In einem Interview der Nordwest-Zeitung vom 14. Februar 2002 unter der Überschrift „Polizei löst mehr Fälle“ führt Justizminister Prof. Dr. Christian Pfeiffer wörtlich aus: „Wir müssen aber sehen, dass die Zahl der Tatverdächtigen nicht abgenommen hat, weil die Polizei viel mehr Fälle aufklärt.“
2. Wie viele Tatverdächtige und aufgrund welcher ihnen vorgeworfenen Delikte sind in den letzten vier Jahren in Niedersachsen in Haft genommen worden? (Bitte Anzahl und Zuord- nung zu einzelnen Delikten im Einzelnen be- ziffern.)
3. Wie viele von allen Tatverdächtigen, gegen die die Polizei abschließend ermittelt hat, sind in Niedersachsen in den letzten vier Jahren tatsächlich in Haft genommen worden?
Die Justizvollzugsanstalten des geschlossenen Vollzuges sind in der Tat überbelegt. Am 31. Januar 2002 waren z. B. in der JVA Wolfenbüttel (407 Haftplätze) 513 Gefangene untergebracht und in der JVA Uelzen (248 Haftplätze) 301 Gefangene. Insgesamt fehlten am 31. Januar 2002 im geschlossenen Männervollzug rund 900 Haftplätze, im geschlossenen Frauenvollzug rund 70 und im geschlossenen Jugendvollzug rund 130 Haftplätze.
Diese bedrückende Situation lässt sich durch kurzfristige vollzugsorganisatorische oder vollstreckungsrechtliche Maßnahmen nicht entspannen. Die Landesregierung hat daher ein umfangreiches Programm zum Bau neuer Justizvollzugsanstalten mit dem Ziel der Beseitigung der Überbelegung eingeleitet, das mit der Inbetriebnahme der JVA Sehnde Mitte 2004 und der JVA GöttingenRosdorf im Herbst 2004 abgeschlossen sein wird. Sofern nicht neue, unvorhergesehene Entwicklungen in der Belegung der Justizvollzugsanstalten eintreten, wird spätestens Anfang 2005 eine ausreichende Zahl von Haftplätzen zur Verfügung stehen.
Zu 1: Die Angaben der Polizeilichen Kriminalstatistiken (PKS) für Niedersachsen der letzten Jahre sind eindeutig. Während die Zahl der bekannt gewordenen Straftaten in den Jahren nach der Grenzöffnung in Niedersachsen zunächst deutlich angestiegen ist (von 519 431 im Jahr 1989 auf 650 151 im Jahr 1993), ist sie seither wieder zurückgegangen auf 564 469 im Jahr 2000. Die Zahlen der PKS für das Jahr 2001 stehen noch nicht zur Verfügung. Seit dem Höchststand der Anzahl der bekannt gewordenen Straftaten im Jahr 1993 von 650 151 ist mithin eine rückläufige Entwicklung der Kriminalitätszahlen zu verzeichnen.
Dies hat indessen nicht zu einem Rückgang der Anzahl der Tatverdächtigen geführt. Vielmehr ist die Anzahl der ermittelten Tatverdächtigen seit 1994 kontinuierlich gestiegen (von 175 568 im Jahr 1994 auf 210 853 im Jahr 2000).
Während die Polizei im Jahr 1994 für 43,49 % der Straftaten einen oder mehrere Tatverdächtige ermitteln konnte, ist ihr dies im Jahr 2000 in 53,08 % der Straftaten gelungen. Dadurch ist trotz einer geringeren Anzahl von Straftaten die Zahl der Personen, die für eine Straftat zur Verantwortung gezogen werden konnten, von 175 568 im Jahr 1994 auf 210 853 im Jahr 2000 gestiegen.
Für die Gruppe der Raubdelikte beispielsweise lässt sich eine Steigerung der Aufklärungsquote von 46,5 % im Jahr 1994 auf 58,6 % im Jahr 2000 verzeichnen. Auch z. B. bei Mord- und Totschlag gibt es eine Steigerung der Aufklärungsquote von 91,0 % im Jahr 1994 auf 96,7 % im Jahr 2000.
Anzahl von Personen, die zu Freiheits- bzw. Jugendstrafen mit und ohne Bewährung verurteilt worden sind, und auch in einer gestiegenen Anzahl der Haftjahre, die insgesamt verhängt worden sind.
Dabei sind in die Gegenüberstellung auch die Zahlen der zu Freiheits- oder Jugendstrafe mit Bewährung Verurteilten aufgenommen worden, da auch diese Zahlen wegen der möglichen Bewährungswiderrufe Einfluss auf die Anzahl der Inhaftierten haben. Dabei ist jedoch festzuhalten, dass sich die Anzahl der Tatverdächtigen aus der PKS auf diejenigen Personen bezieht, gegen die in einem bestimmten Jahr ein Ermittlungsverfahren abgeschlossen wurde, und die Anzahl der Verurteilten, die sich aus der Strafverfolgungsstatistik entnehmen lässt, sich auf diejenigen bezieht, gegen die ein Urteil in einem bestimmten Jahr rechtskräftig wurde. Wissenschaftlich gesehen lassen sich also die Zahlen in der oben angeführten Tabelle nicht gegenüberstellen; aus ihnen lässt sich jedoch ein deutlicher Trend ablesen.
