Axel Plaue
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer von der CDU-Landtagsfraktion erwartet hat,
dass sie vor der Landtagswahl eine Überraschung oder zumindest offene Worte und glaubwürdige Alternativen zur Regierungspolitik in Niedersachsen vorlegt, der wird allenthalben enttäuscht.
Wenn es um Bildungspolitik geht, liefern Sie Ihr Weltbild der 50er-Jahre ab. Bei der Steuerpolitik, Herr Kollege Möllring, fällt Ihnen nichts anderes ein, als permanent Nein zu sagen und das zu sagen, was nicht geht.
Sie sind merkwürdig kleinlaut, wenn Sie den Menschen draußen sagen sollen, wie es geht. Das ist Ihre Politik, meine Damen und Herren.
Sie, Herr Kollege Möllring, haben in der Wirtschaftspolitik längst den Anschluss an die Wirklichkeit verloren. Für Sie ist Schlechtreden zur Maxime geworden. Ihre Beiträge zeichnen sich dadurch aus, dass Bilder - meistens nur Zerrbilder dargestellt werden. Sie lassen aber jeden Lösungsansatz in der Politik vermissen. So geht das nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Es wird immer klarer: Sie wollen nicht nur im Schlafwagen an die Regierung. Durch die Verweigerung jeglicher Alternativkonzepte und die ausschließliche Hoffnung auf Stimmungen haben Sie die Grenze zwischen Opposition und Obstruktion längst überschritten. Das lassen Ihnen die Menschen draußen nicht durchgehen, meine Damen und Herren.
Wir sagen den Menschen in Niedersachsen ehrlich, was noch geht und was nicht mehr geht.
Wir versprechen nicht allen alles, weil die Menschen längst erkannt haben, dass ein Verhalten wie das der CDU-Fraktion nur noch nichts ist.
Die Menschen können die Wahrheit ertragen. Ihr opportunistisches Gerede sind sie leid, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Unser Land braucht Investitionen in die Köpfe unserer jungen Menschen. Wir haben in Niedersachen in den letzten Wochen und Monaten die Grundlage für einen neuen reformerischen Ansatz in der Bildungspolitik geschaffen.
- Herr Kollege Möllring, Sie sollten endlich einmal den Mut haben, hier her zu kommen und eine konstruktive Rede zu halten, als andauernd dazwischenzukläffen! Das ist der Unterschied, meine Damen und Herren.
Wir legen den Maßstab bei den Staaten mit erfolgreichen Bildungssystemen an. Für uns gilt lebenslanges Lernen nicht nur als eine Forderung an andere. Auch wir wollen weiter dazulernen. Damit heben wir uns ganz bewusst von der CDU in Niedersachsen ab. Für Sie, meine Damen und Herren auf der rechten Seite dieses hohen Hauses, ist der Weg in die bildungspolitische Steinzeit offensichtlich der Königsweg. Sie wollen spalten, sie wollen sortieren - und dies möglichst früh. Für Sie gilt auch in der Bildungspolitik das gesellschaftliche Schichtenmodell, bei dem die da unten gefälligst da unten zu bleiben haben - einzelne Ausnahmen als Feigenblätter akzeptiert. Das ist die Denke der 50er-Jahre. In diese Denke wollen wir nicht zurück.
Wir wollen Förderungen, die sich nicht an Elternhäusern orientieren, sondern an der individuellen Begabung der Kinder. Das ist unser Maßstab, an dem wir uns messen lassen werden. Erfolg in der Bildungspolitik kann man sich nicht allein durch Geld kaufen. Aber Ganztagsschulen, mehr Lernen und Integration in den Kindergärten, bessere Schulgebäude und eine verbesserte Unterrichtsversorgung kosten Geld. Wir haben im Landeshaushalt Prioritäten gesetzt: Bildung, innere Sicherheit, Wirtschaft und Arbeit. Wir sagen den Menschen draußen ganz offen, dass mehr nicht geht, weil das Volumen des Landeshaushaltes dazu nicht ausreicht. Wir sagen ehrlich, dass wir diese Prioritäten nur finanzieren können, wenn alle anderen Politikbereiche ihren Beitrag dazu leisten. Sie versprechen den Leuten draußen alles, was sie hören wollen. Wir sagen ihnen ehrlich, dass nur drei Schwerpunkte zu verwirklichen sind, und das werden wir auch durchziehen, meine Damen und Herren.
Wir sind uns ganz sicher: Die Menschen draußen wollen keine Wolkenkuckucksheime, sie wollen Realität.
Sie wollen Politik für die Wirklichkeit, und sie werden unser Konzept unterschreiben.
Wir haben mit den Haushaltsplänen und in der mittelfristigen Finanzplanung die Grundlagen für bessere Schulen und Kindergärten gelegt. Aber das reicht uns nicht. Anders als die CDU, die permanent mehr fordert und nicht sagt, woher das Geld kommen soll, wollen wir mehr, und wir bieten auch eine Finanzierungsmöglichkeit an.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Solidarität in einem Gemeinwesen zeigt sich auch in dem Maße, wie die Starken in der Gesellschaft bereit sind, den Schwachen zu helfen. Es ist das Gegenteil von Solidarität, wenn sich der Staat immer mehr aus dem Steueraufkommen finanziert, das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über Lohn, Gehalt und Einkommen sowie aus indirekten Steuern erbringen müssen, und immer wieder diejenigen heranzieht, die über ein großes Vermögen verfügen.
Wer die Kritik an einem solchen Ungleichgewicht mit dem Begriff „Neid“ versieht, der hat erklärt, dass er meilenweit von der gesellschaftlichen Wirklichkeit entfernt ist und nicht mehr wahrnimmt, was die Menschen in diesem Lande empfinden.
Unser Vorschlag ist sehr eindeutig und klar. Wir schlagen vor, eine bessere Ausstattung unserer Schulen und Kindergärten durch eine maßvolle Vermögensteuer zu finanzieren, die ausreichend hohe Freibeträge setzt, um Familien und kleine Unternehmen von dieser Steuer auszunehmen.
Das, meine Damen und Herren, ist ein Konzept der Solidarität.
Es ist verantwortungsbewusst und tragfähig. Wer meint, er hätte einen besseren Vorschlag, der soll ihn vortragen. Dann werden wir diesen besseren Vorschlag prüfen.
Meine Damen und Herren, Herr Wulff, Sie sorgen sich offensichtlich mehr darum, dass ein Großaktionär mit einem Aktienkapital von 3,4 Milliarden Euro locker 250 Millionen Euro auf dem New Market verlieren kann, dass er sich aber darüber beklagt, 1 %Vermögensteuer zu zahlen. Um diese Person sorgen Sie sich. Wir sorgen uns um die Köpfe und die Ausbildung der jungen Menschen. Dafür wollen wir unsere Arbeit leisten.
Sie, Herr Kollege Wulff, stellen sich hinter diejenigen, die mit den Begriffen „Neid- oder Enteignungssteuer“ die gesamte Arroganz gegenüber unserem Staatswesen und seinen Menschen zum Ausdruck bringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will nicht behaupten, dass ich gerne Steuern bezahle. Das wäre nun wirklich übertrieben. Aber ich glaube, dass es zu den Grundlagen unserer sozialen Demokratie gehört, dass die mit den breiten Schultern mehr zu tragen haben als die mit den schmalen Schultern. Wenn wir diesen Konsens aufkündigen, dann kündigen wir mehr auf als nur eine steuerpolitische Debatte.
Meine Kritik richtet sich gegen die Qualität Ihrer Argumente, Herr Kollege Wulff, und gegen die Drohgebärde der Abwanderung.
Wer die Ressourcen dieses Staates genutzt hat, um seine eigene Entwicklung zu optimieren, der handelt schäbig, wenn er nicht bereit ist, dem Staat seinen Beitrag dafür zu leisten, diese Grundlagen zu erhalten und die Ressourcen zu vermehren. Das ist nicht anständig, meine Damen und Herren.
Bei dieser Debatte wird der Unterschied zum einfachen abhängig beschäftigten Arbeitnehmer überdeutlich. Der kann nämlich vor dem Finanzamt weder vor seinen Steuern weglaufen, noch kann er sein Einkommen gegen null rechnen. Andere können das, Arbeitnehmer können das nicht. Deshalb gelten unsere Aufmerksamkeit und unsere Politik denen in der Gesellschaft, die sich nicht vor Steuern schützen können, sondern ihren Steuerbeitrag zu leisten haben. Und andere müssen das genauso tun.
Der Staat ist doch nicht irgendein anonymes Gebilde. Der Staat ist die Summe seiner Dienstleistungen und seiner Fundamente für die Bürgerinnen und Bürger.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer ständig die Einnahmen des Staates diffamiert, wie Sie das tun, und sich geradezu in Rage redet bei den Fantasien über riesige Kürzungspotenziale in den öffentlichen Haushalten, der verkennt völlig, dass die Staatseinnahmen die Grundlage für nachfragewirksame Investitionen sind. Das Geld, das der Staat einnimmt, wird schließlich nicht verbrannt.
Wir wollen damit zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer bezahlen, wir wollen Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen einstellen,
Schulen bauen und sanieren und Unterrichtsmaterial anfassen. Das ist unser Konzept. Ihr Konzept ist Brüllen und Dazwischenrufen.
Es mag ja sein, dass Sie das anders sehen, aber für uns sind Investitionen in die Köpfe der jüngeren Generation rentierliche Investitionen und nicht irgendwelche anonymen konsumtiven Ausgaben.
Wer ständig über den Wert von Familien und Kindern lamentiert, wie Sie, Herr Kollege Wulff, das
tun, der muss eine Antwort darauf geben, wie er den Auftrag des Grundgesetzes, nach dem Familien unter dem besonderen Schutz des Staates stehen, ausführen und - das heißt es auch - bezahlen will. Diesen Beleg haben Sie bisher nicht erbracht.
