Protokoll der Sitzung vom 28.08.2002

Uns ist aber auch klar, dass Deutschland die Herausforderungen der Zukunft, insbesondere im Klimaschutz, nicht allein bewältigen kann. Wir sind keine Insel. Wir müssen dafür sorgen, dass das, was wir politisch als richtig erkannt haben, was uns die Fachleute seit vielen Jahren sagen, auf die Tagesordnung der europäischen und übernationalen Organisationen kommt. Wir müssen weltweit eine Politik bekommen, die die Folgen des Versagens von Umweltpolitik deutlicher als bisher in den Mittelpunkt öffentlichen Interesses stellt und dafür sorgt, dass diese Folgen bekämpft werden.

Ich denke, es ist deutlich geworden, dass solche Aktionen wie beim Kyoto-Protokoll, bei dem Europa gegen die größte Industrienation der Welt steht, in der noch nicht erkannt worden ist, dass Umweltschutzpolitik eine Daseinsvorsorge ist, die nicht wegzudiskutieren ist, verstärkt werden müssen. Es handelt sich eben nicht um eine Entsolidarisierung mit einem starken Bündnispartner; vielmehr geht ein klarer Auftrag an die Europäische Union, nämlich den Amerikanern deutlich zu sagen: Unterschreibt das Kyoto-Protokoll, weil es unserer Zukunft und auch der Zukunft eurer Menschen dient.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Uns hier in Niedersachsen beschäftigen im Moment noch stärker die Auswirkungen des Elbehochwassers. Wir hatten in Niedersachsen sehr großes Glück. Dieses große Glück allein hat uns aber nicht vor größeren Schäden bewahrt, auch wenn es Menschen gibt, die das nicht wahrhaben wollen. Dass wir in Niedersachsen so glimpflich davongekommen sind, haben wir einigen glücklichen Faktoren zu verdanken, so z. B. der mutigen und schnellen Entscheidung in Sachsen-Anhalt und Brandenburg, die Havel-Flutpolder zu öffnen. An solch einer Stelle zeigt sich - da lese ich keine Litanei von Abläufen vor -, ob Politikerinnen und Politiker in der Lage sind, schnell und unbürokratisch zu handeln. Deshalb sage ich: Danke, Matthias Platzeck. Wir werden das, was dort passiert ist, in Niedersachsen nicht vergessen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bedanke mich ausdrücklich auch bei den Menschen in Brandenburg und in Sachsen-Anhalt, die sozusagen diese Last zusätzlich zu tragen hatten. Das ist die Solidarität, die auch Niedersachsen zeigen wird, wenn es darum geht, die Schäden auszugleichen. Das ist überhaupt keine Frage.

(Beifall bei der SPD)

Gerade im Amt Neuhaus, in dem die Deiche aus DDR-Zeiten noch nicht auf dem hohen niedersächsischen Standard sein konnten, wurde die Erneuerung der Deiche in den letzten Jahren konsequent in Angriff genommen. Aber auch in anderen Bereichen Niedersachsens haben wir Geld in die Hand genommen, um die Deichsicherheit zu erhöhen. Es kann nicht sein, dass wir dies alles nur unter dem Gesichtspunkt „breiter und höher“ betrachten. Wir müssen uns darum kümmern, dass

das, was wir machen, solide und gut ist; das ist keine Frage. Deshalb wäre es falsch, die Deiche im Amt Neuhaus nur zu erhöhen oder zu verbreitern. Vielmehr müssen wir sie komplett neu bauen. Aber es ist auch wichtig und richtig, dass wir uns darum kümmern, nicht nur der Elbe, sondern den Flüssen insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland wieder den Raum zu geben, den sie brauchen, um solche Hochwassermassen zu bewältigen, damit es nicht zu solchen Katastrophen kommt. Das ist die eigentliche Aufgabe der Politik, die wir zu leisten haben.

(Beifall bei der SPD)

Die Verschiebung von Trassen, die Öffnung und Schaffung von zusätzlichen Retentionsräumen, alles das spielt eine Rolle.

