Brigitte Litfin

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird dem Antrag der CDU-Fraktion zustimmen. Wir waren schon damals, als der erste Antrag der CDU-Fraktion gestellt worden ist, der Meinung, dass es gut und richtig ist, wenn sich die konfessionell gebundenen Grundschulen für Kinder anderer Konfessionen öffnen.
Ich gehe noch weiter und sage: Es ist gut, wenn sich die konfessionellen Grundschulen für Kinder öffnen, die keiner Konfession angehören.
Ich denke, es wird noch ein relativ weiter Weg sein, bis wir so weit sind.
Es kann doch nur gut und richtig sein, wenn wir versuchen, allen Kindern eines Stadtteils die Gelegenheit zu geben, auch diese Grundschulen zu besuchen und die besondere Pädagogik, die an manchen konfessionell gebundenen Grundschulen ausgebildet worden ist, auch anderen Kindern, die nicht dieser Konfession angehören, zugute kommen zu lassen. Unter dem Strich möchten wir gerne, dass all diese Grundschulen auch - wie man früher gesagt hat - Gemeinschaftsschulen werden.
Ich meine, dem Dialog der Religionen kann es nur nutzen, wenn er bereits in der Grundschule anfängt. Das heißt, es müsste auch anderer als z. B. nur katholischer Religionsunterricht für die Schüler und Schülerinnen vorgehalten werden. Damit würde eine Erweiterungsregelung einhergehen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe inhaltlich den Worten meiner beiden Vorredner nichts mehr hinzuzufügen, sondern möchte das hohe Haus nur noch darauf hinweisen, dass die Aufgabe, die wir uns gemeinsam vorgenommen haben, nicht so leicht zu lösen sein wird. Denn es ist ja nicht so, dass wir davon ausgehen können, dass alle Bücher, die in der Zeit von 1933 bis 1945 in die öffentlichen Bibliotheken und Archive gelangt sind, unrechtmäßig erworben worden sind. Es wird, glaube ich, sehr lange dauern, die Bestände zu prüfen, weil viele der Aufzeichnungen, die damals gemacht worden sind, verloren gegangen sind bzw. weil keine Aufzeichnungen gemacht worden sind.
Es kann also durchaus auf die nächste Landesregierung zukommen, den einen oder anderen Euro für diese Arbeit ausgeben zu müssen. Aber die Aufgabe sollte uns dieses Geld wert sein. Denn an
dieser Stelle geht es darum, dass wir alle ständig daran zu denken haben, dass wir nicht vergessen dürfen. Dazu möchte ich Sie auffordern.
Im Anschluss an Ihre Antwort, Herr Minister, frage ich: Wie oft finden solche Märkte, Ausstellungen und Messen in Niedersachsen statt?
Frau Ministerin, gestern Abend ist in einer Fernsehsendung ein Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung aufgetreten, der erklärte, es sei ja noch gar nicht bewiesen, wer betrogen habe; es könne auch sein, dass Hinterbliebene die Versicherungskarte der Verstorbenen genutzt haben und sich darauf haben ärztlich behandeln lassen. Sind Ihnen Fälle bekannt, wo so etwas geschehen ist, dass z. B. die Enkelin die Krankenversicherungskarte ihrer Oma benutzt hat?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Plaue!
Der CDU-Politiker Fromme hat mit seinen Aussagen in einem Punkt Recht: Diejenigen, die Ganztagsschulen wollen - auch in Niedersachsen -, wollen die Gesellschaft verändern. Sie wollen sie sozialer und gerechter gestalten. Das werden wir nur mit einer Ganztagsschule erreichen, in der wir die Bildungszeit für die Kinder, insbesondere für die Kinder, die aus Elternhäusern kommen, die es beim Begleiten des Großwerdens der Kinder sehr, sehr schwer haben, ausweiten bzw. erweitern. Wir alle sind gerade hinsichtlich dieser Kinder in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass auch sie in die Lage versetzt werden, sich maximal gut zu entwickeln. Das wird die CDU mit dem von ihr vorgeschlagenen Ganztagsangebot bzw. Nachmittagsangebot - „Schule“ kann man das ja gar nicht nennen – nicht erreichen. Wir alle wissen, dass vorprogrammiert ist, dass gerade diejenigen Kinder und Jugendlichen, die es besonders nötig hätten, an diesen freiwilligen Angeboten nicht teilnehmen werden, weil sie häufig aus Elternhäusern stammen, die kapituliert haben, die sich um die Erziehung und das Großwerden dieser Kinder und Jugendlichen nicht mehr kümmern und die Kinder wild aufwachsen lassen, woran sie aus meiner Sicht schlecht gehindert werden können. Denn wir können ja nicht in das Elternrecht eingreifen.
Eines können wir aber tun. Das wollen Rote und Grüne in diesem Haus. Wir können das Angebot an Ganztagsschulen so ausweiten, dass für jedes Kind, für jeden Jugendlichen eine solche Schule erreichbar zur Verfügung steht. Dabei darf es sich nicht um reine Angebotsschulen handeln, sondern wir müssen dafür sorgen, dass diese Schulen verpflichtend ganztags mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten, damit die Bildungszeit maximal ausgeschöpft werden kann.
Der Kollege Busemann hat den Kollegen Wulf gefragt, ob er denn nichts zu verkaufen habe. Ich glaube, der Kollege Busemann wird etwas zu verkaufen haben, wenn er - der Herr mag uns davor schützen - in diesem Lande Kultusminister werden sollte.
Er hat zu verkaufen und wird verkaufen die Zukunft gerade derjenigen Kinder, die bei PISA - 25 % - als diejenigen aufgefallen sind, die kaum Lesekompetenz haben und nicht in der Lage sein werden, später einmal einer qualifizierten Berufstätigkeit nachzugehen. Gerade die Interessen dieser Kinder werden von der CDU nicht gesehen und nicht vertreten. Ich weiß nicht, ob man auf Ihrer Seite nicht ausreichend sehfähig ist oder ob es darum geht, gesellschaftliche Verhältnisse festzuschreiben, Gesellschaft nicht sozialer und gerechter zu machen, Chancengleichheit nicht zu realisieren. Ich enthalte mich da einer Bewertung.
Ich glaube auch, dass das Konzept, das die CDU für die zukünftige Arbeit der Hauptschule hat, dazu führen wird, dass das Prinzip „Schuster, bleib bei deinen Leisten“, d. h. „Kind, bleib in deinen sozialen Verhältnissen“, weiterhin für das Schulsystem in Niedersachsen prägend sein wird.
Wenn ein Hauptschüler bzw. eine Hauptschülerin ausschließlich Unterricht bekommt, der ausschließlich auf eine Berufstätigkeit im Handwerk vorbereitet, wie die CDU sich das vorstellt, wird er oder sie nie die Chance haben, auf eine Realschule oder ein Gymnasium zu wechseln, auch wenn er oder sie das Zeug dazu hätte.
Meine Damen und Herren, dass das schulpolitische Kompetenzzentrum der CDU hauptsächlich durch juristischen Fach- und Sachverstand geprägt ist, merkt man auch daran, dass neuerdings nach dem Willen der CDU der Elternwille zur Bestimmung der Schullaufbahn der Kinder nach Klasse 4 wegfallen soll. Dafür soll den Eltern ein Klagerecht gewährt werden. Ich sehe schon die Prozesshanselei, die herbeigeführt wird, wenn die Farben in diesem Lande wechseln.
Noch einmal ganz kurz zu den Lügen, von denen hier die Rede war. Das Kurzwahlprogamm der CDU ist ehrlicher als alles, was Sie bisher vertreten haben, aber so ganz ehrlich dann doch nicht. 2 500 Stellen - das sagt die CDU nach wie vor wollen Sie schaffen. Das können Sie nicht finanzieren; das wissen wir. Im Kurzwahlprogramm schränken Sie diese Aussage aber auch ein: Wir werden diese zusätzlichen Stellen nur nicht schaffen, wenn nicht ausreichend Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung stehen.
Wir alle wissen aber, dass bundesweit nicht anständig ausgebildet worden ist und wir niemals genügend Lehrkräfte haben werden, um diese 2 500 Stellen besetzen zu können. Wahrheit und Klarheit sind ein schönes Prinzip nicht nur für Haushalts-, sondern auch für Bildungspolitik.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Pothmer, meine Großmutter hat immer gesagt: „Wo man singt, da lass‘ dich ruhig nieder. Böse Menschen haben Radio.“
Es ist auch aus der Sicht meiner Fraktion begrüßenswert, dass die CDU-Fraktion noch einmal das Thema Musik und Musikförderung an unseren Schulen in den Landtag einbringt. Wir diskutieren hier allerdings über nichts anderes als das, was wir auch im Rahmen anderer Anträge bzw. Großer Anfragen der CDU-Fraktion diskutiert haben. Ich glaube, das Ergebnis wird auch kein anderes sein.
