Protokoll der Sitzung vom 23.04.2002

- Herr Möllring, Sie scheinen sich ja nach dem Schlag heute Morgen ganz gut erholt zu haben. Bei Ihrer Rede sah es noch so aus, als ob Sie gezittert haben.

Sie haben aber zu der alten Technik der CDU in Haushaltssachen zurückgefunden. Sie haben z. B. - ich sage das an einem Punkt - bei der Frage der 630-DM-Verträge, die wir gemacht haben, einmal abgesehen von den übrigen Ungereimtheiten, die Sie gesagt haben, zweimal 50 Millionen Euro veranschlagt. Sie wissen ganz genau - diese Information ist Ihnen auch im Ausschuss gegeben worden -, dass wir über 11 Millionen Euro und 16 Millionen Euro jeweils in einem Haushaltsjahr reden. Aber das ist Ihre Methode, Chaos zu organisieren, Kritik in einer Art und Weise zu formulieren, dass Sie versuchen, eine Situation in der Haushaltsfrage herbeizureden, die es derzeit noch gar nicht gibt.

Ferner haben Sie versucht, mit einer Reihe von Zahlen den Nachweis zu führen, dass derzeit ein Nachtrag auf der Basis vernünftiger Zahlen aufstellbar sei, und dann einige Beispiele genannt. Sie haben BEB mit 550 Millionen Euro angeführt und haben so getan, als sei diese Summe schon fix. Ich darf davon ausgehen, dass die endgültige Festlegung dieser Summe überhaupt erst Ende des Jahres auf der Basis von Eichel darstellbar ist,

(Möllring [CDU]: Dann muss man doch Vorsorge treffen!)

es sei denn, dass Sie akzeptiert haben, es sei endgültig so entschieden, und damit eine Fortsetzung der CDU-Politik in Sachen Förderzins stattfindet, den Sie vor Jahren, als die CDU noch regiert hat, eingenommen haben, und dass Sie jetzt bereit sind, Geld von Niedersachsen in der Ländergemeinschaft auszugeben. - Wir sind noch nicht am Ende der Diskussion und haben noch keine Sicherheit.

Also kann ich auf dieser Basis schon gar keinen Nachtragshaushalt machen.

Da Sie auch weissagerische Fähigkeiten haben, was den Tarifabschluss angeht, muss ich Ihnen sagen: Wir sind durchaus nicht im Bilde und sind noch im Vorfeld der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Auch da kann noch keine präzise Ansage gemacht werden. Auch dafür fehlen die Voraussetzungen.

Wenn man die übrigen Punkte, die Sie angeführt haben, dazu nimmt, dann muss man auch einmal fragen, ob die CDU nicht möglicherweise einen Nachtragshaushalt haben möchte, um ihre eigenen Wahlversprechen, die sie ja derzeit en masse in die Diskussion bringt, solide zu finanzieren. Ich weise darauf hin, dass Sie in der Auseinandersetzung um den Doppelhaushalt 2002/2003 versäumt haben, alle wichtigen Themen, die Sie bis jetzt zu zentralen Themen der Landespolitik gemacht haben, zu finanzieren. Das gilt insbesondere für die Personalkosten in Kitas. Fehlanzeige! Das gilt für Ihren Ersatz für die globale Minderausgabe, deren Streichung Sie verlangt haben. Das gilt für die Absenkung der Nettokreditaufnahme, die Sie ja ständig fordern, aber im eigenen Antrag nie umgesetzt haben. Das gilt für eine halbe Milliarde zusätzlich für die Kommunen, die Sie nie veranschlagt, geschweige denn finanziert haben. Das gilt für die Erhöhung um 100 Millionen für die Bedarfszuweisungen, die Sie noch vor wenigen Wochen hier im Haus vehement gefordert haben. Das gilt für Ihr Zukunftsprogramm „Ländlicher Raum“, das Sie an keiner Stelle ausfinanziert haben. Sie sind nun diejenigen, die einen Nachtragshaushalt fordern, weil wir gerade diese Summen aus Ehrlichkeit und aus Verantwortung gegenüber solider Haushaltsführung abgelehnt haben.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Das ist der kleine, aber bescheidene Unterschied zwischen uns und den anderen.

Wenn Sie dann das Gutachten des Sachverständigenrates zu Rate ziehen, dann weise ich darauf hin, dass ausgerechnet der im Zusammenhang mit der veränderten Wirtschaftslage und dem Bruttoinlandsprodukt gesagt hat: gegen Aktionismus, für Stetigkeit. - Diese Landesregierung hat u. a. deshalb den Doppelhaushalt aufgelegt, um in der schwierigen konjunkturellen Lage Planungssicherheit nicht nur für die Wirtschaft, für die Auftragnehmer öffentlicher Investitionen zu garantieren,

sondern um das Programm „Investieren jetzt!“ vorzuziehen und Verlässlichkeit gegenüber den Destinatären unserer Leistungen aus dem Landeshaushalt sicherzustellen. Auch das wollen wir in dieser schwierigen Zeit nicht in Frage stellen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Deshalb gibt es rechtlich keine Voraussetzungen für einen Nachtragshaushalt, sächlich schon gar nicht und konjunkturpolitisch auch nicht.

