Protokoll der Sitzung vom 28.08.2002

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Beratung. Ich erinnere daran, dass wir uns für die beiden großen Fraktionen auf 45 Minuten und für die Grünen auf 22,5 Minuten Redezeit verständigt haben. Die Landesregierung hat ihre 45 Minuten Redezeit exakt eingehalten.

Das Wort hat der Kollege Wulff für die CDUFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Tatsächlich haben wir größtes Unheil erlebt, das alle Anstrengungen erforderlich macht. Hier ist zu Recht die Stunde, Dank zu sagen und konkret denen zu helfen, die jetzt in großer Not sind.

(Beifall bei der CDU)

Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, ob in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg oder Niedersachsen, aber auch weit über die betroffenen Bundesländer hinaus, haben das sehr schnell begriffen und eine Hilfsbereitschaft gezeigt, die einfach bewundernswert ist. Was wir hier erleben, ist etwas, von dem wir lange zehren können.

Es sind Menschen umgekommen. Einige werden in diesen Stunden immer noch vermisst und sind wahrscheinlich auch zu Tode gekommen. Die Schäden, die innerhalb weniger Tage in Deutschland entstanden sind, sind überhaupt nicht abzuschätzen. Vor diesem Hintergrund ist es gut, wenn wir uns die erschütternden Bilder aus Dresden, aus Grimma und vielen anderen wasserüberfluteten Orten tief einprägen, damit die Hilfe im Sinne dessen, was Ministerpräsident Gabriel gesagt hat, uns vor Augen bleibt, wenn andere Themen die Gefahr bieten, diese Themen in Vergessenheit geraten zu lassen.

Das Mitgefühl auch meiner Fraktion gehört denen, die von der Flut überrascht wurden, die evakuiert werden mussten, die so viel verloren haben, ihr

gesamtes Hab und Gut, ihre Existenzgrundlage und häufig ihre persönliche Lebens-, manchmal auch Leidensgeschichte. Ich habe eine Frau aus Horneburg vor Augen, die mir weinend berichtete, dass sie, weil sie die Dinge aus ihrem Keller nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte, da die Flutung dieses Wohngebietes durch den Überlauf des Deichs nicht vorhersehbar und nicht abwendbar gewesen sei, von den Fotos von ihren Familienangehörigen, von ihren Dokumenten und auch von dem, was die materielle Existenzgrundlage in ihrem mittelständischen Betrieb ausmacht, nichts retten konnte. Sie stünde vor dem Nichts und müsste nun völlig neu beginnen. Es waren schockierende Bilder, bewegende Bilder: Menschen saßen auf Restmauern ihrer Häuser, die dann auch noch weggespült wurden.

Ministerpräsident Milbradt hat uns berichtet, dass das Wasser zeitweilig 30 cm in einer Stunde angestiegen ist. Wenn man unsere industrialisierte Welt und auch die Kanalisation und Versiegelung sieht, weiß man, was aus Bergen und von Hängen an Wassermassen in die Täler heruntergekommen ist und wie die Menschen hiervon überrascht worden sind. Man kann sich eine Vorstellung von der Not der Opfer dieser Tragödie machen. Man kann nur dankbar sein, dass eine solche einzigartige Welle der Hilfsbereitschaft unser Land erfasst hat.

(Beifall im ganzen Hause)

Man muss an dieser Stelle wiederholen, was die Landesregierung zu Recht hervorgehoben hat. Es ist in der Tat etwas ganz Besonderes, wenn die Feuerwehr, das Technische Hilfswerk, die Polizei, die Bundeswehr, der Bundesgrenzschutz, das Deutsche Rote Kreuz, die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft und viele andere Verbände – ehrenamtliche, freiwillige und beruflich-professionelle Helfer - weit über das hinaus, was man von Menschen verlangen und erwarten kann, Hilfe geleistet und Dienst getan haben. Wir sind ihnen ebenso zu größtem Dank verpflichtet wie den Mitarbeitern der Landesverwaltung in der Bezirksregierung Lüneburg und beim Landesamt für Wasserwirtschaft. Unser Dank gilt aber auch den Landkreisen, den Landräten Aschbrenner und Fietz, den vielen Kommunen und ihren Bürgermeistern, den Katastrophenschützern, die mit Augenmaß, Sachverstand und menschlicher Zuwendung vor Ort großartige Arbeit geleistet haben.

