geprägt von Halbherzigkeiten, Herr Kollege, Beliebigkeit - ganz schlimm - und Inkonsequenz. Herr Gabriel ist einmal damit angetreten, die Orientierungsstufe abzuschaffen. Auch er wollte doch das Abi nach zwölf Schuljahren realisieren. Das war eine riesige Chance, Herr Ministerpräsident, mit der anderen großen Volkspartei im Lande zu einem Konsens zu kommen. Das waren Positionen, die auch wir in den vergangenen Jahren entwickelt hatten. Das hätte man miteinander machen können, um dann zur Wahl anzutreten und alles andere so oder so regeln zu können. Sie haben sich damit in Ihrer Partei und in Ihrer Fraktion nicht durchsetzen können. Nun ist der Schuss in die andere Richtung losgegangen.
Die Orientierungsstufe, Herr Kollege, wird doch nicht abgeschafft, sondern zur Förderstufe umetikettiert. Das ist es doch!
Und das Ganze mit noch weniger Differenzierungsmöglichkeiten und ohne jegliche Chance für eine schulformspezifische Profilierung. Man kann den Leuten das gar nicht oft genug erklären. Immer noch ist der Irrtum verbreitet: Toll, wir kriegen eine Förderstufe. - Die Förderstufe ist überall die gleiche. Ob an der KGS, an der Gesamtschule oder am Gymnasium - überall ist die Förderstufe die gleiche. Tun Sie doch nicht so, als finde in der Förderstufe am Gymnasium gymnasialer Unterricht statt! Das kann doch gar nicht sein!
Sie haben Bündnispartner gesucht. Gern hätten Sie das Handwerk auf Ihrer Seite. Das Handwerk sagt: Eine Förderstufe, die keinerlei Differenzierungsmöglichkeiten vorsieht und die ab Klasse 5 nicht auf die einzelnen Schulformen vorbereitet, stellt für uns keine Verbesserung gegenüber der gescheiterten Orientierungsstufe dar. Herr Rehkopf und seine Freunde haben Ihnen gesagt: Das ist nicht unser Gesetz. - Auf das Handwerk können Sie dabei also nicht setzen.
Elternwille steht doch nur auf dem Papier, weil der Schulträger durch Schulbezirke oder ein absurdes Losverfahren den Elternwillen massiv einschränken kann.
Wenn dann in dem Losverfahren auch noch nach Leistungsgruppen sortiert werden soll, Herr Kollege, dann kommt es doch dazu, dass in einer Förderstufe des Gymnasiums gewolltermaßen letztlich zwei Drittel an Schülerinnen und Schülern sind, die nicht dorthin gehören. Das kann doch nicht vernünftig sein.
Ich sage Ihnen ganz offen, auch rein gesetzestechnisch: Ein schulpolitisches Regelwerk, welches in einem Losverfahren gipfelt, ist letztlich eine Bankrotterklärung einer politischen Führung.
Der Landeselternrat hat es Ihnen doch auch in diversen Sitzungen - offenbar noch zu Beginn dieser Woche - ins Stammbuch geschrieben und hat schlichtweg gesagt: Der Elternwille muss hochgehalten werden.- Aber wer Schuleinzugsbereiche macht, Kapazitätsbeschränkungen macht, sieht Mittel vor, die nicht geeignet sind, die Qualität der Schule zu verbessern. Die haben Ihnen ein vernichtendes Urteil attestiert.
- Das erzähle ich Ihnen gleich noch. - Ich fand es einfach gut - dann will ich zum Elternwillen auch nichts mehr sagen –, dass der rundblick es am 12. Juni auf dem Punkt gebracht hat: Wo alles gleich ist, braucht man auch nicht mehr zu wählen.
Nun las man ja zu Beginn dieser Woche, dass es vielleicht doch möglich sein solle, dass Haupt- und Realschulen auch eine Förderstufe, sozusagen im Regelfall, erhalten sollen. Ich halte das nur für rhetorische Zugeständnisse.
Ich betrachte mal Ihre Verordnungslage und darf festhalten: Die Förderstufen haben mindestens vier Parallelklassen, sie sind nur im Ausnahmefall dreizügig. Selbständige Haupt- und Realschulen im ländlichen Raum können doch gar keine Förderstufen führen, weil sie das gar nicht erreichen. Sie werden letztlich in die Kooperation gezwungen; oder der Standort ist eben doch auf Dauer gefährdet.
