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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, wir sollten jetzt mal ein bisschen Spannung in die Debatte hineinbringen.
Vielleicht hat Herr Wulff ja auch einmal Lust, ein bisschen mitzumachen. Kurz vor der Landtagswahl muss auch gezeigt werden, wo die Alternativen zu uns liegen.
Das Erste zu Herrn Möllring: Ich verstehe, dass Sie aus der Entfernung den Bundesrat noch nicht so richtig beurteilen können. Wir wollen eine Menge dafür tun, dass das so bleibt. Aber die Situation ist schlicht und ergreifend so, dass die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf zur Steuerreform in den Bundesrat eingebracht hat und dass es noch keinerlei Möglichkeiten gibt, diesen Gesetzentwurf in den Vermittlungsausschuss zu bringen. Vielmehr hat die CDU-geführte Seite eine Stellungnahme abgegeben. Dieser Stellungnahme hat das Land Niedersachsen widersprochen. Sie haben hier behauptet, wir hätten sozusagen dem Gesetzespaket zugestimmt. Wir haben der Stellungnahme der CDU nicht zugestimmt. Das wollen wir auch noch nicht;
denn erstens wollen wir in den Vermittlungsausschuss und zweitens, Herr Möllring, geht eines nicht - das betreiben Sie und Ihre Parteikollegen in ganz Deutschland -, nämlich dass Sie zu jeder Sache Nein sagen, ohne darzulegen, wie man die Alternative organisieren soll. Das ist der Unterschied.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bin nicht der Überzeugung, dass alle Steuerrechtsänderungen der Bundesregierung am Ende beschlossen werden dürfen. Dieser Überzeugung bin ich ausdrücklich nicht. Ich bin aber dafür, dass wir offen sagen, was die Konsequenz ist, wenn man das nicht mitmacht. Da fangen wir einmal mit Ihrer Politik an.
Sie gehen durch die Lande und versprechen den Menschen weitere Steuersenkungen. Sie versprechen ihnen die Senkung der Schulden. Sie versprechen ihnen auch, dass Sie in Einzelbereichen mehr ausgeben werden. Ich will nicht über WahllügenUntersuchungsausschüsse reden. Das Familiengeld haben Sie ja schon kassiert; davon ist nicht mehr die Rede. Aber ich sage Ihnen: Wer das zusammenkriegt - geringere Schulden, geringere Steuern und mehr Ausgaben -, der muss Mathe wirklich in einer ganz schlechten PISA-Schule gelernt haben.
Ich kenne ja die wohlfeile Theorie, die dann kommt.
- Moment! Ich will gerade Ihren Fraktionsvorsitzenden zitieren und Sie sagen „Olle Kamellen!“ Nicht so schnell! Er ist doch ganz frisch dabei. Er hat doch gerade erklärt, wenn wir das alles nicht machen, dann wird es Wachstumsimpulse geben und von dem größeren Kuchen wird der Staat dann auch wieder Steuereinnahmen haben. - In der Tat! Aber eines stimmt doch auch - das weiß doch jeder -: Es wird dann Zeiträume geben, in denen wir Maastricht nicht einhalten werden. Das aber trauen Sie sich nicht zu sagen.
Lassen Sie uns doch einmal Nägel mit Köpfen machen! Auch ich bin dafür, dass wir nicht jede Steuerrechtsänderung beschließen, auch nicht die Änderung zur Dienstwagensteuer und einige Dinge mehr.
Aber ich bin dafür, dass wir den Menschen reinen Wein einschenken.
- Ja, aber Sie auch!
- Herr Busemann, rufen Sie nicht zu früh „Bravo!“ Sie müssen den Menschen dann ehrlich sagen: Mit dem Konzept der CDU ist Maastricht nicht einzuhalten.
Wer - wie Sie es tun - den Menschen verspricht, die Staatsquote auf unter 40 % zu senken, der muss den Menschen sagen, dass das 170 Milliarden Euro kostet. Der gesamte Bundeshaushalt umfasst nur 250 Milliarden Euro. Entweder versprechen Sie den Menschen etwas, was Sie niemals einhalten können, weil Sie mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts einsparen wollen, oder Sie haben vor, diesen Einsparbetrag zu erbringen. Dann allerdings können Sie ihn nicht aus dem Bundeshaushalt erbringen; dann müssen Sie die Staatsquote an anderer Stelle senken. Da gibt es dann nur eine Möglichkeit.
- Nein!
Da geht es um die Sozialversicherung. Wenn Sie diese Größenordnung aus der Sozialversicherung herausschneiden wollen, dann sagen Sie den Menschen das! Dann wird es auch ein Konzept, wenn Ihre Leute sagen, die Menschen sollen wieder bis 67 oder 70 arbeiten, wenn es Leute gibt, die sagen, der Zahnersatz solle von den Menschen selbst bezahlt werden, oder wenn Sie auf die abenteuerliche Idee kommen, dass jeder Mensch eine Privatversicherung abschließen soll.
- Nicht einmal das wissen Sie! Rürup hat das nicht vorgeschlagen, sondern ein Professor aus Freiburg. Nicht einmal das wissen Sie, aber Sie reden ständig darüber. Nicht einmal das wissen Sie.
Es sind Ihre Leute, die den Menschen Angst machen, dass Sie bis 67 oder 70 arbeiten müssen. Ich schlage vor, einige der Abgeordneten, die das vorschlagen, und einige Professoren sollten einmal
aus ihren Stübchen herausgehen und sich anschauen, wie ein Bauarbeiter oder eine Krankenschwester im Schichtdienst oder jemand in der Industrie arbeitet; dann wissen sie, warum die Leute mit 58 oder 59 Jahren in Rente gehen. Das ist der Hintergrund.
Sie bestreiten den Erfolg der Riester-Rente, indem Sie sagen, es seien nur ein paar Millionen eingestiegen. Aber Sie verschweigen, dass 18 Millionen über die betriebliche Altersvorsorge eingestiegen sind. Das verschweigen Sie den Menschen.
Sie machen den Menschen permanent vor, Sie hätten ein Konzept für Ihre 170 Milliarden Euro. Das kriegen Sie aber nur dann hin, wenn Sie das Konzept verfolgen, allen wieder eine private Krankenversicherung zuzuschreiben. Das sollten Sie den Menschen dann aber auch sagen. Sagen Sie den Menschen doch, dass ein Handwerksgeselle mit 1 000 Euro Nettoeinkommen die Wahl hat, sich privat krankenzuversichern oder eine schlechtere Gesundheitsversorgung zu bekommen! Sagen Sie den Menschen, was Ihre Alternative ist!
Sie predigen hier seit Wochen und Monaten, man brauche Mut zur Reform.
- Passen Sie mal auf! Es geht um die Frage, welchen Mut. Ich will nicht, dass Sie es immer nur als Mut definieren, wenn bei Kranken, Patienten, Alten und Pflegeversicherten gekürzt wird. Dafür braucht man keinen Mut.
Wir haben in der ersten Runde im Vermittlungsausschuss und im Bundesrat darüber beraten, wie man auch Apotheker, Ärzte und Krankenhäuser an den Kosten beteiligt.
- Na klar. Es geht darum, dass wir auch den Apothekern sagen müssen: Wir können das Bilden von Ketten nicht dauerhaft verbieten, weil wir sehen, dass in den Ketten Möglichkeiten zur Senkung von Preisen stecken. Wir können doch nicht immer die Arbeitnehmer zur Kasse bitten, nur weil andere ihre Privilegien aufrechterhalten wollen.
Wenn Sie Mut haben, dann beteiligen Sie auch die Leistungserbringer an der Kostensenkung im Gesundheitswesen. Dann muss man auch einmal sagen, dass es nicht geht, dass Zahnärzte schon dann in Berlin demonstrieren, wenn sie 153 Euro verlieren. Das geht dann nicht. Dann muss man den Mut haben zu sagen: Ihr seid dabei.
Sie machen eine Gesundheitspolitik ausschließlich zu Lasten der Patienten, ausschließlich zu Lasten der älteren Menschen. Wir aber sagen: Mut heißt, dass alle in Deutschland mitmachen müssen, auch die, denen es besser geht. - Das wollen Sie nicht. Sie sind zu feige, den Leuten zu sagen, was Sie machen wollen. Sie machen ihnen etwas vor, indem Sie geringere Schulden und geringere Steuern, aber Mehrausgaben versprechen. Ich kann nur sagen: Da sind Sie prädestiniert für die Anklagebank bei Ihrem eigenen Untersuchungsausschuss in Berlin. Da müssen Sie dann hin.
Sie müssen beim Subventionsabbau einmal Mut zeigen.
Ein Subventionsabbau von 90 % findet im Steuerrecht statt. Wo sind denn Ihre Alternativen?