(Beifall im ganzen Hause)

Es gab an den Stellen, wo der Sand in die Sandsäcke gefüllt wurde und anschließend beim Transport und bei der Ablegung der Säcke Einzelne, die von weither angereist waren - vor allem gilt das natürlich für Sachsen-Anhalt und Sachsen - und einfach sagten: Wir können doch jetzt nicht unser Tagewerk verrichten und einfach zur Tagesordnung übergehen, wenn andere vor dem Nichts stehen und Hilfe benötigen. - Ich habe vor allem viele junge Leute im Amt Neuhaus und im Bereich der Landkreise Lüneburg und Lüchow-Dannenberg gesehen. Angesichts dieser vielen jungen Leute kann ich nur sagen: Wir haben eine tolle, eine großartige junge Generation, was auch die ShellStudie in den letzten Tagen gezeigt hat. Anstrengung, Leistung, Fleiß, nicht nur von anderen etwas zu erwarten, sondern vor allem an sich selbst Forderungen zu stellen - das haben viele junge Leute dort am Deich vorgelebt und mit ihrer Hilfsbereitschaft und Einsatzbereitschaft gezeigt, dass man Vorbild sein kann.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich meine, dass es für die Region auch wichtig war, zu erkennen, was sie an ihrer Polizei und ihrer Bundeswehr hat, weil das Verhältnis gerade dort ja nicht immer ganz krisenfrei ist.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das stimmt!)

Ob es das Stapeln der Sandsäcke, das Aufräumen, das Versorgen der erschöpften Helfer durch die Anwohner war - das Hochwasser hat jedenfalls gezeigt, dass wir anpacken können und dass mit übermenschlichem Einsatz schlimme Folgen verhindert werden konnten. Ich möchte auch den Ministerpräsidenten, Herrn Prof. Milbradt, Herrn Dr. Böhmer, Herrn Platzeck und Herrn Gabriel, danken, weil natürlich in erster Linie die Länder für den Katastrophenschutz und für den Küstenschutz Verantwortung tragen. Es war ein Segen und eine glückliche Fügung, dass die technische Einsatzleitung im Landkreis Lüchow-Dannenberg kurze Zeit, bevor die Probleme auftraten, direkt an den Deichen im Amt Neuhaus eine Übung gemacht hat. Das zeigt uns, welche herausragende Bedeutung der Katastrophenschutz hat. Wenn man in Dörverden bei der Bundeswehr oder anderswo dafür eintritt, dass wir Pioniereinheiten behalten, dass wir auf Hochwasserkatastrophen vorbereitet sind, erregt man relativ viel Kopfschütteln. Alle sagen dann: Mit Katastrophenschutzszenarien beschäftigt man sich in unserer heutigen risikoärmeren Zeit doch immer weniger. - Nein, ich meine,

auch in einer solchen Zeit, in der wir leben, ist gerade der Katastrophenschutz von ganz großer Bedeutung.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt auch eine unglaublich große private Spendenbereitschaft. Diese ist ein einzigartiges Beispiel für die Leistungswilligkeit und -bereitschaft unserer Gesellschaft. Privatleute haben Unterkünfte bereit gestellt und Sachspenden geleistet. Auch Firmen haben geholfen. Die Firma Otto Bock in Duderstadt hat sofort geholfen, gerade für die Behinderten, die in den überfluteten Gebieten in Not geraten sind, schnelle Hilfe zu organisieren. Man könnte hunderte solcher Fälle benennen. Wir brauchen jetzt einen nationalen Kraftakt - dem wird sich sinnvollerweise niemand verweigern können -, um die immensen Schäden zu beseitigen. Dabei wäre uns in Niedersachsen wichtig, dass die Landesregierung daran denkt, die Schadensfeststellung auf landwirtschaftlichen Flächen in diesen Tagen durch landwirtschaftliche Sachverständige kurzfristig vorzunehmen und die Kosten zu tragen, damit die Schäden kurzfristig eben auch mit landwirtschaftlichen Sachverständigen und nicht nur mit Behördenvertretern ermittelt werden und wir anschließend an die Schadensbeseitigung und den Ausgleich für die Schäden herangehen können.

Ein nationales Hilfsprogramm soll den Betroffenen sofortige Hilfe bieten, gesetzlich abgesichert sein und verlässliche Leistungen über mehrerer Jahre zur Verfügung stellen. Über dieses Ziel sind wir uns tatsächlich einig.