Sechs Wochen vor der Landtagswahl ist es wieder kein eigenes Konzept, das die niedersächsische CDU zur Diskussion stellt, sondern eine weitere Dünndruckausgabe ihrer allenthalben bekannten wirtschaftspolitischen Thesen, die allerdings nur in Forderungen münden und keine Lösungsansätze bieten.
Ihr arbeitsmarktpolitisches Programm ist eine mit heißer Nadel genähte Patchworkdecke aus Stoibers unehrlichem Wahlprogramm und seinen Bundesratsanträgen. Sechs Wochen vor der Landtagswahl in Niedersachsen beschäftigt die CDU das Landesparlament mit Anträgen aus der Rumpelkiste ihres Bundestagswahlkampfs,
deren Frischegarantie längst abgelaufen ist. Sechs Wochen vor der Landtagswahl hat den Oppositionsführer in Niedersachsen, hat Herrn Wulff der Mut verlassen, sich mit dem amtierenden Ministerpräsidenten zu messen. Er wagt sich nicht mehr an landespolitische Themen heran, er redet nur noch über Bundespolitik. Und so ein Mann will Landespolitik machen und Ministerpräsident werden?
In Ermangelung eigener landespolitischer Alternativen flüchten Sie sich immer mehr in bundespolitische Themen, und Sie glauben, die Menschen lassen Ihnen das durchgehen.
Herr Kollege Wulff, ich bin mir sicher, die Menschen werden Sie nach Alternativen zur Regierungspolitik hier in Niedersachsen fragen, und dann werden sie merken, dass außer heißer Luft bei Ihnen nichts ist. Sie reden über Gott und die Welt, nur nicht über Niedersachsen. Sie versprechen allen alles und können doch nur hoffen, dass Sie die Unhaltbarkeit Ihrer Versprechen niemals erleben müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die drei arbeitsmarktpolitischen Anträge der CDU-Fraktion sind der Beleg für die Ideenlosigkeit der niedersächsischen CDU. Gegensteuern statt neuer Steuern - die Logik dieses Slogans spiegelt den intellektuellen Gehalt Ihrer arbeitsmarktpolitischen Forderungen wider. Wir kennen alle das Problem noch aus unserer Schulzeit. Beim Abschreiben muss man höllisch aufpassen. Man muss aufpassen, dass die Wirklichkeit einen nicht überholt, und man muss vor allen Dingen aufpassen, ob das, was man abgeschrieben hat, auf das eigene Problem passt, in diesem Fall auf die Probleme, die es hier in Niedersachsen gibt. Ich sage Ihnen, Herr Kollege Wulff: Wer glaubt, dass er nur mit immer neuen Steuersenkungsvorschlägen, nur mit immer neuen Vorschlägen, wie Mehrausgaben zu sehen sind, diese Dinge miteinander verzahnen kann, und wer dann noch glaubt, die Menschen nehmen einem das ab, der wird erleben, dass die Menschen einem dafür die rote Karte zeigen. Und die haben Sie verdient, meine Damen und Herren.
Ich will auf Ihre Anträge insofern eingehen, als ich auf den Punkt hinweise, den Sie selbst ja offensichtlich nicht zu lösen bereit und in der Lage gewesen sind. Sie reden z. B. davon, dass Sie kleine Einkommen steuer- und sozialabgabenfrei stellen wollen, und zwar sämtliche, egal, in welchen Bereichen sie erzielt werden.
An einer anderen Stelle, nämlich in der Begründung, sprechen Sie davon, dass das natürlich so nicht sein kann, sondern dass man versuchen muss, einen Teil dieser vorab sozialversicherungs- und steuerfrei gestellten Einkommen dazu zu benutzen, die sozialen Sicherungssysteme zu sanieren bzw. aufrechtzuerhalten. Was gilt denn nun, Herr Kollege Wulff? Wollen Sie den Menschen suggerieren, dass diese kleinen Einkommen steuer- und sozialversicherungsfrei sind, oder gilt, wie Sie in Ihrer Begründung geschrieben haben, dass selbstverständlich ein Teil davon zur Finanzierung des Staatshaushalts herangezogen werden muss? Sie machen eine Mogelpackung auf, Sie suggerieren den Menschen etwas, und in der Begründung kassieren Sie es wieder ein. Das ist Politik Marke CDU: vorne etwas versprechen, hinten wieder
reinholen. Das ist Ihre Politik, meine Damen und Herren.
Aber niemand will noch weitere Jahre Ihr Gejammer und Ihre Nörgelei hören, ob das um den Standort Niedersachsen geht oder ob es um den Standort Deutschland geht. Das ist übrigens nicht nur meine Meinung. Ihren Überdruss haben Anfang der Woche neben Herrn Frenzel auch der Porsche-Chef Wiedeking und der Autovermieter Sixt, Wolfgang Rupp von der Fimega in BadenWürttemberg, der Zukunftsforscher Matthias Horks und der Chef der Schweizer Prognos AG, Gustav Greve, geäußert.
Wir sind in einer Situation, in der Leute wie Sie ständig den Standort mies machen, ständig erklären, dass alles bergab geht, die Wirklichkeit jedoch anders aussieht, in der wir uns aber irgendwann in der sich selbsterfüllenden Prophezeiung wiederfinden. Schauen Sie doch einmal nach draußen. Gehen Sie doch einmal durch die Städte. Die Städte sind voll mit Menschen, die einkaufen. Der Einzelhandelsverband sagt: Wir sind froh über die Umsätze.
Das steht allerdings nur in einem kleinen Artikel. Die großen Schlagzeilen beschäftigen sich aber mit Negativparolen. So redet man den Standort schlecht.
- Wenn Sie das für unglaublich halten, verehrter Herr Zwischenrufer, dann weise ich Sie darauf hin, dass die Spitzen der deutschen Wirtschaft dies inzwischen auch deutlich und offen sagen. Wenn Sie so weitermachen, dann wird der Standort eines Tages dort landen, wo Sie ihn hindiskutieren wollen. Aber wir werden das verhindern, meine sehr verehrten Damen und Herren.
- Ich bedanke mich, Herr Busemann, ausdrücklich für den Zwischenruf Realitätsverlust.
Nun will ich Ihnen die Realitäten anhand von einfachen Zahlen und Fakten belegen.
Staatsquote 1986, Ihre Regierungszeit: 50,3 %; 2002, unsere Regierungszeit: 48,2 %. Wir haben es gemacht, Sie haben geredet.
Spitzensteuersatz 1998, Ihre Regierungszeit: 53 %, bei uns 2002: 48,5 %. Sie haben gelabert, wir haben gehandelt.
Der Rentenversicherungsbeitrag betrug 1998 20,3 %, heute 19,5 %. Und Sie reden über die Unfinanzierbarkeit der Rentensysteme. Wir haben das Problem angepackt.
Der Exportüberschuss - diese Zahl liefert die Fakten zur Stimmung - betrug 1998 65 %, 2001 87 %. Wir sind Exportweltmeister unter der Wirtschaftspolitik, die wir machen.
Und nicht zuletzt auch das Problem, für das Sie sich in Grund schämen müssen: Unter Ihrer Regierungsverantwortung ist die Arbeitslosigkeit auf 4,8 Millionen Menschen hochgeschnellt. Bei uns liegt sie bei 4 Millionen, und wir sind stolz darauf, dass wir es geschafft haben, wenigstens etwas dazu beizutragen, meine Damen und Herren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich behaupte nicht, dass alle Probleme bereits gelöst sind. In der Tat liegt noch ein großer Berg jenes Reformstaus vor uns, den CDU/CSU und FDP uns hinterlassen haben und den wir abbauen müssen. Ich gestehe ein, dass auch ich es gerne manchmal etwas schneller hätte, aber ich weiß, dass in einer Gesellschaft, die kompliziert aufgebaut ist, man einen Tanker, den man einmal auf Kurs gebracht hat - auf den falschen Kurs, wie ich in Ihre Richtung deutlich sage -, immer wieder nur ein Stück weit auf den richtigen Kurs bringen kann. Ich stelle fest, dass die Regierung in Berlin dabei ist. Wir
werden die Regierung in Berlin über den Bundesrat dabei konstruktiv unterstützen.
Alle diese Fakten und Zahlen, die ich Ihnen genannt habe, sprechen eine deutliche Sprache. Seit in Berlin Rot-Grün regiert, geht es den Menschen im Lande und auch der Wirtschaft besser als vorher. Das sind Fakten und nicht Stimmungen, wie Sie sie nach draußen transportieren, meine Damen und Herren.
Wenn man sich einmal anschaut, wie Sie sich dort verhalten, wo Sie mit entscheiden können, wo Sie mitgestalten können, dann stellt sich heraus, dass Sie diesen Anspruch und diesen Auftrag nicht wahrnehmen, sondern das genaue Gegenteil machen. Sie blockieren, und Sie vertagen. Das ist nicht nur im Bundesrat so. Dieses Versagen, wenn es dann zum Schwur kommt, konnten wir gerade vor wenigen Tagen auch wieder vor der eigenen Haustür registrieren.