- Ach, Ihre Alternativen! Sie müssen sich mit denen anlegen, die sprechfähig sind. Ich begreife nicht, warum wir jedes Jahr im Bundeshaushalt 100 Millionen Euro für das Branntweinmonopol ausgeben. Nichts gegen Schnaps, aber das Geld wäre in den Schulen besser aufgehoben. Dann müssten Sie sich allerdings mit der Agrarlobby anlegen. Das ist Ihr Problem.
Sie machen immer nur leere Versprechungen. Wenn wir Sie dann fragen, welche Alternativen Sie haben, um sie zu erfüllen, dann verschweigen Sie diese Alternativen. Sie müssen den Menschen präzise sagen, wie Sie 170 Milliarden Euro einsparen
wollen, um die Staatsquote auf unter 40 % zu bekommen.
Meine Damen und Herren, nun ein paar Worte zum Thema Steuerrecht: Ich bin, wie schon gesagt, nicht dafür, all das zu beschließen, was die Bundesregierung vorgelegt hat. Ich bin auch bereit zu sagen, dass das bedeutet, dass wir dann die konjunkturellen Einbrüche, die wir in Deutschland haben, nicht ausgleichen können. Wir müssen zugleich die strukturellen Defizite unserer Haushalte an dem 3-%-Kriterium von Maastricht orientieren. Da gibt es kein Vertun. Da muss in der Tat etwas passieren. Ich habe deswegen heute Morgen mit Spannung zugehört, als Sie hier erklärt haben, wir in Niedersachsen würden gerade bei der Verwaltungsreform das Gegenteil tun und den Verwaltungsapparat aufblähen.
- Sie gehen doch gerade sehr mutig durch die Gegend und bezeichnen andere Menschen als Lügner.
- Herr Möllring sagt, das stimmt auch. - Ich will einmal zeigen, was Wahrheit und was Unwahrheit ist, ohne Ihnen das jeweils persönlich zueignen zu wollen: Niedersachsen hat nach Sachsen die niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben für seine Verwaltung. Seit 1996 haben wir sie sogar noch weiter gesenkt, während die Vorbildländer Bayern und Württemberg die Pro-Kopf-Ausgaben für ihre Verwaltungen um sage und schreibe 1 000 Euro gesteigert haben.
- Sagen Sie einmal, weshalb es besser ist, wenn man mehr Geld hat und dann mehr Geld verschwendet. Wenn das Ihre Politik ist, dann gute Nacht Niedersachsen!
Alle Achtung! Wenn man Geld hat, darf man es zum Fenster hinauswerfen. Ich wundere mich bei Ihnen über wenige Dinge, aber darüber wundere ich mich schon. Im Gegensatz dazu hat Niedersachsen seine Pro-Kopf-Ausgaben
- hören Sie einmal zu; ich weiß, diese Zahlen mögen Sie nicht - in dem gleichen Zeitraum um 35 Euro pro Kopf gesenkt, während die anderen sie um 1 000 Euro gesteigert haben. Das ist die Realität in Niedersachsen. Ich staune, wenn Sie dann daherkommen und 10 000 Beamte einsparen wollen.
- Nein, Ihr Fraktionsvorsitzender hat zuerst von 10 000 gesprochen, bis wir ihm gesagt haben: Das geht nicht, denn in den Bezirksregierungen arbeiten nur 4 900; da können Sie nicht 10 000 einsparen.
Sie sind in der Abteilung Rechnen auf jeden Fall hoch kreativ; das will ich gerne zugeben.
Dann dazu, wie Sie über das Thema Steuerreform reden. Wer hat denn im Jahre 2000 dafür gesorgt, dass die Steuerbelastung eines mittelständischen Familienbetriebs im Jahre 2002 im Vergleich zum Jahr 1996 um sage und schreibe fast 16 % gesenkt worden ist?
Die CDU hat doch, wenn ich mich richtig erinnere, im Bundesrat gegen dieses Steuerreformpaket gestimmt. So sieht meine Erinnerung aus.
Frau Knorre hat Ihnen ja heute Morgen etwas zu dem 56-%-Belastungs-Finanzminister der CSU gesagt. 1996 lag auf einem Ertrag von 100 DM am Ende eine Steuerbelastung von 66 %. 2002 liegt die Belastung mit Solidaritätszuschlag und anderen Dingen knapp über 50 %, und wir gehen Schritt für Schritt herunter und senken die Tarife sowie den Spitzensteuersatz.
Dann haben wir etwas durchgesetzt, worüber das Handwerk gejubelt hätte, wenn Sie das während Ihrer Regierungszeit gemacht hätten, nämlich die gegenseitige Anrechenbarkeit von Gewerbesteuer und Einkommensteuer. Das ist unsere Politik gewesen.
Um Ihren immer wieder in der Öffentlichkeit geäußerten Vorwurf, Niedersachsen stimme bei allen Dingen zu, zu entkräften, möchte ich Ihnen ein paar Dinge nennen, wo wir etwas für das Land erreicht haben: Wir haben gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen die Anrechenbarkeit der Gewerbesteuer durchgesetzt; wir haben den hälftigen Steuersatz bei Betriebsübergaben wieder eingesetzt.
Wir haben dafür gesorgt, dass sich beim Länderfinanzausgleich nicht CDU und CSU durchgesetzt haben, die dieses Land weiter schwächen wollten. Im Gegenteil, wir haben durchgesetzt, dass dieses Land dreieinhalb Millionen Euro mehr bekommt. Das ist ein Erfolg dieser Landesregierung.
Wir haben durchgesetzt, dass nicht die Länder einen wesentlichen Beitrag für die Kindergelderhöhung leisten müssen, sondern dass das anders läuft als zu Ihren Zeiten. - Entschuldigung, das stimmt nicht; jetzt habe ich mich versprochen. Sie haben das Kindergeld ja gar nicht erhöht. Darum haben Sie sich ja überhaupt nicht gekümmert. So sah Ihre Politik aus.
Ich möchte noch einen Punkt zum Thema Steuerpolitik sagen: Sie machen jetzt 90 Steuerrechtsvorschläge. Dabei verschweigen Sie den Menschen, dass ganze drei davon den Mittelstand betreffen. Der Rest betrifft überwiegend große Konzerne.
Ich erinnere mich noch an die Aussagen von Herrn Wulff und Herrn Stoiber im Bundestagswahlkampf: Wir müssen endlich dafür sorgen, dass auch die großen Konzerne Steuern zahlen. - Recht hat er gehabt. Aber warum haben Sie heute Angst vor Ihrer eigenen Meinung? Wo ist die geblieben?
Ich bin sehr dafür, dass wir mehr Wachstumsimpulse bekommen. Das ist richtig. Deshalb darf man eine Reihe der Steuervorschläge der Bundesregierung nicht umsetzen; denn sie gefährden die Investitionssicherheit und bringen Unternehmen in Schwierigkeiten. Das gilt auch für das Thema Dienstwagensteuer. Aber ausgerechnet eine Partei,
deren liebster Koalitionspartner nichts Besseres zu tun hat, als die Aktien von Volkswagen zu privatisieren, wirft sich für Volkswagen in die Bresche. Dazu kann ich nur sagen: Das ist ein Grund, zur Wahl zu gehen und Sie nicht zu wählen. Volkswagen schafft mit unserer Hilfe in Niedersachsen 5 000 neue Arbeitsplätze, Sie aber wollen zusammen mit der FDP 50 000 in Niedersachsen gefährden. Alle Achtung!
Nun kommt Herr Wulff und sagt: Herr Gabriel, regen Sie sich doch nicht auf, Sie wollen doch mit den Grünen koalieren; die sind doch gegen die Innovationsbank und den Tiefwasserhafen. Wir werden unseren kleinen Koalitionspartner schon in den Griff bekommen, die FDP.
- Ich habe Herrn Wulff zitiert, nicht mich. Das hat er fast wörtlich in der Braunschweiger Zeitung über die FDP erzählt.
Nun wollen wir einmal ein paar Takte über die Glaubwürdigkeit der CDU in Sachen Volkswagen reden.
Wer hat denn angefangen, das Unternehmen zu privatisieren? - Herr Stoltenberg von der CDU. Wer hat denn hier im Haus gegen die Übernahme der Aktien der Salzgitter AG polemisiert und gestimmt? - Herr Wulff und die CDU. Was sollen wir denn von einer Partei halten, die kurz vor Wahlen immer sagt, sie wolle nicht privatisieren, aber kurz danach immer alles bis hin zu den Wohnungen privatisiert hat?
Das ist gefährlich für das Land Niedersachsen. Wir haben in den letzten Jahren eine Menge erreicht. Die Realität unseres Landes sieht ein bisschen anders aus, als Sie sie schildern.
Wir streiten uns ja gelegentlich über Sprachgebrauch im Wahlkampf, also darüber, was man machen darf und was nicht.
