Protokoll der Sitzung vom 13.09.2000

Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsi- dent!)

Die Beschlussfähigkeit werde ich zu gegebener Zeit feststellen.

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 8, den Dringliche Anfragen. Die Fraktion der CDU hat ihre Anfrage in der Drucksache 1851 zurückgezogen, sodass nur noch eine Dringliche Anfrage vorliegt. Anschließend setzen wir die Beratung in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.

Die heutige Sitzung soll gegen 19.05 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst, bis spätestens morgen Mittag 12.00 Uhr, wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung der Finanzminister, Herr Aller, ab 17.00 Uhr, der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Herr Senff, vormittags, von der Fraktion der SPD Herr Wulf (Oldenburg), von der Fraktion der CDU Herr Meier und Herr Dr. Winn und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau JanssenKucz, nachmittags.

Wir kommen damit zu

Tagesordnungspunkt 8: Dringliche Anfragen

Die Fraktion der CDU hat, wie ich gerade gesagt habe, ihre Anfrage zurückgezogen, sodass nur

noch die Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen übrig bleibt.

Damit das Verfahren allen noch einmal deutlich wird, will ich es kurz darstellen: Jede Abgeordnete und jeder Abgeordnete kann nur bis zu zwei Zusatzfragen stellen. Zu zählen sind die einzelnen Fragen. Die Zusatzfragen müssen knapp und sachlich sein. Sie müssen zur Sache gehören und dürfen die Frage nicht auf andere Gegenstände ausdehnen. Vor allem dürfen sie nicht verlesen werden.

(Möllring [CDU]: Zur Geschäftsord- nung!)

- Herr Kollege Möllring zur Geschäftsordnung!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wäre es nicht sinnvoll, die Sitzung so lange zu unterbrechen, bis ein Vertreter der Landesregierung anwesend ist? Sonst haben die Fragen nicht viel Sinn.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Ich unterbreche die Sitzung so lange, bis die Vertreter der Landesregierung hier sind.

Unterbrechung: 10.34 Uhr.

Wiederbeginn: 10.35 Uhr.

Nachdem der zuständige Minister erschienen ist, kann ich die Dringliche Anfrage aufrufen:

b) Fernverkehrsverbindungen der Bahn in Niedersachsen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1852

Die Frage wird von Herrn Kollegen Wenzel gestellt.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Deutsche Bahn AG plant zum nächsten regulären Fahrplan

wechsel - das ist Ende Mai nächsten Jahres - weitgehende Einschnitte in die Fernverkehrsverbindungen vieler niedersächsischer Städte und Regionen. Dabei sollen insbesondere InterRegioAnbindungen gestrichen werden, die bislang sowohl für eine direkte und umsteigefreie als auch zugleich auch für eine schnelle Anbindung der niedersächsischen Regionen gesorgt haben. Der InterRegio ist für viele Kundinnen und Kunden der Bahn ein Sympathieträger, weil er bei vergleichsweise gutem Service auch eine preiswerter Alternative zu anderen Fernverkehrsangeboten – beispielsweise dem ICE - darstellt.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welche niedersächsischen Fernverkehrsverbindungen der Bahn sind mit Stand von heute zum nächsten und übernächsten regulären Fahrplanwechsel, d. h. Ende Mai 2001 und Ende Mai 2002, definitiv in ihrem Bestand bedroht?

2. Welche Möglichkeiten zur Sicherung der InterRegio-Anbindungen im Nordwesten des Landes, in den touristischen Zentren an der Küste und im Harz, aber auch in Osnabrück, Diepholz und anderen Städten sieht die Landesregierung?

3. Unter welchen Rahmenbedingungen, insbesondere auch bezüglich eines finanziellen Ausgleichs durch den Bund, ist das Land Niedersachsen - gegebenenfalls gemeinsam mit anderen Partnern bereit, die Initiative zur Gründung einer eigenen InterRegio-Gesellschaft zu ergreifen?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Die Antwort gibt der Herr Wirtschaftsminister Dr. Fischer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wenzel, in der Tat konfrontiert uns die Deutsche Bahn wieder einmal mit neuen Kürzungsplänen im Fernverkehr. Die Pläne, die uns jetzt vorgelegt wurden, sind weiter reichend und gravierender als alle bisherigen Pläne. Das steht außer Frage.

Weil das so ist, hat die Landesregierung auch unverzüglich nach Bekanntwerden dieser Pläne

reagiert. Sie hat ihre Bedenken bereits wenige Tage später Herrn Mehdorn persönlich in aller Deutlichkeit vorgetragen; darüber ist berichtet worden. Ich habe dieses Thema auch sofort für die nächste Konferenz der Verkehrsminister, die Ende dieses Monats stattfindet, angemeldet.

Diese Pläne sind beileibe kein Thema ausschließlich Niedersachsens, sondern vielmehr eine Herausforderung für die deutsche Verkehrspolitik insgesamt. Die Angebotskürzungen treffen Niedersachsen nicht alleine, sondern alle Bundesländer sind davon betroffen, im Bundesdurchschnitt mit immerhin 10 %, bezogen auf den gesamten Fernverkehr. Während Mecklenburg-Vorpommern dabei sogar Kürzungen von mehr als 60 % zu verkraften hat - Bayern von 11 % -, kommt Niederachsen hier mit knapp 5 % sogar noch einigermaßen glimpflich davon.