Die Kolleginnen der großen Fraktionen haben hier eindrucksvoll dargestellt, wie wichtig die Musikförderung ist. Ich muss an dieser Stelle nichts mehr hinzufügen. Wir sollten aber auch die Kindertagesstätten nicht vergessen. Es ist auch wichtig, dass wir dafür sorgen, dass Erzieher und Erzieherinnen im Rahmen ihrer Ausbildung eine musikalische Ausbildung bekommen, die sie in die Lage versetzt, mehr als einen Akkord auf der Gitarre zu spielen; denn das würde sonst nur zur Verarmung der Musiklandschaft führen. Es würde unseren Kindern und Jugendlichen gut tun, wenn sie mehr miteinander singen würden.
An dieser Stelle darf nicht unerwähnt bleiben, dass es tatsächlich so ist - da hat die Kollegin Eckel Recht -, dass die Landesregierung bzw. das Kultusministerium, gerade was die Musikförderung und den Musikunterricht in den Schulen angeht, in der letzten Zeit eine Menge getan hat. Ich glaube, es ist eine gute Maßnahme gewesen, jemanden im Kultusministerium einzustellen - ich hoffe, er bleibt da auch -, der speziell für diesen Bereich arbeitet. Denn man sieht ziemlich deutlich, dass sich, seitdem diese Zuständigkeit geregelt ist, auch mehr tut, als sich vorher getan hat.
Selbstverständlich ist das alles noch nicht genug. Auch wir wollen mehr. Das Mehr geht in Richtung der im CDU-Antrag formulierten Vorstellungen, sodass wir die unterstützen würden. Aber, ich glaube, bis wir das Ziel erreicht haben, tatsächlich ausreichend Musikunterricht an den Schulen zu haben, müssen wir alle gemeinsam noch sehr viel Werbung insbesondere bei den Eltern für die Wichtigkeit von Musikunterricht machen. Denn den Eltern ist der Mathematikunterricht, der Englischunterricht, der Deutschunterricht allemal wichtiger als der Musikunterricht. Ich halte das für falsch. Aber wenn wir alle gemeinsam für den Musikunterricht werben, wird das wohl besser werden.
Jetzt, meine Damen und Herren, gebe ich Ihnen noch meine persönliche Einstellung zur Musik zum Besten und singe:
„Ich brauche keine Millionen. Mir fehlt kein Pfennig zum Glück. Ich brauche weiter nichts als nur Musik, Musik, Musik.“
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wünschte mir tatsächlich, dass wir an diesem wichtigen Punkt, wie wir die Landschaft der Schulen für unsere Kinder und Jugendlichen in Niedersachsen gestalten, weniger ideologisch miteinander reden könnten. Ich wünschte mir, dass die CDU tatsächlich wäre, was sie behauptet, nämlich modern. Ich muss aber feststellen, dass die Vorstellungen der CDU zur künftigen Schulstruktur so modern sind wie eine Wohnung, die das Klo auf halber Treppe hat.
Das ist höchst bedauerlich. Eines muss man der CDU zugestehen: Ihr Konzept ist klar und durchschaubar.
Es ist durchschaubar, weil es dazu dienen wird, einzuteilen oder eine Einteilung in Schichten, die schon bestehen, beizubehalten, dafür zu sorgen, dass kein Kind, kein Jugendlicher die Möglichkeit hat, die soziale Schicht seiner Herkunft zu überwinden und aufzusteigen, wie man heute so schön modern sagt.
Nun zu den Konzepten der SPD. Das neue Schulgesetz ist alles andere als modern.
Unter dem Strich - das ist eine ärgerliche Geschichte - wird die Förderstufe an die weiterführenden Schulen angebunden. Das wird genau die gleichen Auswirkungen haben wie das, was sich die CDU ganz klar und einfach strukturiert vorstellt. Ich kann nicht verstehen, dass es jemanden in der SPD gibt, der daran glaubt, dass in der Förderstufe am Gymnasium massenweise die Arbeiterkinder, die Aussiedlerkinder, die Kinder nicht deutscher Herkunft zu finden sind und dass wir an der Förderstufe der Hauptschule massenweise die Arzt- und Apothekerkinder finden werden. Die Gymnasien werden dafür sorgen, dass sie die Heterogenität ihrer Schülerschaft selbst bestimmen.
Das heißt, die Entscheidung, welchen Schulabschluss Kinder in Niedersachsen machen werden, wird viel früher fallen, nämlich bereits in der Grundschulzeit mit der Entscheidung, an welche der verschiedenen Förderstufen dieses Kind gehen darf. Das ist also anders, als es jetzt mit der Orientierungsstufe der Fall ist.
Die Schulträger - das hat die CDU fein unserem Antrag, den wir später noch beraten werden, entnommen - weigern sich, dieses Konzept umzusetzen. Sie weigern sich mit guten Gründen. Denn dieses Konzept ist viel zu teuer, es ist pädagogisch nicht sinnvoll, und es wird die Kommunen überfordern. Gucken Sie sich einmal die Gemeinde Uetze mit ihren 20 000 Einwohnern und Einwohnerinnen im Landkreis Hannover an. Die hat überlegt: Wie machen wir es hier mit der Förderstufe, wenn wir sie an die weiterführenden Schulen anbinden müssen? - Sie ist zu dem Ergebnis gekom
men: Wir müssen neu bauen. Dieser Neubau wird uns mehr als 6 Millionen Euro kosten. Diese Kommune hat jetzt aber schon 5,8 Millionen Euro Schulden. Das sind die Auswirkungen auf die Kommunen!
Die Stadt Hannover hat gesagt: Wenn wir die Förderstufe an die weiterführenden Schulen anbinden, werden wir für Schulneubauten wahnsinnig viel Geld ausgeben müssen. Also entscheiden wir: Wir binden die Förderstufe an die Grundschulen an; dann müssen wir überhaupt nicht neu bauen.
Es ist pädagogisch sinnvoll, die gemeinsame Schulzeit auf mindestens sechs Jahre auszudehnen, nicht aber, wie es die SPD-Fraktion vorhat, zu verkürzen. Nach unserem Modell, das wir heute Nachmittag noch einmal vorstellen werden, sollen drei bis vier der jetzt bestehenden Grundschulen mit einer Orientierungsstufe - sie kann von mir aus „Förderstufe“ heißen; sie kann von mir aus aber auch „Gabriel-Stufe“ heißen, das ist mir völlig egal, nur, damit der Ministerpräsident das Gefühl hat, dass das irgendwie auf seinem Mist gewachsen ist - einen Schulverbund bilden können. Solch ein Schulverbund hätte den Vorteil, dass wir Fachlehrerinnen und Fachlehrer in ausreichender Anzahl haben und nicht erst zusätzlich einstellen müssen. Er hat den Vorteil, dass keine Kommune neu bauen muss, sondern dass alle vorhandenen Schulgebäude und -räume weiterhin genutzt werden können. Schließlich hat ein Förderverbund den Vorteil, dass für alle Schüler tatsächlich eine sechsjährige gemeinsame fördernde Schulzeit organisiert werden kann.
In diesem Modell können Sie den Rückgang der Zahl der Schüler dafür nutzen, in die ersten sechs Jahre des Schullebens eines Kindes z. B. mehr Förderstunden zu geben, damit die Kinder die Möglichkeit bekommen, ihr Fundament fester zu legen und später besser darauf aufzubauen.
Ich hoffe, dass die Wähler und Wählerinnen in Niedersachsen so klug sein werden, meine Fraktion und damit ein Konzept zu stärken, das tatsächlich zukunftsweisend ist und von dem man behaupten kann, dass versucht wird, Chancengleichheit zu realisieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Busemann hat hier behauptet, die SPD habe kein Konzept. Ich denke, das Problem ist eher, dass die Regierung zu viele Konzepte im Schulbereich hat
und dass diese Konzepte nicht zueinander passen wollen, sondern dass sie teilweise einander widersprechen
und dass in den Schulen eher der Eindruck von Chaos entstanden ist, in dem man sich nur noch schlecht oder gar nicht orientieren kann.
Das Schlimme ist, dass die Konzepte entweder nicht ernst gemeint sind oder nicht verstanden werden. Ich kann es mir nicht anders erklären, wenn die Frau Kultusministerin die selbständige Schule - die sehr, sehr gut ist - hoch hält und uns allen in der letzten Landtagssitzung erzählt, die Grundschule in Hude habe ein wunderbares Förderkonzept und eine wunderbare Förderstruktur;
diese Struktur werde sie, die Kultusministerin, allen anderen Grundschulen zunächst empfehlen; wenn die sie nicht freiwillig übernähmen, würde sie sie ihnen verordnen. Wo bleibt da die Selbstständigkeit? Entweder ist das Konzept nicht verstanden worden - das wäre sehr, sehr unangenehm -, oder es ist nicht ernst gemeint, und das ist, glaube ich, noch unangenehmer.
Ich will versuchen, Ihnen kurz und knapp unseren Antrag zu erläutern. Ich meine, wir haben lange genug miteinander, gegeneinander, aneinander vorbei über PISA geredet.
Wir können nicht umhin, uns bewusst zu werden, dass PISA festgestellt hat, dass in den Ländern, in denen Kinder relativ lange gemeinsam gefördert werden, die Leistungsergebnisse dieser Kinder, wenn sie denn Jugendliche und 15 Jahre alt sind, wesentlich besser sind als bei uns in der Bundesrepublik Deutschland. Die Wissenschaftler haben uns auch erklärt, warum das geschieht. Sie haben uns ins Stammbuch geschrieben, dass unsere Schulen keine fördernden Schulen sind, dass sich der Unterricht ändern muss, dass er individueller auf jedes einzelne Kind und seine Bedürfnisse eingehen muss.