Die Hannoversche Allgemeine hat die Situation in der Region Hannover so eindrucksvoll beschrieben, dass ich sie zitieren möchte:
„Fast 60 000 Menschen suchen in der Region Hannover Arbeit. In der Landeshauptstadt liegt die Arbeitslosenquote konstant über 12 %. Inmitten dieser Tristesse ist das von McKinsey entworfene Wirtschaftsprogramm ‚Hannover-Projekt‘ der einzige Lichtblick.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht um 45 000 Arbeitsplätze, und das einzige, was die CDU in der Regionsversammlung dazu zu sagen hatte, war: „Politik bestimmt die Geschwindigkeit von Entscheidungen. Wir ziehen diesen Antrag zunächst einmal in die Fraktion“ - zur langatmigen Beratung. Sie verweigern die Handlung dort, wo Sie gefragt sind, und reden überall dort klug daher, wo Sie nichts zu sagen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich meine, dass die Menschen in unserem Lande dies längst gemerkt haben. Sie merken, dass Sie nichts anderes darzubieten haben als ein Nein. Sie vermissen bei Ihnen die Alternativen. Sie wissen gar nicht, wofür der Landespolitiker Christian Wulff eigentlich steht. Und das wissen sie auch zu
Recht nicht; denn die einzige Konstante bei Christian Wulff ist, dass er sich jedem Trend der Zeit anpasst. Das Fähnchen in den Wind zu hängen ist die Politik des selbsternannten Oppositionsführers, Herr Kollege Wulff. Und deshalb werden Sie, wenn Sie Glück haben, Oppositionsführer bleiben. Wenn Sie Pech haben, sehen wir uns nach dem 2. Februar 2003 in Osnabrück wieder - ich als Landtagsabgeordneter und Sie als Rentner. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre besser gewesen, wenn wir bei der Verabredung des Ältestenrates geblieben wären;
denn die Debatte, die Sie jetzt vom Zaun gebrochen haben, wird hier am falschen Ort geführt, meine Damen und Herren. Der Landtag hält noch nicht einmal 2 % der Aktienanteile. Von daher sind wir als Verhandlungspartner überhaupt nicht im Boot gewesen. Die Landeshauptstadt war anders positioniert und hat verhandelt. Sie hat das Maximum für die Arbeitsplätze herausgeholt.
Das hat der Betriebsrat ausdrücklich lobend erwähnt. Deshalb war Ihr Wortbeitrag eben absolut daneben. Er war nach hinten gerichtet. Wir aber gucken nach vorn
und wollen versuchen, das Beste daraus zu machen, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Falls noch irgend jemand nicht gewusst hat, warum der Kollege Möllring niemals Finanzminister werden darf: Mit dieser Rede hat er es kräftig unter Beweis gestellt.
Herr Möllring, das waren fünf Minuten lang aneinander gereihte Argumente,
warum etwas nicht geht, und null Minuten darüber, was aus Ihrer Sicht gehen müsste. Kein Vorschlag. Das ist die Politik der CDU und dafür stehen Sie, meine Damen und Herren.
Ich meine, die Menschen haben noch vor den Wahlen einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie sich die einzelnen Parteien positionieren.
Deshalb sagen wir vor der Wahl, was wir machen wollen. Sie aber sagen vor der Wahl nicht, was Sie machen wollen. Sie gehen unehrlich in die Wahlkämpfe hinein; wir mit Ehrlichkeit!
Ich meine, es gehört auch dazu, Herr Kollege Golibrzuch, dass man anderen Leuten nicht Ungeheuerlichkeiten unterstellt, wie Sie das getan haben. Wenn Sie Herrn Müntefering unterstellen, er wolle den Privatbesitz abschaffen, dann ist das eine Entgleisung, die ich nur aufs Schärfste zurückweisen kann. Zu keinem Zeitpunkt hat Herr Müntefering das gesagt, meine Damen und Herren.
Es geht um die Frage, wie wir unsere Landeshaushalte finanzieren wollen, und um die Frage, wie wir den für uns wichtigsten Bereich, nämlich die Bildung, auch in Zukunft mit so vielen Finanzmitteln ausstatten können, wie wir es für richtig halten - nach den Diskussionen der vergangenen Jahre allemal. Es geht um die Frage, ob wir es schaffen, mehr Ganztagsbetreuung flächendeckend anzubieten. Es geht um die Frage, ob wir im vorschulischen Bereich mehr Qualität bei den Kindertagesstätten und bei den Kindergärten organisieren können. Letztlich geht es darum, dass wir 100 % Unterrichtsversorgung in den nächsten Jahren garantieren können. Das geht nur, wenn wir mehr Geld bekommen, meine Damen und Herren.
Keine Fraktion hier in diesem Hause hat uns bisher sagen können, an welcher Stelle sie streichen würde, um dieses Ziel erreichen zu können, meine Damen und Herren. Keine Fraktion hat vorgelegt, an welcher Stelle sie die Schnitte im Landeshaushalt setzen will.
Nein, Herr Präsident. - Das ist die Unehrlichkeit, mit der Sie, meine Damen und Herren, argumentieren. Sie glauben, es geht so weiter; aber es geht nicht so weiter.
Ich sehe mit großem Erstaunen, wie Sie immer dann reagieren, wenn es um Steuern geht, die Menschen mit großen Vermögen in unserem Land zahlen müssen. Darum geht es. Herr Kollege Möllring, Sie kümmern sich überhaupt nicht darum, dass es bei der Argumentationslage, wie Sie sie vortragen, am Ende nur noch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein werden, die durch ihre Lohnsteuer diesen Staat bezahlen. Das kann so nicht sein, meine Damen und Herren.
Es kann doch wohl nicht angehen, dass Sie alleine aus der Tatsache heraus, dass bestimmte Steuern in
der Tat einen höheren Ermittlungsaufwand bedeuten, ableiten, dass diese Steuern nicht mehr erhoben werden können. Wenn Sie das wollen, dann sagen wir den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch, dass die CDU in Zukunft auf alle jene Steuern verzichten will, bei denen es schwierig wird, und nur den Arbeitnehmern in die Tasche greifen will. Das machen wir nicht mit, meine Damen und Herren!
- Herr Kollege Zwischenrufer, im Übrigen ist eindeutig und klar zu erkennen, wo die Unterschiede liegen. Wir wollen, dass diejenigen, die breite Schultern haben, bereit sind, ein Stück mehr zur Leistung von staatlicher Subvention und zur Ableistung staatlicher Dienstleistungen beizutragen. Das ist unser Konzept.
Nun sage ich Ihnen: Wenn sich Herr Plattner von SAP auf der einen Seite darüber beklagt, dass er, wenn die Vermögensteuer eingeführt wird, 30 Millionen in diesen Topf einzuzahlen hätte, auf der anderen Seite aber klaglos hinnimmt, dass er in einem Jahr eben einmal 250 Millionen Euro durch Spekulationen am Aktienmarkt verliert, dann, meine Damen und Herren, macht dieser deutlich, dass er die Prioritäten anders setzt, als wir sie setzen. Wir sind der Meinung, dass für unsere Zukunft die Bildung verantwortlich ist, und wir sind der Meinung, dass diese Bildung mit Geld ausgestattet werden muss. Wir sagen vor der Wahl, wo das Geld herkommen soll, und nicht nach der Wahl, wie Sie das machen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Busemann, um Ihre Frage zu beantworten: Die Staatsquote lag zu Ihrer Regierungszeit deutlich über 50 %. Jetzt liegt sie bei 48 %. Das sage ich, damit das klar ist, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Sie sind immer besonders stark, wenn Sie mit Schlagworten nach draußen gehen und den Leuten erzählen: Wir machen alles besser. Herr Kollege Wulff sagt, dass die Staatsquote unter 40 % gedrückt werden soll, verspricht aber den Landwirten, den Sportlern und dem DEHOGA alles Heil und alle Staatsausgaben dieser Welt und ist dann, wenn es um die konkrete Ausgestaltung von Staatseinnahmen geht, so konservativ, wie er sich hier dargestellt hat. Das geht nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Nun möchte ich mich, Herr Kollege Wulff, einmal eine Sekunde lang mit dem Argument auseinander setzen, dass es so schrecklich wäre, dass die Bewertung der Grundstücke neu vorgenommen werden müsste. Was heißt das denn?
Es steht im Augenblick die höchstrichterliche Entscheidung zur Einheitsbewertung an. Dabei wird die Aussage erwartet, dass diese Einheitsbewertung so, wie sie im Moment durchgeführt wird, nicht mehr praktikabel ist. Deswegen werden alle Grundsteuermessbescheide unter Vorbehalt zugeschickt. Heißt das dann im Klartext, dass Sie in Zukunft auch auf die Grundsteuer verzichten und damit den Staat endgültig durch die Arbeitnehmer finanzieren wollen? - Das ist die Konsequenz, die sich daraus ergibt!
Deshalb sage ich Ihnen ganz deutlich: In Zeiten und in Wirtschaftssystemen, in denen Menschen mit viel Geld in der Lage sind - das werden sie übrigens immer sein - und sehr viel Kraft darauf verwenden, Geld am Staat vorbei zu transferieren, muss der Staat mit eigener Kraft dagegen halten und Kontrollsysteme aufbauen, um für Steuergerechtigkeit zu sorgen. Es geht um Steuergerechtigkeit, die Sie 16 Jahre lang missachtet haben und zu der es jetzt langsam wieder kommen muss, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf der Grundlage des Regionsgesetzes, das wir vor etlichen Monaten hier im Landtag beschlossen haben und bei dem wir als Landesgesetzgeber dem Willen und dem Wunsch derer, die in der Region Politik gestalten, gefolgt sind, soll nun etwas weiterentwickelt und auf das Sparkassenwesen in der Region Hannover übertragen werden. Hier fusionieren die beiden größten Sparkassen Niedersachsens. Sie bilden damit eine Grundlage auch wirtschaftspolitischer, aber insbesondere auch finanzwirtschaftlicher Art, sodass es durchaus angemessen ist, dass der Landesgesetzgeber, wenn es Schwierigkeiten bei der Fusion gibt, diese Schwierigkeiten durch eigene gesetzgeberische Maßnahmen begleitet.
