Protokoll der Sitzung vom 11.10.2000

Meine sehr verehrten Damen und Herren, guten Morgen!

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsi- dent!)

Die Beschlussfähigkeit wird zu gegebener Zeit festgestellt.

Zur heutigen Tagesordnung folgende Bemerkungen: Wir beginnen die heutige Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt 16, den Dringlichen Anfragen. Nachdem die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ihre Anfrage in der Drucksache 1920 zurückgezogen hat, behandeln wir unter diesem Tagesordnungspunkt nur noch eine Anfrage, nämlich die der Fraktion der CDU in der Drucksache 1918. Anschließend setzen wir die Beratung in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 18.45 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Ministerin für Frauen, Arbeit und Soziales, Frau Merk, bis etwa 15.30 Uhr, von der Fraktion der SPD Herr Bontjer und von der Fraktion der CDU Herr Meier.

Wir kommen damit zu

Tagesordnungspunkt 16: Dringliche Anfragen

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat - wie gerade erklärt - ihre Dringliche Anfrage zurückgezogen.

Es geht damit jetzt um die Dringliche Anfrage

a) Ausverkauf bei der Preussag AG darf keine Standorte und Arbeitsplätze gefährden - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1918

Die Dringliche Anfrage bringt der Kollege Eppers ein.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Finanzierung des Erwerbs des britischen Reiseunternehmens Thomson Travel hat die Preussag AG auf ihrer Aufsichtsratssitzung am 5. Oktober 2000 beschlossen, sich neben dem Verkauf von 14.000 Wohnungen der früheren Salzgitter AG auch von wichtigen Industriebeteiligungen zu trennen.

Von dem geplanten Verkauf sind auch niedersächsische Standorte wie z. B. Goslar und Bad Bentheim betroffen und damit möglicherweise auch die dortigen Arbeitsplätze gefährdet. Die Landesregierung trägt eine besondere soziale Verantwortung für die Sicherung der Arbeitsplätze an niedersächsischen Standorten.

Wir fragen daher die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die Verkaufsabsichten der Preussag AG im Hinblick auf die Auswirkungen auf Standorte und Arbeitsplätze?

2. Inwieweit und seit wann ist die Landesregierung in die Pläne der Preussag AG eingebunden?

3. Welche Vorsorge hat die Landesregierung zur Sicherung von Standorten und Arbeitsplätzen getroffen?

Die Antwort erteilt der Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will selbst zu dieser Anfrage Stellung nehmen, weil ich glaube, dass wir am Beispiel dieser Dringlichen Anfrage vielleicht einmal damit beginnen sollten, im Niedersächsischen Landtag über die Frage zu

diskutieren, wie wir in unserem Land eigentlich mit Unternehmen umgehen wollen,

(Zustimmung von Biel [SPD])

die für dieses Land eine strukturbestimmende Bedeutung haben,

(Beifall bei der SPD)

und sicherlich auch darüber, wie wir mit den Aufträgen der sozialen Marktwirtschaft umgehen müssen und

(Zuruf von Wulff (Osnabrück) [CDU])

wie ehrlich wir mit den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes umgehen wollen,

(Frau Schliepack [CDU]: Sehr wahr!)

wenn wir auf der einen Seite in den wirtschaftspolitischen Grundsatzreden jeweils über Globalisierung, Wettbewerbszwänge, die Notwendigkeit der Veränderung sprechen und ihnen auf der anderen Seite offenbar auch vormachen wollen - so jedenfalls scheint mir diese Anfrage angelegt zu sein -,

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das ist ja unglaublich!)

dass dies keine Konsequenzen habe.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das ist ja unglaublich!)

Ich würde mich freuen, wenn es gelänge, dies in der nächsten Runde nicht über Anfragen zu machen, sondern wenn dieses Thema zwischen den Fraktionen und der Regierung

(Erneuter Zuruf von Wulff (Osna- brück) [CDU])

im Landtag einmal grundsätzlich erörtert werden könnte. Ich finde schon, dass die Menschen in Niedersachsen und auch die Unternehmen ein Recht darauf haben, zu wissen - -

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Können Sie sich eigentlich noch an Ihre Dringliche Anfrage zur Preussag erinnern, als Sie Fraktionsvorsitzender waren, Herr Gabriel?)

Lassen Sie den Ministerpräsidenten erst einmal ausreden!

Ich kann verstehen, dass der Kollege Wulff nervös wird.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir können das ohne Häme machen. Ich meine, es ist ein Anspruch der Menschen und der Unternehmen in diesem Land, zu wissen, welche wirtschaftspolitischen Grundsatzvorstellungen die Parteien und die Regierung in Niedersachsen haben, und an diesem Beispiel könnte man diese Debatte gut beginnen.

Mit der TUI-Group der Preussag in Niedersachsen und in Hannover haben wir hier das größte Touristikunternehmen der Welt. In diesen Minuten gibt ja der Vorstandsvorsitzende der Preussag auf einer Pressekonferenz bekannt, dass das Unternehmen den französischen Marktführer Nouvelles Frontières erwirbt und damit seine Marktposition weiter verbessert.

Vor allem in Europa ist der Tourismus weitgehend eine boomende Branche. Allein in Deutschland betragen die Bruttoreisenausgaben schon heute mehr als 80 Milliarden DM pro Jahr, und sie werden in den kommenden Jahren ein Wachstum von fast 4 % aufweisen.

Die Chancen dieses neuen Unternehmens, der neuen Preussag, sind gewaltig: 12 Milliarden Euro Umsatz - das ist mehr als doppelt so viel wie der nächstgrößere Wettbewerber in Europa hat -, Marktführer in allen touristischen Quellmärkten Europas, eine starke Position in den neuen Vertriebskanälen Call-Center und E-Commerce, eine Flotte von 93 Flugzeugen - für Niedersachsen mit dem Flughafen Hannover und dem Sitz von Hapag Lloyd ja nicht ganz uninteressant - und fast 120.000 Hotelbetten weltweit.

(Möllring [CDU]: Was hat das mit der Anfrage zu tun?)

Niedersachsen leidet seit Jahrzehnten darunter, in den Wachstumsbranchen zu wenig Unternehmen und Konzernzentralen im Land zu haben.

Zu Recht weisen die Vertreter von Wirtschaft und Wissenschaft immer wieder darauf hin, dass Ko

operationen, Public Private Partnership und auch Forschung und Entwicklung in unserem Land unter dieser strukturellen Schwäche leiden. Vor allem aber führt dies zu einem Mangel an Zukunftsperspektiven für hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; sie wandern ab und verschlechtern damit die Struktursituation unseres Landes.

Diese Strukturschwäche langfristig zu überwinden, ist eine nicht ganz einfache Aufgabe. Forschung und Entwicklung, die Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft und eine möglichst hohe Dichte an Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen gehören dabei zu den zentralen Aufgaben, um als Standort für Zukunftsmärkte attraktiv zu bleiben.

Aber, meine Damen und Herren, was auch dazu gehört, sind ein wirtschaftspolitisches Klima und ein angemessener Umgang mit den Unternehmen, die wir Gott sei Dank noch bei uns haben.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Eben!)