Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsi- dent!)

Die Beschlussfähigkeit werde ich zu gegebener Zeit feststellen.

Zur heutigen Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde, dem Tagesordnungspunkt 28. Es folgt Punkt 2, die Fortsetzung der Behandlung der Eingaben, und dabei geht es um die strittigen Eingaben. Anschließend erledigen wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Tagesordnung mit Ausnahme des Tagesordnungspunktes 32, der ohne erste Beratung an die Ausschüsse überwiesen wurde, und des Tagesordnungspunktes 35, den wir bereits gestern behandelt haben.

Außerdem sind die Fraktionen übereingekommen, die Redezeit zu Tagesordnungspunkt 31 – Vorlage eines Nachtragshaushalts 2002/2003 und eines Berichtes über die Folgen und Wirkungen der Versprechen von Bundesfinanzminister Eichel zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien für die Finanzplanung des Landes – Drucksache 14/3194 – auf 90 Minuten zu verlängern, um an dieser Stelle auch die Auswirkungen der BEB-Entscheidung auf den Haushalt des Landes zu diskutieren.

Die heutige Sitzung wird nach dem derzeitigen Stand somit gegen 18.25 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung der Herr Minister für Wissenschaft und Kultur, Oppermann, und von der Fraktion der SPD die Abgeordneten Brauns, Endlein, Glogowski, Mientus und Wolfkühler.

Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu

Tagesordnungspunkt 28: Mündliche Anfragen - Drs. 14/3192

Die Frage 16 wurde von den Fragestellerinnen zurückgezogen.

Es ist jetzt 10.03 Uhr. Wir kommen zur

Frage 1: Bahnanschluss der Stadt Aurich

Die Frage wird von dem Kollegen Wenzel gestellt. Bitte schön!

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Guten Morgen. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Dezember 2001 hat sich die Stadt Aurich mit großer Mehrheit für die Bereitstellung von 250 000 - damals noch - DM zur Unterstützung des Ankaufs der Bahnstrecke Aurich - Abelitz entschlossen.

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Prä- sidenten)

Mit dem Kauf der Bahnstrecke sollte die Möglichkeit zur Reaktivierung der Bahnstrecke im Güterverkehr und im Personenverkehr offengehalten werden. Im Vorfeld der Entscheidung hatten sich wichtige Unternehmen der Stadt Aurich für den Erhalt bzw. für die Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke eingesetzt. Jenseits der Möglichkeit zur Reaktivierung des Schienenpersonennahverkehrs ist ein Güterverkehrsanschluss ein wichtiger Standortfaktor für die Stadt Aurich.

Mit Schreiben vom 23. Januar 2002 an die Eisenbahngesellschaft Ostfriesland Oldenburg mbH hat Wirtschafts- und Verkehrsministerin Knorre deutlich gemacht, dass Teile der Bahnstrecke für einen Ausbau der Bundesstraße 72 in Anspruch genommen werden sollen. Damit würde eine Reaktivierung der Strecke endgültig verhindert.

Mit dem Schreiben bezieht sich die Ministerin lediglich auf eine Untersuchung der Landesnahverkehrsgesellschaft zum Schienenpersonennahverkehr. Demnach sei eine Wiederinbetriebnahme unwirtschaftlich. Gutachtliche Stellungnahmen von anderer Seite - wie beispielsweise die Analyse von Professor Heiner Monheim von der Universität Trier - wurden offensichtlich nicht herangezogen. Aussagen zur Bedeutung der Bahnanbindung im Güterverkehr für Auricher Unternehmen werden in dem Schreiben nicht gemacht und wurden offensichtlich nicht berücksichtigt.

Vor diesem Hintergrund will die Ministerin das Planfeststellungsverfahren zum Ausbau der B 72 vorantreiben.

Ich frage die Landesregierung:

1. Mit welchen Unternehmen in Aurich und Umgebung hat das Wirtschafts- und Verkehrsministerium über die wirtschaftlichen Folgen einer endgültigen Aufgabe der Bahnanbindung bzw. über die zukünftigen Potenziale der Strecke im Güterverkehr gesprochen?