Bei dem zweiten Teil Ihres Antrages im Hinblick auf den Stabilitätspakt werden Sie ja mit einiger Verwunderung zur Kenntnis genommen haben, dass sich die Länder mit dem Bundesfinanzminister zusammen auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt haben, das bis 2004/2005 sicherstellt, dass ein gemeinsamer Stabilitätspakt unter Einschluss der noch ausstehenden Steuerschätzung, unter Einschluss der Verabredung der jeweiligen Positionierung Bund, Länder und Kommunen mit dem Ziel, den Stabilitätspakt nicht nur verbal, sondern inhaltlich auszufüllen, mitten in der Diskussion ist. Auch das wird Gegenstand der Diskussion im Niedersächsischen Landtag sein.

Zuletzt zwei Sätze zu dem, was Sie, Herr Golibrzuch, hier ständig als versuchten Wahlbetrug versuchen herauszustellen und was „ungedeckte Schecks“ angeht. Sie wissen ganz genau, dass wir noch zwei Steuerschätzungen in diesem Jahr haben, und Sie wissen noch besser, dass wir Ende dieses Jahres eine Mipla vorlegen werden, nicht nur weil wir sie vorlegen müssen, sondern weil wir sie vorlegen wollen. In dieser Mipla werden wir sowohl die anstehenden Entscheidungen verarbeiten, die ich skizziert habe, als auch den Ausblick in die Jahre 2003 und folgende klarstellen, wie es in der Mipla üblich ist. Wir werden uns im Laufe dieses Jahres an diese Zahlen heranarbeiten müssen - Sie und wir -, je nachdem, wie konkret dann die entsprechenden Beschlusslagen beim Bund, zwischen den Ländern, in der Wirtschaft und letztendlich auch bei den Steuereinnahmen sein werden.

Vor diesem Hintergrund ist dieser Antrag natürlich nicht zu akzeptieren. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Möllring erhält bis zu drei Minuten zusätzliche Redezeit.

(Buß [SPD]: Der soll lieber in Hildes- heim sauber machen!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Aller, da Sie immer so tun, dass die frühere Landesregierung, das Land Niedersachsen die BEB-Zahlungen eingenommen habe und dieses Geld jetzt plötzlich weg sei: Die sind im Wesentlichen in den Wirtschaftsförderfonds eingestellt worden, aus dessen Grundstock Sie seit zehn Jahren etwas herausnehmen, um den allgemeinen Haushalt zu decken. Frau Dr. Knorre kann hier ja überhaupt nur noch deswegen Wirtschaftspolitik machen, weil immer noch ein Teil dieses alten Wirtschaftsförderfonds existiert. Das heißt, wenn wir damals diese BEB-Einnahmen nicht gehabt hätten, dann wären Sie heute schon weit mehr pleite. Sie selber haben doch eben begründet, warum Sie Vorsorge für den Nachtrag 2002/2003 treffen müssen.

(Möhrmann [SPD]: Sagen Sie doch mal etwas zu Ihren Forderungen, Herr Kollege!)

Sie haben gesagt: Ich weiß nicht, was bei BEB herauskommt, ich weiß nicht, was bei den Steuerschätzungen herauskommt. - Aber wir wissen doch alle, dass es schlechter wird, als es im Moment ist. Sie sind an der verfassungsmäßigen Verschuldungsgrenze, weil Sie die verfassungsmäßige Verschuldungsgrenze jedes Jahr bis auf den letzten Cent ausquetschen. Wenn nur ein einziger Euro hinzukommt, den Sie mehr ausgeben müssen, müssen Sie entweder über diese Grenze gehen, oder Sie müssen es anders gestalten. Sie haben es in Ihrer Mipla selber dargestellt: Voraussetzung ist, dass die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wie angenommen eintritt usw. - Wir wissen, dass die Annahme der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nicht so ist, wie Sie sie zugrunde gelegt haben, sondern maximal auf die Hälfte dessen kommen wird. Deshalb verstehe ich das gar nicht, außer, wie Herr Golibrzuch richtig sagt: Am 2. Februar nächsten Jahres wollen Sie nicht erwischt worden sein, oder Sie wollen über dieses Datum hinaus. Wie soll man das denn anders nennen, wenn man es vor der Wahl anders erzählt, als es nach der Wahl kommt, und man sich vorher davor drückt, den Leuten die Wahrheit zu sagen? Wir würden den Leuten gern die Wahrheit darüber sagen, was in Niedersachsen noch möglich ist und was in Niedersachsen nicht mehr möglich ist.

(Buß [SPD]: Sagen Sie doch mal die Wahrheit in Hildesheim! Das wäre besser!)

Wenn Sie sich daran nicht beteiligen wollen, dann müssen Sie sich eben solche Äußerungen wie die von Herrn Golibrzuch gefallen lassen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Der Hildesheimer Aufklärer war das!)

Der Herr Finanzminister hat noch einmal das Wort.

Herr Möllring, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie diese Diskussion so provozieren, wie Sie sie gern haben möchten.

