Protokoll der Sitzung vom 14.12.2001

(Unruhe)

- Das gilt auch für die Kollegen Wenzel, Dinkla und Rolfes.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Man sollte nicht die beschimpfen, die da sind!)

Die Beschlussfähigkeit des Hauses stelle ich zu gegebener Zeit fest.

Zur heutigen Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde, Tagesordnungspunkt 22. Es folgt Punkt 3, nämlich die Behandlung der strittigen Eingaben. Anschließend kommen wir zu den Abstimmungen im Rahmen der Haushaltsberatung. Danach erledigen wir zunächst den gestern nicht mehr behandelten Tagesordnungspunkt 21 und dann Tagesordnungspunkt 24, zu dem keine Aussprache stattfinden soll. Anschließend behandeln wir die Tagesordnungspunkte 29 bis 33. Tagesordnungspunkt 25 wird an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr zurücküberwiesen.

Die heutige Sitzung wird demnach - ohne dass wir eine Mittagspause machen - gegen 14.40 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Ministerin für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Frau Dr. Knorre, von 10 Uhr bis 11.30 Uhr, von der Fraktion der SPD Herr Wolfkühler und von der Fraktion der CDU Frau Philipps.

Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu

Tagesordnungspunkt 22: Mündliche Anfragen - Drs. 14/2949

Es ist jetzt genau 9.03 Uhr.

Ich rufe auf die

Frage 1: Wirtschaftliche Entwicklung und Strukturförderung in strukturschwachen Regionen

Sie wird gestellt vom Abgeordneten Wenzel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Zurufe: Morgen!)

Die niedersächsischen Regionen entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze haben gerade in konjunkturschwachen Zeiten mit der Abwanderung von Betrieben zu kämpfen. In der ehemaligen Grenzregion spielt das Fördergefälle zwischen den neuen und alten Bundesländern eine besondere Rolle. Thüringen fördert Neuansiedlungen im grenznahen Bereich mit deutlich höheren Förderquoten. Viele Betriebe haben aufgrund dieses Fördergefälles ihre Betriebe in Niedersachsen dichtgemacht. Grenznahe Gebiete in Niedersachsen, beispielsweise Duderstadt, Göttingen, Helmstedt und Uelzen, sind zwar in der Gebietskulisse der Ziel-2-Förderung der EU-Strukturfonds und der GA-Förderung. Die Höchstfördersätze werden aber in der Regel nicht ausgeschöpft, weil die Förderpraxis der Landesregierung zu einer landesweiten Nivellierung führt.

Dieses Gießkannensystem vernachlässigt die Probleme im Bereich der ehemaligen Grenzregion. Die Städte und Gemeinden verlieren viele Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen. Damit potenzieren sich die Probleme der strukturschwachen Regionen.

Die EU-Strukturfonds zielen auf eine besondere Unterstützung der strukturschwachen Regionen, zumal die Förderung nach 2006 voraussichtlich ausläuft. Die Verquickung von EU-Förderung, GA-Förderung und rudimentärer Kofinanzierung des Landes erschwert zudem eine objektive Bewertung der Situation. Einer grundlegenden Eva

luierung der Wirtschaftsförderung hat sich die Landesregierung bislang widersetzt.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. In wie vielen Fällen und in welcher absoluten Höhe wurde in den Jahren 2000 und 2001 GAFörderung und Ziel-2-Förderung in Randgebieten der ehemaligen Grenze - das ehemalige Gebiet der Zonenrandförderung - mit der Höchstförderquote gefördert?

2. Wie hoch waren die jeweiligen Zahlen aus Frage 1 in Südniedersachsen?

3. Wie viel Prozent der Investitionssumme eines Betriebes wurden dabei nach GA und Ziel-2 maximal gefördert?

Die Antwort erteilt die Ministerin für Wirtschaft, Technologie und Verkehr. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Probleme in den Regionen entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze sind uns natürlich gut bekannt. Ich möchte aber vor dem Fehlschluss warnen, dass diese Probleme ein Ergebnis von fehlgesteuerter regionaler Wirtschaftsförderung sind. Dazu möchte ich vorab einige Anmerkungen machen.