Zu Busemanns Kritik, wir wollten das Sitzenbleiben abschaffen: Das möchte ich gern. Ich würde gerne das Sitzenbleiben abschaffen. Professor Baumert, auch der „deutsche PISA-Papst“ genannt,
ein Mensch, der wirklich etwas von seinem Fach versteht, hat dazu gesagt, Sitzenbleiben sei das offene Eingeständnis nicht erkannten Förderbedarfs.
Das leisten sich andere Länder, deren 15-Jährige dann viel bessere Leistungen erbringen als unsere 15-Jährigen, schon lange nicht mehr. Sie erkennen den Förderbedarf, und sie können auf Sitzenbleiben verzichten. Auch bei uns ist ja festgestellt worden, dass Sitzenbleiben nicht weiterhilft, sondern dass das sitzen gebliebene Kind, der sitzen gebliebene Jugendliche nach wie vor im unteren Leistungsbereich auch der neuen Klasse herumdümpelt, weil nicht ausreichend gefördert wird.
Wir wollen den Beispielen folgen, die uns andere Länder geben. Aber wir sind auch vernünftig. Ich habe in der letzten Sitzung gesagt, die Haushalte des Landes Niedersachsen für die nächsten Jahre haben keine Haushaltslöcher, sondern sie sind ein einziges Loch. Das heißt, wir müssen sehen, wie wir möglichst effektiv und effizient ein Schulwesen organisieren, durch das wir unsere Kinder und Jugendlichen maximal fördern können.
Deshalb schlagen wir dem Landtag heute vor, dass Schulverbünde gegründet werden, in denen sich jeweils bis zu vier Grundschulen mit einer Orientierungsstufe zusammentun und dafür sorgen, dass die Kinder, die diese Schulen besuchen, sechs Jahre lang miteinander durch eine pädagogische Hand nach einem pädagogischen Konzept gefördert werden, damit sie sich adäquat entwickeln können.
Dieses Modell hat den Vorteil, dass die Schulträger nicht neu bauen müssen, nicht anbauen müssen; denn vorhandene Räume können weiterhin genutzt werden. Dieses Modell hat den Vorteil, dass - so sage ich - der Zwang zur Zusammenarbeit von Grundschule und jetziger Orientierungsstufe, die von mir aus auch Förderstufe heißen kann - das ist mir ganz egal -, ganz unmittelbar besteht, weil es quasi eine Schule ist, die mit diesen Kindern sechs Jahre lang arbeitet.
Dieses Modell hat den Vorteil, dass Sie uns Grünen nicht mehr vorwerfen können, in unserer sechsjährigen Grundschule sei der Fachlehrer- und Fachlehrerinnenbedarf nicht zu decken. Denn die benötigten Fachlehrer und Fachlehrerinnen haben wir an der jeweiligen Orientierungsstufe. Wir haben so die Möglichkeit, sie schon vorher, also in den ersten vier Bildungsjahren der Kinder, in den Grundschulen einzusetzen.
Wir hätten mit diesem Modell auch das Problem der fehlenden Englischlehrer- und -lehrerinnen an den Grundschulen gelöst. Da haben wir immer noch ein gigantisches Problem. Die Landesregierung hat zwar ad hoc Englisch ab Klasse 3 eingeführt. Das ist eine gute Maßnahme. Die würden wir auch unterstützen wollen. Aber sie hat das Fachlehrer- und Fachlehrerinnenproblem nicht gelöst, sodass Englisch fachfremd unterrichtet werden muss, was relativ misslich ist, weil an dieser Stelle gerade beim Lernen einer Fremdsprache Didaktik sehr, sehr wichtig ist. Die fehlt dann in der Grundschule. Viele Orientierungsstufenlehrer und -lehrerinnen erzählen uns, dass sie das, was die Kinder in der Grundschule nicht strukturiert gelernt haben, zunächst einmal wieder beseitigen müssen, um für die Kinder Struktur in die Fremdsprache zu bringen. Auch das können wir uns nicht leisten. Es ist aus meiner Sicht aus dem Fenster geworfenes Geld und vertane Bildungszeit der Kinder.
Wir sehen in einem weiteren Punkt in unserem Antrag vor, dass die Landesregierung aufgefordert werden soll, auf die Profilklassen, die sie bilden will und in denen Kinder in zwölf Jahren das Abitur ablegen sollen, zu verzichten. Das ist ein sehr, sehr teures Modell. Wir werden nicht allzu viele Kinder oder Jugendliche haben, die in diese Klassen gehen. Das heißt, die Anzahl der Klassen an den Gymnasien wird sich erhöhen. Wir werden für diesen „Sonderzug“ zusätzliche Lehrkräfte brauchen. Es ist vorprogrammiert, dass wie in anderen Bundesländern, die so etwas schon ausprobiert haben, ein Großteil der Schüler und Schülerinnen nach einem halben Jahr oder nach einem Jahr wieder in den normalen Zug im Gymnasien zurückwechselt und wir nur relativ wenig Schüler und Schülerinnen in dem „Schnellzug“ übrig behalten.
Das Modell, das die Sozialdemokratie favorisiert, benachteiligt die ländlichen Räume. Denn wir werden an den kleinen Gymnasien solche Profilklassen überhaupt nicht zustande bekommen, weil wir sie mit zehn Schülern oder Schülerinnen nicht fahren können. Denen können wir gar nicht genug Wahlmöglichkeiten bieten. Das wäre pädagogisch absoluter Unfug. Also werden wir die ländlichen Bereiche auch bei diesem Modell wieder abhängen, insbesondere die Bereiche, in denen wir nur 11 % Abiturienten und Abiturientinnen haben, ein Wert, den wir erhöhen müssen. Wir müssen sehen, dass auch in den ländlichen Bereichen mehr Jugendliche höhere Bildungsabschlüsse machen,
wenn wir weiterhin eine gedeihliche Entwicklung in unserem Land haben wollen.
Wir schlagen den Sozialdemokraten und natürlich auch der CDU - ich fürchte nur, sie wird uns nicht folgen - vor, dass an allen Gymnasien Angebote gemacht werden, organisiert etwa in Form von Arbeitsgemeinschaften, für Schüler und Schülerinnen, die vorhaben, das Abitur schneller als nach 13 Schuljahren abzulegen. Wer eine bestimmte Anzahl dieser Angebote annimmt, hat dann die Möglichkeit, nach zwölf Jahren das Abitur zu machen.
Dieses Modell hat den Vorteil, dass diese Angebote auch allen anderen Schülern und Schülerinnen offen stehen, die nicht vorhaben, so schnell zum Ende ihrer allgemein bildenden Schulzeit zu kommen, sodass mehr Schüler und Schülerinnen die Möglichkeit haben, interessen- und neigungsbezogen zu lernen. Dass dies das lukrativste Lernen ist, wobei die meisten Arbeitstechniken erworben werden, ist wohl allen Kollegen und Kolleginnen in diesem Hause klar. Dazu muss man gar nichts weiter sagen.
So können wir individuell dafür sorgen, dass einzelne Schüler und Schülerinnen nach zwölf Jahren ihr Abitur ablegen. Aber wir lassen den anderen die Zeit, die sie brauchen, um zum Abitur zu kommen, von mir aus nach 13 Jahren. Nach 14 Jahren sollte es gar nicht mehr sein, weil es Sitzenbleiben nicht mehr geben sollte.
Noch ein Wort zum Schulgesetz der CDUFraktion: Der Kollege Busemann hat gesagt: Unser Schulgesetz macht die Verhältnisse klar. - Das Schulgesetz der CDU-Fraktion macht nicht die Verhältnisse klar, es zementiert die Verhältnisse. Das kann man wollen. Wenn man konservativ ist, kann man sagen, es soll alles so bleiben, wie es ist. Dann muss man eben ein solches Schulgesetz vorlegen. Damit ist aber auch die politischideologische Position ziemlich klargestellt, obwohl, Kollege Busemann, ich feststellen muss, dass Sie auch gelernt haben. Jahrelang ist hier vorgetragen worden, die Hauptschule solle die einzige Schule sein, die den Hauptschulabschluss vergeben darf, und zwar nur den. Davon findet sich jetzt im Schulgesetz der CDU-Fraktion nichts mehr wieder.
An dieser Stelle scheinen Sie sich tatsächlich beraten lassen haben. Das ist ganz gut. Aber die Durchlässigkeit ist natürlich in dem Schulgesetz der CDU-Fraktion überhaupt nicht garantiert.
Denn niemand, der diesen speziellen, auf Handwerk und Berufsausbildung orientierten Hauptschulunterricht genossen hat, wird die Möglichkeit haben, in den Klassen - ich weiß nicht: was haben Sie gesagt? - 7 und 9 auf ein Gymnasium zu wechseln. Das ist schier unmöglich. Aber auch das, Kollege Busemann, haben Sie ziemlich deutlich gesehen und deshalb die Fachgymnasien in Ihrem Schulgesetzentwurf festgeschrieben und aufgewertet. So wissen wir denn auch, wie die Durchlässigkeit realisiert werden soll. Die gibt es dann nach der allgemein bildenden Schulzeit, was aber - an der Stelle haben Sie nicht richtig überlegt - für die betroffenen Schüler und Schülerinnen wieder länger dauert. Das heißt, Sie werden einen Teil dieser Schüler und Schülerinnen wieder sehr viel später im Berufsleben haben,
als Sie sie eigentlich haben wollen.