2. Wie beurteilt das Wirtschafts- und Verkehrsministerium die Analyse von Professor Heiner Monheim zur möglichen Reaktivierung der Strecke im Personenverkehr?

3. Ist das Wirtschafts- und Verkehrsministerium bereit, sich für eine Ausbauvariante der Bundesstraße 72 einzusetzen, die die Möglichkeit zur Reaktivierung der Bahnanbindung nicht verbauen würde? - Vielen Dank fürs Zuhören.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, der Lärmpegel ist zu hoch, und das in den ersten fünf Minuten. Was soll das erst noch im Laufe des Tages werden?

(Plaue [SPD]: Die werden im Laufe des Tages schlapper! – Unruhe)

- Wenn ich so etwas sage, erwarte ich, dass man wenigstens jetzt ruhig ist.

Die Antwort erteilt die Frau Ministerin für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Frau Dr. Knorre.

(Anhaltende Unruhe)

- Ich habe eben darum gebeten, dass in diesem Hause zumindest morgens Ruhe herrscht. Das gilt auch für die Regierungsbank.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kleine Anfrage des Abgeordneten Wenzel betrifft ein Thema, das bereits seit langem kontrovers diskutiert wurde. Ich mache deshalb einen kurzen Rückblick. Ich verspreche, es kurz zu halten. Ein solcher Rückblick ist aber wohl wichtig.

Der Personenverkehr auf der rund 13 km langen Eisenbahnstrecke Aurich – Abelitz wurde bereits 1967 eingestellt. 1993 genehmigte das Bundesministerium für Verkehr die Stilllegung der Gesamtstrecke. Sie wurde bis 1996 nur noch sporadisch genutzt. Demzufolge befindet sich die Strecke in einem außerordentlich schlechten Zustand. Hinzu kommt, dass sie größtenteils auf dem Gelände der Bundesstraßenverwaltung liegt. Die Eisenbahn konnte die Grundstücke unentgeltlich nutzen. Nach Auffassung des Bundes besteht diese Nutzungsvereinbarung jedoch nicht mehr. Auch das bisherige Nebeneinander von Straße und Schiene ist so nicht mehr möglich. Die Querschnitte der Verkehrswege überschneiden sich teilweise. Eine sichere Ausgestaltung und Ausstattung beider Verkehrswege ist über weite Strecken wegen der beengten Lage nicht möglich.

Einen besonderen Unfallschwerpunkt stellt die Ortsdurchfahrt Moordorf der B 72 dar. Hier liegen Schiene und Straße ganz dicht beieinander.

Meine Damen und Herren, die Kleine Anfrage berücksichtigt diese gegebenen Umstände nicht. Vielmehr wird der Eindruck erweckt, hier würde ohne Not die bestehende Schienenanbindung der Stadt Aurich zur Disposition gestellt. Das, meine Damen und Herren, ist nicht der Fall.

Eine Reaktivierung – egal, ob für den Schienenpersonennahverkehr oder den Schienengüterverkehr käme weitgehend einem kompletten Neubau dieser Strecke gleich. Auf der Strecke sind mehr als 70 Bahnübergänge vorhanden. Dies entspricht einem mittleren Abstand zwischen diesen Bahnübergängen von weniger als 200 m.

Entsprechend hoch fallen - das muss man nicht länger erklären - auch die erforderlichen Investitionen aus. Die Landesnahverkehrsgesellschaft hat

in ihrem Gutachten die Investitionskosten auf ca. 16,4 Millionen Euro veranschlagt. Davon entfallen rund 14,3 Millionen Euro auf die Ertüchtigung dieser Strecke sowie auf die erforderliche Leit- und Sicherheitstechnik. Kosten in etwa dieser Größenordnung würden auch dann entstehen, wenn die Strecke ausschließlich dem Güterverkehr dienen soll. Nach den Berechnungen der Landesnahverkehrsgesellschaft ließen sich die Investitionskosten auch durch einen Betrieb nach Straßenbahnstandard lediglich auf 13,2 Millionen Euro reduzieren.