Die Bundesregierung hat am Montag der vergangenen Woche vorgeschlagen, zur Finanzierung dieser Schäden die nächste Entlastungsstufe der Steuerreform um ein Jahr zu verschieben. Das hat uns schon deshalb überrascht, weil Bundesfinanzminister Eichel am Vorabend gegen 23 Uhr im Fernsehen, an ein Millionenpublikum gewandt, deutlich gemacht hat, dass er definitiv ausschließen könne, dass die Steuerreform verschoben würde. Bei diesem Weg entsteht dann natürlich der Eindruck, dass die ruhige Hand wohl eher durch die fuchtelnde Hand abgelöst wurde und nicht die Verlässlichkeit gegeben ist, die die Wirtschaft in unserem Land dringend braucht.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind, weil wir uns im Ziel einig sind, eingeladen worden, gemeinsam über den Weg zu streiten. Ich halte das für gut und richtig. Gerade weil der

jetzt ins Auge gefasste Weg eine faktische Steuererhöhung bedeutet, weil der Mittelstand aufgrund der Veränderungen bei Verlustabschreibungen und in ähnlichen steuerrechtlichen Fragen bereits Vorleistungen erbracht hat, gerade weil der konjunkturelle Aufschwung, Konsum und Investitionen derzeit verhindert werden würden und der Mittelstand erneut belastet werden würde, statt ihn zu entlasten, halten wir die Finanzierung der Hilfe auf diesem Wege für falsch. Wir haben zwei nationale Katastrophen: Das eine ist die Flutwasserkatastrophe, das andere ist die hohe Arbeitslosigkeit, die durch den jetzt ins Auge gefassten Weg der Finanzierung der Hilfe zementiert, vielleicht sogar verstärkt werden würde.

(Beifall bei der CDU)

Gestern hat der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Dieter Philipp, warnend darauf hingewiesen, dass ein weiteres Hinauszögern der Steuerentlastung den Verlust von 200 000 Arbeitsplätzen und die Pleite von 25 000 Betrieben bedeute. Aus Verantwortung für die Opfer der Flut wird sich die Union der Bundesregierung nicht entgegenstellen, weil wir jetzt zusammenstehen und helfen müssen. Das Signal der Geschlossenheit ist auch gegenüber den Banken wichtig, die jetzt vielen Betrieben entgegenkommen sollen. Ich sage aber genauso deutlich, wie dies eben bei der Darstellung der anderen Position hier vorgetragen worden ist: Wir werden im Falle der Regierungsverantwortung nach dem 22. September die Finanzierung der Hilfe auf andere Beine stellen. Wir wollen den überschießenden Bundesbankgewinn in Höhe von 7,7 Milliarden Euro einsetzen und die steuerlichen Entlastungen am 1 Januar 2003 wirksam werden lassen.

(Beifall bei der CDU)

Sie kritisieren, dass hiermit der Schuldenabbau verschoben würde. Wird aber nicht derjenige, der ein Haus hat, in dem alle Wasserrohre brechen, als erstes an die Reparatur der Wasserrohre gehen und dafür die Abtragung seiner Schulden um ein Jahr verschieben, statt an den Spritkosten seines Wagens für die Fahrt zur Arbeit oder im Bereich der Einkommenserzielungsmöglichkeiten zu sparen? Die amtierende Bundesregierung selber - es wurde hier eben gesagt, es sei töricht, an eine solche Verschiebung zu denken - hat im Zusammenhang mit dem Solidarpakt II eine dreijährige Tilgungsstreckung - für die Jahre 2002 bis 2004 - von 4,5 Milliarden Euro beim Fonds Deutsche Einheit

vereinbart. Seinerzeit hat die Bundesregierung dies als solide Haushaltspolitik bezeichnet. Wer selber im Glashaus sitzt, darf dann natürlich nicht mit Worten wie „töricht“ um sich werfen, weil er sich sonst selber verletzt.

(Beifall bei der CDU)

Die Gelder, die hier ausgegeben werden, sind im Übrigen tatsächliche Investitionen und zur Bekämpfung beider Katastrophen der richtige Weg. Wir müssen erkennen, dass wir in diesem Jahr vermutlich 45 000 oder mehr Insolvenzen haben werden, dass die Rentenbeiträge und die Krankenkassenbeiträge steigen werden, dass wir erstmals seit Jahren wieder eine steigende Zahl von Sozialhilfeempfängern verzeichnen und dass wir steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Einnahmen der öffentlichen Haushalte zu registrieren haben. Diese Spirale, die sich da breit macht, muss durch eine kluge Politik durchbrochen werden.