Es geht natürlich auch darum, zusätzliches Geld zur Verfügung zu stellen. Übrigens, Herr Kollege Wulff, ich darf Sie daran erinnern - weil Sie das angesprochen haben, will auch ich es tun -, dass Ihr Antrag, 7,5 Millionen Euro für den Deichschutz bereitzustellen, von uns mit der Bereitstellung von 8,5 Millionen Euro beantwortet worden ist. Das ist also 1 illion Euro mehr, als Sie gefordert haben. Aber das will ich nicht zum Gegenstand intensiver Diskussionen machen.

(Zuruf von der CDU: Das musste aber mal gesagt werden!)

Auch wenn die erforderlichen Maßnahmen viel Geld kosten werden, müssen wir uns alle daran erinnern, dass dieses Geld aus einem Haushalt kommen muss, der seit vielen Jahren im wahrsten Sinne des Wortes ausgeknautscht ist.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Vor die Wand gefahren!)

- Wenn Sie behaupten, dass er gegen die Wand gefahren worden ist, Herr Kollege, dann kann ich nur sagen: Wären wir Ihren Vorschlägen gefolgt, dann hätten wir über 40 Millionen DM mehr an Mindereinnahmen und Mehrausgaben, als es derzeit der Fall ist.

(Beifall bei der SPD - Möllring [CDU]: Mehr Einnahmen ja, mehr Ausgaben aber nicht!)

Dann wäre die Betonwand noch sehr viel dicker. Aber ich will darauf nicht weiter eingehen.

Ich möchte gerne, dass wir den Menschen draußen erklären, dass alles das, was wir zusätzlich an bestimmten Stellen brauchen, an anderen Stellen nicht ausgegeben werden kann. Da erwarte ich dann auch die Bereitschaft der Opposition zu sagen, an welchen Stellen sie Geld einsparen will. Es kann nicht sein, dass Sie nur fordern und die Regierung handelt; vielmehr müssen auch Sie den Menschen sagen, was wir in Zukunft nicht mehr machen können.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen, dass die Planfeststellungsverfahren zur Erneuerung der Deiche langwierig sind. Wir sind damit in der Vergangenheit sehr sensibel umgegangen. Wir sind insbesondere mit denen sensibel umgegangen, die im Amt Neuhaus leben; denn wir wollten den Menschen in diesem politisch hochsensiblen Gebiet, das zu DDR-Zeiten als Grenzgebiet ganz besonderen Restriktionen und Belastungen ausgesetzt war, nicht von vornherein mit Enteignung kommen. Sie wissen, dass dieses Mittel beim Ausbau und Neubau von Deichen eingesetzt werden kann. Aber ich sage auch hier: Alle diejenigen, die das Problem in der Vergangenheit wegen der eigenen Betroffenheit vielleicht etwas hinhaltend diskutiert haben und die eher die Betroffenheit des eigenen Grundstücks und Hauses im Blick gehabt haben, werden - davon bin ich fest überzeugt - angesichts der Gefahren, die die Elbe ihnen deutlich gezeigt hat, und angesichts der Katastrophe, die hätte passieren können, jetzt sehr nachdenklich werden. Ich bin mir sicher, dass die Menschen auch dort umdenken und bereit sein werden, den Deichausbau besser und schneller zu ermöglichen.

Wir haben es geschafft, die Deiche in Neuhaus auf einer Länge von bisher 11 km neu zu bauen. Weitere Deichabschnitte werden folgen.

Seit 1993 wurden steigende finanzielle Mittel in den rechtselbischen Deichausbau investiert. Seit 1998 - die Zahlen habe ich Ihnen genannt - haben wir diese Mittel kontinuierlich bereitgestellt.

Meine Damen und Herren, ich will mich hier nicht weiter mit der Diskussion um die mehr oder weniger nicht abgerufenen Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe auseinander setzen. Das kann man in den Diskussionen im Fachausschuss im Einzelnen tun. Ich möchte nur Eines sagen: Wir dürfen in einer solchen Situation nicht die Anrainer der Elbe gegen die Anrainer anderer Flüsse in Niedersach

sen ausspielen, die ebenfalls unter den Gefahren des Hochwassers zu leiden haben.