- Keine Sorge, ich bringe ein paar Zitate. - Vor Beginn der heißen Phase bringt es Ihr Fraktionsvorsitzender fertig, Deutschland und Niedersachsen als SPD-regiertes Land als „DDR light“ zu bezeichnen. Sie verhöhnen die Menschen, die wirklich in der DDR gelebt haben, wenn Sie die Politik von Sozialdemokraten in Deutschland und in Niedersachsen mit Erich Honecker und seiner SED vergleichen. Das ist doch unglaublich!
Dies kann man ja vor dem Hintergrund verstehen, dass Herr McAllister den Sprachgebrauch ganz anderer Parteien aufgreift und im Wahlkampf sagt: Wir werden die Roten aus den Parlamenten kriegen! - Die Roten aus den Parlamenten!
- Das steht doch in allen Zeitungen. Wie heißt es so schön: Wie der Herre, so das Gescherre! So ist das.
Da hat der Lehrling seinen Schulmeister gut verstanden. Ich sage Ihnen in aller Offenheit: Für uns ist das ein Problem. Die Nummer Lügner ist dagegen ja noch eine kleine gewesen. Das, was Sie da gebracht haben, ist viel schlimmer. Dass Sie damit aber auch noch verhöhnen, was Arbeitgeber und Gewerkschaften, also nicht nur die Landesregierung, in Niedersachsen erreicht haben, ist, wie ich finde, noch viel schlimmer. Wie sieht denn die Realität bei uns aus? - 186 000 neue Arbeitsplätze in den letzten zehn Jahren.
Sie zitieren doch sonst immer das Bundesamt für Statistik: Niedersachsen steht dort an erster Stelle bezüglich der Schaffung sozialversicherungspflichtiger Jobs. Dann hilft es nichts, wenn Sie sagen, dass ein Teil davon Teilzeitjobs sind. Na klar wollen wir auch Teilzeitarbeit. 186 000 neue Jobs sind geschaffen worden. Und dann beklagen Sie, dass die Arbeitslosigkeit zu hoch sei. Wenn Sie das zitieren, dann wissen Sie doch, dass es während der Regierungszeit der SPD natürlich nicht zu paradiesischen Zuständen gekommen ist. Wer würde das von uns sagen?
Wer will von uns behaupten, wir hätten keine Probleme. Aber wir dürfen selbstbewusst sein, weil wir es - im Gegensatz zu Ihrer Regierungszeit geschafft haben, den Abstand zum Bundestrend zu halbieren.
- Na klar! Sie hatten 3 % Abstand. Wir haben 1,3 %. Was ist denn bei Ihnen los?
Das Land hatte zugegebenermaßen immer strukturelle Schwierigkeiten. Die haben wir heute auch. Aber es ist ein Erfolg, wenn es uns gelingt, 186 000 neue Jobs zu schaffen und den Abstand bei der Arbeitslosigkeit im Vergleich zu Ihrer Regierungszeit zu halbieren. Übrigens hat das Forschungspotenzial in den Unternehmen in Niedersachsen um 28 % zugenommen, und im Rest Deutschlands sinkt es um 4,5 %. Wir haben in Niedersachsen eine Steigerung bei den Unternehmensanmeldungen um 2,7 % zu verzeichnen. In Deutschland geht die Quote um 6,5 % zurück. Das ist nicht die Leistung der Landesregierung. Das ist die Leistung der Arbeitgeber und der Gewerkschaften. Sie versuchen, den Menschen zu vermitteln, hier sei alles ganz schrecklich. Die Wahrheit ist, dass im gleichen Zeitraum 500 000 neue Bürger nach Niedersachsen gezogen sind und diese Bürger aus den neuen Bundesländern natürlich auch einen Teil dieser Arbeitsplätze besetzen. Das ist auch gut so. Aber wenn man Sie reden hört, dann hat man den Eindruck, die Leute zögen mit Planwagentrecks nach Bayern, weil es in Deutschland so schrecklich ist. Das ist doch alles Unsinn, meine Damen und Herren!
Ich sage Ihnen noch etwas, worauf ich stolz bin, nämlich dass es in Niedersachsen gelungen ist - -
- Ich kann gut reden, aber nicht gut pfeifen. Aber Sie können nichts anderes, als Zwischenrufe zu machen. Halten Sie hier doch einmal eine Rede!
- Na ja, Herr Ehlen, jeder ist seines Glückes Schmied. Aber nicht jeder Schmied hat Glück. Passen Sie mal schön auf!
Auf eines sind wir ausgesprochen stolz: Wir sind stolz darauf, dass wir es in Niedersachsen mit Gewerkschaften, Arbeitgebern, Arbeitsämtern und Kommunen geschafft haben, anders als im Rest der Republik die Jugendarbeitslosigkeit zu senken. Das ist ein Riesenerfolg für dieses Land.
Die Langzeitarbeitslosigkeit bei Jugendlichen ist in Deutschland im letzten Jahr um 21 % gestiegen und in Niedersachsen um fast 10 % gesunken. Darauf dürfen wir gemeinsam stolz sein. Sie müssen das Land nicht permanent schlecht reden. Es gibt eine Menge Dinge, die hier gut laufen.
Nun zu dem Thema, das Herr Möllring so gerne zitiert und das anscheinend in Ostfriesland jemanden geärgert hat. Ich will das noch einmal laut und deutlich sagen.
Demjenigen, der wie Herr Wulff permanent in der Gegend herumgeht und erklärt, dass die Betriebsverfassung, die Mitbestimmung und die Tarifverträge schlecht seien und alles das an der Krise in Deutschland schuld sei, muss ich sagen: Ich kenne eine Menge Betriebe, die deshalb noch am Leben sind, weil es engagierte Betriebsräte gibt, und ich kenne keinen einzigen Betrieb, der Pleite gegangen ist, weil es einen Betriebsrat gegeben hat. Den kenne ich nicht.
Sie greifen die Mitbestimmung an. Was glauben Sie denn, wer bei Volkswagen 5 000 neue Jobs ermöglicht hat? Wie reden Sie denn über den Erfolg der Betriebsräte dort?
Und jetzt noch etwas: Ich kenne aus leidvoller Erfahrung eine Menge Betriebe, deren Geschäftsführungen es in der Tat an kaufmännischem Wis
sen gemangelt hat. Das wird Ihnen jede Bank bestätigen.
Ich wäre froh, wenn diejenigen, die solche Unternehmen geschädigt haben - von den Unternehmen, in denen ich gelegentlich bin, geben das einige auch offen zu -, dann, wenn es um die Rettung geht und Steuergelder fließen sollen, bereit wären, mit ihrem eigenen Einkommen genauso einzustehen, wie es Arbeitnehmer mit dem Verzicht auf Weihnachtsgeld und Urlaub machen sollen. Darum geht es.
Das, was Sie wollen, steht heute in der HAZ. Der geschätzte Oppositionsführer wird mit dem Vorschlag zitiert, die Wirtschaft wieder in Gang zu bekommen, indem man Tarifverträge flexibilisiert. - Ich finde, dass wir das einmal übersetzen müssen, weil Herr Möllring immer sagt, dass die SPD den Leuten durch Steuergesetzänderungen - von denen übrigens ganz viele bei großen Unternehmen ansetzen - ständig in die Tasche greifen wolle.
Nun wollen wir diesen Vorschlag einmal übersetzen. Ich lese überall das, was Sie plakatieren. Sie plakatieren: Guckt in euren Lohnzettel! Das wird im Januar ganz gefährlich! - Sagen Sie einmal: Wozu wollen Sie Tarifverträge eigentlich flexibilisieren? Um die Löhne zu steigern?
Sie wollen doch den Leuten an den Geldbeutel, indem Sie die Tarifverträge herunterschrauben. Das ist doch das Ziel!
Welchen anderen Sinn soll denn die Aufgabe der Tarifvertragsfreiheit und die Veränderung der Tarifverträge haben, wenn nicht dahintersteckt, dass Sie Löhne und Gehälter absenken wollen?
Wenn Sie das Gegenteil wollen, dann sagen Sie es! Es wäre interessant für uns, das zu hören.
Wissen Sie, was Sie machen? - Sie versuchen, im Schlafwagen an die Regierung zu kommen: Die Gardinen schön fest zugezogen, die Fenster hoch gemacht, und niemand soll merken, worum es dabei geht.
- Ja, Sie bringen immer schöne Formulierungen wie die Flexibilisierung von Tarifverträgen. Ich sage Ihnen, was wir machen. Ich glaube, dass das im Landtagswahlkampf wichtig ist: Wir werden die Gardinen, die Sie zuhalten, einmal ein bisschen aufziehen und die Fenster aufmachen. - Ich gebe zu, dass es dann gelegentlich etwas stinkt. Aber nicht, weil wir die Fenster aufmachen, sondern weil die Fracht darin verdorben ist. Das wollen wir bis zum 2. Februar noch öfter machen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es ganz gut, dass zum Ende der Legislaturperiode der Landtag noch einmal die Argumente austauscht. Allerdings hatte ich vorhin ein Problem - das war meine erste Frage an Sie, Herr Wulff -: Wo waren denn nun eigentlich Ihre Vorschläge?