Die für 2003 vorgesehene Tarifsenkung führt für einen verheirateten Arbeitnehmer mit durchschnittlichem Einkommen zu einem um etwa 30 Euro pro Monat höheren Nettoverdienst. Das entspricht exakt der Nettosumme, die aus einer Tariferhöhung von 2,5 bis 3 % verbleibt. Wer am 1. Mai gesagt hat, 2,5 % seien völlig unerträglich, und damit die Arbeitnehmerschaft geradezu zum Widerstand herausfordert, und wer gestern erkannt hat, dass unsere Volkswirtschaft nicht ein Exportproblem, sondern ein wirkliches Problem der Binnennachfrage hat, der kann nicht einfach darüber hinweggehen, dass durch das Verschieben der Steuerreform die Geringverdiener jetzt nicht entlastet werden, sondern gerade deren Reallohnzuwachs, den sie netto im Portmonee haben, aufgebraucht wird.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man ohnehin in einer Phase der Rezession ist, in einer Phase der Depression ist, in der sich die deutsche Volkswirtschaft im Moment befindet, dann sollte man in diesem Zusammenhang keine weiteren Fehler begehen. Es muss die Erkenntnis wachsen, dass die Fähigkeit zur Hilfe auch von der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abhängt.

Sie haben die Mittel - beispielsweise in diesem Haushaltsjahr - für den Deichbau ja nicht aus Spaß an der Freude gekürzt gehabt, sondern Sie haben in der Situation gekürzt, dass der Haushalt in Niedersachsen vor die Wand gefahren ist. Wenn in Bayern bei der Pfingstflutkatastrophe mit 200 Millio

nen geholfen wurde, dann sind die 500 000 Euro für Horneburg schon einmal in Vergleich zu stellen. Das heißt, je wirtschaftlicher und finanzpolitisch solider ein Land regiert wird, umso mehr kann es dann auch für diejenigen tun, die unserer Hilfe bedürfen.

(Beifall bei der CDU)

Beim Thema Verschuldung erinnere ich nur daran, dass das Defizitkriterium nach Maastricht Ende 1998 1,7 % betrug und es am Ende dieses Jahres rund 3 % beträgt und uns infolgedessen der blaue Brief ins Haus steht. Das ist die Entwicklung der Verschuldung auf den staatlichen Ebenen in den vergangenen Jahren.

Wir brauchen die Entlastung der Steuerzahler. Sie brauchen netto mehr im Portmonee. Wir brauchen die Entlastung des Mittelstandes, um einen Aufschwung zu bewirken, damit durch steuerliche Mehreinnahmen die Leistungen andere Systeme finanziert werden können. Wir brauchen die Sicherstellung des Abstandsgebots für den, der arbeitet und mehr haben muss als derjenige, der von Transferleistungen lebt und nicht arbeitet.

Der Bundesbankgewinn hat im Übrigen einen großen Vorteil. Er steht nämlich unverzüglich zur Verfügung, während in den nächsten Tagen noch diskutiert werden wird, in welchen Abläufen welche Summen tatsächlich in den Fonds eingebracht werden sollen.

Wir sollten uns aber auch fragen, wo wir Fehler begangen haben und wo Versäumnisse liegen; einige sind hier schon genannt worden. Die Elbe ist ein Beispiel dafür, dass menschliche Eingriffe Überschwemmungen erst zur Katastrophe werden lassen. Wir haben viele Auen als natürliche Überflutungsflächen, die das Wasser aufnehmen, zwischenlagern und versickern lassen, beschnitten und die Deiche immer näher an die Flussläufe herangeschoben. An der Elbe, so die Wissenschaftler, sind mehr als 80 % der Auen für den Fluss nicht mehr erreichbar. Trotz der eben schon genannten ElbeErklärung von 1996/97 der damaligen Bundesregierung und der Umweltverbände, die den sanften Ausbau der mittleren Elbe zum Ziel hat, werden derzeit im Mittellauf der Elbe Buhnen aufgeschüttet, die den Fluss weiter künstlich verengen mit der Folge, dass das Wasser schneller fließt und gleichzeitig das Flussbett aushöhlt. Infolge der Versiegelungsmentalität neben den Flussläufen führen

die Nebenflüsse heute immer noch mehr Wasser in die Elbe.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das hat schon Herr Wissmann angefangen, Herr Wulff!)

