht. Das machen schon die Kreise, wenn sie wollen. Damit haben wir nichts zu tun. - Das hat dazu geführt, dass wir so schlecht dastehen, wie wir dastehen.
Wir wollen das ändern. Wir glauben, Niedersachsen kann mehr aus seinen Möglichkeiten, aus seiner zentralen Lage, aus seinen wissenschaftlichen Einrichtungen und seinen Universitäten machen, um zu Existenzgründungen, zu Mittelstands- und Handwerkspolitik zu kommen, die mehr Arbeit schafft und nicht weniger.
Macht es Sie eigentlich gar nicht nachdenklich, Frau Knorre, dass Ihr Ministerpräsident durch Niedersachsen reist und im Emsland, im Landkreis Osnabrück, in Vechta und in Cloppenburg sagt „Wir sind stolz auf euch; keine Kreise sind so gut wie ihr“, ohne hinzuzufügen, dass es CDUgeführte Kreise sind,
dass sie seit 1994 eine Politik mit Serviceagenturen - „MaßArbeit“ -, Vermittlungsarbeit, mit Selbständigkeitsförderung, mit Überführung/Brückenbau in den ersten Arbeitsmarkt machen, dass die SPDgeführten Landkreise in Niedersachsen gegenüber dem Landesdurchschnitt eine durchschnittlich 2 % höhere Arbeitslosigkeit haben und die CDUgeführten Landkreise mit ihrer Arbeitslosigkeit 2 % unter dem Landesdurchschnitt in Niedersachsen liegen, weil dort effektiv aktive Arbeitsmarkt
politik betrieben wird und nicht nur geredet, sondern auch gehandelt wird? - Darin unterscheiden wir uns!
Zu den einzelnen Punkten werden hier noch Frau Pawelski und Herr Gansäuer sprechen. Wir appellieren nochmals an Sie: Welches sind die Erfolgsfaktoren für mehr Beschäftigung? - Das Erste ist eine hohe Investitionsquote. Die haben Sie auf einen historischen Tiefstand von 9,6 % geführt. Die Ankündigung des Ministerpräsidenten von heute Morgen lautet, dass die Mittel, die aus dem letzten Jahr im investiven Bereich übertragen werden können, jetzt quasi auch noch einer Haushaltssperre unterliegen und damit die Investitionsquote faktisch nochmals wieder abgesenkt wird, was zur Steigerung der Arbeitslosigkeit, aber nicht zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beiträgt. Eine niedrige Staatsquote, eine niedrige Steuer- und Abgabenbelastung trägt zu mehr Beschäftigung bei. Sie erhöhen in diesem Jahr die Steuern, Sie erhöhen die Gebühren des Landes gigantisch um 14 %. Sie lassen durch Untätigkeit, z. B. in der Gesundheitspolitik, die Sozialbeiträge steigen.
Drittens. Wir brauchen flexible Regelungen im Arbeits- und Tarifrecht gerade für mittelständische Betriebe. Sie haben aber durch die Abschaffung der 630-DM-Jobs die Bekämpfung der angeblichen Scheinselbständigkeit Bürokratie eingeführt, Beschäftigung vernichtet, Jobs gekillt. Wir haben gestern bereits darauf hingewiesen. Rekorde haben Sie lediglich bei Überstunden und vor allem bei der Schwarzarbeit. Noch nie gab es so viel Schwarzarbeit in Deutschland wie derzeit nach drei Jahren Rot-Grün, weil die Leute vor der Steuerund Abgabenlast, vor der Bürokratie, die Sie geschaffen haben, flüchten.
Es ist schon eine besondere Form der parlamentarischen Beratung, wenn Herr Schwarz und andere in den Ausschüssen dafür Sorge tragen, dass unsere Anträge komplett abgelehnt werden, Anträge, die eine Reihe von Ansätzen enthalten, die Sie sich inzwischen zueigen gemacht haben, z. B. Jugendbüros einzurichten, wie es sie im Emsland, wie es sie im Landkreis Osnabrück seit vielen Jahren gibt. Dort wollen Sie jetzt mit der Finanzierung einer Stelle einsteigen. Sie lehnen unsere Anträge pauschal ab und beschließen lediglich Ihren Antrag mit dem Inhalt, dass Sie neue Wege erproben
wollen. Nach zwölf Jahren Regierungszeit wollen Sie erproben, statt zu machen, zu tun und umzusetzen.
Wir wollen Beschäftigungspotenziale im Niedriglohnbereich schaffen, auch im Dienstleistungsbereich, indem wir dort die Sozialabgabenbelastung reduzieren. Das ist längst als Erfolgsrezept bekannt, beispielsweise aus den Niederlanden. Wir haben seit Jahren darauf hingewiesen. Auch im Bündnis für Arbeit lagen auf Bundesebene vor drei Jahren entsprechende Vorschläge vor. Sie haben sie einfach verworfen und abgelehnt, obwohl man darüber sehr viel mehr Beschäftigung schaffen könnte.
Das Kernstück unserer Vorschläge zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit liegt aber auf der örtlichen Ebene zwischen Arbeits- und Sozialämtern, indem man Menschen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt, indem die Arbeitsämter Dienstleister sind nicht nur für Arbeitnehmer und Arbeitslose, sondern auch für die Wirtschaft in Niedersachsen, damit die sich an das Arbeitsamt wendet, wenn es offene Stellen gibt, um sie mit Arbeitslosen zu besetzen.
Nur auf diese Art und Weise, von anderen, auch aus anderen Ländern zu lernen - wir haben vor Jahren auf Wisconsin verwiesen -, wird man mehr Beschäftigung schaffen. Wir setzen auf ein solches Gesamtkonzept, weil dieses hilft - der Landkreis Osnabrück hat darauf ja hingewiesen -, die Arbeitsverwaltung effektiver zu machen, die Sozialhilfekosten der Kommunen um ein Drittel niedriger ausfallen zu lassen, die Langzeitarbeitslosen in Arbeit zu bringen, den Betrieben neue Beschäftigte zuzuführen und die Arbeitslosenquote zu senken.
Sie sind 1989/90 in Niedersachsen mit der Ankündigung angetreten, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Sie haben uns auf den Schlussplatz der westdeutschen Länder geführt. Ihr Bundeskanzler hat erklärt: „Wenn es uns nicht gelingt, in überschaubarem Zeitraum die Arbeitslosigkeit nachhaltig zu senken, hätten wir es nicht verdient, wiedergewählt zu werden; und wir würden nicht wiedergewählt.“
Sie haben Ihr zentrales Versprechen durch Ihre Untätigkeit nicht eingelöst. Wir haben eine katastrophale Bilanz; und man redet das Land nicht schlecht, wenn man auf die Zahlen verweist, son
dern man kämpft dafür, dass es besser wird. Wenn man endlich die richtige Diagnose trifft, dann kann man die Therapie ansetzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Wulff, Sie haben zum wiederholten Male darauf hingewiesen, wie erfolgreich der Landkreis Osnabrück ist. Sie haben sogar vom „Landtag Osnabrück“ geredet. Da kann man sehen, wo Ihre Wunschvorstellungen liegen. Ich will nur deutlich machen: Wenn Sie fair mit dieser Prognose umgehen, müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass der mit Abstand erfolgreichste Bereich, wenn es um die Verzahnung und Vermittlung von Sozialhilfeempfängern geht, die Region Hannover ist und nicht der Landkreis Osnabrück.