Ärgerlich ist, dass man mit diesem Schulgesetz der CDU-Fraktion gegen die CDU nicht mehr so viel Propaganda machen kann, weil wir leider nicht mehr so viel Zeit haben. Wir werden es nicht einmal mehr beraten können. Aber im Grunde ist es des Beratens auch nicht wert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Vockert, Sie wissen doch ganz genau, dass meine Fraktion diejenige ist, die die allermeisten Anträge zur inhaltlichen Veränderung von Schule vorgelegt hat,
die am allermeisten zur Veränderung von Unterricht vorgetragen hat. Das ist tatsächlich der Drehund Angelpunkt. An der Stelle haben Sie mit den Vorwürfen gegen mich oder meine Fraktion nicht Recht. Aber Sie haben Recht mit den Vorwürfen gegen die Landesregierung.
Auch ich sehe nicht, dass flächendeckend eine gigantische Ausweitung von Lehrerfortbildungs
kursen stattgefunden hat, in denen z. B. angeboten wird, das binnendifferenzierende Lehren zu erlernen; denn die allermeisten unserer Lehrkräfte können so nicht unterrichten. Das werden sie aber müssen, wenn die Förderstufe à la SPD tatsächlich durchgesetzt werden sollte, was wir alle ja nicht hoffen. Aber in meinem Konzept würden sie auch binnendifferenzierend unterrichten müssen.
Von daher wäre ich ganz glücklich, wenn die Regierung das jetzt schon organisiert hätte, sodass Lehrkräfte darauf vorbereitet würden.
Frau Ministerin, ich meine schon, dass Sie den Unterschied zwischen unserem Konzept und Ihrem Konzept begriffen haben. Ich möchte das nur noch einmal deutlich machen, damit hier im Saal keine Irritationen entstehen.
Was wir wollen, ist etwas ganz anderes als das, was die SPD-Fraktion will bzw. bereits in ihr Schulgesetz gegossen hat. Die SPD will die Förderstufen an die weiterführenden Schulen anbinden. Dazu sagt das DIPF-Gutachten, dass diejenigen Orientierungsstufen, die mit einer Hauptschule oder mit einer Haupt- und Realschule verbunden sind, 25 % bis 33 % weniger Gymnasialempfehlungen aussprechen als die selbständigen Orientierungsstufen. Genau das werden Sie mit den Förderstufen an den Haupt- und Realschulen erreichen. Der so genannte Halte- oder Klebeeffekt wird eintreten. Diese Schulen werden zusehen, ihr System zu erhalten, und werden deshalb versuchen müssen, möglichst viele Jugendliche in den Hauptschulen zu halten, und gerade auch versuchen müssen, eine Leistungsspitze zu haben. Das wollen wir aber nicht.
Wir wollen alle Förderstufen mit Grundschulen zu einem gemeinsamen System verbinden, weil Grundschulen am förderfähigsten sind und weil dann tatsächlich nach sechs Jahren die Entscheidung fachlich fundierter fallen kann, da keine weiterführende Schule beteiligt ist.
Das tue ich. - Wie Ihre Förderverbünde mit zehn beteiligten Schulen und mit Förderverbundkonferenzen funktionieren sollen, die allenfalls Abstimmungs-, aber weder Gestaltungs- noch Entscheidungsgremium sind, das möchte ich einmal sehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um auf die für Niedersachsen sehr schlechten Ergebnisse von PISA E bereits zu reagieren, bevor sie überhaupt vorlagen, hat Ministerpräsident Gabriel am 20. Juni 2002 angekündigt, dass Niedersachsen bis spätestens 2007 das Zentralabitur einführen wird. Damit soll das Leistungsniveau in den niedersächsischen Schulen angehoben werden, obwohl Schulforscher wie Prof. Hans-Günter Rolff und Prof. Klaus Klemm darauf hingewiesen haben, dass es keinen wissenschaftlich gesicherten Zusammenhang zwischen Zentralabitur und guten Leistungen gebe.
Der jüngste Beschluss des SPD-Bezirks Hannover zeigt, dass es auch innerhalb der derzeitigen Regierungspartei offenbar noch erhebliche Zweifel an Sinn und Zweck des Zentralabiturs gibt.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche empirischen Erkenntnisse der Schulforschung belegen, dass ein Zentralabitur zu einem höheren Kompetenzerwerb in der Schule führt?
2. In welcher Weise sollen sich die zentralen Abiturprüfungsaufgaben auf die geplanten nationalen Bildungsstandards beziehen?
3. In welcher Weise sollen die Prüfungsergebnisse des Zentralabiturs ausgewertet und für die Qualitätsentwicklung der einzelnen Schulen nutzbar gemacht werden?
Frau Ministerin, Sie haben das Zentralabitur als Qualitätssicherungsinstrument im Rahmen des geplanten Projektes „Selbständige Schule“ beschrieben. Empfinden Sie es als effektiv, das, was am Ende des Prozesses steht, zu etablieren, bevor der Prozess begonnen hat?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich müsste die Landesregierung dafür gelobt werden, dass sie 700 neue Lehrer und Lehrerinnen, junge Menschen vollere Schwung und Elan für den niedersächsischen Schuldienst gesichert hat. Wenn man genau hinschaut, dann muss man auch sagen: Es war dringend erforderlich, diese 700 Leute zu dem absolut unüblichen Zeitpunkt 1. November einzustellen, um zu verhindern, dass der Lehrerklau aus anderen Ländern mal wieder zuschlägt. Diese Menschen sind also für den niedersächsischen Schuldienst gerettet worden.
Wenn man dem Thema aber weiter nachgeht, dann muss man sagen, dass nicht ausreichend ausgebildet worden ist, dass wir im Lehrerberuf eine Mangelsituation haben.
Das hat diese Landesregierung zu vertreten. Die Opposition hat die Landesregierung seit mindestens neun Jahren, seitdem ich dem Parlament angehöre, darauf hingewiesen, dass an den niedersächsischen Universitäten und in den Ausbildungsseminaren nicht ausreichend ausgebildet wird und dass wir insbesondere fachspezifisch gigantische Probleme bekommen werden.
Jetzt haben wir die Probleme.
Man kann - an dieser Stelle hat die CDU-Fraktion Recht - leider nicht von einer seriösen Absicherung dieser 700 Stellen im Landeshaushalt sprechen.
Nun ist das aber auch schwierig zu bewerkstelligen; denn es ist ja nicht so, dass es Haushaltslöcher gäbe, sondern dieser Haushalt ist ein einziges Loch.
Es ist sehr schwierig, in einem Loch, das keine seitlichen Begrenzungen hat und dessen Tiefe niemand absehen kann, etwas zu verankern. Ich frage mich, wie die Landesregierung versuchen kann, seriös zu sein, wenn sie gleichzeitig behauptet, neben den 700 Stellen, die sie abbauen will, weil sie das Arbeitszeitkonto, nämlich die von den
Lehrkräften geliehene Arbeitszeit, zurückgeben muss, weitere 700 Stellen, also insgesamt 1 400 Stellen abbauen zu können, und dies mit einem Rückgang der Schülerzahlen begründet, obwohl dieser niemals hergibt, dass im Jahre 2004 1 400 Stellen abgebaut werden können. Das kann man nur tun, wenn man - was ja gerne gemacht wird wieder neu definiert, was 100 % Unterrichtsversorgung sind.
In ihrer ganzen Kalkulation vergisst die Landesregierung, dass sie die Folgekosten einbeziehen muss, die sie durch ihre seltsame Schulgesetzreform verursacht hat. Förderstufen, pädagogisch absolut unsinnig,
werden nach dem Willen der Landesregierung in Niedersachsen eingerichtet werden müssen. - Nach der Wahl wird sich da aber alles ändern.
Diese Förderstufen werden dazu führen, dass es in Niedersachsen 300 zusätzliche Klassen gibt und dass trotz zurückgehender Schülerzahlen nur für Lehrerstellen 75 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich ausgegeben werden müssen, um diese zusätzlichen Klassen mit Lehrkräften zu versorgen. Das kommt in der Planung der Landesregierung natürlich nicht vor. Aber wahrscheinlich geht sie, weil sie ja doch ein bisschen klug ist, davon aus, dass sie nach der Wahl hier nicht mehr die absolute Mehrheit haben wird, und verlässt sich darauf, dass ein Koalitionspartner sie schon aus der Bredouille retten wird.
Meine Damen und Herren, für dringend erforderliche Maßnahmen ist in den künftigen Haushalten kein zusätzlicher Cent vorgesehen.