Jedes Haus ist heute an die Kanalisation angeschlossen. Versickerungen werden durch Versiegelung von Flächen zurückgedrängt. Alles dies muss bei solch extremen Niederschlägen in eine Katastrophe münden. Wenn wir die Verhältnisse ändern wollen, dann sollten wir uns tatsächlich heute vornehmen, die damalige Vereinbarung mit der Strategie zum Hochwasserschutz an der Elbe im Einzelnen umzusetzen. Vor allem die Anliegerländer, auch die norddeutschen Länder, sind insoweit in der Verantwortung.

Die Strategie sieht die Erhaltung und Wiederherstellung des natürlichen Wasserrückhalte- und -speichervermögens in der Landschaft, in den Gewässern und Auen sowie die umfassende Nutzung von Überschwemmungsgebieten, die Verbesserung des technischen Hochwasserschutzes und des Melde- und Vorhersagedienstes vor. Es gibt übrigens hier in Hannover das schöne Beispiel der MuldenRigolen-Systeme, wie sie auf dem gesamten ExpoGelände verwendet worden sind. Dieses System sorgt dafür, dass das Wasser auf dem Gelände verbleibt und eben nicht so schnell in die Kanalisation geführt wird und nur ein Teil davon in der Kanalisation landet. Wir können insoweit beispielgebend sein. Ministerpräsident Böhmer hat gerade diese Mulden-Rigolen-Systeme zu einem Schwerpunktthema der Überlegungen seines Landes erklärt.

Die Tragödie an der Elbe, in Horneburg und in vielen anderen Einzugsbereichen niedersächsischer Flüsse rückt den mangelhaften und zum Teil völlig unzureichenden Hochwasserschutz in Niedersachsen in den Blickpunkt. Herr Ministerpräsident, man kann uns hier nicht ersparen, dass Fachleute wie beispielsweise Claas-Heinrich Peters vom Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz, auf den Punkt gebracht, gesagt haben, dass ohne die angelaufenen Sicherungsmaßnahmen keiner der alten Deiche im Amt Neuhaus gehalten hätte. Jetzt gibt es den wirklich schwierigen schmalen Grat, einerseits nicht rechthaberisch zu sein und andererseits nicht den Anschein zu erwecken, wir seien aktionistisch und immer dann tätig, wenn das Kind in den Brunnen gefallen sei. Das heißt, es ist sicherlich nicht richtig, zu sagen, dass alles vorher

sehbar gewesen sei, oder zu sagen, dass das gar nicht vorstellbar gewesen sei.

In der Einschätzung dessen, was man tun konnte, sagen unsere Nachbarländer Sachsen-Anhalt und Brandenburg, dass die Flutung der Havel-Polder eine ausschließlich fachliche Entscheidung ohne Einfluss Niedersachsens war. Die Kommission, die der Staatsvertrag von 1993 vorsieht, hat seit dem 17. August gemäß des Staatsvertrages mit Vertretern der Umwelt- und Innenministerien beider Länder und mit den beiden betroffenen zwei Landkreisen getagt. Sie haben am 20. August die Öffnung des Wehres beschlossen, um den Pegelstand in Wittenberg um 25 bis 30 cm abzusenken, nachdem in Sachsen-Anhalt bereits mehrere Deiche gebrochen waren. Damit hat man einen großen Erfolg erzielt. Es wurden fünf von sechs Polder geflutet, und der Pegelstand wurde sogar erheblich stärker abgesenkt, als man es für möglich gehalten hatten. Ministerpräsident Böhmer hatte hier gedrängt. Der für den Katastrophenschutz zuständige Minister Schönbohm und sein Umweltminister in Brandenburg haben mit den zwei Kolleginnen und Kollegen Ministern aus Sachsen-Anhalt die Entscheidung getroffen.

Es ist keine Frage, dass das kluge und richtige Entscheidungen waren, die auch uns nördlichen Anrainern der Elbe - Niedersachsen, SchleswigHolstein und Mecklenburg-Vorpommern - zugute gekommen sind. Aber für die Kreierung von Heldenmärchen ist die Angelegenheit nicht geeignet. Die uns vorliegenden Chronologien über diese aus Vertretern von Sachsen-Anhalt und Brandenburg bestehende Kommission lassen nicht den Schluss zu, dass man sich insoweit mit fremden Federn schmücken dürfte.