Herr Kollege, nun gucken Sie nicht so ernst. Sonst nimmt die Kamera das noch auf, und dann hat man den Eindruck, Sie hätten doch nicht eine so gute Laune. Sie müssen hier im Landtag - anders als in Broschüren, anders als in einer Talkshow - mit Nachfragen rechnen. Wir haben keine Zeitbegrenzung und haben die Möglichkeit, die Argumente auszutauschen. Ich fordere Sie auf: Kommen Sie doch einmal hierher und sagen, wie Sie das denn nun erreichen wollen, dass Sie gegen die Steuervorschläge sind, gleichzeitig die Staatsquote senken, die Schulden abbauen und auch noch mehr ausgeben wollen! Geben Sie uns mal ein paar Beispiele,
und kommen Sie uns nicht mit einer Argumentation, die doch wirklich abenteuerlich ist, indem Sie sagen: Nein, wir wollen die 170 Milliarden Euro ja gar nicht einsparen, sondern wir wollen, dass unsere Wirtschaft so stark wächst, dass der Staatsanteil am Bruttoinlandsprodukt, in absoluten Zahlen, gleich bleibt, er aber, in Prozentzahlen ausgedrückt, auf 40 % sinkt. Das ist ja eine schöne Rechenaufgabe. Wir werden bestimmt jemanden finden, der ausrechnen kann, wie schnell das Wachstum allein durch die Anwesenheit christdemokratischer Ministerkandidaten in Deutschland auf welche Größenordnung kommen muss, sodass man diese 170 Milliarden nicht einsparen muss. Daran merkt man doch, auf welch dünnem Eis Sie sich argumentativ bewegen.
Ich bin sehr dankbar für den Hinweis von Herrn Golibrzuch, dass da, wo es an das Eingemachte geht, wo wir darüber reden, ob wir nicht die ungleiche Verteilung der Lasten in Deutschland einmal angehen müssten, nämlich z. B. beim Bankgeheimnis, etwa dann, wenn Leute Geld illegal ins Ausland bringen, Sie sofort sagen: Nein, da wollen wir nicht mitmachen. Ich sage Ihnen: Das ist ein komisches Verständnis für eine Rechtsstaatspartei, wie es die CDU immer von sich behauptet, also für eine CDU, die sagt, dass Recht und Ordnung angeblich überall gelten müssen. Wir finden, das muss auch für diejenigen gelten, die am Gesetz vorbei Geld ins Ausland bringen.
Sie haben relativ wenig zu der Frage gesagt, wie Ihre Alternativen aussehen. Sie haben sich zum Wahlkampfstil geäußert. Ich finde, darauf darf man Ihnen keine Antwort schuldig bleiben. Sie haben in einer RTL-Sendung den Begriff des Lügners über mich in die Öffentlichkeit gebracht. Sie haben auf die Handwerksdemonstration hingewiesen. Ich sage Ihnen einmal, wie man eine Lüge in Deutschland und vor allem in Niedersachsen gut feststellen kann: Nach Auskunft von Herrn Rehkopf demonstrieren die Handwerker nicht gegen die Niedersächsische Landesregierung. Sie hätten aber Grund, gegen Teile der niedersächsischen Politik zu demonstrieren. Ich will Ihnen sagen, gegen welche.
Es sind diejenigen, die der Industrie- und Handelskammer einen Brief mit den Worten schreiben „... und wird die CDU dem vorliegenden Entwurf der SPD zum Vergabegesetz und zur Tariftreue zustimmen“.
In diesem vorliegenden Gesetzentwurf war der öffentliche Nahverkehr enthalten.
- Natürlich war er drin. - Das, was Sie tun, war das genaue Gegenteil. Im Landtag haben Sie die Bauarbeiter und die Busfahrer im Stich gelassen.
Jetzt würde ich von Ihnen gerne wissen, ob dieser Brief an die Industrie- und Handelskammer eigentlich eine Lüge von Ihnen gewesen ist.
Haben Sie, um Ihre Sprache zu wählen, den Menschen hinter die Fichte geführt? Herr Wulff, Sie müssen schon gestatten, dass wir Sie gelegentlich hinter der Fichte hervorholen. Kommen Sie nicht und behaupten, wir führten eine Schmuddelkampagne. Wenn es in Niedersachsen schon eine Schmuddelkampagne ist, Ihre Ministerkandidaten zu zitieren, dann weiß ich auch nicht mehr, was wir machen sollen. Der Schmutz war doch dann bei denen.
Zum Thema DDR-light: Ich dachte, Niedersachsen gehört zu Deutschland.
Deshalb habe ich an dem Punkt keine Differenzierung gesehen. Wenn Sie der Überzeugung sind, in Niedersachsen sei alles anders, dann ist das auch in Ordnung. Ich sage Ihnen nur eines: Sie können nicht in dieser Art und Weise versuchen, sich vor konkreten Antworten zu drücken. Sie können auch nicht auf die gestiegenen Sozialabgaben verweisen. Diese sind in der Tat so hoch.
Übrigens bin ich der festen Überzeugung, es ist im Interesse des Mittelstandes, nach Wegen zu suchen, um die Sozialversicherungsbeiträge vom Faktor Arbeit abzukoppeln. Ich finde es gut, dass wir in Deutschland darüber reden. Daran gibt es nichts zu dementieren. Das ist der Wunsch des Mittelstandes, weil die Beiträge wie eine Sondersteuer auf Arbeit wirken. Deswegen müssen wir davon herunter. Kommen Sie doch nicht daher und kritisieren die SPD für die hohen Sozialversicherungsbeiträge. Sie haben diese doch bis 1998 auf diese Höhe bekommen, weil Sie nur Arbeiter und Angestellte haben zahlen lassen. Darum geht es doch in Deutschland. Das ist doch Ihr Problem.
Herr Wulff, ich sage Ihnen, dazu gibt es keine Alternativen. Sie haben einmal im Wahlkampf als Ziel Ihrer Politik in der HAZ etwas Kluges gesagt. In dem Punkt stimmen wir Ihnen zu. Sie sagten,
Ihr Ziel sei es, die Menschen sollten „so gut wie bisher leben“. Warum wollen Sie uns dann eigentlich abwählen?
Wir wollen das auch. Aber dann muss man verhindern, dass Sie an die Regierung kommen. Das ist das Entscheidende.
Ich habe auch eine Prognose zum Wahltag. Die Menschen werden merken, dass Sie eine geliehene Stärke besitzen, also eine Stärke, die nicht von Ihnen kommt.
Niedersachsen braucht Politikerinnen und Politiker im Regierungsamt, die eine eigene Stärke besitzen. Darum geht es am 2. Februar.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will dort anfangen, wo Herr Wulff in seiner Rede das einzige Mal Recht gehabt hat, nämlich bei der Bemerkung, dass wir uns doch einmal diejenigen anschauen sollten, die uns diesen Staat hinterlassen haben, unsere Eltern und Großeltern, die dieses Land aufgebaut haben, die in der Tat unter weit
schwierigeren Bedingungen als wir heute nach 1945 dafür gesorgt haben, dass Stück für Stück wirtschaftlicher Wohlstand, soziale Sicherheit und kulturelle Vielfalt entstanden. Von ihnen können wir wirklich etwas lernen, nämlich von dem Mut, den sie hatten, von ihrem Optimismus und übrigens auch von ihrer Anstrengungsbereitschaft. Da hat Herr Wulff Recht. Aber wir können bei ihnen auch lernen, wie man einen Staat organisiert. Das haben sie besser gemacht als wir heute. Sie wussten, dass man, wenn das Land Aufgaben übernehmen soll, diese auch bezahlen muss.
Einer der Menschen, von denen Herr Wulff gesprochen hat, war Konrad Adenauer, der bei einer der letzten Landtagswahlen auf einem großen Plakat gemeinsam mit ihm zu sehen war. 1948/49 war Konrad Adenauer Präsident des Parlamentarischen Rates. Damals hat dieser ein Grundgesetz verabschiedet, meine Damen und Herren. Herr Wulff, das kann man sich in seiner niedersächsischen Ausgabe hier ausleihen, und man kann einmal hineinschauen. Ich rate, sich in dieser Ausgabe die Seiten 66 und 67 anzusehen. Dann werden Sie, wenn Sie es nicht schon wissen, feststellen, dass Bildung, Schule, Wissenschaftsförderung die zentralen Aufgabenbestände der Länder sind. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben gesagt: Liebe Länder, darum müsst ihr euch kümmern.
- Für Sie scheint es neu zu sein. Sie scheinen das Grundgesetz nicht mehr zu kennen. Deswegen möchte ich Sie daran erinnern.
