Die zweite Bemerkung bezieht sich auf die 630 DM-Verträge. Ich finde es schon stark, dass Sie bei den 630 DM-Verträgen die Wörter „sozial“ und „Renten“ in den Mund nehmen. Mit den neuen Regelungen erwirbt eine Frau einen jährlichen Rentenanspruch von nicht einmal 5 DM. Und das nennen Sie eine soziale Regelung? Wo leben Sie denn?!
Zum Job-Aqtiv-Gesetz möchte ich einmal den Spiegel zitieren, der ja wahrhaftig nicht unsere Hauspostille ist.
„Die neue Ministeridee werde zwar neue ABM-Stellen schaffen, aber im Gegenzug reguläre Jobs kosten.“
Wie arrogant die SPD mit dem Thema Arbeitslose umgeht, meine Damen und Herren, beweist auch der Wirtschaftsminister Müller in Berlin. Er meint, dass wir weniger Arbeitslose hätten und im europäischen Rahmen wären, wenn die deutschen Gefängnisse genauso voll wären wie die in den USA. Ich finde, dass dies eine Verhöhnung der Arbeitslosen ist, die Sie hier vornehmen.
Meine Damen und Herren, die Arroganz der SPD, wie sie im Ausschuss unsere Anträge, ohne sie ernsthaft zu diskutieren, behandelt und abgelehnt und einen zusammengeschusterten Antrag ein halbes Jahr nach unserem Antrag eingebracht hat, ist nur noch durch die Ignoranz der Sozialministerin in Niedersachsen zu überbieten.
Meine Damen und Herren, Niedersachsen steht gut da. Angesichts der rund 388 000 Arbeitslosen in Niedersachsen, angesichts der Tatsache, dass Niedersachsen unter den westdeutschen Flächenländern immer noch die rote Laterne trägt, und angesichts der Tatsache, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Niedersachsen weiter auf höchstem Niveau ist, stellen Sie sich hier hin und verkaufen Ihre Arbeitsmarktpolitik als Erfolg. Wenn das nicht ignorant und arrogant ist!
Meine Damen und Herren, hinter diesen 388 000 Arbeitslosen verbergen sich Familien, die - das wissen Sie genau - in der Armutsfalle stecken. Hinter diesen Zahlen verbergen sich 48 569 Jugendliche, deren Weg in eine Zukunft blockiert wird, weil sie keinen Arbeitsplatz, keinen Ausbildungsplatz finden. Die Folgen der Jugendarbeitslosigkeit sind schwindendes Selbstvertrauen, Perspektivlosigkeit und - so ist es leider oft - Gewalt und Kriminalität. Das sind doch Hilfeschreie an die Gesellschaft. Sie aber sagen: Es ist alles in Ordnung. Seit Jahren fließen Millionen Euro hauptsächlich aus dem Europäischen Sozialfonds in Projekte wie RAN, Rabatz, Jugendwerkstätten und AB-Maßnahmen. Jugendliche sollen durch diese Programme an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Ich will, meine Damen und Herren, nicht die engagierte und wirklich schwierige Arbeit der dort Tätigen und der Jugendlichen schmälern. Aber wie viele Jugendliche, Frau Trauernicht, erreichen den ersten Arbeitsplatz? Wie viele bleiben dort? Es gibt keine Erfolgskontrolle, keine Statistiken, die belegen, welches Programm wirklich erfolgreich ist. Wir haben in Niedersachsen die zweithöchste Arbeitslosigkeit aller westdeutschen Flächenländer bei Menschen unter 25 Jahren. Sie rühmen sich damit, dass diese Zahl um nur 2 % gestiegen ist, und verweisen auf Bayern, weil sie dort stärker gestiegen ist. Aber, Frau Trauernicht, darf ich Sie daran erinnern, dass die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen in Bayern bei 7,2 % und bei uns bei 10,7 % liegt?
Darf ich Sie daran erinnern, dass 11 % der Jugendlichen bei uns in Niedersachsen keinen Schulabschluss haben? - Es gibt einen Zusammenhang zwischen der schlechten Schulbildung bei uns und
der hohen Jugendarbeitslosigkeit. Das ist offensichtlich, und das müssten Sie doch auch endlich merken.
Meine Damen und Herren, in der Pressemitteilung unserer Sozialministerin heißt es, dass die Wirtschaft in Zukunft auf qualifizierte Frauen angewiesen ist. Diese Einschätzung teile ich mit Ihnen, Frau Ministerin.
Das stimmt. Ich frage mich aber: Warum handeln Sie in Niedersachsen in Ihrer Landesregierung nicht danach? Warum beachten Sie nicht Ihr eigenes Gleichberechtigungsgesetz, das doch verstärkt Frauen fördern soll? Darunter verstehe ich nicht nur fördern, sondern auch befördern. Ihren hoch gesteckten Ansprüchen werden doch nicht einmal Sie, die Landesregierung, gerecht.
Gender mainstreaming - Frau Trauernicht, mit diesem Zauberwort wollen Sie Frauenpolitik und damit Frauenarbeit zur Querschnittsaufgabe aller Ministerien machen. Ist es Ihnen nicht peinlich, dass die geforderten Maßnahmen nirgendwo umgesetzt werden? Wenn Ihre eigenen Ministerien die Förderprogramme nicht in Anspruch nehmen und durchsetzen, mit welchem Recht erwarten Sie das von der Wirtschaft, vom Einzelhandel und von den Handwerkern? Räumen Sie doch erst einmal vor Ihrer eigenen Tür auf!