(Zuruf von der CDU)

Es geht nicht, dass wir den Einsatz der Mittel ausschließlich auf Amt Neuhaus konzentrieren. Anderenfalls müssen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren - der Vorschlag kam ja aus Ihrer Richtung -, den Menschen an der Jeetzel, Wümme und Delme sagen, warum Sie dort nicht investieren wollen. Und das geht nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, dass wir bei der Frage, wie wir uns in den nächsten Jahren positionieren, nicht nur im Deichbau und hinsichtlich der Retentionsräume, also dort, wo sozusagen das Hochwasser unmittelbar auftritt, ansetzen dürfen. Wir müssen uns auch fragen, was wir in den Bereichen falsch gemacht haben und was wir dort eventuell besser machen können, in denen es vielleicht nie ein Hochwasser geben wird. Die Flächenversiegelung ist nicht nur eine Frage, der sich die Menschen an den Hochwasser führenden Flüssen stellen müssen.

(Zuruf von Oestmann [CDU])

- Selbst wenn das eine Platte ist, kommen wir gleich noch dazu, wenn ich Ihnen sagen werde, wie Sie in der Vergangenheit darauf reagiert haben, Herr Kollege.

Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir unsere Siedlungsräume bis in die Nähe der Flutungsräume ausdehnen sollen. Diese Frage müssen wir uns auch weit hinter den Deichen und weit hinter den großen hochwasserführenden Flüssen stellen.

(Zuruf von der CDU)

Dazu gehört, dass wir eine solche Angelegenheit mit der Ernsthaftigkeit behandeln, Herr Kollege, die Sie durch Ihren Zwischenruf vermissen lassen. Wir haben eine Bauordnung, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der steht, dass unnötige Zersiedelungen zu vermeiden sind.

(Zuruf von Oestmann [CDU])

Wir haben dies hier im Landtag diskutiert und gegen Ihre Stimmen nach hämischen Debatten darüber, weshalb man sich mit solchen Gedanken in einer Bauordnung auseinander setzen muss, mit

Mehrheit durchgesetzt. Wir müssen das tun, meine sehr verehrten Damen und Herren,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