Erstens. Ein Fördergefälle - das ist wohl bekannt besteht nicht nur zwischen den alten und den neuen Ländern, sondern auch innerhalb des Landes und zwischen den alten Ländern. Ein solches Fördergefälle ist zunächst einmal regionalpolitisch gewollt. Es entspricht der Zielsetzung - die es nach dem Grundgesetz immer noch gibt - der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilen Deutschlands. Insofern ist das Fördergefälle kein Phänomen zwischen alten Ländern und neuen Ländern.

Zweitens. Es hat die von Ihnen in der Frage unterstellte massenhafte Abwanderung von Betrieben aufgrund des Fördergefälles in der GA in dieser Form nicht gegeben und gibt es auch nicht. Das liegt nach unserer Auffassung schlicht und ergreifend daran, dass es sich auch mit dem Einsatz von GA-Fördermitteln betriebswirtschaftlich nicht

lohnt, funktionsfähige Betriebe dichtzumachen und an anderer Stelle neu aufzubauen, egal mit welcher Förderung dies geschehen könnte. So hat es in den letzten Jahren lediglich zwei Fälle gegeben, in denen sich niedersächsische Betriebe wegen höherer GA-Förderung für Standorte in Sachsen-Anhalt entschieden haben. In beiden Fällen war ein kompletter Neubau der Betriebe erforderlich, und in beiden Fällen wurde ein sehr grenznaher Standort ausgewählt.

Drittens. Die Problematik des Fördergefälles zwischen den angrenzenden Regionen ist uns bewusst. Um hier korrigierend eingreifen zu können, haben wir mit den Regionen in den ehemaligen Grenzländern klare Vereinbarungen getroffen: Seit 1999 können Investitionen von Unternehmen aus niedersächsischen Grenzkreisen in einem Grenzkreis der neuen Länder nur mit Zustimmung des Landes Niedersachsen gefördert werden.

In diesem Zeitraum hat es sieben derartige Fälle gegeben, in denen Unternehmen unter Beibehaltung ihrer alten Betriebsstätte in unselbständige Betriebsstätten in den neuen Ländern investiert haben. In diesen Zweigniederlassungen sollen bis 2003 insgesamt 68 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

In keinem dieser Fälle werden Arbeitsplätze am Hauptsitz abgebaut. Die Unternehmen haben Zuschüsse in den neuen Ländern nur unter der auflösenden Bedingung erhalten, dass die Hauptsitze in Niedersachsen während der Dauer des Zweckbindungszeitraumes - das sind fünf Jahre nach Fertigstellung der Investition - zumindest im bisherigen Umfang aufrechterhalten werden. Diese Investitionen - das ist die Schlussfolgerung daraus - verbessern das betriebswirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens und damit auch die künftige Entwicklung des Hauptsitzes in Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, ich will mit diesem Hinweis, dass es keine massenhafte Abwanderung gegeben hat, das Problem nicht bagatellisieren. Uns ist natürlich bekannt, dass von der den neuen Ländern gewährten Investitionszulage, den Sonderabschreibungen und dem Gefälle bei den Arbeitskosten für Unternehmen in der Tat eine Attraktivität ausgeht, die speziell bei uns an der ehemaligen innerdeutschen Grenze spürbar ist. Ich bin weit davon entfernt, Themen wie die Förderung von BMW - das ist zwar kein grenznahes Thema, aber wenn dafür 900 Millionen DM Subventionen aus Steuermitteln ausgegeben werden, muss man

sich in der Tat fragen, ob die Grenze eines sinnvollen Fördergefälles nicht weit überschritten ist zu bagatellisieren.

Ich begrüße es vor diesem Hintergrund, dass das NIW die Auswirkungen des Fördergefälles speziell auf die niedersächsischen Grenzregionen prüft und eine objektivierbare und objektivierte Auswertung dazu erstellen wird.

