Protokoll der Sitzung vom 13.03.2002

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Wulff, Sie haben zum wiederholten Male darauf hingewiesen, wie erfolgreich der Landkreis Osnabrück ist. Sie haben sogar vom „Landtag Osnabrück“ geredet. Da kann man sehen, wo Ihre Wunschvorstellungen liegen. Ich will nur deutlich machen: Wenn Sie fair mit dieser Prognose umgehen, müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass der mit Abstand erfolgreichste Bereich, wenn es um die Verzahnung und Vermittlung von Sozialhilfeempfängern geht, die Region Hannover ist und nicht der Landkreis Osnabrück.

(Möllring [CDU]: Seit wann das denn?)

- Ja, das ist schon länger so. Aber das nehmen Sie nicht wahr, weil diese Region von Rot-Grün regiert ist; und das passt nicht in Ihr Weltbild.

(Busemann [CDU]: Haben Sie ein paar Zahlen an der Hand?)

Ich sage Ihnen ganz klipp und klar, meine Damen und Herren: Ich finde es relativ schäbig, den Versuch zu unternehmen, Arbeitslose so auszuspielen, als wenn das etwas damit zu tun hätte, wer den jeweiligen Landkreis regiert.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will Sie daran erinnern: Im Februar 2002 gab es in Deutschland 4,3 Millionen Arbeitslose. Überhaupt keine Frage, das ist deutlich zu viel. Aber für die Alzheimer-Bedrohten gerade in Ihren Reihen darf ich vielleicht noch einmal darauf hinweisen - -

(Frau Schliepack [CDU]: Was soll denn das?)

- Ich finde es mit Alzheimer nicht schlimm. Denn Alzheimer unterstellt Ihnen, dass Sie es nicht absichtlich machen. Alles andere wäre noch viel schlimmer gewesen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei und Zurufe von der CDU)

Ich darf darauf hinweisen, dass trotz Weltwirtschaftskrise - -

(Möllring [CDU]: Ich meine, da muss der Präsident eingreifen!)

Herr Kollege Schwarz, der Vergleich mit Krankheitsbildern ist an sich immer problematisch,

(Zuruf von der CDU: Beschämend! - Möllring [CDU]: Das zeigt aber die Menschenverachtung! - Weitere Zuru- fe von der CDU)

weil er auf die Situation der Krankheit nicht eingeht. Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.

(Beifall bei der CDU)

Trotz Weltwirtschaftskrise und trotz der Terroranschläge im vergangenen Jahr in den Vereinigten Staaten haben wir heute eine halbe Million Arbeitslose weniger als in der Endphase der Regierung Kohl. Es wurden seit 1998 über 1,2 Millionen neue Beschäftigungsverhältnisse geschaffen.

(Busemann [CDU]: Was für welche?)

Die Zahl der älteren Arbeitslosen über 55 Jahre ist im gleichen Zeitraum um über 15 % zurückgegangen.

(Möllring [CDU]: Weil sie in Rente gegangen sind!)

Meine Damen und Herren, das reicht zwar nicht aus. Aber das ist ein Riesenerfolg; und den lassen wir uns von Ihnen nicht wegnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Im Ländervergleich zeigt sich, dass Niedersachsen gegenüber den anderen Bundesländern deutlich aufholt und konjunkturelle Probleme besser meistert als die meisten anderen Bundesländer. Während wir in Niedersachsen konstante Zahlen haben, haben wir in Bayern seit Dezember regelmäßig zweistellige - zweistellige! - Steigerungsraten bei der Arbeitslosigkeit. Nehmen Sie das doch einmal zur Kenntnis! Es ist so.

(Zuruf von der SPD: Das ist so!)

Das belegt, dass nicht Bayern, sondern die Niedersächsische Landesregierung hoch wirksame Arbeitsmarktprogramme hat.

Gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Lindhorst?

Nein, der soll lieber aufmerksam zuhören. - Ich erinnere nur an die Modellprojekte zur besseren Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialämtern, den flächendeckenden Aufbau von Jugendbüros, die Sozialen Betriebe, die Aktionsprogramme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit usw. Anstatt diese Leistungen der Landesregierung mal anzuerkennen - Sie nutzen sie ja in Ihren Regionen, worauf Sie hier deutlich hingewiesen haben -, anstatt dafür dankbar zu sein, fällt Ihnen nichts weiter ein als in wilder Wahlkampfpolemik hier pausenlos darauf herumzukloppen und dieses Land kaputt zu reden.

(Beifall bei der SPD - Frau Pawelski [CDU]: Oh!)

In einem Ihrer vielen Anträge fordern Sie die Erprobung innovativer Arbeitsmarktmodelle.