In Ihren Verordnungsentwürfen stellen Sie das Ganze mit Tricks auch unter Genehmigungsvorbehalte der Bezirksregierung. Man weiß also genau, das Angebot ist ein Scheinangebot. De facto ist das nicht beabsichtigt.
Mit selbständigen Haupt- und Realschulen haben Sie es nicht. Die sind Ihnen ein Dorn im Auge. Sie wollen sie fusionieren lassen, wollen Niedersachsen letztlich zu einem Gesamtschulland umstrukturieren. Da glaube ich mal Ihrem Parteitag: Ziel ist die flächendeckende Einführung von Gesamtschulen in Niedersachsen. Da nehmen wir Sie einfach mal beim Wort.
Ich muss Ihnen aber sagen: Schauen Sie mal in PISA. Unsere Realschulen sind hervorragend benotet worden: beste soziale Integration, Schule des sozialen Aufstiegs, um Meilen besser z. B. als integrierte Gesamtschulen eingestuft. Warum machen Sie diese Erfolgsschule kaputt? - Ich verstehe es nicht.
Das Abitur nach zwölf Jahren wollten wir doch auch mal miteinander. Sie machen sich geradezu lächerlich, wenn Sie jetzt sagen: Klassen 5 und 6 Förderstufe, Klassen 7 bis 13 sollen - das ist unverändert Ihre Regelschule - Gymnasium sein. Im Ausnahmefall versuchen Sie es mit Profilklassen. Damit soll es auch nach zwölf Jahren möglich sein. Da kann ich Ihnen nur ganz einfach sagen: Erstens funktioniert es nicht, und zweitens ist es z. B. im ländlichem Bereich, wo wir kleine Systeme haben, gar nicht umsetzbar. Hören Sie also auf, so etwas anzubieten. Das geht gar nicht.
Irgendein Kollege hat eben gesagt: Das Chaos wird kommen. Die Schulträger bibbern geradezu, was sie dann alles umzusetzen haben,
Die sitzen da mit dem Problem Schuleinzugsbereich und müssen bezahlen, fühlen sich von vorne bis hinten verlassen.
Es ist unverantwortlich, was Sie hier als Grünen Plan anbieten. Das ist eine hochschwierige Angelegenheit. Aber ich kann Ihnen sagen: Sie wecken da Begehrlichkeiten, die Sie nicht erfüllen können. Jedes Dorf meint in diesen Tagen, man habe demnächst ein Gymnasium. Ich kann Sie nur auf die Fakten hinweisen. Die Schulträger haben kein Geld.
Wir als Land haben keine Lehrer. Vorhandene Gymnasien werden gefährdet. Die Frage nach der Qualität wird offenbar gar nicht mehr gestellt. Darüber müssen wir auch reden.
Dann wollen wir auch einmal ein bisschen in die tatsächlichen Verhältnisse blicken, in die schulpolitische Lage in unserem Land. Kürzlich stand im Spiegel - das fand ich ganz interessant -: „Panik vor PISA“. Da waren wohl hauptsächlich die sozialdemokratischen Kultusminister angeguckt, die möglicherweise auf den 27. Juni hin so langsam gewisse Befürchtungen bekommen.
Sie sind seit 1990 für die Bildungspolitik verantwortlich, als Staatssekretärin oder auch als Ministerin. Sie werden am 27. Juni vermutlich sehr viel zu erklären haben.
Herr Gabriel hat es vielleicht schon geahnt. Ich zitiere ihn aus der Ostfriesenzeitung vom 21. April. Da sagt er:
Gestern meinte er offenbar in Berlin, vom Süden lernen, das wäre doch was. Na, warten wir mal ab. Glogowski hat es auch schon vor zwei Jahren geahnt. Das Zitat mit dem schwachen niedersächsischen Niveau kennen Sie. Das schenken wir uns dann mal.
Aber interessant ist doch die Studie der GEW. Das ist ja nun ein Verband, der nicht unbedingt im Verdacht steht, mit uns besonders liiert zu sein.
Herr Plaue, die haben mal die Verhältnisse der Unterrichtsstunden bundesweit abgeglichen. Da kann einem schon Angst und Bange werden. In dem Quantum an Unterrichtsstunden, das der bayerische Schüler oder der niedersächsische Schüler hat, liegt ein Unterschied von 832 Lehrerstunden verborgen. Das ist eine dramatische Zahl und sollte zu denken geben.
Dann kommt es noch toller. Ich habe mir noch eine andere Statistik, auch aus dem GEW-Befund, angesehen. Dann ist man geradezu erschüttert.