Ich möchte auch auf einen anderen Punkt hinweisen, der mir sehr wichtig ist. Für die Landesregierung wird es nun darauf ankommen, in den anstehenden Verhandlungen mit Bund und Ländern eine Verbesserung der Rahmenbedingungen zu erreichen. Im Bereich GA setzen wir uns als Niedersächsische Landesregierung deshalb nachdrücklich dafür ein, dass es in der kommenden Förderperiode für die GA ab 2004 bundesweit nur noch einheitliche Kriterien zur Bewertung struktureller Probleme geben wird. Das heißt im Klartext: In Gebieten der neuen und der alten Länder, die die gleichen strukturellen Probleme haben, soll aus Mitteln der GA und des Ziel 2 nach den gleichen Kriterien gefördert werden können. Das ist unsere Linie für die Fortschreibung der GA ab 2004.

Des Weiteren kommt es in dieser Diskussion aus Sicht der Landesregierung darauf an, die im Jahre 2004 auslaufende Investitionszulage und die Sonderabschreibungen für die neuen Länder auf mögliche und feststellbare Wettbewerbsverzerrungen - sicherlich auch aus der Sicht des Standortwettbewerbs - zu überprüfen. Auch dafür setzt sich die Landesregierung ein.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zu 1: Die Höchstförderquote beträgt für KMU 28 % in den C- und 15 % in den D-Fördergebieten. Im Jahr 2000 wurde die Höchstförderquote in keinem Fall ausgeschöpft. Im Jahr 2001 wurde in den D-Fördergebieten in neun Fällen die Höchstförderquote von 15 % ausgeschöpft. Der Mitteleinsatz betrug insgesamt 2,7 Millionen DM. Die in C-Fördergebieten zulässige Quote wurde in keinem Fall ausgeschöpft.

Zu 2: In Südniedersachsen gibt es nur C-Fördergebiete. Hier hat es – wie in allen C Fördergebieten - keine Ausschöpfung der Höchstquote gegeben.

Zu 3: Die höchste Förderquote lag bei 25 % der Investitionssumme.

(Beifall bei der SPD - Möllring [CDU]: Wo ist Herr Möhrmann, der den Beifall organisiert? Das klappt ja überhaupt nicht da drüben!)

Herr Wenzel zu einer Zusatzfrage!

Frau Ministerin Dr. Knorre, vor dem Hintergrund, dass die Förderung in Thüringen bis zu 50 % beträgt und allein die Stadt Duderstadt von bis zu 40 Betriebsverlagerungen in den gegenüberliegenden grenznahen Raum spricht und auch die Städte Uelzen und Helmstedt erhebliche Probleme sehen, frage ich Sie: Wie können Sie behaupten, dass es keine Verlagerungen gegeben hat bzw. dass sich die Verlagerungen in einem sehr kleinen Rahmen abgespielt haben? Ich möchte gerne erläutert bekommen, worauf Ihre Zahlen basieren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der CDU)

Frau Ministerin Dr. Knorre!

Herr Wenzel, Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass ich nicht zu einzelnen Förderfällen Auskunft geben kann. Ich möchte nur darauf hinweisen: Wenn es solche Fälle gegeben hat - ich will das gar nicht bestreiten -, dann handelt es sich vermutlich um Fälle, die nicht nach der GAFörderung förderungsfähig gewesen sind, die aber andere Fördermöglichkeiten in den neuen Ländern ausschöpfen können, die uns rechtlich sowieso nicht zur Verfügung stehen. An dieser Stelle muss man sehr stark differenzieren.

Ich möchte trotzdem noch einmal darauf aufmerksam machen, dass wir bei einem Förderwettlauf zwischen den alten und den neuen Ländern oder auch zwischen Grenzregionen nicht mithalten wollen. Wenn ein Unternehmen seine Standortentscheidung ausschließlich nach der Möglichkeit öffentlicher Zuschüsse ausrichtet, dann werden wir diesen Förderwettlauf nach meiner Auffassung allein aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht gewinnen können. Ich meine, deswegen

müssen wir klar sagen: Wir entscheiden über unsere Möglichkeiten der GA-Förderung im Einzelfall nach den uns zur Verfügung stehenden und sinnvollen Kriterien und werden in diesem Sinne unsere Regionalförderung nach aus niedersächsischer Sicht sinnvollen Kriterien ausrichten.

Herr Eppers!