Nein. - Auf den Seiten 66/67 steht, wie das Finanzwesen in Deutschland gestaltet wird. Die klugen Leute, an die Herr Wulff heute zu Recht erinnert hat, wussten, dass man in einem Staat Aufgaben verteilen muss, aber auch sagen muss, wer sie bezahlen soll. In Artikel 106 Abs. 2 wird als erste Einnahmequelle der Länder die Vermögensteuer genannt, meine Damen und Herren.
Herr Wulff, wenn das mit der Vermögensteuer alles so katastrophal ist, wenn sie den Untergang des Abendlandes bedeutet, die Unternehmen ins Ausland treibt, wenn den armen Mütterchen dadurch ihr Mobiliar wegbesteuert wird und ich weiß nicht, was noch alles, dann habe ich eine Bitte: Erläutern Sie uns doch einmal, warum das eigentlich in unserer Verfassung steht. Warum ist das zwischen 1950 und 1996 46 Jahre lang gut gegangen? Warum waren das die Jahre, in denen Deutschland jedes Jahr ein Stück reicher wurde? Warum ist es so katastrophal, über das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu diskutieren, meine Damen und Herren?
Das ist doch nur der Versuch, von dem eigentlichen Thema abzuweichen, um das es in Deutschland - übrigens gerade nach der Vertrauenskrise, die wir gerade erleben - wirklich geht, dass nämlich Politik nicht nur jeden Tag den Menschen ein neues Versprechen geben darf, sondern dass Politik auch einmal sagen muss, wie dies gerecht finanziert wird. Die Leute draußen verstehen doch kein Wort mehr von dem, was die Politiker aller Parteien sagen. Sie nehmen es nicht mehr für bare Münze, weil sie in ihrer Erfahrung erleben: Die versprechen uns jeden Tag etwas Neues, aber sie sagen eigentlich nie, wie das umgesetzt werden soll.
Wir müssen - Herr Wulff, da haben Sie doch Recht - zu der Erkenntnis der Alten in Deutschland zurückkehren, dass es notwendig ist, diesen Staat wieder in Ordnung zu bringen und festzustellen, was seine Aufgaben sind und was nicht und wie er sie bezahlen soll. Ich stimme mit Herrn Clement und vielen anderen darin überein, dass wir in Deutschland viel Geld ausgeben, dass wir in Zukunft mehr sparen müssen. Wir kommen gleich, wenn wir über Bundespolitik reden, dazu, wo denn Ihre Vorschläge zu Einsparungen sind. Aber wir wissen doch alle - jeder, der hier im Raum sitzt -, dass wir diese Einsparungen nicht für neue Ausgaben verwenden dürfen, sondern dass wir die Schulden in Deutschland senken müssen. Das ist die Wahrheit, über die wir reden!
Wir haben in den letzten drei Jahren im Landeshaushalt rund 290 Millionen Euro eingespart. Seit 1994 sind es 750 Millionen Euro. Wir wollen noch
einmal über 300 Millionen Euro einsparen. Kein müder Cent davon steht für zusätzliche Ausgaben im Bildungssektor zur Verfügung. Sie müssen genutzt werden, um die viel zu hohen Schulden und die Zinsen zu senken - ein anderes Problem, das unsere Kinder, Enkel und Urenkel noch belasten wird. Deswegen ist es relativ verlogen, Herr Wulff, wenn man öffentlich sagt „Spart doch endlich ein“, aber gleichzeitig in diesem Land an jedem Tag jedem Menschen eine neue Versprechung macht. Das ist doch die Politik der CDU.
Sie gehen seit Wochen und Monaten durch das Land und wollen heute mehr Geld für die Kommunen, morgen mehr für die Polizei, übermorgen mehr für die Lehrerinnen und Lehrer. Sie sind gegen jede Form der Verwaltungsreform gewesen. Wir haben doch erlebt, wie Sie sich verhalten haben. Wer hat denn dagegen gestimmt, als wir die Katasterverwaltung reformiert haben?
Wer hat denn öffentlich gegen die Schulverwaltungsreform protestiert?
Wer hat sich denn gegen die Beihilfemaßnahmen gewandt? Wer ist denn gegen die Verlängerung der Arbeitszeit bei Lehrern gewesen? - Sie haben jedes Mal dagegen gestimmt, weil Sie zu feige sind, hier im Lande wirklich Politik zu machen!
Ich weiß auch, dass manches in der Politik keine Freude bereitet. Menschen zu sagen „Hört einmal, wir verlängern eure Arbeitszeit“ oder zu sagen, dass man nicht mehr die gleichen Beihilfeleistungen bieten kann, ist keine große Freude, meine Damen und Herren. Aber wir sind in der Politik nicht nur, damit wir selber Freude haben, sondern wir haben eine Verantwortung zu tragen. Die CDU unter der Führung von Herrn Wulff ist gegen jede Sparmaßnahme. Sie verspricht den Menschen jeden Tag sinkende Steuern, geringere Schulden, aber mehr Ausgaben. Ich weiß nicht, wo Sie rechnen gelernt haben. Aber das muss eine ganz schlechte PISA-Schule gewesen sein.
Wir wissen, dass es einen Bereich gibt, in dem wir überhaupt nicht sparen dürfen, in dem wir - ganz im Gegenteil - mehr Geld ausgeben müssen. Übrigens hat diese Fraktion, die Mehrheit im Parlament, gesagt - ich nehme an, Sie hätten das auch gemacht, wenn Sie in der Regierung wären -: Wir wollen mehr Geld für Bildung ausgeben. In diesem Haushalt stehen 160 Millionen Euro mehr als im Jahr 2000 für die Bildung in diesem Land zur Verfügung. Wir haben die Verlässlichen Grundschule mit den Eltern und gegen das Votum der CDUFraktion durchgesetzt.
Wir haben Sprachunterricht ab dem Kindergarten durchgesetzt - mit den Eltern und gegen die Position der CDU-Fraktion.
Wir haben begonnen, ein Netz von Ganztagsschulen auszubauen, und zwar mit den Eltern, mit allen, die das wollen - wieder gegen die Stimmen der CDU-Fraktion in diesem Hause.
Wir wissen, das alles reicht noch nicht. Herr Wulff hat Recht, wenn er sagt, wir müssen nicht nur Geld ausgeben. Wir müssen in das, was Anstrengungsbereitschaft und Wertschätzung von Bildung angeht, deutlich mehr investieren. Aber Herr Wulff, warum fordern Sie dann eigentlich 3 000 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer? Warum sagen Sie der geschätzten Öffentlichkeit nicht, wie Sie das bezahlen wollen? Warum sagen Sie nicht, woher Sie das Geld nehmen wollen? - Ich weiß, dass Sie mit der Forderung Recht haben, dass wir endlich eine hundertprozentige Unterrichtsversorgung herstellen müssen, und zwar nicht nur in der Grundschule. Die Eltern wollen von uns nicht immer nur irgendwelche Statistiken vorgehalten bekommen. Ich meine, dass Sie zu Ihrer Schüler-Lehrer-Frequenz der Fairness halber erwähnen müssten, wie das in ganz Deutschland aussieht.
Ich bin übrigens der Meinung, dass Sie Recht haben, wenn Sie 3 000 Stellen fordern. Aber man kann es sich nicht so leicht machen wie Sie, immer nur zu fordern und nicht zu sagen, wie es bezahlt werden soll.
Jetzt sage ich Ihnen, wo offensichtlich Ihre Schwerpunkte liegen und wo der Ärger in Deutschland herkommt. Die Lohnsteuerquote am Gesamtsteueraufkommen - das ist das, was Arbeiter und Angestellte bezahlen müssen - lag im Jahr 1980 bei 17 %. Heute liegt sie bei 32 %. Wir haben in den letzten 20 Jahren fast eine Verdoppelung des Anteils am Steueraufkommen, das Arbeiter und Angestellte finanzieren, erreicht. Die Menschen merken doch, dass es in Deutschland ungerecht zugeht, dass ein großer Teil der Bevölkerung seit 20 Jahren immer mehr Steuern zahlen muss und ein anderer immer weniger.
Deswegen ist es doch wichtig, darüber zu reden, wie wir die zusätzlich notwendigen Ausgaben im Bildungssektor, die die Kinder, die Eltern und die Wissenschaft brauchen, gerecht finanzieren wollen?
Sie haben doch offensichtlich nur zwei Alternativen: Entweder Sie beschwindeln die Leute und wollen gar keine 3 000 Lehrerinnen und Lehrer einstellen, oder Sie haben in Wahrheit vor, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Es gibt nur diese beiden Alternativen, wenn Sie gegen die Vermögensteuer sind. Dabei greifen Sie den Leuten aber wieder in die Tasche. Wieder sollen die Arbeiter und Angestellten die Zeche bezahlen. Das kann nicht unsere Politik sein. Wir alle - auch Sozialdemokraten - haben in Deutschland zwei große Lebenslügen gepflegt. Beide haben mit der deutschen Einheit zu tun. Wir haben die deutsche Einheit auf Pump finanziert - Sie voran, wir hinterher. Das Ergebnis sind 40 Milliarden Euro Zinszahlungen im Bundeshaushalt. Die Menschen in Deutschland wären 1989/1990 zu allem bereit gewesen.