Zusammenfassend lässt sich demnach festhalten, dass trotz rückläufiger Anzahl der registrierten Straftaten in den letzten Jahren die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen gestiegen ist und sich infolge dessen die Zahl der verhängten Haftstrafen erhöht hat. Die rückläufige Anzahl der registrierten Straftaten spiegelt sich daher nicht in einem Rückgang der Gefangenenzahlen wieder.
Zu 2 und 3: Statistisches Material darüber, wie viele Tatverdächtige aufgrund welcher Delikte in einem bestimmten Jahr in Haft genommen werden, existiert nicht. Zur Verfügung stehen lediglich die Zahlen der Strafverfolgungsstatistik und die Zah
len der Strafvollzugsstatistik. Beide Statistiken geben keine Auskunft darüber, wie viele Verdächtige inhaftiert worden sind, weil sie sich nur auf Verurteilte beziehen. Und auch hinsichtlich der Verurteilten geben beide Statistiken keine Auskunft darüber, wie viele Personen in einem Jahr inhaftiert worden sind, sondern nur darüber, wie viele Personen sich zu einem gewissen Zeitpunkt in den Gefängnissen befinden (nämlich die Straf- vollzugsstatistik zum Stichtag 31. März), bzw. darüber, gegen wie viele Personen in einem Jahr aufgrund welcher Delikte die Strafverfahren durch die Gerichte mit welchem Ergebnis abgeschlossen wurden (die Strafverfolgungsstatistik).
Auch aus der Strafverfolgungsstatistik lässt sich demnach gerade nicht entnehmen, ob die Personen, die in einem bestimmten Jahr zu unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt wurden, in diesem Jahr auch tatsächlich inhaftiert wurden. Das Inhaftierungsdatum kann sich nämlich oft beträchtlich von dem Verurteilungsdatum unterscheiden, beispielsweise dann, wenn Haftaufschub gewährt wird. Außerdem vergeht in der Regel auch in Normalfällen allein aufgrund der notwendigen Maßnahmen im Vollstreckungsverfahren ein gewisser Zeitraum zwischen Rechtskraft eines Urteils und Beginn der Vollstreckung der unbedingten Freiheitsstrafe, zu der der oder die Verurteilte auch erst geladen werden muss. Sofern sich der oder die Verurteilte dann der Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht freiwillig stellt, vergeht ein weiterer Zeitraum, bis die Strafe gegen den oder die Verurteilte tatsächlich vollstreckt wird.
Auch hinsichtlich der Personen, gegen die Untersuchungshaft angeordnet wurde und auf die sich die Fragen richten, gibt die Strafverfolgungsstatistik nur Auskunft darüber, gegen wie viele Personen aufgrund welcher Delikte in einem bestimmten Jahr das Verfahren (rechtskräftig) abgeschlossen wurde. Der Jahreszeitraum bezieht sich auch bei dieser Statistik also auf den Zeitpunkt des (rechts- kräftigen) Verfahrensabschlusses, nicht aber auf den Zeitpunkt der Inhaftierung.
In meiner mündlichen Anfrage zur Plenarsitzung am 15. Februar 2002 hatte ich gefragt: „Wie hoch waren und sind die Investitionen (absolut) , die Investitionsquote und die Bauausgaben (absolut) jährlich seit 1990 in den Landeshaushalten?“ Der Niedersächsische Landtag hat im Dezember 2001 den Doppelhaushalt 2002/2003 verabschiedet. Insofern gehören auch die Zahlen der Haushalte 2002/2003 in die Antwort der Landesregierung. Demgegenüber hat die niedersächsische Wirtschaftsministerin lediglich bis zum Jahre 2001 die Entwicklung der abgefragten Daten dargestellt. Insoweit ist die Antwort der Wirtschaftsministerin unvollständig.
Auch die Frage 3 meiner Anfrage wurde nicht beantwortet. Deshalb frage ich erneut die Landesregierung:
1. Wie hoch waren und sind die Investitionen (absolut) , die Investitionsquote und die Bauausgaben (absolut) jährlich seit 1990 bis zum Jahre 2003 in den Landeshaushalten?
2. In welcher Höhe werden in diesem Jahr mehr Landesinvestitionsmittel ausgegeben, als im Haushaltsplan für das Jahr 2002 ausgewiesen?
3. In welcher Höhe stehen im Haushalt 2002 GVFG-Mittel, und wie hoch ist der Antragsstau für den kommunalen Straßenbau bei GVFG-Mitteln?