(Frau Hansen [CDU]: Ja, eben!)

- Ja, eben! - Auf die Frage im Ausschuss, was Sie darunter eigentlich verstehen, kam die Antwort: Wir meinen „5000 mal 5000 von VW.“ Das steht auch in Ihrem Antrag. Meine Damen und Herren, das Modell 5000 mal 5000 bei VW sowie die Weiterführung des Teilzeitprojektes der niedersächsischen Metall- und Elektroindustrie sind Erfolge dieser Landesregierung und sind Erfolge in erster Linie dieses Ministerpräsidenten. Sie haben dem argumentativ nichts entgegen zu setzen.

(Beifall bei der SPD)

Sie bringen es in Ihrem Wahlkampfgetöse noch nicht einmal fertig,

(Frau Harms [GRÜNE]: Die Arbeits- losen gehören der Opposition!)

anzuerkennen, was der Ministerpräsident positiv für dieses Land erreicht hat. Stattdessen bringen Sie heute wieder Anträge ein, über deren inhaltli

che Leere auch die vernebelnde Rhetorik Ihres Vorsitzenden nicht hinwegtäuschen kann. Der Entschließungsantrag enthält 26 Punkte. Kein einziger dieser Punkte ist übrigens zu Zeiten der CDU-Regierung umgesetzt worden. Allerdings haben Sie bei diesem Antrag auch das zuständige Parlament verwechselt. Sie fordern die Landesregierung auf, 26 Punkte in diesem Land umzusetzen, wobei 25 Punkte ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers fallen.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Bundesratsinitiative!)

25 Punkte betreffen überhaupt nicht dieses Land, sondern betreffen den Deutschen Bundestag. Niedersachsen kommt bei Ihnen ein einziges Mal vor.

(Fischer [CDU]: Haben Sie gelesen, dass es sich um eine Bundesratsinitia- tive handelt?)

Meine Damen und Herren, das ist kein Zufall. Denn bei diesem Antrag haben Sie fast vollständig den Beschluss des CDU-Bundesvorstandes vom 18. Februar d. J. abgeschrieben.

(Lachen bei der CDU)

- Ja, das ist so.

(Frau Schliepack [CDU]: Was haben Sie mit Ihrem Schulgesetz gemacht?)

Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sich der Fraktionsvorsitzende der CDU längst geistig aus Niedersachsen verabschiedet hat und nichts weiter macht, als seine Fraktion zu instrumentalisieren, um seine offensichtlichen Ambitionen auf Bundesebene unter Beweis zu stellen. Dabei kann man natürlich schon einmal die Orientierung verlieren. Sie haben das anscheinend professionell hingekriegt.

(Beifall bei der SPD)

Sie schreiben in Ihrem Antrag: Jeder Empfänger steuerfinanzierter Transferleistungen ist verpflichtet, Arbeit auch im Niedriglohnbereich anzunehmen. - Meine Damen und Herren, das steht bereits heute sinngemäß im Bundessozialhilfegesetz. Dies wird mit dem Programm in Jugendbüros, dem Jump-Programm, oder der Ausdehnung des Mainzer Modells auf die ganze Bundesrepublik umgesetzt. Im Gegensatz zu Ihnen beschränken wir die Kombilöhne aber auf die eigentliche Zielgruppe,

nämlich die Langzeitarbeitslosen und die gering Qualifizierten.

Wer wie die CDU/CSU eine ungebremste Ausweitung des Niedriglohnsektors fordert, nimmt billigend in Kauf, dass Arbeitslosigkeit massiv zur Lohndrückerei missbraucht wird. Das wollen wir nicht. Sie provozieren mit Ihrer Glorifizierung die Verschiebung von regulären Arbeitsverhältnissen in den Niedriglohnsektor.

Wenn man die bisherigen Erfahrungen nüchtern bilanziert, muss man feststellen, dass in den vergangenen drei Jahren mit den vorhandenen Modellen ganze 2 000 Arbeitsplätze im Kombilohnbereich geschaffen wurden. Das lag nicht daran, dass die Zuschüsse nicht reichten, sondern es lag daran, dass es nicht ausreichend Arbeitsplätze in diesem Bereich gibt. Angesichts dieser Zahlen versteigt sich Herr Stoiber dazu, 700 000 neue Stellen im Niedriglohnsektor schaffen zu wollen. Herr Wulff spricht in seiner Presseerklärung sogar von Millionen.

Meine Damen und Herren, wenn ich richtig orientiert bin, gibt es in Bayern bisher kein einziges Kombilohnmodell.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Falsch informiert!)