- Ach hören Sie doch auf! Sie waren damals an der Regierung. Ich möchte mit Ihnen gar nicht darüber richten, ob die Sozialdemokraten nicht genauso zurückhaltend und mutlos gewesen sind. Aber lassen Sie uns doch einmal zugeben, dass es ein Fehler war, und lassen Sie ihn uns endlich korrigieren!
Diese Zinsen sollen heute die jungen Leute durch höhere Steuern zahlen. Dies ist das Ergebnis dieser steigenden Lohnsteuerquote. Das kann doch auch nicht Ihr Wille sein. Der zweite Fehler war, dass wir die deutsche Einheit eben nicht als nationale Aufgabe organisiert haben. Wir haben sie in die Sozialkassen abgeschoben. Kein Abgeordneter, keine Oppositionsführer, kein Ministerpräsident, kein Vorstandsvorsitzender,
kein Freiberufler hat bis 1998 eine müde Mark für den Aufbau der Rentenversicherung in Ostdeutschland gezahlt - keine müde Mark, meine Damen und Herren!
- Sie haben keine Ahnung, wie das läuft. In Wahrheit werden die Renten-, die Kranken- und die Arbeitslosenversicherung im Wesentlichen über Beiträge bezahlt. Natürlich gibt es Steuerzuschüsse, die hat es aber schon vorher gegeben.
Warum wehren Sie sich denn dann gegen die Ökosteuer? - Sie dient doch gerade dazu, das zu finanzieren.
Die Ökosteuer gibt es seit 1998. Damit werden höhere Beiträge aus den Steuerkassen für die Rentenversicherung bezahlt. Das ist auch gut so.
Sie waren doch immer dagegen. Sie haben im Jahr 1998 in Deutschland einen Rentenversicherungsprozentsatz von 20,3 % geschaffen. Wir haben ihn auf 19,1 % heruntergedrückt, jetzt steigt er wieder auf 19,5 %. Das ist nicht gut. Aber Sie sind die Letzten, die uns Ratschläge geben dürfen. Sie haben den Prozentsatz doch erst nach oben getrieben!
In Wahrheit streiten wir in Deutschland zurzeit nicht über die Vermögensteuer. Wir streiten über die Frage, ob wir unser Gemeinwohl gerecht finan
zieren wollen, und zwar so, Herr Wulff, wie es die Alten in der Verfassung vorgesehen haben. Wir haben eine klare Position. Wir wollen nicht, dass es so weitergeht, dass immer nur die Beitragszahler und die Normaleinkommensbezieher herangezogen werden.
Wir wollen, dass auch andere dabei mitarbeiten. Das ist gerade nicht eine Neidsteuer. Es steht hier jedenfalls nichts von Neid. Es geht um eine Verantwortung aller in diesem Staat.
Herr Wulff, jetzt zu dem Thema Steuerpolitik in Deutschland: Ich habe vorhin gut zugehört. Jetzt lese ich Ihnen auch einmal ein paar Zahlen vor. Ich habe mich mit einigen Mittelständlern getroffen. Einer davon hat gesagt: Sie können ruhig in den Landtag mitnehmen, wie bei mir die Steuerentwicklung aussieht. Das habe ich jetzt hier mitgebracht. Ich kopiere das nachher, dann bekommen Sie auch ein Exemplar. Es ist ein Unternehmen, das unverdächtig ist, der deutschen Sozialdemokratie allzu nahe zu stehen. Es kommt nämlich aus Bayern.
- Wenn ein Mitglied der CSU zu so einer Politik bereit ist, ist das doch ganz interessant. Zunächst die Steuerbelastung 1996.
(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Müller oder was? - Passen Sie auf. Es geht um die Steuerbelastung 1996. - Es handelt sich um ein Familienunternehmen, eine Personengesellschaft - all das, was Sie unter Mittelverstand verstehen. (Wulff (Osnabrück) [CDU]: Müllermäßig!)
- Müllermäßig, so ist es. - Unter der Überschrift „Steuerbelastung 1996“ - da hatten wir keine sozialdemokratische Regierung - rechnet er aus, was von 100 DM für ihn übrig bleibt. Nach Abzug von Gewerbesteuer, Einkommensteuer, Vermögensteuer, Ergänzungs- und Solidaritätsabgabe bleiben ganze 34 DM übrig. Das sind 66 % Steuerbelastung. Und dann liegt mir ein zweites Blatt vor, verbunden mit seinem Unternehmenssiegel, also
keine SPD-Erfindung, mit der Überschrift „Steuerbelastung 2002“: Da sind dann auch Gewerbesteuer, Einkommensteuer, Solidaritätsabgabe, pauschale Gewerbesteueranrechnung aufgeführt und von 100 DM - er hat es in alter Währung gemacht, damit es vergleichbar ist - bleiben 50,74 DM übrig. Das sind exakt 16 % weniger, und das bei einer Steuerpolitik, die von SPD und Grünen in Berlin gemacht wurde. Nun gebe ich Ihnen als Zitat noch einen Satz von Herrn Müller wieder: „Ich hätte nie gedacht, dass die Roten und die Grünen eine so vernünftige Steuerpolitik machen.“
- Herr Busemann, tun Sie mir einen Gefallen, halten Sie eine Rede zur Bildungspolitik - das ist schlimm genug -, aber nicht zu diesem Thema.
Herr Wulff, 1996 war die Vermögensteuer noch dabei. Natürlich ist das keine Steuer, die die Leute ins Ausland treibt, jedenfalls nicht die verantwortungsbewussten Mittelständler wie Herrn Müller. Wenn Sie das, was in der Verfassung steht und was sich offensichtlich durch SPD und Grüne in Berlin verändert hat, wenn Sie das, was von Mittelständlern wie Herrn Theo Müller gelobt wird, hier im Landtag als Schrott und Mist bezeichnen, dann hat das etwas mit Ihrem Sprachproblem zu tun, aber nicht mit der Sache.
Das ist eine vernünftige Politik. Die Steuerquote ist etwa so hoch wie 1970, sie liegt im letzten Jahr bei 21,6 % und damit unter der Steuerquote des Jahres 1990. Unser Problem - und Sie hätten Recht, wenn Sie darüber geredet hätten - sind die Sozialabgaben, das, was heute als Sondersteuer auf Arbeit wirkt. Den Grund dafür habe ich vorhin genannt. Es ist keine Frage, wir müssen die Reformen der sozialen Sicherungssysteme vorantreiben und damit die Sozialabgaben senken. Aber wer hat eigentlich damit angefangen? Es waren SPD und Grüne, die die Rentenversicherung reformiert haben, nicht Sie.
Jetzt kommen Sie gleich her und erzählen etwas über das bürokratische Riester-Monstrum. Das weiß ich doch alles.
Das ist doch kein Problem; dann werden wir die Bürokratie abbauen. Aber Sie hatten niemals während Ihrer Regierungszeit den Mut, diesen einschneidenden Schritt zur privaten Rentenversicherung zu machen.
Ich will nur ein wenig darauf hinweisen, wie Herr Wulff und die Opposition hier mit der Wahrheit umgehen.
Nun zu einigen Ihrer Anträge. Dass Sie die inzwischen alle abschreiben, in der letzten Sitzung bei der FDP in Schleswig-Holstein, heute bei den Bayern, wird bei der Opposition scheinbar zum parlamentarischen Gewohnheitsrecht.
Sie haben die Steuerpolitik der Bundesregierung massiv kritisiert. Warum widersprechen Sie sich eigentlich innerhalb nur weniger Wochen? Heute wenden Sie sich gegen die Steuerpläne der Regierung, die ja u. a. darin bestehen, Aktiengewinne zu besteuern. Gestern haben Sie Seite an Seite mit Herrn Stoiber noch für genau diese Besteuerung in Höhe von 15 % gekämpft, ausweislich Financial Times vom 4. September 2002. Wo ist Ihre Linie dabei? Heute wenden Sie sich gegen die Vorschläge der Bundesregierung zur Mindestbesteuerung von Unternehmen. Gestern haben Sie im Bundestagswahlkampf genau dafür noch gestritten. Herr Wulff, Sie sind zwar keine Rothaut, aber mit gespaltener Zunge reden Sie häufiger. Das ist mein Eindruck.
Wenn wir Deutschland wieder flott machen wollen, müssen wir dafür sorgen, dass wir nicht zu viele Kräfte in der Vergangenheit binden, beispielsweise in Subventionen, beim Hinterherlaufen hinter jeder Gruppierung. Die Bundesregierung hat ein Gesetzgebungsvorhaben mit vielen Bestandteilen vorgelegt. Die Richtung ist absolut richtig. Wir müssen Subventionen abbauen, wir müssen den Umbau der sozialen Sicherungssysteme voranbringen, und wir dürfen dabei nicht immer einknicken vor jeder laut schreienden Lobbyisten
gruppe in Berlin oder in Hannover. So geht das nicht.