Meine Damen und Herren, die IT-Qualifizierung von Frauen im Informationszeitalter in einem Land, in dem jährlich die CeBIT stattfindet, besteht lediglich darin, dass Sie sage und schreibe einen Internet-Bus in ganz Niedersachsen herumreisen lassen.
In Ihrer Pressemitteilung heißt es auch, dass der Arbeitsmarkt von einer hohen Frauenerwerbsquote profitiere. Je mehr Frauen berufstätig seien, desto höher sei auch die Nachfrage nach haushaltsnahen oder familienbezogenen Dienstleistungen. Schön, dass Sie jetzt auch diese Erkenntnis haben, und schön, dass das bei Ihnen angekommen ist. Wir von der CDU wissen das schon lange. Wir von der CDU wissen, dass in Ländern wie Schweden, Finnland, Frankreich oder den USA nicht nur die
Geburtenraten höher sind, sondern dass dort Frauen, vor allem Mütter, häufiger als bei uns berufstätig sind. Sie wissen doch auch, dass berufstätige Mütter auf Dienstleistungen angewiesen sind und somit einen neuen Arbeitsmarkt entwickeln. Das haben Sie doch in Ihrer Pressemitteilung geschrieben. Aber warum machen Sie denn nichts? Was tun Sie als Landesregierung?
Sind Ihre Ministerien Vorreiter für die Vereinbarung von Familie und Beruf? - Nein. Ich muss sagen, dass Sie auch insoweit ein schlechtes Beispiel sind.
Wir von der CDU haben hier im Landtag gefordert, besonders familienfreundliche Unternehmen auszuzeichnen, um sie herauszustellen, damit sie Beispiel für andere Unternehmen sind, und um Mut zu machen. Sie von der SPD haben diese Forderung damals abgelehnt. Sie haben auch verhindert, dass unsere Forderung nach mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Gleichberechtigungsgesetz stärker verankert wird. Ihre damalige familienfeindliche Haltung rächt sich heute bitter. In Ihrem Gleichberechtigungsgesetz stehen drei Zeilen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir haben drei Paragrafen gefordert. Mit unserem Gesetz wären Sie auf diesem Gebiet heute weiter.
Und, Frau Ministerin, hören Sie bitte auf, Ihre Politik auf Runde Tische, Expertengespräche oder -dialoge zu beschränken. Die Fakten, wie Mütter und Väter Beruf und Familie vereinbaren wollen und können, sind bekannt. Darüber brauchen wir doch nicht mehr zu diskutieren, das wissen wir doch alles.
Sie müssen endlich handeln. Tun Sie etwas! Sie regieren das Land seit zwölf Jahren. Sorgen Sie doch endlich dafür, dass es mehr Ganztagsbetreuungsplätze
und dass es Tagesmütter gibt. Auch dazu hatten wir einen Antrag gestellt, den Sie abgelehnt haben. Das alles holt Sie wieder ein.
ihrer Kinder einen Beruf ausüben zu können. Die Bedingungen dafür in Niedersachsen und in Deutschland insgesamt sind allerdings denkbar schlecht.
Meine Damen und Herren, wenn wir über die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt sprechen, wird häufig die Gruppe der 50- bis 60-Jährigen vergessen. Heute sind schon mehr als 28 Millionen 50 Jahre und älter. Die Chancen insbesondere für ältere Arbeitslose, wieder in einen Arbeitsmarkt integriert zu werden, sind fast aussichtslos. Deutschland steht insoweit im europaweiten Vergleich ganz schlecht da. In der Altersgruppe der 50- bis 64-Jährigen haben wir mit 11 % EU-weit die höchste Arbeitslosenquote.
Meine Damen und Herren, in 60 % aller deutschen Unternehmen arbeiten keine Menschen mehr, die älter als 50 Jahre sind. Ein Grund dafür ist sicherlich der Jugendwahn, der in manchen Branchen oder Unternehmen betrieben wird. Nach dem Motto „jung ist gleich dynamisch und innovativ“ bleiben die nicht mehr ganz so jungen Arbeitskräfte ausgesperrt. Dabei haben Studien ergeben, dass ältere Arbeitnehmer genauso leistungsfähig sind wie junge. Eines haben die, die schon lange im Berufsleben stehen, den jungen Kollegen voraus, nämlich Erfahrung,
Weltweit haben viele Unternehmen erkannt, welches Potenzial an Erfahrung und an sozialer Kompetenz insbesondere Ältere mitbringen. In Deutschland ist das anders. Nur 39 % der Menschen zwischen 55 und 65 Jahren sind in der Erwerbsarbeit. Bei den 60- bis 65-Jährigen sind es sogar nur 19,5 %. Wenn wir diese Situation mit Blick auf die demografische Entwicklung betrachten, dann erkennt jeder von uns, dass wir dort mehr tun müssen. Wir müssen die älteren Leute in den Arbeitsmarkt zurückholen und brauchen darum spezielle Qualifizierungs- und Förderprogramme. Ein Bereich ist sicherlich auch die Zeitarbeit, und darum begrüßen wir den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, der sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung ist.
Ich freue mich auf die Diskussion, aber ich sage, dass wir zuerst bürokratische Hemmnisse abbauen müssen, die heute einer Einstellung von Älteren entgegensteht. - Vielen Dank.