Die Ministerin hat bei der letzten Tagung des Schulleitungsverbandes gesagt, sie wisse erst seit PISA, wie wichtig Lesekompetenz sei. Es ist ja schön, dass sie diese Erkenntnis nun auch gewonnen hat. Sie kündigte Leseförderprogramme an; die Leseförderung würde ein Schwerpunkt. Im Haushalt bildet sich das aber nicht ab. Die Ressortgespräche haben ergeben, dass es für Leseförderung,
die absolut erforderlich ist, nicht eine einzige zusätzliche Lehrerstunde und nicht einen einzigen zusätzlichen Cent gibt, auch nicht für die Fortbildung von Lehrkräften aus diesem Bereich, damit garantiert ist, dass wir irgendwann von der Zahl von 25 % der Jugendlichen, die kein ausreichendes Leseverständnis haben, herunterkommen.
Diese Landesregierung ist unseriös.
Unseriös ist die Finanzierung, die Absicherung der Stellen. Ich hoffe, die nächste Landesregierung wird sich alle Mühe geben, diese 700 Stellen langfristig für den Kultushaushalt zu sichern. Wenn die Grünen dabei sind, wird das auch gelingen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, Ihre perfiden Unterstellungen gegen meine Fraktion werden nicht dadurch wahrer, dass Sie sie hier ständig gebetsmühlenartig wiederholen.
Wir haben alle unsere Vorschläge immer mit Finanzierungsvorschlägen begleitet.
Wir haben zu jeder Haushaltsberatung in diesem Hause Finanzierungsmöglichkeiten vorgeschlagen. Wir waren diejenigen, Herr Kollege Plaue, die bei unseren Haushaltsvorschlägen darauf gedrungen
haben, dass das Land Niedersachsen Schulden abbaut,
dass das Land Niedersachsen tatsächlich spart. Sie haben diese Vorschläge immer negiert.
Wahrscheinlich werden wir diejenigen sein müssen, die den Karren aus dem Dreck ziehen.
Mal sehen, inwieweit das dann noch möglich ist.
Wenn die Ministerin das Gutachten des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung zur Zukunft der Orientierungsstufe gelesen hätte, dann könnte sie hier nicht behaupten, dass das, was wir wollen, was die Grünen wollen, nämlich eine mindestens sechsjährige gemeinsame Schulzeit, teurer als dieses seltsame, nebulöse, von niemandem verstandene Förderstufenmodell wäre.
Frau Ministerin, wenn in Ihrer Bildungspolitik Kreativität herrschen würde, dann wären Sie längst auf die Idee gekommen, dass man z. B. eine Orientierungsstufe mit mehreren Grundschulen zusammenlegen könnte, dass man daraus einen Schulverbund gründen könnte, dass man so eine gemeinsame sechsjährige Schulzeit organisieren könnte, alle Fachlehrer und Fachlehrerinnen zur Verfügung hätte, die man braucht, dem Schulträger zusätzliche Baukosten ersparen könnte. Durch dieses Modell wären Sie in der Lage, die zurückgehenden Schülerinnen- und Schülerzahlen im Grundschulbereich auch fiskalisch zu nutzen. Statt dessen machen Sie diese seltsamen Geschichten mit der Förderstufe, von denen niemand weiß, warum und weshalb.
Ich meine, die Menschen in diesem Lande, besonders die Eltern, sind gut beraten, wenn sie sich
nach dem 2. Februar auf andere Leute verlassen als auf diese Regierung, als auf diese Kultusministerin.
Aufträge werden prompt erfüllt.
Frau Ministerin, der Landeselternrat hatte seine Stellungnahme überschrieben mit dem Titel „Förderkonzept mangelhaft”. Ein Drittel der befragten Elternräte hat angegeben, dass an ihrer Schule Förderunterricht sehr selten oder nie stattfindet. Welche Erkenntnisse haben Sie über den Förderunterricht an den Verlässlichen Grundschulen?
Frau Ministerin, ich glaube, spätestens nach PISA sind wir alle uns darüber einig, dass insbesondere die lernschwächeren Schüler und Schülerinnen in unseren Schulen stärker gefördert werden müssen, als das in der letzten Zeit der Fall war.
Die Eltern, die die Verlässlichen Grundschulen vertreten, die mit sonderpädagogischem Förderbedarf ausgestattet sind, haben besonders viele Klagen. Dort wird insbesondere das Förderkonzept oft nur mit „mangelhaft“ bewertet. Wie wollen Sie das ändern?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir konnten es heute Morgen alle hören: Die Evaluation der Elternzufriedenheit mit dem Modell Verlässliche Grundschule ist wahrscheinlich im Rahmen von Verwaltungsreform dem Landeselternrat überlassen worden. Der Landeselternrat hat recherchiert und tatsächlich herausbekommen, dass 61 % der Eltern weitgehend zufrieden sind, was uns aber auch nicht wundert. Denn es ist ja schon ein familienpolitisch zu bewertender Vorteil für Eltern, wenn sie sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder zu festen Zeiten in der Schule sind. Ich meine, das ist in diesem Hause unstrittig. Wir alle wollen, dass sich Eltern auf diese Zeiten verlassen können, aber im Gegensatz zur Kultusministerin bzw. zur Landesregierung wollen wir Grüne weiterhin - ich hoffe, dass das auch die CDU will -, dass die Zeit für die Kinder genutzt wird, und zwar als Bildungszeit. An dieser Stelle hat die Evaluation des Landeselternrates sehr negative Ergebnisse gebracht.
Wir müssten uns nach den PISA-Ergebnissen darüber einig sein, vor allen Dingen im Grundschulbereich sehr viel mehr Wert darauf zu legen, dass die Zeit, die die Kinder in den Schulen verbringen, tatsächlich Bildungszeit für sie ist. An dieser Stelle, Kollege Meinhold, versagt die Verlässliche Grundschule, denn der Wunsch der Eltern nach Förderung ihrer Kinder wird nach Auffassung der Eltern und auch nach Auffassung meiner Fraktion nicht erfüllt.
In diesem Bereich besteht große Unzufriedenheit, insbesondere in dem Bereich, in dem viele Kinder sehr viel Förderbedarf haben, nämlich bei den Grundschulen, die mit sonderpädagogischer Grundversorgung arbeiten. Dort ist der Unwille, der Unmut der Eltern besonders riesig.
Die Eltern haben gesagt, sie hätten den Eindruck, dass dort Förderunterricht so gut wie gar nicht stattfindet. Der Landeselternrat hat evaluiert. Die Ministerin war heute Morgen nicht in der Lage, uns Auskunft über die Erkenntnisse der Landesregierung zum Förderunterricht an den Verlässlichen Grundschulen und zur Situation der Verlässlichen Grundschulen überhaupt zu geben. Die Ministerin hat keine eigenen Recherchen angestellt; sie muss sich darauf verlassen, was andere, hier etwa die Eltern, ihr erzählen. Sie hat sich auch nicht darauf vorbereitet, dass wir ein Riesenproblem bekommen werden, wenn das restliche Drittel der Grundschulen verlässlich wird. Schon jetzt sagen 65 % der Eltern, dass sie große Schwierigkeiten hatten, Vertretungslehrkräfte für ihre Schulen zu finden. Diese Schwierigkeiten werden sich potenzieren, insbesondere in den ländlichen Bereichen, wo wir keine Lehrerausbildungsstätten haben und wo nur wenig pensionierte Lehrkräfte bereit und in der Lage sein werden, Vertretungsunterricht an den Verlässlichen Grundschulen zu geben.
Es ist keine Frage, wir alle werden miteinander nicht in der Lage sein, das wirklich sehr gute Modell von der Vollen Halbtagsgrundschule für alle Grundschulen umzusetzen. Darum geht es auch nicht. Indem ich das sage, möchte ich der immer wieder geäußerten Kritik der Regierung an uns vorbeugen. Es geht darum, das jetzige Modell dringend zu verbessern. Insbesondere müssen wir dafür sorgen, dass der Förderunterricht in die Garantie der 100-prozentigen Unterrichtsversorgung aufgenommen wird. Wir müssen auch dafür sorgen, dass den Schulen, deren Einzugsbereich in einem sehr schwierigen sozialen Umfeld liegt, mehr Ressourcen für die Förderung der benachteiligten Kinder zur Verfügung gestellt werden, weil wir alle diese Kinder und ihre Begabungen brauchen werden, wenn wir in der Zukunft als Gesellschaft gut weiter bestehen wollen.
Deshalb bedauere ich es außerordentlich, dass sich die SPD-Fraktion nicht in der Lage gesehen hat,
unserem Antrag wenigstens in Teilen zuzustimmen. Ich sehe das als Lernunfähigkeit an. Das kann man sich im schulpolitischen Bereich nicht leisten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als vor einem Jahr die Ergebnisse von PISA veröffentlicht wurden - wir erinnern uns alle noch ganz genau -, ist das Selbstbild unseres Landes als Nation der Dichter und Denker erheblich erschüttert worden. Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass die Lesekompetenz unserer 15-Jährigen deutlich unter dem Durchschnitt der OECD-Länder liegt. Die Leistungen der deutschen Spitzenschüler und -schülerinnen sind im internationalen Vergleich nur Mittelmaß. Auch die deutschen Gymnasien erbringen bei weitem nicht solche Spitzenleistungen, wie sie das von sich selbst immer geglaubt haben.
Merkwürdig wenig beachtet wurde jedoch der dramatischste Befund von PISA. Wenn man vergleicht, wie viele Schülerinnen und Schüler nicht einmal die unterste Stufe der Lesekompetenz erreichen, so kommt man zu dem Ergebnis, dass Deutschland mit 10 % nicht nur unter dem Durchschnitt, sondern deutlich im Schlussfeld liegt. Nur Lettland, Luxemburg, Mexiko und Brasilien schneiden noch schlechter ab. Sogar mehr als 20 % der Jugendlichen in Deutschland erreichen nicht
die Kompetenzstufe 2, also die Stufe, die auf den Mindeststandards des Deutschunterrichts basiert. Diese Jugendlichen werden nicht nur erhebliche Schwierigkeiten haben, eine Berufstätigkeit auszuüben; denn - das wissen Sie - Berufstätigkeit auszuüben erfordert immer mehr Qualifikation. Vielmehr werden sie auch Probleme haben, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und ihr eigenes alltägliches Leben zu bewältigen; denn - auch das wissen Sie alle - dort wird alles komplizierter.
Auch auf diese Kinder und Jugendlichen ist die Gesellschaft angesichts der geringen Vermehrungsrate, die sich die Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland mittlerweile angewöhnt hat, angewiesen. Die PISA-Forscher bezeichnen diese Jugendlichen deshalb als Risikoschüler. Aber wir müssen hier doch gemeinsam feststellen: Das Risiko sind nicht diese Jugendlichen. Das Risiko für diese Jugendlichen ist unser Schulwesen, unser Bildungswesen.
Die meisten dieser Jugendlichen kommen aus schwierigen, benachteiligten Verhältnissen. Die deutsche Schule ist bisher nicht in der Lage, den Bildungsbedürfnissen dieser Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden.
Das ist keineswegs nur ein Problem für diese Jugendlichen selbst, sondern es ist ein Problem für unsere Gesellschaft, weil es die soziale Spaltung vertieft und verfestigt, die für unsere Gesellschaft insgesamt einen erheblichen Sprengstoff bedeutet. Auch die Mitarbeiterin der Shell-Studie Ruth Linssen hat kürzlich im Forum Bildung festgestellt: An der Bildung wird sich die Gesellschaft teilen. Dem gilt es entgegenzuwirken.
Die Ergebnisse beim nationalen Vergleich PISA E waren für Niedersachsen noch erschreckender. 27 % der Jugendlichen in Niedersachsen erreichen nicht die Stufe 2 der Lesekompetenz. 12 % erreichen nicht einmal die unterste Stufe. Das sind doppelt so viele wie im OECD-Schnitt. Das sind viermal so viele wie in den Spitzenländern Schweden, Irland, Kanada und Finnland. Unter den westdeutschen Flächenländern bildet Niedersachsen hier beschämenderweise das Schlusslicht.
Die Landesregierung hat diesen nun wirklich alarmierenden Befund weitgehend ignoriert. Unsere Kultusministerin versucht sogar, die für Niedersachsen beschämenden Ergebnisse zu färben. Sie weist darauf hin, dass die Gymnasien in einigen Fächern im innerdeutschen Vergleich immerhin noch ganz ordentlich abgeschnitten hätten.
In seiner ersten Reaktion auf PISA E hat unser Ministerpräsident angekündigt, in Niedersachsen das Zentralabitur einführen zu wollen. Für welche Klientel diese Maßnahme gedacht ist, wissen wir. Sie hilft auf jeden Fall nicht den benachteiligten Kindern und Jugendlichen, denen, die besonders große Probleme haben; denn in aller Regel werden sie im heutigen Bildungssystem erst gar nicht zum Abitur geführt.
Zur Haupt- und Realschule hat er gesagt, dort müsse man die Unterrichtsversorgung verbessern. Er hat Recht. Dafür sind wir alle gemeinsam. Aber ein Konzept für eine qualitative Verbesserung ist die Verbesserung der Unterrichtsversorgung noch lange nicht. Die Landesregierung neigt ja dazu, Maßnahmen zu ergreifen, die nichts weiter bedeuten, als mit mehr des Gleichen zu versuchen, Missstände zu beseitigen. Das klappt jedoch nicht. Wir brauchen einen qualitativ anderen Unterricht, wenn die Schulen in der Lage sein sollen, insbesondere die benachteiligten Kinder und Jugendlichen zu fördern. Diese Gruppe der Kinder und Jugendlichen ist in Niedersachsen jahrelang vernachlässigt worden. Heute hat Niedersachsen mit 5,1 % den höchsten Anteil an Sonderschülern und Sonderschülerinnen und mit 10,1 % den höchsten Anteil an Jugendlichen, die die Schule ohne jeden Abschluss verlassen. Das entspricht exakt dem Anteil der Schülerinnen und Schüler, die bei PISA unter der Kompetenzstufe 1 geblieben sind. Die Förderung dieser Kinder und Jugendlichen muss Ausgangs- und Mittelpunkt einer verantwortungsbewussten Schulpolitik sein.
Beginnen muss diese Arbeit bereits in den Kindertagesstätten. Darüber haben wir gestern bereits in der Aktuellen Stunde diskutiert. Im Grundsatz sind sich alle Parteien einig. Aber die Landesregierung weigert sich immer noch, diese Erkenntnisse in Handeln umzusetzen, weil sie die Kosten fürchtet. Das ist hier gestern sehr deutlich geworden. Natürlich wird es teurer, wenn wir die Kindergärten mit Erziehern und Erzieherinnen ausstatten, die
in Deutschland so ausgebildet werden, wie es in unseren europäischen Nachbarländern Standard ist. Nur die Rahmenrichtlinien für die Erzieherausbildung zu überarbeiten, reicht bei weitem nicht aus. Wenn die Erzieherinnen in der Lage sein sollen, die motorische, musische, kognitive und soziale Entwicklung der Kinder intensiv zu fördern, dann brauchen sie eine Ausbildung auf Fachhochschulniveau. Dann wird auch die heutige miese Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher nicht mehr ausreichen.
Aber wir werden keine Chance haben, Anschluss an die PISA-Spitzenländer zu erreichen, wenn der Elementar- und Primarbereich in Deutschland so unterfinanziert bleibt, wie er es heute im OECDVergleich ist. Hier ist eine Umverteilung der finanziellen Mittel dringend erforderlich; denn wir bauen im Bildungsbereich ein Haus mit einem goldenen Dach auf einem wackeligen Fundament. Spitze, Frau Vockert, sind wir im OECD-Vergleich bei den Ausgaben für die gymnasiale Oberstufe; da sind wir ganz oben. Aber für die Grundschule geben wir am wenigsten aus.
Wir fordern die Landesregierung auf, die Kindertagesstätten endlich als Bildungseinrichtungen ernst zu nehmen und die erforderlichen Mittel dafür aufzubringen.
Auch in Bezug auf die Grundschule ist ein grundsätzliches Umdenken angesagt. Länder wie Finnland und Schweden sind nicht deshalb bei PISA so erfolgreich, weil sie möglichst früh Zensuren erteilen oder die Kinder möglichst früh auseinander sortieren, wie die CDU-Fraktion es will, sondern sie sind erfolgreich, weil sie jedes Kind mit seinen individuellen Fähigkeiten fördern, es mit seinen individuellen Problemen ernst nehmen und unterstützen. In jeder Schule stehen dort Sonderpädagogen in ausreichender Zahl zur Verfügung, und es gibt andere Fachkräfte, um wirklich jedes Kind mitnehmen zu können.
Wir fordern die Landesregierung in unserem Antrag auf, das Konzept der sonderpädagogischen Grundversorgung endlich aus dem Schattendasein des Alibiprojektes herauszuholen. Den Schulen muss eine ausreichende Zahl von Sonderpädagogen und anderen Fachkräften zur Verfügung gestellt werden, um alle Kinder gezielt individuell fördern zu können. Das gilt ganz besonders für die
ersten sechs Jahrgänge; denn hier werden die Grundlagen für den weiteren Bildungsweg gelegt. Je mehr dort investiert wird, desto weniger Mittel werden später gebraucht werden.
Besondere Anstrengungen sind auch für die Integration der Kinder ausländischer Herkunft erforderlich. Wir begrüßen zwar, dass die Landesregierung bereits einiges für die Sprachförderung dieser Kinder tut. Aber das reicht bei weitem noch nicht aus. Die Schule muss noch wesentlich mehr an interkultureller Kompetenz entwickeln. Vor allem muss die Zusammenarbeit mit den Eltern der Migrantenkinder verbessert werden, denn diese Kinder haben oftmals deswegen einen geringen schulischen Erfolg, weil sie von ihren Eltern nicht unterstützt werden können. Wie sollen die Eltern ihre Kinder auch fördern, wenn sie selbst nur wenig Deutsch können und ihnen das deutsche Schulwesen oftmals außerordentlich fremd ist? Ich bin der Meinung, dass es auch Aufgabe des Landes ist, Sprachkurse für Eltern einzurichten und Elternberatungseinrichtungen zu unterstützen.
Wir haben gestern von unserem Ministerpräsidenten gehört, seine Rolle sei, unsere Anträge erst einmal zurückzuweisen. Wir hoffen trotzdem, dass er endlich bereit ist, mit uns gemeinsam die große, aber Gewinn bringende Aufgabe der Förderung benachteiligter Kinder und Jugendliche anzunehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon ein trauriges Bild, das wir hier von der die Regierung stützenden Landtagsfraktion und von der Landesregierung bekommen haben. Die Kollegin Seeler bietet an, dass wir gemeinsam einen Antrag erarbeiten, und die Frau Ministerin geht als Vertreterin der Landesregierung, die eigentlich die Aufträge des Parlaments entgegenzunehmen und auszuführen hat, in die Bütt, erzählt uns im Einzelnen, wieso das nun alles überhaupt nicht geht,
zählt wie immer die Millionenbeträge auf, die es angeblich kostet,
und damit ist die Sache für sie gestorben. Ich meine, so leicht können wir die Probleme, die vor uns liegen, wirklich nicht zur Seite schieben. Wir müssen sie lösen, und zwar müssen wir sie gemeinsam lösen. Wenn wir das gemeinsam wollen und gemeinsam sagen, dass gerade benachteiligte Kinder und Jugendliche mehr Förderung brauchen, dann müssen wir gemeinsam etwas tun, und dann finden wir auch Möglichkeiten. Da vermisse ich die Anstrengungen der Landesregierung. Ich kann die Aneinanderreihungen von Zahlen nicht mehr hören, und ich darf die Landesregierung auch darauf hinweisen, dass die Opposition es nicht zu vertreten hat, dass der Landeshaushalt so aussieht, wie er heute aussieht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegin Andretta hat Recht: Bedarfsgerecht und flexibel, so sollte die Lehrer- und Lehrerinnenausbildung in Niedersachsen sein. Sie hat auch Recht mit Ihrem Hinweis darauf, dass wir nicht zulassen können, dass Heere von Deutschlehrern und -lehrerinnen ausgebildet werden, die dann an den Schulen nicht einstellt werden können. Überhaupt nicht erwähnt aber hat sie die Ausbildung der Sonderschullehrer und -lehrerinnen.
An der Stelle haben wir ein Riesenproblem. An der Stelle müssen wir etwas ändern. An den Sonderschulen haben wir die mieseste Unterrichtsversorgung, die es in Niedersachsen, bezogen auf alle Schulformen, überhaupt gibt.
An den Sonderschulen gibt es reihenweise unbesetzte Stellen, weil es keine Bewerber und Bewerberinnen gab. Wir haben immer noch die Situation, dass Studienbewerber abgelehnt werden, dass sie keinen Studienplatz bekommen, obwohl auch die Pensionierungszahlen im Sonderschulbereich besonders hoch sind. Es ist für mich verräterisch, dass die SPD-Fraktion darauf nicht mit einer Silbe eingeht,
dass sie offensichtlich wieder einmal nicht an diejenigen denkt, die unser aller Hilfe besonders bedürfen. Für mich bemisst sich der Wert einer guten Schulpolitik noch immer an dem Umgang mit den Schwächsten.
Hier beweist sich, dass die Schwächsten wieder völlig negiert werden. Sie kommen in der Argumentation noch nicht einmal vor.
Wir hätten gemeinsam die Möglichkeit gehabt, aus dem Antrag der CDU-Fraktion einen gemeinsamen Antrag zu machen. Ich denke, auch die CDUFraktion wird einsehen, dass wir keine Heere von Deutschlehrern und Deutschlehrerinnen ausbilden wollen. Wir hätten gemeinsam unseren politischen Willen artikulieren können und hätten gemeinsam dafür sorgen können, dass insbesondere im Sonderschulbereich bessere und angenehmere Situationen geschaffen werden. Deshalb wird meine Fraktion die Ablehnung des CDU-Antrages nicht unterstützen. In seiner Pauschalität wäre er zwar abzulehnen. Aber wir hätten die Chance gehabt, aus diesem Antrag etwas zu machen, was dringend nötig wäre. Diese Chance jedoch haben wir nicht ergriffen.
Frau Ministerin, warum ist der sehr kompetente Landesrechnungshof nicht in die Planungen über die Bündelung der Wirtschaftsförderung und in die Erarbeitung des Feinkonzeptes der IN-Bank einbezogen worden?
Frau Ministerin, welche Auswirkungen wird die Abkopplung des Bereichs Wirtschaftsförderung von den beiden anderen Bereichen – Wohnungswesen und Agrarförderung - auf die Landestreuhandstellen haben?
Frau Ministerin, erfreut habe ich gehört, dass neue Qualitätssicherungsmaßnahmen für die Verbesserung von Unterricht schon immer Ihr Anliegen gewesen sind.
Deshalb frage ich Sie: Ist es nicht eine gigantische Verschwendung von Ressourcen, wenn Sie Lehrer und Lehrerinnen zunächst mit einer überflüssigen Schulstrukturreform überziehen
und sich dann um neue Qualitätssicherungsmaßnahmen kümmern?
Meine zweite Frage: Im Rahmen der Qualitätssicherungskonzepte, die in der freien Wirtschaft, von der wir an dieser Stelle tatsächlich eine Menge lernen können, benutzt werden, ist es üblich, dass man die Arbeitszufriedenheit bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, aber auch die Zufriedenheit mit der Spitze, mit der Führung des Unternehmens erhebt. Denkt die Landesregierung bzw. das Kultusministerium auch an solche Maßnahmen, also an eine Evaluation der Arbeitszufriedenheit der Lehrkräfte?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! KarlHeinz Klare, zum ersten Teil deiner Rede kann ich sagen: Mir wäre es ganz lieb, wir hätten es nicht zum 23. Male hören müssen. Mir wäre es aber auch lieb gewesen, wenn du einfach die Reichhaltigkeit der deutschen Sprache genutzt hättest. Es gibt so viele Ausdrücke, die man verwenden kann, sodass man nicht immer von „Manipulation“ und diesen Geschichten sprechen muss.
- Ich bin keine Lehrerin.
Du hast im zweiten Teil deiner Rede völlig zu Recht gesagt, die Förderstufe sei nicht die Antwort auf PISA. Das ist eine richtige Feststellung. Aber das von der CDU gewünschte, starr gegliederte Schulwesen nach Klasse 4 ist erst recht keine Antwort auf PISA.
Jetzt zu Frau Seeler: Die Kollegin Seeler hat hier behauptet, die Opposition im Hause lehne nur aus wahlkampftaktischen Gründen alles ab. Das tun wir nicht. Frau Kollegin Seeler weiß sicherlich auch, dass wir die selbstständige Schule, die Schule mit Gestaltungsfreiheit, aber auch die Schule, die Verantwortung für ihr Handeln trägt, ständig in diesem Landtag fordern. Frau Seeler als im Vorstand der SPD-Fraktion für die Bildungspolitik zuständige Kollegin müsste eigentlich auch wissen, dass dieses hohe Haus ein solches Modell - und zwar einstimmig auf einen Antrag der Grünen hin - für die berufsbildenden Schulen bereits beschlossen hat. Dort kann sie die Vorreiterrolle der Grünen auch nicht bestreiten. Von daher frage ich mich, wie Sie zu dieser Aussage kommen.
Bei den positiven Punkten, die Frau Kollegin Seeler für die PISA-Gewinnerländer aufgestellt hat, hat sie einen einzigen vergessen. All die Länder, die von ihr aufgezählt worden sind, haben eine sehr viel längere gemeinsame Schulzeit, als wir sie in der Bundesrepublik Deutschland kennen. Deshalb, Frau Seeler, kann dort kein Kind mit dem Bemerken weggeschickt werden, es sei auf der falschen Schule. Weil dort kein Kind sitzen bleiben kann, wissen alle Lehrer und Lehrerinnen von Anfang an: Das alles sind unsere Kinder, und sechs, acht oder zehn Jahre werden wir diese Schüler und Schülerinnen in ihren Bildungsprozessen unterstützen.
Deshalb ist der Anreiz auch besonders groß, so eine Pädagogik zu entwickeln, die den Fördergedanken in den Vordergrund stellt und die individuelles Arbeiten mit jedem Kind in den Vordergrund des pädagogischen Handelns der gesamten Schule rückt.
Ich wünschte mir, dass Sozialdemokratie so realistisch wäre, auch diesen Punkt zu sehen und nicht zu meinen, dass es gelingen kann, durch eine Schulstrukturreform, die im Endeffekt dafür sorgen wird, dass wir Eingangsstufen des gegliederten Schulwesens haben werden, dazu beizutragen, Kinder langfristig zu fördern und - das sagen Sie ja immer - auch zu fordern. Ich finde, Fordern ist auch Fördern. Ein leistungsstarkes Kind fördere ich dadurch, dass ich ihm Leistungsanreize gebe, dass ich ihm die Aufgaben stelle, die es bewältigen kann, weil es schnell lernt.
Wir haben natürlich sehr viele Fragen zu Ihrem Antrag, den wir im Grundsatz unterstützen, weil es die Richtung ist, die wir immer schon gegangen sind. Ich frage mich immer noch: Was sollen denn die zentralen Prüfungselemente für die zentralen Abschlussarbeiten sein, die es dann geben soll? Wird das darauf hinauslaufen, dass allen Schülern und Schülerinnenn im Lande die gleichen Mathematikaufgaben gestellt werden? Oder sind wir so klug, dass es darauf hinausläuft, dass die Fähigkeiten geprüft werden, etwa die Fähigkeit, selbstständig zu arbeiten, etwa die Fähigkeit, Inhalte, Wissensbestände miteinander zu verknüpfen? Das sind doch die richtigen Fähigkeiten, die wichtigen Fähigkeiten, die unsere Kinder und Jugendlichen in der Zukunft brauchen werden und deren Fehlen nicht nur durch TIMSS, sondern verstärkt auch durch PISA festgestellt worden sind.