Ich will ganz deutlich sagen, dass wir die Region Hannover gerade mit dem Willen auf den Weg gebracht haben, dass in der Region die Probleme, aber auch die Chancen, die dort gesehen werden, vernünftig und eigenverantwortlich gestaltet werden können. Wenn das in diesem Fall ohne die Hilfe des Landesgesetzgebers nicht möglich ist, dann sind wir bereit dies zu tun. Ich sage aber für meine Fraktion ganz deutlich: Die Region muss sich in Zukunft auf eigene Beine stellen und ihre Entscheidungen auch auf eigene Entscheidungen gründen. Das ist der wesentliche Aspekt. Es geht nicht, dass der Landesgesetzgeber sozusagen immer für die Region ins Obligo tritt. Das kann nicht mehr funktionieren, meine Damen und Herren.
- Das machen wir jetzt. Das ist gar keine Frage. Das habe ich auch nicht anders gesagt. Wir ma
chen das auf Bitten der Region, Herr Rolfes, die sich auf ein Verfahren verständigt und uns als Gesetzgeber gebeten hat, dies landesrechtlich abzusichern. Von daher ist die Debatte, die Sie hier führen, ganz interessant, aber sie ist sozusagen in der kommunalpolitischen Verantwortung entstanden. Wir helfen ja gerne, wo wir helfen können.
Lassen Sie mich noch zwei Punkte dazu sagen, Herr Kollege Gansäuer. Ich finde es ganz interessant, dass Sie versuchen, diesen Landtag sozusagen zum Forum kommunalpolitischer Diskussionen zu machen. Ich finde es auch sehr merkwürdig, dass ausgerechnet jemand, der aus der Region Hannover kommt, sich nicht zu schade ist, bei jeder Gelegenheit Ressentiments gegen seine eigene Region zu organisieren. Das mögen Sie für vernünftig halten. Ich tue dies aber nicht, meine Damen und Herren.
- Hören Sie doch mal zu! Sie können ja noch nicht einmal zuhören.
Wenn Sie, Herr Kollege Gansäuer, hier zum Beispiel fragen „Was hat uns denn die Region gebracht?“ und erklären „Sie hat uns höhere Abfallgebühren gebracht“, dann sagen Sie den Menschen draußen bitte auch, dass die Abfallgebühren deshalb erhöht werden müssen, weil Ihre Mehrheit im alten Landkreis Hannover nicht bereit war, diesen mutigen Schritt zu wagen. Sie haben den Bürgerinnen und Bürgern vor der Wahl nicht die Wahrheit erzählen wollen und sind dann abgestraft worden. Das finde ich in Ordnung, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Gansäuer, ich habe dem, was Herr Kollege Meinhold Ihnen in Sachen Herbert Schmalstieg gesagt hat, relativ wenig hinzuzufügen. Sie haben es für richtig gehalten, in Ihrem Änderungsantrag und in dem Vortrag, den Sie hier gehalten haben, von einer „Lex Schmalstieg“ zu reden.
Sie haben dem Landtag nicht erklärt, dass diese personalpolitische Regelung vom Rat der Landeshauptstadt Hannover einstimmig so gefordert worden ist.
Herr Kollege Gansäuer, wenn Sie hier schon den Namen Schmalstieg erwähnen und sagen, Sie wollten keine Lex Schmalstieg, dann sage ich Ihnen: Wir wollen auch keine Lex Gansäuer, und deswegen machen wir das so, wie wir es hier vorgesehen haben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! So ist das nun einmal: Wenn die Opposition inhaltlich nicht weiter kommt, versucht sie, Geschäftsordnungstricks zu organisieren.
Das ist die alte Geschichte. Ich stelle fest, dass die Art und Weise, wie Sie hier versuchen, Interviews und den genauen Wortlaut von Interviews zum Gegenstand von Fragen zu machen, dem ursprünglichen Fragenkatalog überhaupt nicht angemessen ist. Aber gleichwohl wird der Ministerpräsident hier gleich erscheinen, wie ich gerade höre. Ich jedenfalls finde es unangemessen, dass in einer Frage, die nach meiner Einschätzung wirklich Sensibilität, aber dann auch deutliche Antworten erfordert, die Opposition wirklich offensichtlich nichts anderes kann, als sich zu bemühen, über die Geschäftsordnung hinweg Politik zu ersetzen. Das, meine Damen und Herren, zeigt den inneren Zustand Ihrer Fraktion und macht deutlich, dass Sie nicht regierungsfähig sind.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in meinem vorherigen Beruf gelernt, dass ein Masterplan etwas Konstruktives ist. Ich habe heute gelernt, dass der Masterplan, den die Union aufgelegt hat, bis zur nächsten Landtagswahl offensichtlich nichts anderes beinhaltet, als mies zu machen und ohne Alternative dazustehen. Das, meine Damen und Herren, geht nicht.
Wir haben diese Aktuelle Stunde nicht nach der Melodie angelegt, wie tough ist das hier alles in Niedersachsen ist. Aber wenn wir anfingen, nur das Negative zu betrachten und den Menschen die Erfolge, die sie sich selbst erarbeitet haben, nicht nur nicht zu gönnen, sondern sie auch nicht darin zu ermutigen, an der Stelle weiterzumachen, dann wären wir schlechte Politikerinnen und Politiker; dann werden wir zu Recht abgewählt.
Das gilt im Übrigen auch, Frau Kollegin Harms, für die Grünen. Wenn wir uns darüber unterhalten, ob die Überschriften, die wir hier setzen, richtig sind oder vielleicht in dem einen oder anderen Punkt überspitzt sind, dann können Sie mit dem Finger nicht nur auf die einen zeigen; denn mindestens vier Finger zeigen dann auf die eigene Person. Auch die Grünen sollten sich an der Stelle einmal etwas nachdenklicher zeigen. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass Ihre wirtschaftspolitische Sprecherin erklärt hat, umweltpolitische und umweltorientierte Wirtschaftsförderung würde es in Niedersachsen nicht geben. Frau Kollegin Steiner, wo leben Sie denn? Niedersachsen hat mit mehr als 10 000 Arbeitsplätzen im Bereich der Windenergie eine in hohem Maße umweltpolitische Wirtschaftsform aufgebaut.
Wenn Sie, Frau Kollegin, nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Rahmenbedingungen, die gesetzt worden sind, diese Entwicklung gefördert haben, dann frage ich mich, wie Sie in Zukunft eigentlich noch Rahmenbedingungen setzen wollen.
Lassen Sie mich als weiteres Beispiel die Landwirtschaftspolitik nennen. Bei der Umsteuerung in der Landwirtschaftspolitik, die erfolgt ist, um im Bereich der Lebensmittelveredelung Zukunftschancen in Niedersachsen zu schaffen, handelt es sich um eine zutiefst umweltorientierte Wirtschaftsförderung. Dies lassen wir uns von Ihnen nicht mies machen.
Ich bin weit davon entfernt, Herrn Kollege Wulff, zu sagen, in Niedersachsen sei alles in Ordnung. Sie sind offenkundig der Meinung, alles in Niedersachsen sei mies. Was die Wählerinnen und Wähler davon denken, haben Sie auch am letzten Sonntag wieder gemerkt.
Ich sage Ihnen eines: An den Stellen, an denen wir Defizite haben, benennen wir sie auch. Wir hatten in der Tat Probleme damit, dass in den letzten eineinhalb Jahrzehnten Forschungsförderung kaum in den Norden der Bundesrepublik, dafür aber umso mehr in den Süden gelenkt worden ist. Wir hatten und haben noch Probleme damit, dass im Bereich der Verkehrsinfrastruktur in den letzten 15, 20 Jahren mehr im Süden als im Norden investiert
worden ist. Aber das haben Sie politisch zu verantworten und nicht wir.
Herr Kollege Wulff, Sie haben gestern oder vorgestern einen netten Satz gesagt, indem Sie ausführten: Offensichtlich muss man in der Opposition erst richtig angekommen sein, um aus ihr herauszukommen. - Ich stelle fest: Sie sind in der Opposition noch nicht angekommen. Deswegen kommen Sie auch nicht so schnell aus ihr heraus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bilder, die wir in den letzten Tagen im Fernsehen gesehen haben, haben sicherlich alle tief berührt. Ich hoffe, dass sich diese Bilder tief in die Gedächtnisse der Menschen eingebrannt haben. Ich hoffe das sehr, weil ich nur zu gut weiß, dass Katastrophen mit dem Abstand zu dem Zeitpunkt, zu dem sie stattgefunden haben, bei den Menschen leicht in Vergessenheit geraten und dass wir die Konsequenzen, die wir uns angesichts dieses unsäglichen Leids versprechen, sehr schnell nicht mehr als Punkt 1 auf die Tagesordnung setzen.
Das betrifft, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht nur die Politik. Es betrifft insbesondere auch das Bewusstsein der Menschen. Wir können unsere Politik gestalten und formulieren, aber wir können sie nur umsetzen, wenn die Menschen bereit sind, dies auch über den Tag der Katastrophe hinaus zu organisieren. Deshalb hoffe ich, dass das, was wir an den betroffenen Orten gesehen haben, tief in der Erinnerung bleibt und auch zu Konsequenzen führen wird.
Sachsen - fast das ganze Bundesland - ist im Ausnahmezustand. Sachsen-Anhalt ist in weiten Stel
len bedroht. Es gibt hektische Vorbereitungen von tausenden von Helfern in Brandenburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Meine Damen und Herren, wenn man es nicht besser gewusst hätte, hätte man sich in eine Situation weit weg von der Bundesrepublik Deutschland versetzt gefühlt. Das waren Bilder und Aktionen, die wir bisher vornehmlich in der Dritten Welt vermutet hätten oder vielleicht in Ansätzen an der Mosel oder im Rheintal. Jetzt war das alles plötzlich sehr nah und unmittelbar. Viele Menschen haben alles verloren, was sie sich über viele Jahre, ja über Jahrzehnte hinweg aufgebaut haben. Das, was sie mit Mühe geschaffen haben, ist buchstäblich weggespült worden. Aber unmittelbar nach der ersten ging eine zweite Welle durch das Land. Das war die Welle von Solidarität und von der Bereitschaft, anzupacken. Es war die Welle von Mut und von der Entschlossenheit, nicht aufzugeben, sondern sich gegen die Flut zu stemmen. Auf diese Welle können wir alle stolz sein.