weil wir sonst die Voraussetzungen dafür schaffen, dass bei Hochwasser die großen Flüsse viel zu schnell voll laufen. Wir müssen unsere Verantwortung im so genannten Hinterland erkennen und wahrnehmen. Das gilt für die Beamtinnen und Beamten in den Baugenehmigungsbehörden, aber noch mehr für diejenigen, die Entwürfe zeichnen, und auch für die Investoren. Wenn wir nicht bereit sind, unsere Verantwortung vor Ort zu leisten, sind wir für die Not der Menschen an den Flüssen mitverantwortlich. Das muss deutlich zum Ausdruck gebracht werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Ehlen [CDU]: Fassen Sie sich an die eigene Nase!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde diese Debatte an dieser Stelle nicht fortsetzen, wenn es uns gelingt, die Gemeinsamkeit, die aus den Reden erkennbar war, auch in den nächsten Monaten fortzusetzen. Ich habe zwar meine Zweifel, aber zunächst einmal möchte ich daran glauben, dass das so weitergeht. Ich möchte nicht die Hoffnung aufgeben, meine Damen und Herren, dass dann, wenn wir uns z. B. die Vorfluter vornehmen, wenn wir die Renaturierung von Fließgewässern verlangen, weil dort die Möglichkeit der Aufnahme von Spitzenhochwassern mehr gegeben ist, diejenigen, die in der Vergangenheit dagegen waren, heute sagen, dass das eine vernünftige Entscheidung ist. Wenn wir uns konkret darüber unterhalten, aber so weiter machen wie bisher, wird die Debatte an Schärfe zunehmen. Dafür sind dann diejenigen verantwortlich, die hier anders reden, als sie draußen handeln, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang zwei Bemerkungen zum Ausbau der Elbe machen. Dazu ist schon viel gesagt worden. Ich möchte für meine Fraktion deutlich erklären, dass wir ohne Wenn und Aber den weiteren Ausbau der Mittelelbe ablehnen. Das haben wir in der Vergangenheit erklärt, und das erklären wir auch heute, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das, was wir zum Ausbau der Elbe zwischen Hamburg und der Nordsee gesagt haben, gilt auch weiterhin. Wir werden prüfen, ob die ökonomische Sinnhaftigkeit dieses Projektes gegeben ist. Hier gibt es Fragezeichen. Wir werden die ökologische Vertretbarkeit dieses Projektes bewerten und auf die Sicherheit der Deiche allererste Priorität legen. Wer dies heute noch in Frage stellt, der hat in der Tat die Folgen aus der Flutkatastrophe überhaupt nicht verstanden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Schäden, die wir in den letzten Wochen zu verzeichnen hatten und deren Umfang wir erst in den nächsten Monaten in voller Höhe zur Kenntnis nehmen werden, sind nicht nur für diejenigen schwierig zu bewältigen, die unmittelbar an der Elbe ihre Häuser verloren haben. Sie sind auch für diejenigen schwierig zu bewältigen, die durch die kleinen Hochwasser der letzten Zeit in eine schwierige wirtschaftliche Situation gekommen sind, z. B. die landwirtschaftlichen Betriebe, die infolge der Überschwemmungen der letzten Wochen gelitten haben. Klar ist aber - der Ministerpräsident hat das in seiner Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht, wofür ich ihm sehr dankbar bin -, dass das Land Niedersachsen alles tun wird, um diesen Menschen zu helfen. Die Menschen können sich darauf verlassen, dass die Politik, die hier mehrheitlich betrieben wird, nicht morgen zu Ende ist. Darauf können sie sich verlassen, und das machen sie auch. Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir dieses Problem gemeinsam lösen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN Vizepräsident Gansäuer: Herr Kollege Schwarzenholz, Sie haben das Wort für bis zu 5 Minuten. Schwarzenholz (fraktionslos):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich aufgrund der Kürze der Redezeit zunächst einmal dem Dank an die Helfer anschließen. Das kann man nicht besser ausführen, als das hier gemacht wurde. Ich meine, das ist nicht nur eine Frage der Ratio, sondern auch des Gefühls.

Was dort geleistet worden ist, kann man nicht in politische Kategorien fassen. Für mich ist wichtig, dass Kriterien wie Solidarität und Mitmenschlichkeit wieder Werte sind, die eine stärkere Rolle spielen. Ich hoffe, dass das auch in der politischen Auseinandersetzung bei uns Spuren trägt.

Wir haben eine Situation - hier bin ich anderer Meinung als Sie, Herr Ministerpräsident -, die nicht unvorhergesehen gekommen ist. Es war kein Jahrhunderthochwasser, wenn man das neue Jahrhundert nimmt, sondern dieses Hochwasser hat das Jahrhundert der Hochwasser eingeleitet. Die Warnungen, die es gab, sind häufig in den Wind geschrieben worden. Es gab viele wissenschaftliche Studien, die genau diese Entwicklung aufgezeigt haben. Die Politik hat offensichtlich diese wissenschaftlichen Warnungen, diese Erkenntnisse nicht ernst genug genommen, allerdings natürlich mit Unterschieden zwischen den verschiedenen Parteien. Aber man kann nicht sagen, dass das aus heiterem Himmel kam, sondern das kam aus einer politisch und wissenschaftlich vorhersehbaren Situation. Ich sage allerdings nicht, dass es dort eine Kraft gibt, die die Verantwortung dafür trägt, dass das nicht ausreichend bekämpft worden ist. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren in diesem Landtag und auf Bundesebene heftige Auseinandersetzungen darüber geführt, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Es gibt eine ganze Reihe von landespolitischen und kommunalpolitischen Auseinandersetzungen dazu. Ich erinnere - Herr Kollege Wenzel hat sich dort ja engagiert - z. B. an die Roßdorfer Straßenbauprojekte mitten im Überschwemmungsgebiet. Dort wird weiter gemacht. Wo sind die Konsequenzen? – Zu der Presseerklärung von Frau Dr. Knorre, die ich am Montag erhalten habe, ist mir überhaupt nichts mehr eingefallen. Frau Dr. Knorre sagt zum Thema Verkehrsprojekte: