Protokoll der Sitzung vom 13.06.2001

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung bitte ich Folgendes zu beachten: Die Einladung und die Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt liegen Ihnen gedruckt vor.

Für die Aktuelle Stunde liegen drei Beratungsgegenstände vor.

Es liegen zwei Dringliche Anfragen vor, die morgen früh ab 9 Uhr beantwortet werden.

Im Ältestenrat sind für die Beratung einzelner Punkte bestimmte Redezeiten gemäß § 71 unserer Geschäftsordnung vereinbart worden. Diese pauschalen Redezeiten sind den Fraktionen und den Abgeordneten bekannt; sie werden nach dem im Ältestenrat vereinbarten Verteilerschlüssel aufgeteilt. Ich gehe davon aus, dass die vom Ältestenrat vorgeschlagenen Regelungen für die Beratungen verbindlich sind und darüber nicht mehr bei jedem Punkt abgestimmt wird. – Ich stelle fest, dass das Haus mit diesem Verfahren einverstanden ist.

Die heutige Sitzung soll gegen 19.50 Uhr enden.

Ich möchte Sie noch auf drei Veranstaltungen aufmerksam machen: Anlässlich des ersten Jahrestages der EXPO 2000 wurde dem Niedersächsischen Landtag von dem Fotografen Herrn Hassan Mahramzadeh das „EXPO-Triptychon“ mit einer Auswahl von 434 EXPO-Impressionen in Form von drei Postern zur Verfügung gestellt, das Sie sich in der Wandelhalle ansehen können.

Ebenfalls in der Wandelhalle ausgestellt sind Exponate, die im Rahmen der Hospitation „Schülerinnen und Schüler begleiten Abgeordnete“ entstanden sind, sowie Arbeiten des diesjährigen Wettbewerbs des Niedersächsischen Landtages für Schülerinnen und Schüler.

In der Portikushalle wird die von dem Verein Givat Haviva Deutschland e. V. konzipierte Ausstellung „Frieden braucht Verständigung“ gezeigt. – Ich empfehle diese Ausstellungen Ihrer Aufmerksamkeit.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst – bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr – wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung der Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Herr Bartels, bis 17 Uhr, von der Fraktion der SPD Herr Endlein und Herr Mientus und von der Fraktion der CDU Herr Meier.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde liegen drei Beratungsgegenstände vor. Wir beginnen mit a) OS-Reform: Kräht der Ministerpräsident auf dem Mist, ändert sich die Schulform oder bleibt wie sie ist – Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drs. 14/2535. Es stehen insgesamt 60 Minuten Redezeit zur Verfügung, die gleichmäßig auf die drei Fraktionen aufzuteilen sind. Das heißt, jede Fraktion kann über höchstens 20 Minuten Redezeit verfügen. Wenn mehrere Themen zur Aktuellen Stunde vorliegen, so wie heute, bleibt es jeder Fraktion überlassen, wie sie ihre 20 Minuten für die einzelnen Themen verwendet.

Jeder Redebeitrag, auch von Mitgliedern der Landesregierung, darf höchstens fünf Minuten dauern. Nach vier Minuten Redezeit werde ich durch ein Klingelzeichen darauf hinweisen, dass die letzte Minute der Redezeit läuft.

Erklärungen und Reden dürfen nicht verlesen werden.

Ich eröffne die Beratung zu

a) OS-Reform: Kräht der Ministerpräsident auf dem Mist, ändert sich die Schulform oder bleibt wie sie ist - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2535

Das Wort hat die Frau Kollegin Litfin.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist wieder einmal so weit: Am Freitag der vergangenen Woche hat der oberste Schulpolitiker dieses Landes etwas verkündet, was er wieder großspurig „Bildungsoffensive“ nennt,

(Zuruf von Eveslage [CDU])

was sich aber bei näherer Betrachtung als äußerst defensives Verhalten insbesondere des Ministerpräsidenten erweist.

(Möhrmann [SPD]: Das gibt’s doch bei ihm gar nicht, defensiv!)

Das 20 Seiten umfassende Papier, das die Staatskanzlei bzw. der Ministerpräsident vorgelegt hat,

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Es kommt doch nicht auf die Länge an!)

ist Papier gewordene Dokumentation einer gigantischen Niederlage eines Ministerpräsidenten,

(Beifall bei den GRÜNEN)

der im vergangenen August seinen Mund weit aufgerissen hat

(Plaue [SPD]: Wovon träumen Sie ei- gentlich nachts? Mit einer Selbstge- fälligkeit steht sie da und verbläst ihre Weisheiten!)

und etwas verkündet hat, was er jetzt wieder zurücknehmen muss, weil er im Land keine Unterstützung für seine Schulstrukturreform gefunden hat.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Da lachen ja die Hüh- ner!)