Es war die Bereitschaft zu spenden. Es war die Bereitschaft, in die Katastrophengebiete zu gehen und mitzuhelfen. In dem Moment, in dem die Not am größten war, ist deutlich geworden, dass wir dazu bereit sind, unseren Beitrag zu leisten, damit endlich das zusammenwächst, was schön längst zusammengehört.
Es sind die vielen tausende von Menschen, die bei Gluthitze und bei Mückenplage den Weg an die Elbe gefunden haben, einfach nur, weil sie helfen wollten. Selbst, wenn sie stehend k.o. waren, wenn sie nicht mehr in der Lage waren, klar zu denken, und manches nur noch mechanisch gemacht haben, ist kaum jemand weggegangen. Fast alle sind bis an die Grenze ihrer körperlichen und mentalen Leistungsfähigkeit geblieben. Diese beeindruckenden Bilder waren von einer Stärke, sie haben vor innerem Zusammenhalt nur so gestrotzt, sie haben gezeigt, dass die Menschen die ewigwährenden Panikreden satt haben, dass sie an ihnen abprallen, dass sie die Miesmacherei nicht wollen, dass sie das Gelabere über die Fun-Generation nicht hören wollen. Diese Bilder haben gezeigt, dass in dieser Gesellschaft etwas steckt, das wir uns über den Tag dieser Flutkatastrophe hinaus bewahren müssen.
Den Helferinnen und Helfern – egal, ob sie privat oder durch die Institutionen an die betroffenen Orte gekommen sind - ist hier schon zureichend gedankt worden. Ich möchte ihnen deshalb nur noch einmal im Namen meiner Fraktion pauschal danken. Wir haben hohen Respekt vor den Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlassen haben, um zu helfen. Wir haben hohen Respekt vor all denen, die ihre Kenntnisse und Fähigkeit mit großer Professionalität eingebracht haben. Wir haben hohen Respekt davor, dass die Bundeswehr, ohne mit der Wimper zu zucken, bereit gewesen ist, einzutreten, um die Menschen hinter den Deichen zu schützen. Ihnen allen gebührt unser großer Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich bin sehr froh darüber, dass die Bundesregierung - das ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland - blitzschnell entschieden hat und den Menschen nicht nur schnelle Hilfe versprochen, sondern bereits in dieser Woche mit der Umsetzung begonnen hat. Diese Hilfe ist durchfinanziert. Die Menschen wissen, dass sie sich auf das, was Politikerinnen und Politiker sagen, verlassen können. Ich möchte den Dank der Menschen gern an den Bundeskanzler weitergeben.
Es zeigt sich in solchen Situationen, wer in der Lage ist, die große Verantwortung des Amtes des Bundeskanzlers zu tragen, und wem die Menschen in diesem Land glauben. Es wird auch klar, wie wichtig es ist, diese Hilfe nicht nur anzukündigen, sondern auch sofort Gelder zur Verfügung zu stellen. Das merken wir alle, wenn wir mit den Menschen reden. Bei Katastrophen wird zuerst schnelle und unbürokratische Hilfe zugesichert. Dies kann häufig aber nicht eingelöst werden, weil das Geld nicht vorhanden ist. Hier ist gesagt worden, wie die Hilfe finanziert werden soll. Meine Damen und Herren, ich sage ganz deutlich: Wer die Hilfsbereitschaft der Menschen so gering schätzt, dass er glaubt, ihnen die Verschiebung der Stufe der Steuerreform um ein Jahr nicht zumuten zu können, der weiß nicht, welche Kraft in diesem Land steckt, und erkennt die Bereitschaft unserer Bürgerinnen und Bürger nicht.
Herr Wulff, Ihr fraktionsvorsitzender Kollege Merz hat das sofort erkannt. Als der Vorschlag auf den Tisch kam, hat er diesem sofort zugestimmt. Dann wurde er aber aus parteipolitischem Kalkül zurückgepfiffen. Das ist dieser Situation nicht angemessen.
Ich meine, dass die Bürgerinnen und Bürger erkannt haben, wo an dieser Stelle die Unterschiede liegen und welchen Weg man gehen sollte. Wir wollen den Weg gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern, die bereit sind, etwas zu tun, gehen. Wir wollen nicht den Weg in den Schuldenstaat gehen, der zu einer Schlussbilanz einer konservativen Regierung von 1,5 Billionen Euro Schulden und 4,8 Millionen Arbeitslosen geführt hat. Das ist nicht unsere Politik!
Ich halte es in diesem Zusammenhang auch nicht für angemessen, die Flutopfer gegeneinander auszuspielen.
- Sie haben wohl vorhin nicht zugehört, Frau Kollegin! - Die Flutopfer in Horneburg sind genauso betroffen gewesen wie die in Bayern. Deshalb ist es nicht in Ordnung, dass einer aus Bayern kommt und erzählt, er wolle diejenigen gegen die da unten ausspielen. So darf man in einer solchen Situation nicht Politik machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zehn Jahre nach dem ersten Weltgipfel in Rio de Janeiro hat am Montag in Johannesburg die größte Konferenz der Welt zur nachhaltigen Entwicklung begonnen. Angesichts der Ereignisse der letzten Wochen - hier sind neben unserer eigenen Betroffenheit in Europa auch das schreckliche Hochwasser in China und die schweren Hungersnöte im Süden Afrikas zu nennen - sollte allen klar geworden sein, dass sich die Erde verändert, dass sich das Klima wirklich wandelt und dass die Naturkatastrophen zunehmen werden. Wir müssen uns fragen, ob wir die in Rio beschlossenen Konzepte einer Agenda 21 rechtzeitig und konsequent umgesetzt
haben. Die Bürgerinnen und Bürger müssen entscheiden, ob sie den Weg der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes weitergehen wollen.
Wenn es richtig ist - und es ist richtig -, dass die Entscheidungen, die wir heute treffen, in 20 Jahren wirksam werden, dann darf man heute nicht so tun, als hätten wir noch 20 Jahre Zeit. Nein, wir haben diese Zeit nicht. Deshalb müssen wir heute handeln. Angesichts dessen bin ich der Bundesregierung dankbar dafür, dass sie in den letzten vier Jahren den Klimaschutz mit eingeleitet hat.
Die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes und die Einführung der Ökosteuer sind nur zwei Merkposten, die ich an dieser Stelle nennen möchte. Was haben wir uns über die Sinnhaftigkeit der Ökosteuer gestritten. Ich halte dieses Konzept nach wie vor für richtig und zukunftsweisend. Wenn Sie von der Union, Herr Kollege Wulff, mir nicht glauben, dann glauben Sie wenigstens Ihren eigenen Leuten, wie dem ehemaligen Umweltminister Töpfer, der erklärt hat, dass er diese Steuer für richtig hält. Er hat das deshalb erklärt, weil er seinen umweltpolitischen Sachverstand nicht an der Garderobe der CDU-Partei abgeben musste, sondern deutlich sagen konnte, was richtig ist.
Nein, das gestatte ich nicht.
Uns ist aber auch klar, dass Deutschland die Herausforderungen der Zukunft, insbesondere im Klimaschutz, nicht allein bewältigen kann. Wir sind keine Insel. Wir müssen dafür sorgen, dass das, was wir politisch als richtig erkannt haben, was uns die Fachleute seit vielen Jahren sagen, auf die Tagesordnung der europäischen und übernationalen Organisationen kommt. Wir müssen weltweit eine Politik bekommen, die die Folgen des Versagens von Umweltpolitik deutlicher als bisher in den Mittelpunkt öffentlichen Interesses stellt und dafür sorgt, dass diese Folgen bekämpft werden.
Ich denke, es ist deutlich geworden, dass solche Aktionen wie beim Kyoto-Protokoll, bei dem Europa gegen die größte Industrienation der Welt steht, in der noch nicht erkannt worden ist, dass Umweltschutzpolitik eine Daseinsvorsorge ist, die nicht wegzudiskutieren ist, verstärkt werden müssen. Es handelt sich eben nicht um eine Entsolidarisierung mit einem starken Bündnispartner; vielmehr geht ein klarer Auftrag an die Europäische Union, nämlich den Amerikanern deutlich zu sagen: Unterschreibt das Kyoto-Protokoll, weil es unserer Zukunft und auch der Zukunft eurer Menschen dient.
Uns hier in Niedersachsen beschäftigen im Moment noch stärker die Auswirkungen des Elbehochwassers. Wir hatten in Niedersachsen sehr großes Glück. Dieses große Glück allein hat uns aber nicht vor größeren Schäden bewahrt, auch wenn es Menschen gibt, die das nicht wahrhaben wollen. Dass wir in Niedersachsen so glimpflich davongekommen sind, haben wir einigen glücklichen Faktoren zu verdanken, so z. B. der mutigen und schnellen Entscheidung in Sachsen-Anhalt und Brandenburg, die Havel-Flutpolder zu öffnen. An solch einer Stelle zeigt sich - da lese ich keine Litanei von Abläufen vor -, ob Politikerinnen und Politiker in der Lage sind, schnell und unbürokratisch zu handeln. Deshalb sage ich: Danke, Matthias Platzeck. Wir werden das, was dort passiert ist, in Niedersachsen nicht vergessen.
Ich bedanke mich ausdrücklich auch bei den Menschen in Brandenburg und in Sachsen-Anhalt, die sozusagen diese Last zusätzlich zu tragen hatten. Das ist die Solidarität, die auch Niedersachsen zeigen wird, wenn es darum geht, die Schäden auszugleichen. Das ist überhaupt keine Frage.