Das Erste ist: Es ist in der Tat ganz wichtig, dass die Niedersachsen nach zehn, zwölf Jahren nicht vergessen, dass der Förderzins in einer Größenordnung von 8,5 Milliarden DM dem Land zugeflossen ist, ohne diese Summe mit den übrigen Ländern zu teilen. Das ist die Nettoeinnahme gewesen, und darauf haben Sie die Verschuldung gesattelt, die letztendlich bei 40 Milliarden herausgekommen ist.

In den letzten zehn Jahren Albrecht lag die Kreditfinanzierungsquote bei mehr als 9 % - unter den paradiesischen Zuständen der damaligen Zeit. In den zehn Jahren danach - unter sozialdemokratischen Ministerpräsidenten - ist die Kreditfinanzierungsquote auf knapp mehr als 7 % gefallen, d. h. relativ günstiger geworden, nicht in absoluten Zahlen. Das bedeutet aber, dass ein Teil dieser 7 %, die wir aus der Kreditfinanzierungsquote ableiten müssen, natürlich aus der Verschuldung einschließlich der günstigen Bedingungen unter Albrechts Regierungszeit resultiert. Da können Sie nun machen, was Sie wollen; das ist so.

Aber der zweite Punkt, der eine Rolle spielt: Wenn Sie so genau wissen, dass sich die Finanzsituation in Niedersachsen so entwickeln würde, wie Sie unterstellen, dann frage ich Sie, wie Sie dazu kommen, hier noch Anträge - ich habe eben einige aufgezählt - in einer Größenordnung von - niedrig gerechnet - 2 Milliarden Euro zu stellen. Wo ist denn da der Zusammenhang zu dem, was Sie sonst fordern, also Absenkung der Nettokreditaufnahme, Vermeidung von globalen Minderausgaben?

(Beifall bei der SPD)

Wo ist denn Ihr Anspruch an die eigene Solidität? Wo ist denn die Gegenfinanzierung für BEB, die Sie bei uns in Ihrer eigenen Darstellung der Politik einfordern? Es hindert doch die Oppositionsfraktion CDU niemand daran, an eigenen Messlatten entlang die Politik auch haushalterisch mit der Sach- und Fachpolitik abzugleichen.

Das ist der eigentliche Widerspruch der Oppositionspolitik nicht nur heute, sondern in den letzten zwölf Jahren, und das ist in Niedersachsen bekannt geworden, Herr Möllring. Das hat überhaupt nichts mit Hildesheim zu tun; das würde ich hier gar nicht heranziehen. Aber das ist die Solidität, die Sie immer einzufordern versuchen. Nun bringen Sie endlich den Beweis!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat noch einmal Kollege Möllring für bis zu zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, mit den Zahlen ist es immer so eine Sache.

(Lachen bei der SPD)

Sie haben in der letzten Woche eine Hochglanzbroschüre auf den Markt gebracht. Sie heißt wohl: „Niedersachsen - eine Erfolgsstory“. Das Ganze ist nur eine Erfolgsstory für die Druckerei, weil sie einen guten Auftrag bekommen hat. Ansonsten können Sie das ganze Ding in die Tonne werfen.

(Plaue [SPD]: Aber Sie können das ruhig tun! Sie können das Ihren Kol- legen in Hildesheim geben!)

Darin steht z. B.: Die heutigen Schulden des Landes betragen 35 Milliarden Euro. Wenn, müsste dort wirklich die Wahrheit drinstehen. In Ihrer eigenen Mipla, die ein paar Wochen älter ist, stehen für Ende 2001 schon 36 Milliarden Euro, und für 2002 planen Sie 37,3 Milliarden Euro. Das heißt, Sie haben bei den Schulden des Landes mal eben gut 1 Milliarde unter den Tisch fallen lassen. Und Sie wollen herkommen und uns etwas über Zahlen erzählen? So geht es nicht, Herr Minister.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere orientierende oder irritierende Blickkontakte zum Präsidium in Bezug auf Redebeiträge sind mir nicht bekannt geworden und meinen Damen neben mir auch nicht. Insofern kann ich die Beratung an dieser Stelle abschließen und Sie bitten, Ihre Aufmerksamkeit auf die Abstimmung zu richten.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen zustimmen will und damit den Antrag der Fraktion der CDU ablehnen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich frage nach den Gegenstimmen. - Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, dass Frau Harms nur einmal abstimmen wollte.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das zweite Mal war gültig!)

Das Erste war die Mehrheit.

(Einige Abgeordnete verlassen den Sitzungssaal)

Wenn diejenigen, die den Plenarsaal jetzt wieder verlassen möchten, das etwas lautloser machen und die anderen ihre Aufmerksamkeit darauf richten würden, dass wir fast eine Stunde in Zeitverzug sind, wäre ich Ihnen außerordentlich dankbar dafür. Das würde die Beratung beschleunigen können.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 11: Zweite Beratung: Ein weiterer Baustein für mehr Tierschutz Mastgeflügelhaltung in Niedersachsen Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/2761 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - Drs. 14/3287

Berichterstatter ist Kollege Bontjer, dem ich das Wort erteile.