In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, ist immer wieder der Vorwurf erhoben worden, die Investitionskosten seien willkürlich zu hoch angesetzt worden. Auch dies trifft nicht zu. So hatte auch der Landkreis Aurich seinerzeit ein eigenes Gutachten zur Reaktivierung dieser Strecke in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten ermittelte einen Investitionsbedarf von 18,9 Millionen Euro, lag also noch 2 Millionen Euro über dem von der Landesnahverkehrsgesellschaft ermittelten Betrag. Diese Zahlen sprechen wohl für sich.

Aufgrund der vorhandenen Pendlerströme und der bestehenden räumlichen Siedlungsstrukturen muss von einem relativ geringen Verlagerungspotenzial zugunsten des Schienenverkehrs ausgegangen werden. Auch die Stellungnahme von Herrn Professor Heiner Monheim ändert hieran nichts. Im Übrigen ist auch die Kritik von Herrn Professor Monheim am Gutachten der Landesnahverkehrsgesellschaft für uns nicht nachvollziehbar.

Aufgrund der hier vorliegenden Problemstellung - hohe Investitionskosten und geringe Verlagerungseffekte - kommt ernsthaft die Reaktivierung dieser Eisenbahnstrecke nicht in Betracht. Dabei geht es nicht darum - das sage ich ausdrücklich -, dass wir jetzt den Ausbau der B 72, wie sie es formulieren, „vorantreiben“ wollen. Es ist genau umgekehrt. Die Planungen für die B 72 wurden immer wieder aufgeschoben. So wurde noch im Februar 1999 zugesichert, die weiteren Planungsarbeiten auszusetzen, bis das Ergebnis der Bewertung durch die Landesnahverkehrsgesellschaft vorliegt. Dieses Ergebnis liegt nun seit Mitte 1999 vor, und es lässt keinen Zweifel daran, dass eine Reaktivierung aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Betracht kommen kann. Allein das Defizit beläuft sich auf mehr als 1 Million Euro pro Jahr.

Unter diesen Voraussetzungen halte ich eine weitere Verzögerung des bereits seit Jahren geplanten Ausbaus der B 72 im Bereich von Moordorf nicht

für vertretbar. Ich sage auch: Ich halte es auch im Hinblick auf die konjunkturelle Lage der Bauindustrie nicht für vertretbar, dass wir baureife Projekte im Lande haben, sie aber einfach nicht angehen.

Dies vorausgeschickt, meine Damen und Herren, beantwortete ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Die endgültige Aufgabe der Eisenbahnstrecke erfolgte bereits mit der durch das Bundesministerium für Verkehr genehmigten Stilllegung und der endgültigen Einstellung der Bedienung zum 1. Mai 1996. In das Stilllegungsverfahren waren zum damaligen Zeitpunkt auch die Vertreter der Wirtschaft eingebunden, die keine Bedenken gegen die Stilllegungsabsicht der damaligen Deutschen Bundesbahn vorgetragen haben.

Zu 2: Die von Herrn Professor Heiner Monheim erhobene Kritik am Gutachten der Landesnahverkehrsgesellschaft ist nicht nachvollziehbar. Sie ist nicht geeignet, grundsätzliche Zweifel an der Richtigkeit der von der Landesnahverkehrsgesellschaft gezogenen Schlussfolgerungen aufkommen zulassen.

Zu 3: Ein Ausbau der B 72 unter gleichzeitiger Beibehaltung der noch vorhandenen Bahntrasse setzte voraus, dass der Bund die Mehrkosten für den dadurch bedingten Grunderwerb trägt. Darüber hinaus setzte er die Bereitschaft des Bundes voraus, die bisher bundeseigenen Flächen für Bahnzwecke zur Verfügung zu stellen. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat bereits deutlich gemacht, dass die Vereinbarung über die Nutzung der bundeseigenen Grundflächen mit der Betriebseinstellung des Schienennetzes obsolet ist. Eine Ausbauvariante, die die Möglichkeit der Realisierung der aufgegebenen Eisenbahnstrecke erhält, halte ich daher für rein hypothetisch.

(Dr. Stratmann [CDU]: Und das nennt die Landesregierung eine kurze Ant- wort! - Gegenruf von Adam [SPD]: Was wollen Sie eigentlich? - Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Hagenah zu einer Zusatzfrage! Danach Herr Wenzel.