Gerade im Amt Neuhaus, in dem die Deiche aus DDR-Zeiten noch nicht auf dem hohen niedersächsischen Standard sein konnten, wurde die Erneuerung der Deiche in den letzten Jahren konsequent in Angriff genommen. Aber auch in anderen Bereichen Niedersachsens haben wir Geld in die Hand genommen, um die Deichsicherheit zu erhöhen. Es kann nicht sein, dass wir dies alles nur unter dem Gesichtspunkt „breiter und höher“ betrachten. Wir müssen uns darum kümmern, dass
das, was wir machen, solide und gut ist; das ist keine Frage. Deshalb wäre es falsch, die Deiche im Amt Neuhaus nur zu erhöhen oder zu verbreitern. Vielmehr müssen wir sie komplett neu bauen. Aber es ist auch wichtig und richtig, dass wir uns darum kümmern, nicht nur der Elbe, sondern den Flüssen insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland wieder den Raum zu geben, den sie brauchen, um solche Hochwassermassen zu bewältigen, damit es nicht zu solchen Katastrophen kommt. Das ist die eigentliche Aufgabe der Politik, die wir zu leisten haben.
Die Verschiebung von Trassen, die Öffnung und Schaffung von zusätzlichen Retentionsräumen, alles das spielt eine Rolle.
Es geht natürlich auch darum, zusätzliches Geld zur Verfügung zu stellen. Übrigens, Herr Kollege Wulff, ich darf Sie daran erinnern - weil Sie das angesprochen haben, will auch ich es tun -, dass Ihr Antrag, 7,5 Millionen Euro für den Deichschutz bereitzustellen, von uns mit der Bereitstellung von 8,5 Millionen Euro beantwortet worden ist. Das ist also 1 illion Euro mehr, als Sie gefordert haben. Aber das will ich nicht zum Gegenstand intensiver Diskussionen machen.
Auch wenn die erforderlichen Maßnahmen viel Geld kosten werden, müssen wir uns alle daran erinnern, dass dieses Geld aus einem Haushalt kommen muss, der seit vielen Jahren im wahrsten Sinne des Wortes ausgeknautscht ist.
- Wenn Sie behaupten, dass er gegen die Wand gefahren worden ist, Herr Kollege, dann kann ich nur sagen: Wären wir Ihren Vorschlägen gefolgt, dann hätten wir über 40 Millionen DM mehr an Mindereinnahmen und Mehrausgaben, als es derzeit der Fall ist.
Dann wäre die Betonwand noch sehr viel dicker. Aber ich will darauf nicht weiter eingehen.
Ich möchte gerne, dass wir den Menschen draußen erklären, dass alles das, was wir zusätzlich an bestimmten Stellen brauchen, an anderen Stellen nicht ausgegeben werden kann. Da erwarte ich dann auch die Bereitschaft der Opposition zu sagen, an welchen Stellen sie Geld einsparen will. Es kann nicht sein, dass Sie nur fordern und die Regierung handelt; vielmehr müssen auch Sie den Menschen sagen, was wir in Zukunft nicht mehr machen können.
Wir wissen, dass die Planfeststellungsverfahren zur Erneuerung der Deiche langwierig sind. Wir sind damit in der Vergangenheit sehr sensibel umgegangen. Wir sind insbesondere mit denen sensibel umgegangen, die im Amt Neuhaus leben; denn wir wollten den Menschen in diesem politisch hochsensiblen Gebiet, das zu DDR-Zeiten als Grenzgebiet ganz besonderen Restriktionen und Belastungen ausgesetzt war, nicht von vornherein mit Enteignung kommen. Sie wissen, dass dieses Mittel beim Ausbau und Neubau von Deichen eingesetzt werden kann. Aber ich sage auch hier: Alle diejenigen, die das Problem in der Vergangenheit wegen der eigenen Betroffenheit vielleicht etwas hinhaltend diskutiert haben und die eher die Betroffenheit des eigenen Grundstücks und Hauses im Blick gehabt haben, werden - davon bin ich fest überzeugt - angesichts der Gefahren, die die Elbe ihnen deutlich gezeigt hat, und angesichts der Katastrophe, die hätte passieren können, jetzt sehr nachdenklich werden. Ich bin mir sicher, dass die Menschen auch dort umdenken und bereit sein werden, den Deichausbau besser und schneller zu ermöglichen.
Wir haben es geschafft, die Deiche in Neuhaus auf einer Länge von bisher 11 km neu zu bauen. Weitere Deichabschnitte werden folgen.
Seit 1993 wurden steigende finanzielle Mittel in den rechtselbischen Deichausbau investiert. Seit 1998 - die Zahlen habe ich Ihnen genannt - haben wir diese Mittel kontinuierlich bereitgestellt.
Meine Damen und Herren, ich will mich hier nicht weiter mit der Diskussion um die mehr oder weniger nicht abgerufenen Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe auseinander setzen. Das kann man in den Diskussionen im Fachausschuss im Einzelnen tun. Ich möchte nur Eines sagen: Wir dürfen in einer solchen Situation nicht die Anrainer der Elbe gegen die Anrainer anderer Flüsse in Niedersach
sen ausspielen, die ebenfalls unter den Gefahren des Hochwassers zu leiden haben.
Es geht nicht, dass wir den Einsatz der Mittel ausschließlich auf Amt Neuhaus konzentrieren. Anderenfalls müssen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren - der Vorschlag kam ja aus Ihrer Richtung -, den Menschen an der Jeetzel, Wümme und Delme sagen, warum Sie dort nicht investieren wollen. Und das geht nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich finde, dass wir bei der Frage, wie wir uns in den nächsten Jahren positionieren, nicht nur im Deichbau und hinsichtlich der Retentionsräume, also dort, wo sozusagen das Hochwasser unmittelbar auftritt, ansetzen dürfen. Wir müssen uns auch fragen, was wir in den Bereichen falsch gemacht haben und was wir dort eventuell besser machen können, in denen es vielleicht nie ein Hochwasser geben wird. Die Flächenversiegelung ist nicht nur eine Frage, der sich die Menschen an den Hochwasser führenden Flüssen stellen müssen.
- Selbst wenn das eine Platte ist, kommen wir gleich noch dazu, wenn ich Ihnen sagen werde, wie Sie in der Vergangenheit darauf reagiert haben, Herr Kollege.
Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir unsere Siedlungsräume bis in die Nähe der Flutungsräume ausdehnen sollen. Diese Frage müssen wir uns auch weit hinter den Deichen und weit hinter den großen hochwasserführenden Flüssen stellen.
Dazu gehört, dass wir eine solche Angelegenheit mit der Ernsthaftigkeit behandeln, Herr Kollege, die Sie durch Ihren Zwischenruf vermissen lassen. Wir haben eine Bauordnung, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der steht, dass unnötige Zersiedelungen zu vermeiden sind.
Wir haben dies hier im Landtag diskutiert und gegen Ihre Stimmen nach hämischen Debatten darüber, weshalb man sich mit solchen Gedanken in einer Bauordnung auseinander setzen muss, mit
Mehrheit durchgesetzt. Wir müssen das tun, meine sehr verehrten Damen und Herren,
weil wir sonst die Voraussetzungen dafür schaffen, dass bei Hochwasser die großen Flüsse viel zu schnell voll laufen. Wir müssen unsere Verantwortung im so genannten Hinterland erkennen und wahrnehmen. Das gilt für die Beamtinnen und Beamten in den Baugenehmigungsbehörden, aber noch mehr für diejenigen, die Entwürfe zeichnen, und auch für die Investoren. Wenn wir nicht bereit sind, unsere Verantwortung vor Ort zu leisten, sind wir für die Not der Menschen an den Flüssen mitverantwortlich. Das muss deutlich zum Ausdruck gebracht werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde diese Debatte an dieser Stelle nicht fortsetzen, wenn es uns gelingt, die Gemeinsamkeit, die aus den Reden erkennbar war, auch in den nächsten Monaten fortzusetzen. Ich habe zwar meine Zweifel, aber zunächst einmal möchte ich daran glauben, dass das so weitergeht. Ich möchte nicht die Hoffnung aufgeben, meine Damen und Herren, dass dann, wenn wir uns z. B. die Vorfluter vornehmen, wenn wir die Renaturierung von Fließgewässern verlangen, weil dort die Möglichkeit der Aufnahme von Spitzenhochwassern mehr gegeben ist, diejenigen, die in der Vergangenheit dagegen waren, heute sagen, dass das eine vernünftige Entscheidung ist. Wenn wir uns konkret darüber unterhalten, aber so weiter machen wie bisher, wird die Debatte an Schärfe zunehmen. Dafür sind dann diejenigen verantwortlich, die hier anders reden, als sie draußen handeln, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang zwei Bemerkungen zum Ausbau der Elbe machen. Dazu ist schon viel gesagt worden. Ich möchte für meine Fraktion deutlich erklären, dass wir ohne Wenn und Aber den weiteren Ausbau der Mittelelbe ablehnen. Das haben wir in der Vergangenheit erklärt, und das erklären wir auch heute, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Das, was wir zum Ausbau der Elbe zwischen Hamburg und der Nordsee gesagt haben, gilt auch weiterhin. Wir werden prüfen, ob die ökonomische Sinnhaftigkeit dieses Projektes gegeben ist. Hier gibt es Fragezeichen. Wir werden die ökologische Vertretbarkeit dieses Projektes bewerten und auf die Sicherheit der Deiche allererste Priorität legen. Wer dies heute noch in Frage stellt, der hat in der Tat die Folgen aus der Flutkatastrophe überhaupt nicht verstanden, meine Damen und Herren.