Ich frage mich: Wo in Ihrer Rede sind eigentlich Ihre Alternativen gewesen? Wo haben Sie eigentlich gesagt, wie wir das finanzielle Problem beseitigen wollen?
Wie sollen wir denn Ihrer Ansicht nach das Gesundheitssystem reformieren? Sie drücken sich doch immer dann, wenn es konkret wird.
- Willi, du weißt es doch besser. Nun lass das doch sein. Wenn er sich schon von dir verteidigen lassen muss, dann muss es aber bitter aussehen.
- Wir mussten uns hier 45 Minuten einiges anhören. Jetzt müssen Sie die Antwort ertragen, meine Damen und Herren.
Es geht doch darum, dass Sie sagen müssen, was Sie denn anders machen wollen. Sie können sich doch nicht einfach verweigern und im Bundesrat alles blockieren. Das kann doch nicht Ihre Position sein.
In Niedersachsen erleben wir doch genau das Gleiche. Sie haben vorhin nette Vergleiche gemacht und gesagt, wie viel Polizisten Sie eingestellt hätten. Ich kann nur eines sagen: Sie sind aus dem Amt gegangen mit einem Streichungsvorschlag für 750 Stellen. So war das.
Wenn Sie schon in der Vergangenheit suchen, würde ich mir mal angucken, wie miserabel die Aufklärungsquote unter Ihrer Regierung gewesen ist und wie gut sie unter Heiner Bartling und seinem Vorgänger geworden ist.
Sie haben auch etwas von Lehrereinstellung erzählt. Nach meinem Eindruck hat Frau JürgensPieper in den letzten drei Jahren mehr Lehrerinnen und Lehrer eingestellt als Sie während Ihrer gesamten Regierungsperiode in den gesamten 80erJahren. Das ist die Realität.
Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, wenn Sie damals Lehrer eingestellt hätten, hätte ich vielleicht auch einen Job im Staatsdienst und hätten Sie sich viel erspart. Das wäre eine große Chance für Sie gewesen.
Die Chance haben Sie sich selber genommen. Das ist nicht mehr rückgängig zu machen. Ich weiß, dass Sie sich wünschen, Sie hätten den Fehler nicht gemacht, aber es ist nicht rückgängig zu machen.
Sie behaupten, wir hätten 6 000 Stellen mehr als 1990. Meine Damen und Herren, wenn der Oppositionsführer redet, müssen Sie genau hinschauen und zuhören. Wenn Sie einmal in den Stellenplan schauen - hier sitzen Menschen, die Stellenpläne lesen können -, stellen Sie fest: Mein Gott, da ist ja Titelgruppenpersonal umgewandelt worden. Das bedeutet für den Landeshaushalt: keine einzige Mark, kein Euro Mehrausgabe. Dann stellen Sie weiter fest: Donnerwetter, in Landeskrankenhäusern sind ja Pflegekräfte eingestellt worden. Das kostet das Land keinen Pfennig. Sie müssen hier schon öffentlich sagen, dass Sie gegen die Einstellung von Pflegekräften gewesen sind. Haben Sie den Mut und sagen Sie das öffentlich.
Am Ende bleiben 89 Stellen übrig, die den Landeshaushalt belastet haben, und ein Stellenabbauprogramm von 12 000 Stellen, das wir wieder reduziert haben auf 7 000 Stellen. Warum haben wir es wieder reduziert? Weil wir Lehrer und Polizeibeamte eingestellt haben. Die CDU macht immer Folgendes: An jeder Stelle eine unterschiedliche Halbwahrheit in der Hoffnung, dass das niemand kontrollieren kann. Ich sage Ihnen: Wir haben
7 000 Stellen abgebaut, nicht 12 000, sondern 7 000, weil wir Lehrer und Polizeibeamte eingestellt haben. Wenn Sie dagegen sind, melden Sie sich. Sagen Sie, Sie wollen nicht, dass Lehrer und Polizeibeamte eingestellt werden. Den Mut haben Sie nicht. Dann kommen Sie her und reden darüber, dass Sie Pflegekräfte in Landeskrankenhäusern offensichtlich nicht einstellen wollen. Wahlkampf macht man mit der eigentlichen Wahrheit und nicht mit einer Summe von Halbwahrheiten, mit der Sie hier durchs Land ziehen.
Sie machen es sich wirklich ausgesprochen leicht, indem Sie alles ablehnen, aber nicht sagen, wie Sie es verändern wollen. Das Beste, was Sie in den letzten Monaten hier geleistet haben, waren Ihre über 100 Anträge mit Mehrausgaben von 2 Milliarden Euro ohne jede Deckung. Das ist die Solidität von Herrn Wulff und seinem Schattenminister Herrn Möllring.
Ich kann Ihnen nur sagen: Ich bin auch nicht der Überzeugung, dass jedes Detail dessen, was die rot-grüne Bundesregierung vorträgt, den Vermittlungsausschuss passieren darf. Ich bin auch der Meinung, dass wir an ein paar Punkten Korrekturen vornehmen müssen. Aber die Richtung stimmt, und die Richtung heißt: Subventionen abbauen, Beitragssätze stabilisieren, Umbau des sozialen Sicherungssystems und dafür sorgen, dass wir auch auf dem Arbeitsmarkt eine vernünftige Reform voranbringen.
Damit sind wir bei der Frage, ob das Niedersachsen gut tut oder nicht. Ich kann Ihnen nur sagen: Es tut uns gut, dass die Bundesregierung 4 Milliarden Euro für Ganztagsschulen aufgelegt hat. Sie waren im Bundestagswahlkampf noch dagegen. Ich hoffe, dass die CDU-geführten Länder auf das Geld verzichten; dann bleibt mehr für die anderen übrig.
Es tut uns gut, dass die Bundesregierung 500 Millionen Euro für Straßenbau in Norddeutschland aufwendet. Sie haben das Geld jahrelang nach Bayern und Baden-Württemberg gebracht - und den Atommüll in den Norden.
Wenn Sie gegen die Steuerpakete sind, dann schreiben Sie den Kommunen in Niedersachsen bitte einen Brief: „Meine Damen und Herren, die CDU will die Steuergesetzgebung in Berlin blockieren, und Sie müssen deshalb leider auf Beträge von 200 bis 400 Millionen Euro pro Jahr verzichten.“ Das wäre ehrlich. Stattdessen versprechen Sie den Kommunen mehr Geld, aber sorgen nicht dafür, dass sie es auch bekommen.
Ich möchte noch ein paar Bemerkungen zu den Hartz-Gesetzen machen. Meine Damen und Herren, ich finde es bemerkenswert, dass derjenige, der noch vor wenigen Monaten hier im Landtag die Hartz-Kommission in Grund und Boden diskutieren wollte, sich heute als ihr Retter aufspielt. Das ist schon interessant.
Sie kommen nur ein bisschen spät. Wir haben im Vermittlungsausschuss die Angebote gemacht. Sie werden verstehen, dass ich darüber ein bisschen mehr weiß als Sie, weil ich Vorsitzender des Vermittlungsausschusses bin.
Der Antrag, den Sie heute einbringen, kommt zu spät, meine Damen und Herren. Sie wissen, dass wir bei den 400-Euro-Jobs 25 % Sozialabgaben bei den Arbeitgebern für alle Bereiche einführen werden. Sie wissen, dass wir bei den haushaltsnahen Dienstleistungen sogar nur 12 % nehmen werden. Sie wissen, dass wir einen Stufenplan zwischen 400 und 800 Euro Verdienst machen werden, dass wir ein Minimalsteuerrecht bei Mini-Jobs machen und dass für die Existenzgründungen Herr Clement ein Gesetz vorbereitet, nach dem diese jungen Unternehmen in den ersten drei bis fünf Jahren von allen bürokratischen und steuerrechtlichen Hemmnissen befreit werden.
Und nun kommen Sie und wollen über das Scheinselbständigengesetz reden. Da sage ich Ihnen: Ich bin auch dafür, dass wir darüber diskutieren. Aber eines will ich nicht: Ich will nicht zurück zu Zeiten wie unter Ihrer Regierung, als der Kellner in einer Gaststätte zur Ein-Kellner-AG und der Lkw-Fahrer zur Ein-Lkw-Fahrer-AG gemacht wurde, und das nur, damit der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge sparen konnte. Das wollen wir nicht, meine Damen und Herren.
- Kommen Sie nicht mit der Ich-AG! Da geht es um Einkommensbeträge, die deutlich darunter liegen. Wir wollen nicht, dass diese Form der Scheinselbständigkeit, wie Sie sie jahrelang zugelassen haben, weiter vorangeht.