Fast alles, was er sich in seinem schulpolitischen Sachverstand vorgestellt hat, alles, von dem die Kultusministerin dann Tage später behauptet hat „Eigentlich war ich es ja; das sind alles meine Ideen“, ist sozusagen vom Tisch. Die Sekundarschule wird es in Niedersachsen nicht geben; sie ist

vom Tisch. Zwölf Jahre bis zum Abitur als Regelschulzeit wird es nicht geben; das ist vom Tisch. Die groß angekündigte Offensive für Ganztagsschulen ist auf zusätzliche Angebote zusammengeschrumpft, die auch eher klein sind.

Ich will als Einzelbeispiel in dieser Aktuellen Stunde selbstverständlich den Dreh- und Angelpunkt der geplanten Strukturreform des Ministerpräsidenten herausheben: die Orientierungsstufe.

Sie erinnern sich: Im März vergangenen Jahres hat die Kultusministerin noch gesagt: Die Orientierungsstufe bleibt wie sie ist, auch wenn der Landeselternrat meckert.

Wenig später hat der Ministerpräsident gesagt: Über die Orientierungsstufe können wir reden; schau´n wir mal; mit mir wird es alles geben, nur keine Rückkehr zu der Aussortierung nach Klasse 4. – Genau dies verkündet er dann aber im August desselben Jahres als seine Initiative: Die Orientierungsstufe wird abgeschafft; nach Klasse 4 findet eine Sortierung der Kinder in das allgemein bildende Schulwesen statt; Schulformabhängige Förderstufen werden eingerichtet; die Grundschule empfiehlt unter Ausschaltung des Elternwillens, welches Kind welche Förderstufe in welcher Schulform besuchen soll.

Darauf folgte eine gigantische Debatte in diesem Land, die Walter Meinhold noch gestern Abend auf einer Podiumsdiskussion in Hildesheim als etwas sehr Positives dargestellt hat.

(Wulf (Oldenburg) [SPD]: Natürlich ist sie das!)

Meine Damen und Herren, es ist positiv, wenn sich Menschen über realistische Vorschläge auseinander setzen. Aber es ist negativ, wenn die Kraft derjenigen, die sich auf die Qualitätsverbesserung in ihren Schulen konzentrieren und zu diesem Zweck beginnen, Schulprogramme zu entwerfen, diese Arbeit einstellen, weil sie ernst nehmen, was immerhin ein Ministerpräsident und nicht irgendeine schulpolitische Sprecherin, irgendeine Fraktion oder auch irgendeine Ministerin zu seinem Ziel erkoren hat. Es ist kontraproduktiv, wenn Schulträger massenweise die geplanten Sanierungen, Umbauten oder Neubauten ihrer Schulen auf die lange Bank schieben, weil sie den Ministerpräsidenten ernst nehmen und nicht wissen, wofür sie denn nun planen sollen,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

für die Erweiterung ihrer Orientierungsstufe, für die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule oder für alles einzeln.

Klarheit über die Orientierungsstufe und deren Zukunft gibt es schließlich immer noch nicht, meine Damen und Herren.

(Busemann [CDU]: Kein Wort!)

In dem 20-seitigen Niederlagenpapier hat der Ministerpräsident etwas Neues geboren. Grundschullehrer und –lehrerinnen sollen Schüler und Schülerinnen auch in den Klassen 5 und 6 begleiten.

(Glocke des Präsidenten)

Das hört sich gut an, aber wie ist das denn praktisch vorstellbar? Heißt das, dass Grundschullehrer und –lehrerinnen die Kinder in die Förderstufe des Gymnasiums begleiten, was sicherlich ein pädagogischer Gewinn für das Gymnasium wäre, aber praktisch nicht umsetzbar ist?

Der Nebel um die Orientierungsstufe ist auch durch dieses Niederlagenpapier dichter geworden, und darüber steht die Frage: Was ist und was will denn eigentlich sozialdemokratische Schulpolitik?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Plaue [SPD])

Das Wort hat die Frau Abgeordnete Seeler.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Ihrer Sucht, gekünstelt-witzige Titel formulieren zu wollen, um so die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, haben die Grünen diesmal wirklich ein Eigentor geschossen.