Die Schäden, die wir in den letzten Wochen zu verzeichnen hatten und deren Umfang wir erst in den nächsten Monaten in voller Höhe zur Kenntnis nehmen werden, sind nicht nur für diejenigen schwierig zu bewältigen, die unmittelbar an der Elbe ihre Häuser verloren haben. Sie sind auch für diejenigen schwierig zu bewältigen, die durch die kleinen Hochwasser der letzten Zeit in eine schwierige wirtschaftliche Situation gekommen sind, z. B. die landwirtschaftlichen Betriebe, die infolge der Überschwemmungen der letzten Wochen gelitten haben. Klar ist aber - der Ministerpräsident hat das in seiner Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht, wofür ich ihm sehr dankbar bin -, dass das Land Niedersachsen alles tun wird, um diesen Menschen zu helfen. Die Menschen können sich darauf verlassen, dass die Politik, die hier mehrheitlich betrieben wird, nicht morgen zu Ende ist. Darauf können sie sich verlassen, und das machen sie auch. Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir dieses Problem gemeinsam lösen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN Vizepräsident Gansäuer: Herr Kollege Schwarzenholz, Sie haben das Wort für bis zu 5 Minuten. Schwarzenholz (fraktionslos):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich aufgrund der Kürze der Redezeit zunächst einmal dem Dank an die Helfer anschließen. Das kann man nicht besser ausführen, als das hier gemacht wurde. Ich meine, das ist nicht nur eine Frage der Ratio, sondern auch des Gefühls.
Was dort geleistet worden ist, kann man nicht in politische Kategorien fassen. Für mich ist wichtig, dass Kriterien wie Solidarität und Mitmenschlichkeit wieder Werte sind, die eine stärkere Rolle spielen. Ich hoffe, dass das auch in der politischen Auseinandersetzung bei uns Spuren trägt.
Wir haben eine Situation - hier bin ich anderer Meinung als Sie, Herr Ministerpräsident -, die nicht unvorhergesehen gekommen ist. Es war kein Jahrhunderthochwasser, wenn man das neue Jahrhundert nimmt, sondern dieses Hochwasser hat das Jahrhundert der Hochwasser eingeleitet. Die Warnungen, die es gab, sind häufig in den Wind geschrieben worden. Es gab viele wissenschaftliche Studien, die genau diese Entwicklung aufgezeigt haben. Die Politik hat offensichtlich diese wissenschaftlichen Warnungen, diese Erkenntnisse nicht ernst genug genommen, allerdings natürlich mit Unterschieden zwischen den verschiedenen Parteien. Aber man kann nicht sagen, dass das aus heiterem Himmel kam, sondern das kam aus einer politisch und wissenschaftlich vorhersehbaren Situation. Ich sage allerdings nicht, dass es dort eine Kraft gibt, die die Verantwortung dafür trägt, dass das nicht ausreichend bekämpft worden ist. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren in diesem Landtag und auf Bundesebene heftige Auseinandersetzungen darüber geführt, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Es gibt eine ganze Reihe von landespolitischen und kommunalpolitischen Auseinandersetzungen dazu. Ich erinnere - Herr Kollege Wenzel hat sich dort ja engagiert - z. B. an die Roßdorfer Straßenbauprojekte mitten im Überschwemmungsgebiet. Dort wird weiter gemacht. Wo sind die Konsequenzen? – Zu der Presseerklärung von Frau Dr. Knorre, die ich am Montag erhalten habe, ist mir überhaupt nichts mehr eingefallen. Frau Dr. Knorre sagt zum Thema Verkehrsprojekte:
„Noch sind die Kosten der Flutkatastrophe nicht abzusehen. Dennoch müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Der Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen ist in Niedersachsen weiterhin ein Muss.“
Das ist die Konsequenz. Das Gleiche - Frau Harms hat darauf verwiesen - haben wir im Juli erlebt. Das Bundeskabinett hat ein Programm zur Reduzierung des Flächenverbrauchs beschlossen. In der gleichen Woche, Frau Harms, kam allerdings das ehrgeizigste Autobahnausbauprogramm, das die Bundesrepublik Deutschland je gesehen hat. Das
ist natürlich eine Politik, bei der sich die Leute fragen, wie so etwas möglich ist. Auf der einen Seite will die Bundesregierung den Flächenverbrauch reduzieren, und auf der anderen Seite gibt es ein Rekordausbauprogramm.
- Frau Harms, diese Frage müssen Sie sich doch einmal stellen. Schließlich hat auch Herr Trittin das mitgetragen, was Herr Bodewig vorgetragen hat. Herr Bodewig kann so etwas nicht umsetzen, ohne dass auch der Koalitionspartner das mitträgt. Die Glaubwürdigkeit von Politik in dieser Frage ist massiv angegriffen. Das gilt für den Elbausbau in ähnlicher Weise.
Es hat in diesem Jahr schon eine Wahlauseinandersetzung und eine Landtagswahl mit dem Thema Elbausbau als einem der Schwerpunkte gegeben. Das war im Nachbarland Sachsen-Anhalt. Dort hat als einzige Landtagspartei die PDS das Programm kritisiert und die Wissmann‘sche Elbvereinbarung verteidigt. Die SPD und die CDU - Herr Böhmer hat sich ganz massiv geäußert - haben uns damals vorgeworfen, diesen Elbausbau infrage zu stellen, sei ein Arbeitsplatzvernichtungsprogramm. Und was ist jetzt? Jetzt stellt sich Herr Wulff hin und sagt, das sei so, und Herr Ministerpräsident Gabriel erklärt das ähnlich. Ich frage aber: Hat das nun endlich Konsequenzen? Wird die Bundesregierung jetzt endlich davon Abstand nehmen? Werden wir in Niedersachsen jetzt ähnlich handeln, wie man es seinerzeit in der DDR mit den Havel-Poldern gemacht hat, die ja vor ca. 30 Jahren, als bei uns alles dicht gemacht worden ist, eingerichtet wurden? Wir man bei uns über Ähnliches auch einmal nachdenken, damit wir in der Lage sind, auch Vorsorge gegen Hochwasser zu treffen?
Und ich frage im Automobilland Niedersachsen auch nach der Klimapolitik. Können wir es uns allen Ernstes erlauben, weiterhin die Position zu vertreten, dass es bei uns keine Geschwindigkeitsbegrenzungen auf den Autobahnen gibt, obwohl klar ist, dass wir damit sofort den CO2-Ausstoss ganz erheblich senken könnten? Warum wird die politische Kraft, dies sofort zu machen, nicht gefunden?
Oder denken wir über China nach. Niederachsen ist als Automobilland über VW massiv an der Automobilzuwachsrate in China beteiligt. Warum ist ausgerechnet der VW-Konzern, an dem das Land
Niedersachsen beteiligt ist, einer der defensivsten Konzerne bei der Einführung der Brennstoffzellentechnologie und der Wasserstofftechnologie? Warum können wir hierbei nicht eine Vorreiterrolle spielen? Warum sind wir nicht bereit, in der Verkehrspolitik das, was wir an Umsteuerungsmaßnahmen möglich machen können, auch wirklich einzuleiten?
Herr Ministerpräsident, ich erkenne bei Ihnen zwar Absichtserklärungen, aber die konkreten politischen Schritte sind nicht sichtbar, und zwar sowohl nicht auf Landesebene als auch leider nicht auf Bundesebene.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit vielen Jahren haben wir die Situation in den westdeutschen Bundesländern, dass die kleinen und mittleren Bauunternehmen und insbesondere die Handwerksunternehmen keinen fairen Wettbewerb mehr vorzufinden, den sie unter fairen Bedingungen bestreiten könnten.
Helmut Kohl und Theo Waigel haben verhindert, dass die mittelständische Bauindustrie in Nieder
sachsen überhaupt noch eine Chance hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Seit Jahren haben wir über dieses Problem geredet. Seit Jahren haben wir Sie darauf aufmerksam gemacht. Die Bauunternehmen sind zu uns gekommen und haben gesagt: Wir brauchen endlich Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Das ist von Ihnen ausgesessen worden, und Sie haben sich geweigert, dies zu organisieren.
Die neue Bundesregierung hat dieses Problem angepackt, und zwar mit einem Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und Schwarzarbeit.
Sie hat sichergestellt, dass die Unternehmen, die ihre Sozialversicherungsabgaben nicht bezahlen, für das Desaster verantwortlich gemacht werden, das sie anrichten. Sie haben das 16 Jahre lang nicht hinbekommen! Wir haben es in wenigen Jahren geschafft, dies zu organisieren, meine Damen und Herren.
- Herr Kollege, wenn Sie über Firmenpleiten reden, dann denken Sie einmal darüber nach, wie viele Bauunternehmen Pleite gegangen sind, die sich an Tarifverträge gehalten haben und die sich gegen Schmutzkonkurrenz nicht wehren konnten, weil Sie es verhindert haben. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren!
Wir haben gemeinsam mit den Gewerkschaften, mit dem Baugewerbe und mit der Bauindustrie hier in Niedersachsen ein Vergabegesetz gefordert, in dem klargestellt wird, dass die Unternehmen klar und deutlich angeben müssen, dass sie sich an Tarifverträge binden. Wir wollen nicht, dass diejenigen, die sich an Verabredungen halten, Nachteile gegenüber denjenigen haben, für die Verabredungen kein Thema sind und die Wildwest-Methoden haben wollen. Das war unser Ziel. Dem haben Sie
sich von Anfang an in Niedersachsen und auch auf Bundesebene verweigert. Das ist ein sozial- und tarifpolitischer Skandal, den Sie zu verantworten haben!
Nachdem Sie gemerkt haben, dass Sie damit nicht durchkommen, dass die Bauwirtschaft massiv gegen Sie vorgeht und geordnete Verhältnisse fordert, sind Sie eingeknickt. Anfangs hat der Kollege Wulff gesagt: Ja, Vergabegesetz schon, aber nur eines auf Bundesebene. Wir haben Ihnen da zugestimmt. Wir wollten ein Vergabegesetz auf Bundesebene. Als dieses Vergabegesetz vorgelegt worden ist, sind die CDU-geführten Länder eingeknickt und haben es im Bundesrat verhindert. Das ist die traurige Wahrheit, über die wir hier zu diskutieren haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Kommen Sie mir nicht mit dem Argument, es ginge auch um den ÖPNV, und deshalb würden Sie nicht zustimmen.