Meine Damen und Herren, am Ende wird es darum gehen, wie wir in unserem Land das Thema Bildung und Wissenschaft weiter voranbringen. Ich stimme Herrn Wulff in seiner Beschreibung der Vermögensteuer nicht zu. Ich erspare mir aber, darauf einzugehen. Sie wissen ganz genau, dass der Begriff „Sollertragsteuer“ nicht von mir, sondern vom Bundesverfassungsgericht stammt. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Vermögensteuer als Sollertragsteuer und eben nicht als Substanzsteuer.
Selbstverständlich, Herr Wulff, ist in unserem Gesetzentwurf der Kirchhoff‘sche Halbteilungsgrundsatz enthalten.
Es kann keine Besteuerung geben, wenn jemand keine Erträge hat. Das ist doch völlig klar, meine Damen und Herren. Sie kennen doch unseren Gesetzentwurf überhaupt nicht! Worüber reden Sie eigentlich in der Öffentlichkeit?
Es ist auch völliger Unsinn, den Witwen oder den Witwern Angst davor zu machen, dass wir ihnen das Mobiliar wegbesteuern wollen. Sie wollen Panik machen in Deutschland. Mehr haben Sie in dieser Frage nicht zu bieten.
Und nun, Herr Wulff, zu etwas, was wir gestern erleben mussten. Ich hatte eigentlich erwartet, dass Sie heute hierher kommen und sagen: Meine Damen und Herren, wir haben einen Steuerstreit, aber ich finde, wir sollten ihn sachlich und auf der Basis unserer Verfassung austragen.
- Sie wissen ganz genau, dass der Unterschied zwischen uns beiden ist - -
- Ich habe nicht - - - Das hat bisher niemand in Deutschland fertig gekriegt: eine Steuerdebatte zu vergleichen mit der Judenverfolgung. Das hat niemand bei uns fertig gekriegt.
- Herr Wulff, ich habe Ihnen gut zugehört. Warten Sie doch einfach ab, was ich sage. Sie haben damals hier im Landtag den heutigen Bundeskanzler mit Erich Honecker verglichen. Auf diese Entgleisung hin habe ich Ihnen gegenüber einen Vorwurf erhoben, der nicht vertretbar gewesen ist, keine Frage.
Ich meine übrigens, dass der Vergleich mit Erich Honecker ebenfalls unverschämt gewesen ist.
Im Unterschied zu mir haben Sie sich nicht entschuldigt. Aber das brauchen Sie auch nicht.
Ich sage Ihnen: Ihr Vorgänger im Amt, Herr Gansäuer, hätte sich zu Beginn der Debatte hier hingestellt und gesagt: Wir werden hier auf einem anderen Niveau diskutieren. Wir werden nicht in der gleichen Art und Weise, wie das Herr Koch in Hessen getan hat, in diesem Klima, diskutieren.
Ich sage Ihnen: Ich kann mir vorstellen, warum Sie das nicht getan haben. Ich behaupte, das, was Herr Koch dort gemacht hat, war zwar infam, aber keine Entgleisung.
Im Gegenteil: Es ist nach meiner festen Überzeugung ein kalkulierter Missbrauch des Holocaust.
- Ich als CDU in Hessen wäre rausgegangen, als Herr Koch diese Bemerkung gemacht hat. Das wäre richtig gewesen, meine Damen und Herren.
Herr Koch braucht die Verschärfung der innenpolitischen Debatte. Meine Damen und Herren, er ist nach meiner Auffassung ein außerordentlich berechnender Politiker. Er ist nämlich Wiederholungstäter. Ich erinnere mich jedenfalls noch ganz genau, dass in der Schwarzgeldaffäre auch von angeblichen jüdischen Vermächtnissen gesprochen wurde.
Wie viel infame Energie, meine Damen und Herren, muss man eigentlich haben, um Unterschriftenaktionen gegen Ausländer zu organisieren und andere in den Zusammenhang mit Judenverfolgung in Deutschland zu stellen? Wie viel infame persönliche politische Energie?
Ich glaube, dass das eiskalte Berechnung ist, denn nur in einer aufgeheizten innenpolitischen Stimmung wie jetzt hat er in Hessen und hat Herr Wulff in Niedersachsen eine Chance. Sie in der Union haben alle miteinander Angst, dass sich diese Stimmung beruhigt und wieder sachlich über politische Alternativen gestritten wird. Denn nichts ist für die CDU gefährlicher als die Frage nach den Alternativen. Das wäre das Ende der Blockadepolitik im Bundesrat.
Meine Damen und Herren, Sie brauchen in der Union offensichtlich ein aufgeheiztes innenpolitisches Klima, damit man sich darin besser verstecken kann und weil Sie damit Ihre politischen Anhänger - Herr Stratmann sitzt ja noch hier - besser mobilisieren können.
- Ich habe den Vergleich nicht gebracht. Sie müssen sich für Ihre Leute rechtfertigen, so wie wir das für unsere machen müssen. Das ist Ihr politisches Problem, meine Damen und Herren.
Sie brauchen die Angst in Deutschland, die Angst und die Hysterie. Sie müssen eine aufgeheizte Stimmung bis zum 2. Februar am Leben halten, weil Sie sonst niemand wählen würde, da natürlich jeder die Frage stellt: Wo ist denn die Alternative? Übrigens auch: Wo ist denn die personelle Alternative?
Ich sage Ihnen: Lassen Sie uns über Landespolitik streiten. Da gibt es doch gar kein Problem zwi
schen uns. Wenn Sie andere Vorschläge haben, stellen Sie sie zur Debatte. Aber meine herzliche Bitte an Sie ist: Setzen Sie nicht ausschließlich auf aufgeheizte Stimmung im Land, und schüren Sie diese nicht mit unsäglichen Vergleichen oder mit der Flucht aus der Verantwortung für die eigenen Parteimitglieder, die diese politische Stimmung offensichtlich auch für Sie in Niedersachsen anheizen sollen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin eben darüber unterrichtet worden, dass es offensichtlich von der Opposition die Aussage gegeben habe, ich würde in der Frage der Lehrereinstellung lügen. Ich sage Ihnen - deshalb habe ich mich zu Wort gemeldet -, ich halte es inzwischen wirklich für nicht mehr akzeptabel, dass Sie mit derartigen Begriffen um sich werfen.
Ich unterstelle Ihnen auch nicht, dass Sie die Öffentlichkeit beschwindeln oder belügen. Ich bin nicht mit allem einverstanden, was Sie öffentlich sagen. Das kritisiere ich. Aber ich finde diesen Umgang untereinander absolut unakzeptabel.
- Herr Klare, schauen Sie in die Geschäftsordnung. Dort steht etwas über die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Regierung hier das Wort ergreifen kann. - Ich sage Ihnen: Ich lasse es nicht zu, weil ich
davon ausgehe, dass das auch Ihr Interesse ist, dass die politische Kultur in diesem Land durch derartige Begriffe nicht immer weiter heruntergewürdigt wird.
- Ich habe damit überhaupt kein Problem. Sie können mich doch nach Dingen fragen, und dann sagen ich Ihnen, was die Wahrheit ist.
- Es gibt ja eine Menge Abgeordnete aus Ihrer Fraktion, Frau Vockert. Die können alle herkommen und mich über Dinge befragen.
Jetzt sage ich Ihnen präzise, was wir gemacht haben: Wir haben in der Regierungserklärung 1999 hier an diesem Pult versprochen, dass wir zusätzlich Lehrerstellen zur Verfügung stellen werden. Das haben wir getan. Wir haben im Haushalt und in der mittelfristigen Finanzplanung Finanzmittel im Umfang von 3 100 zusätzlichen Stellen. Die werden insbesondere für den Bereich der Verlässlichen Grundschulen und für eine Verbesserung der Unterrichtsversorgung ausgegeben. Das wissen Sie alles. Wir haben dafür Sozialpädagogen an Hauptschulen und auch an Realschulen eingestellt, wir bauen Ganztagsschulen aus. Die Stellen kennen Sie. Deswegen finde ich es nicht in Ordnung, wenn Sie behaupten, wir würden das, was wir öffentlich erklären, in Wahrheit nicht tun. Sie können uns sagen, dass wir nicht genug tun - einverstanden. Aber dann müssen Sie sagen, wie Sie es bezahlen wollen. Ich finde es absolut unerträglich, dass Sie permanent den Eindruck erwecken, wir würden hier nicht seriös miteinander umgehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin selbstverständlich bereit, dem Kollegen Wulff zu sagen, was wir tun und was wir versprechen. Herr Wulff, ich zitiere den Artikel aus der Bild vom 19. November 2002, auf den Sie sich berufen, aus dem Pressespiegel: „Gabriel: Wir stellen über 3 000 zusätzliche Lehrer ein.“ Das ist der erste Halbsatz. Herr Wulff, gucken Sie in den Haushalt, und gucken Sie in die mittelfristige Finanzplanung. Da steht die Finanzierung drin. Das ist kein Versprechen in die Zukunft. Im Gegenteil: Das haben wir schon getan, Herr Wulff.