Das Interview, dass der Herr Ministerpräsidenten am 21. Januar der Braunschweiger Zeitung gegeben hat, erfreut sich augenscheinlich einer besonders großen Aufmerksamkeit. Jedenfalls sieht sich der Kollege Dinkla nun bereits zum zweiten Mal veranlasst, Inhalte des Interviews zum Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage zu machen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Ausführungen des Ministerpräsidenten zu der Frage: „Was muss noch passieren, damit es am Arbeitsmarkt wieder aufwärts geht?“
Zum einen, weil die Äußerungen des Ministerpräsidenten gegenüber der Braunschweiger Zeitung eine ganz nüchterne Positionierung darstellten, die an sich kaum Anlass für Irritationen bieten sollten. Er sagte wörtlich: „Vor allem müssen wir Investitionen vorziehen und verstetigen. Niedersachsen tut dies mit einer Wirkung von 1 Milliarde € (...).“
Die erste Aussage deckt sich - ganz und gar unspektakulär - mit den hinlänglich bekannten Empfehlungen der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute. Dazu werde in der Antwort zu Ihrer heutigen zweiten Frage noch näher eingehen.
Die weitere Aussage zum niedersächsischen Vorgehen und der Größenordnung von 1 Milliarde Euro hat Ihnen die Kollegin Dr. Knorre in der Beantwortung der ersten mündlichen Anfrage am 15. Februar dieses Jahres schon ausführlich erläutert. Daher wissen Sie bereits, in welchen umfassenden wirtschaftspolitischen Ansatz sich die angestrebte Beschleunigung von Investitionsvorhaben einbettet
Das ist auch der zweite Grund, weshalb mich die erneute Anfrage überrascht. Sie stellen in Ihrer Vorbemerkung nämlich die Behauptung auf, neben fehlender Angaben für die Jahre 2002 und 2003 bei der Antwort zu Frage 1 sei „auch die Frage 3“ nicht beantwortet worden. Diesen Vorwurf weise ich namens der Landesregierung entschieden zurück.
Zu der Beantwortung der Frage 1 stelle ich fest, dass die gewünschten Angaben zu den Investitionsausgaben und Bauausgaben für den Zeitraum 1990 bis einschließlich 2001 vollständig dargestellt wurden. Lediglich die Zahlen des jüngst verabschiedeten Doppelhaushalts wurden nicht mit aufgeführt. Dass dies in der von Ihnen gewählten Form zu beanstanden wäre, kann ich nicht akzeptieren. Wie Sie wissen, können die absoluten Zahlen der Hauptgruppen 7 und 8 im Vorbericht zum Haushaltsplan - nämlich im Gesamtplan - unmittelbar abgelesen werden. Es ist wirklich nichts Geheimes an ihnen. Auch die sich errechnenden Investitionsquoten für die Jahre 2002 und 2003 sind von mir in diesem Hauses immer wieder erläutert worden und wurden von Ihrer Fraktion im übrigen wiederholt kritisiert. Da die Zahlen damit als bekannt gelten können, reduziert sich Ihre Beanstandung allenfalls auf eine schlichte, unspektakuläre Darstellungsfrage.
Lassen Sie mich nun zu der angeblich nicht beantworteten Frage 3 kommen. Sie hatten die Landesregierung wörtlich gefragt: „Was bedeutet das ‚Vorziehen von Investitionen‘, wenn nicht mehr Landesinvestitionsmittel ausgegeben werden können, als die niedrigste Investitionsquote in der Geschichte des Landes im Landeshaushalt hergibt?“ So, wie ich Ihre Frage verstehe, sollte wohl der
Hierzu führte Frau Ministerin Dr. Knorre am 15. Februar 2002 aus, dass die in Niedersachsen beschlossene beschleunigte Realisierung ohnehin geplanter Investitionen sowohl nach den Empfehlungen der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute als auch des Sachverständigenrates eine der wirksamsten und wichtigsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen darstellt, um unter den gegebenen Rahmenbedingungen die Konjunktur zu stützen. Hingegen würde kurzatmiger konjunkturpolitischer Aktionismus, der zu einer weiteren Erhöhung der Neuverschuldung führe, abgelehnt.
Wie Sie vor diesem Hintergrund zu der Aussage gelangen, Ihre Frage 3 sei nicht beantwortet worden, ist für mich nicht nachvollziehbar. Im Rahmen der für die Beantwortung mündlicher Anfragen zur Verfügung stehenden personellen und zeitlichen Ressourcen ist es der Landesregierung grundsätzlich nicht möglich, komplexe volkswirtschaftliche Sachverhalte erschöpfend aufzuarbeiten. Zur weitergehenden Information verweis ich deshalb auf die angesprochenen Stellungnahmen der Wirtschaftsforschungsinstitute bzw. des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die – z. B. als Bundesratsdrucksache 991/01 - öffentlich zugänglich sind.
Zusammenfassend stelle ich fest, dass die Niedersächsische Landesregierung die von Ihnen gestellten Fragen am 15. Februar 2002 insgesamt angemessen beantwortet hat. Allerdings konnte der Antworttext aus Zeitgründen nur zu Protokoll gegeben werden.