Meine Damen und Herren, worum geht es dabei im Kern? Im Grundsatz gilt es, den Konflikt zwischen unternehmerischem Handeln einerseits und dem Gemeinwohlinteresse andererseits zu lösen. Das Grundgesetz und die Bahnreform haben die Aufgabenverteilung eindeutig geregelt. Einerseits muss die Bahn AG selbst als Unternehmen am Markt agieren und dabei rentabel wirtschaften. Das haben wir alle mit der Bahnreform so gewollt. Andererseits können aus Gründen des Gemeinwohls bestimmte Fragen des Fernverkehrsangebots und der Infrastruktur nicht ausschließlich unter der Maxime der betriebswirtschaftlichen Ergebnisoptimierung stehen. Hier ist nach dem Grundgesetz eindeutig der Bund gefordert, der solche Leistungen bestellen und finanzieren muss.

Dieser offene Konflikt zwischen der Bahn AG einerseits und dem Bundesverkehrsministerium andererseits ist nur lösbar, wenn der Bund mehr Geld zur Verfügung stellt. Das fällt dem Bund schwer, wie wir wissen, denn wir alle wollen eine weitere Senkung der Staatsquote.

Bei allem Verständnis für die Konsolidierungszwänge erwarten alle Bundesländer, auch Niedersachsen, hier eine klare Grundsatzaussage des Bundesverkehrsministers auf der schon zitierten Verkehrsministerkonferenz Ende dieses Monats. Denn solange sich der Bund nicht zu seiner im Grundgesetz festgeschriebenen Verantwortung bekennt, fehlt der Bahn die Grundlage für ein langfristiges unternehmerisches Konzept, wird das Angebot im Fernverkehr in absehbarer Zeit auf eine Verbindung der Ballungsräume zusammen

schrumpfen und werden die Forderungen aller Verkehrspolitiker, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, eine politische Lebenslüge bleiben.

Ich komme nun zur Beantwortung der Fragen.

Zu Frage 1: Zum nächsten regulären Fahrplanwechsel im Juni 2001 sollen nach der Vorstellung der Bahn Kürzungen auf folgenden InterRegioLinien erfolgen: Zwischen Oldenburg und Wilhelmshaven sowie zwischen Münster und Bremerhaven bzw. Cuxhaven sollen keine InterRegioZüge mehr verkehren. Diepholz soll als Ersatz für die entfallenden InterRegio-Halte mindestens einen weiteren IC-Halt bekommen. Zwischen Oldenburg und Norddeich soll nur noch ein InterRegioZugpaar zur Abdeckung des Touristikverkehrs eingesetzt werden.

Zum übernächsten Fahrplanwechsel im Dezember 2001 hält die Deutsche Bahn AG eine Neukonzeption der InterRegio-Linien Hamburg - Hannover und Rheine - Norddeich für erforderlich. Nähere Angaben hat sie uns gegenüber dazu bislang nicht gemacht.

(Frau Zachow [CDU]: Hätten Sie doch einmal nachgefragt!)

- Haben wir getan.

Zu Frage 2: Möglichkeiten, InterRegio-Anbindungen - also Fernverkehr - zu sichern, hat die Landesregierung kraft Gesetzes nicht. Der Fernverkehr ist, wie ich eingangs schon gesagt habe, entweder von der Bahn selbst unter unternehmerischen Gesichtspunkten zu organisieren und durchzuführen oder falls er sich nicht rechnet, strukturpolitisch aber für notwendig erachtet wird - von der Bundesregierung zu bestellen und zu bezahlen. Dies sieht das Grundgesetz vor.

Im Übrigen ist natürlich aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger entscheidend, wie sich das Gesamtangebot auf der Schiene darstellt. Da hat die Landesregierung im Rahmen des ihr Möglichen bereits einige wichtige Weichenstellungen vorgenommen:

Erstens. Ab November wird der Harz über eine neue Neigetechnikverbindung mit Hildesheim und Hannover im Westen sowie Halle im Osten deutlich besser in das überregionale Schienennetz integriert - das nicht nur, wie bisher, dreimal am Tag, sondern alle zwei Stunden.

Zweitens. An der Küste haben wir zwischen Bremerhaven und Bremen eine deutliche Verbesserung durch die Einrichtung einer schnellen Regionalexpresslinie geschaffen. Auch hier gilt ein kundenfreundlicher Zweistundentakt.

(Frau Vockert [CDU]: „Deutliche Verbesserung“ ist ja nun nicht rich- tig!)

Drittens. In allen übrigen Regionen, in denen Fernverkehrsleistungen entfallen sollen, bestehen bereits heute grundsätzlich alternative Angebote im Nahverkehr. Diese Nahverkehrszüge fahren überwiegend im Einstundentakt gegenüber den nur alle vier Stunden verkehrenden InterRegio-Zügen.

Bei allen Verbesserungen aber, die diese Maßnahmen bringen, muss festgehalten werden: Der Nahverkehr kann den Fernverkehr nicht ersetzen. Das gilt auch für die Anbindung der touristischen Zentren im Lande. Statt vermeintlich unrentable Strecken zu streichen, könnte und müsste sich die Bahn mit einem saisonal differenzierten Angebot als flexibles und kundenfreundliches Unternehmen beweisen. Ein entsprechendes Tourismuskonzept habe ich in unseren Verhandlungen mit der Bahn mehrfach angemahnt. Sie hat auch eine Prüfung zugesagt. Wir sind auf die Ergebnisse gespannt. Solange hier aber nichts geschieht und die Beteiligten regelmäßig vor vollendete Tatsachen gestellt werden, sind heftige Reaktionen in der Öffentlichkeit nur verständlich.