Die Zustände, die heute auf dem Baumarkt zu verzeichnen sind, zeichnen sich auch bereits auf dem ÖPNV-Sektor ab. Wenn Sie dies nicht von Anfang an bekämpfen wollen, dann sind Sie mitverantwortlich für das, was dort passiert, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir jedenfalls haben die Absicht, Wort zu halten. Wir halten das Wort gegenüber den Gewerkschaften und gegenüber den Unternehmensverbänden in Niedersachsen. Wir haben unser Landesvergabegesetz mit der Tariftreueerklärung im letzten Jahr in den Landtag eingebracht. Wir haben es in der Beratung zurückgestellt, weil wir gemeinsam ein bundesweites Gesetz wollten. Ich muss heute feststellen, dass Sie offensichtlich auf Zeit gespielt und geglaubt haben, wir würden einknicken. Wir knicken nicht ein, sondern wir verabschieden heute ein Vergabegesetz, das den Kriterien gerecht wird, die wir mit den Tarifvertragsparteien verabredet haben, meine Damen und Herren.
Wir werden diejenigen verpflichten, die Angebote abgeben, und wir werden diejenigen, die Aufträge
erteilen, die öffentliche Mittel verbauen, verpflichten, sich daran zu halten, von den Unternehmen eine Tariftreueerklärung zu bekommen, die Erklärung, dass sie sich an Tarifverträge halten.
- Danke, Herr Kollege Möllring, für den Zwischenruf. Wir sind nicht der Meinung, dass Pseudotarifverträge richtige Tarifverträge sind. Tarifverträge sind für uns nur diejenigen Tarifverträge, die mit tariffähigen Gewerkschaften abgeschlossen werden. Das formulieren wir in das Gesetz hinein. Ich bin gespannt, wie Sie dazu stehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Dies ist kein unbestimmter Rechtsbegriff, sondern ganz klar. Wir wollen, dass die Leute, die darüber etwas zu sagen haben, weil sie etwas davon verstehen, die Landesregierung beraten, welche Tarifverträge unter diese Kautelen fallen. Die Rahmenbedingungen nenne ich hier ganz eindeutig und klar: Tariffähig ist für uns nur eine Gewerkschaft, die einen Tarifvertrag abgeschlossen hat, wenn sie ihre Aufgabe als Tarifvertragspartner sinnvoll erfüllen kann. Sie muss durchsetzungsfähig sein, sie muss streikfähig sein, sie muss einen zureichenden Organisationsgrad haben, und sie muss über eine ausreichende Leistungsfähigkeit ihrer Organisation verfügen. Meine Damen und Herren, das sind die Kriterien, die rechtlich bereits ausgeklagt sind. Damit sind Pseudogewerkschaften ausgeschlossen. Tarifdumping ist mit uns nicht zu machen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich wundere mich sehr, dass unsere intensiven Gespräche in den letzten eineinhalb Jahren mit denen, die im Bau beschäftigt sind und wissen, welche dramatischen Verhältnisse sich dort entwickelt haben, auf der rechten Seite dieses hohen Hauses offensichtlich nicht angekommen sind. Mich wundert sehr, Herr Kollege Wulff, dass Sie nicht erkennen - auch aus Ihrer Partei sind Betriebsräte in diesen Bereichen tätig, die den öffentlichen Personennahverkehr organisieren -, welche Entwicklung sich dort abspielt. Wenn der öffentliche Auftraggeber mit Steuergeldern Aufträge erteilt - sei es im Bereich des Baus oder des ÖPNV und zulässt, dass Unternehmen, die sich nicht an Tarifverträge halten, diese Aufträge bekommen, dann sind sie dafür verantwortlich, Herr Kollege Wulff, dass unsere niedersächsischen Arbeitneh
merinnen und Arbeitnehmer arbeitslos werden und den Kommunen in der Sozialhilfe zur Last fallen. Wir wollen das nicht. Deshalb wird dieses Gesetz heute von uns verabschiedet.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir Leid, Herr Kollege Wulff: Was Sie hier abgeliefert haben, ist völlig unglaubwürdig.
Sie haben sich hierher gestellt und gesagt - Herr Dinkla hat das Gleiche gesagt -, das Gesetz insgesamt, um das es jetzt geht, wäre Bürokratie und verfassungswidrig. Gleichzeitig bieten Sie uns an, dieses Gesetz zu unterstützen. Sie widersprechen sich in Ihren eigenen Aussagen, meine Damen und Herren.
Damit wird deutlich, was das für Sie ist. Das hier ist für Sie ein taktisches Spielchen, um sich herauszulügen und diesem Gesetz nicht zustimmen zu müssen, weil Ihre Fraktion es nicht will, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Herr Kollege Dinkla, ich wäre Ihnen dankbar gewesen, wenn Sie ehrlich und offen das gesagt hätten, was Sie von Anfang an gesagt haben. Sie haben sich damals hierher gestellt und gesagt, dass wir ein solches Gesetz nicht bräuchten, und jetzt versuchen Sie Ausflüchte. Das ist die Wahrheit, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen, worin der Unterschied zwischen den Ländern, in denen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bestimmen können, und den Ländern, in denen konservative Regierungen wie z. B. CDU- und FDP-geführte Regierungen organisieren und arbeiten können, liegt. Meine Damen und Herren, Sachsen-Anhalt hatte ein Vergabegesetz, das zwar nicht so weit ging wie das niedersächsische, aber immerhin ein Vergabegesetz war. Eine der ersten Maßnahmen, die die CDU/FDP-Landesregierung dort umgesetzt hat, bestand darin, dieses Vergabegesetz zu kippen. Das ist die Wahrheit von CDUPolitik, nicht aber das, was uns hier vorgemacht werden soll, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Wulff, ich habe in der Zeitung gelesen, dass Sie Verständnis dafür hätten, dass Sachsen-Anhalt im Bundesrat das Bundesgesetz abgelehnt hat. Sie haben gesagt, dass Sie, wenn Sie Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt wären, wohl das Gleiche getan hätten. Ich will Ihnen, Herr Kollege Wulff, einmal sagen, was in SachsenAnhalt passiert. In Sachsen-Anhalt treten reihenweise Arbeitgeber aus dem Arbeitgeberverband aus und verlassen die Tarife. In Sachsen-Anhalt wird reihenweise und massiv Tarifflucht organisiert. Wenn Sie, meine Damen und Herren, dafür Verständnis haben, dann sagen Sie deutlich, wie aus Ihrer Sicht die sozialpolitische Landschaft aussehen soll! So etwas wird es bei uns und mit uns in Niedersachsen nicht geben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind es unseren Kindern schuldig,
dass sie alle Bildungschancen bekommen, um in einer Welt bestehen zu können, in der die Verwirklichung der persönlichen Lebensziele immer mehr vom Wissen abhängt. Der Zugang zu den Bildungschancen und die Qualität unserer Bildungsangebote - das ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts.
Meine Damen und Herren, mit diesen beiden Sätzen hat der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Gerhard Schröder, gestern die Bildungsdebatte im Deutschen Bundestag begonnen. Sie umschreiben die Aufgabe, vor der wir stehen und die eine verantwortungsbewusste Politik lösen muss. Wir müssen uns entscheiden, wie wir den Ideenwettbewerb über den richtigen Weg, die besseren Konzepte ausrichten wollen. Soll es ein an der Sache orientierter Streit oder Wettstreit sein oder ein mit militärischem Kampfgeschrei garnierter Feldzug gegen den anderen? Ich bin davon überzeugt, dass dieses Thema viel zu wichtig ist, als dass wir es in dem üblichen Wahlkampfgerassel untergehen lassen dürfen. Hier gehört Sachlichkeit her, meine Damen und Herren!
Der Entwurf unseres Schulgesetzes, das wir heute beschließen werden, hat einen langen Vorlauf. Wir haben Grundzüge und Ideenskizzen in einem intensiven Dialog mit allen Beteiligten im Bildungsbereich besprochen. Wir haben uns neue Anregungen geholt und sind dabei zu neuen Erkenntnissen gelangt. Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Ausbilderinnen und Ausbilder, Gewerkschaften und Arbeitgeber und nicht zuletzt auch die Vertreterinnen und Vertreter der Kommunalpolitik haben sich schon vor der Einbringung des Gesetzentwurfes und während der Ausschussberatung an diesem Diskussionsprozess sehr intensiv beteiligt. Dafür möchte ich im Namen meiner Fraktion allen herzlich danken.
Wir haben deutlich gemacht, dass wir unsere Vorstellungen nicht für zementiert und unverrückbar halten. Wir haben den Dialog gesucht und bis zuletzt einen möglichst breiten Konsens gesucht. Für uns stand Qualität im Vordergrund. Wir waren und sind nicht betonköpfig genug, um nur stur in eine Richtung zu blicken.
Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, überlassen wir gerne anderen.
Wenn ich mich bei denen bedankt habe, die sich an dem Dialogprozess beteiligt haben, dann tue ich dies ausdrücklich auch bei all denen, die uns Anregungen gegeben haben und deren Anregungen wir, wie wir meinen, aus guten Gründen nicht folgen konnten oder nicht gefolgt sind.
Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schulwesens ist für uns die Arbeit aber nicht abgeschlossen. Der Dialog ist nicht beendet. Wir setzen mit diesem Gesetz einen Rahmen, in dem es jetzt um Inhalte von Schule geht. Es geht um die Frage, was in der Schule passiert, wer Wissen vermittelt, wie Wissen vermittelt wird und wie Kompetenz gelehrt wird. Fachliche und soziale Kompetenz, dies sind Parameter, die für uns unverrückbar zusammengehören.