Ich meine, dass wir diesen Antrag gemeinsam sachlich und positiv werden beraten können. Ich hoffe aber auch, dass Sie die Kompetenz der Grünen an dieser Stelle ernst nehmen werden. Wir beschäftigen uns schon sehr viel länger mit diesem Thema und wissen wohl auch mehr darüber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Hohe Haus ist inzwischen daran gewöhnt, die Jubelanfragen - und die Antworten darauf - anzuhören, die gerade eine Regierungsfraktion stellen muss, wenn sie versuchen will, darzulegen, welch gute Arbeit ihre Regierung gemacht hat.
Für den Kulturbereich gilt, dass im Hause des Ministers tatsächlich außergewöhnlich engagierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sitzen, die sich mit Kunst- und Kulturförderung sehr intensiv beschäftigen und sehr, sehr gute Beratungsarbeit leisten und denen es insbesondere in den letzten Jahren trotz immer knapper werdender Finanzmittel nicht nur gelungen ist, weite Bereiche der Kunst- und Kulturförderung aufrecht zu erhalten, sondern eben auch neue Bereiche in die Programme aufzunehmen. Die Kollegin Bührmann hat zu Recht festgestellt, wie wichtig inzwischen insbesondere die Soziokultur in unserem Land ist. Die Soziokultur hat aber dann keine Perspektive - das gilt auch für viele andere kulturelle Einrichtungen -, wenn es den Kommunen weiterhin finanziell so schlecht geht, wie das gerade der Fall ist. Die hannoverschen soziokulturellen Initiativen haben sich zusammengetan und machen demnächst eine Veranstaltung - ich kann Ihnen allen nur raten, dort hinzugehen -, weil es dort lichterloh brennt. Ich zitiere hier einmal aus einem Aktionsblatt des Aktionsbündnisses Kulturfraß: Die Stadt Hannover plant in diesem und im nächsten Jahr aufgrund der Auflage der Regierungspräsidentin, bei den Beihilfen 2 Millionen Euro einzusparen. Das bedeutet eine 10-prozentige Kürzung der Summe, die wir freien Kulturschaffenden bislang an Zuwendungen erhalten haben. Erschwerend kommt dazu: Stadt und Region Hannover reduzieren das Programm „Hilfe zur Arbeit“ von 600 auf 150 geförderte Stellen, d. h. für uns, dass zurzeit kaum Personen nach dem Bundessozialhilfegesetz eingestellt werden können und Arbeitskräfte fehlen. Nebenbemerkung: Viele Künstlerinnen beziehen Sozialhilfe und können über § 19-BSHG-Stellen in Kultureinrichtungen temporär arbeiten.
Die gleiche Misere gibt es bei den Musikschulen. Auch dort ist zu beklagen, dass die kommunalen Zuschüsse immer weiter zurückgehen. Ohnehin ist zu beklagen, dass das Land Niedersachsen auch die Musikschulen bisher nur mit 2 % gefördert hat, während der Schnitt bundesweit bei 11 % liegt. Beispielsweise die Stadt Oldenburg, der Landkreis Leer und die Stadt Einbeck haben bei den Musik
schulen Kürzungen vorgenommen bzw. angekündigt. Andere Gebietskörperschaften – z. B. mein Landkreis Hildesheim - haben die Förderung ihrer Musikschulen bereits auf null gefahren.
Auch ich, Frau Kollegin Bührmann, halte die Arbeit der Kunstschulen für sehr gut und unverzichtbar. Aber von 42 Kunstschulen werden nur 29 gefördert, davon fünf Kunstschulen dadurch, dass sie die Räume in den Kommunen mietfrei zur Verfügung gestellt bekommen. Das ist keine langfristige sichere Basis, auf der sie planen können. Elf dieser Kunstschulen haben Kürzungen angedroht bekommen bzw. bei ihnen sind schon Kürzungen vollzogen worden. Zu diesen Perspektiven sagt die Antwort der Landesregierung nichts aus. Dazu hat die Anfrage auch nicht genau Auskunft haben wollen. Das kann ich auch verstehen.
Musikschulen und Kunstschulen könnte man noch verschmerzen, wenn das, wofür eigentlich das Kultusministerium bei Kunst- und Kulturförderung zuständig ist, nämlich Musik- und Kunstunterricht in den Schulen, anständig laufen würde. Aber auch hier müssen wir beklagen, dass dort nach wie vor der größte Teil des Unterrichts ausfällt und dass gerade nach TIMMS und PISA immer mehr auf die „harten“ Fächer Wert gelegt wird und dass auf die künstlerisch-ästhetische Bildung - da sind wir uns ja einig, Frau Kollegin Bührmann - nur noch wenig Wert gelegt wird. Die neuen jungen Kunstvereine, von denen Minister Oppermann hier gesprochen hat, werden ja auch von uns allen begrüßt. Wir wollen sie alle haben. Aber auch bei ihnen stellt sich die Frage: Wie kann es denn gelingen, in Zukunft noch neue junge Kunstvereine in die Förderprogramme aufzunehmen, wenn die Mittel der Förderprogramme immer geringer werden?
Eines liegt mir sehr am Herzen: Zur Kulturarbeit und zur Kulturpolitik gehört auch die Gedenkstättenförderung. Unsere Gedenkstätte in BergenBelsen hat - ich meine, wir haben das Jürgen Trittin zu verdanken - einen riesigen Bundeszuschuss bekommen, damit die Arbeit dort ausgeweitet werden kann. Und was passiert jetzt? - Die Stelle des Leiters des Pädagogischen Dienstes, kürzlich durch Pensionierung frei geworden, wird nicht wieder besetzt, obwohl die Zahl der Besucher- und Besucherinnengruppen dort weiterhin rasant steigt. Das empfinde ich als skandalös. Da kann ich die Regierungsfraktion nur auffordern und dringend bitten, sich dafür einzusetzen, dass auch diesem Bereich der Kulturpolitik Aufmerksamkeit geschenkt und
dafür gesorgt wird, dass die pädagogisch hochwertige Arbeit, die dort geleistet worden ist, auch in Zukunft fortgesetzt werden kann.
Vermisst habe ich das freiwillige kulturelle Jahr in Ihrer Anfrage. Das ist doch eine tolle Geschichte. Die sollten wir ausweiten.
Sehr viele Jugendliche und junge Erwachsene haben sich dafür beworben, und zwar, so glaube ich, fünf- oder sechsmal mehr, als Stellen zur Verfügung standen. Wir müssen uns gemeinsam darum kümmern, dass wir mehr Stellen bekommen und mehr Jugendliche in diese Programme aufgenommen werden können.
Lieber Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Bei der neuesten schulpolitischen Initiative, die der Ministerpräsident dieses Landes, assistiert von seiner Kultusministerin, in jüngster Zeit vorgetragen hat, könnte man den Eindruck gewinnen, er sei „der späte Grüne“. Ich hoffe, er kommt nicht zu spät. „Der späte Grüne“ deshalb, weil Freiheit und Verantwortung für Schulen ein Thema ist, das sich wie ein grüner Faden durch all unsere schulpolitischen Anträge der letzten beiden Wahlperioden zieht. Bereits vor acht Jahren habe ich ein Konzept zur Umgestaltung der Schulbehörden erarbeitet, das davon ausgegangen ist, dass die Schulen weitestgehende Gestaltungsfreiheit bekommen. Damals haben wir keine Unterstützung bekommen - um das gelinde auszudrücken. Ich kann mich sogar an Häme erinnern.
In der Zwischenzeit ist viel passiert. In der Zwischenzeit ist viel Motivation und auch viel Vertrauen in den Schulen zerstört worden. So frage ich mich, ob es gelingen wird, aus dem Scherbenhau
fen, der angerichtet worden ist, ein Kunstwerk zu machen.
Man kann ja nun wirklich nicht sagen, dass die Schulen in den letzten Jahren freier geworden wären, sondern das Korsett, in dem sie stecken, ist immer enger geschnürt worden. Wenn man jetzt zu den im Korsett Eingeschnürten sagt „Nun sei mal frei und atme tief durch!“, dann hoffe ich, dass sie das überhaupt können.
Der Paradigmawechsel, der hier vorgesehen ist, ist richtig. Ich glaube, darüber besteht mittlerweile Einigkeit in diesem Hause. Für diesen Paradigmawechsel, der die Arbeit in den Schulen wirklich umkehrt, brauchen die Schulen aber Begleitung, Unterstützung, Beratung und auch Garantien.
Sie brauchen in allererster Linie eine Ressourcengarantie. Denn wie soll ich frei und selbständig die Arbeit meiner Schule planen, wenn ich mich nicht darauf verlassen kann, dass die Lehrkräfte, die ich habe, auch noch zum nächsten Halbjahr da sein werden, wenn ich damit rechnen muss, dass zum nächsten Halbjahr vielleicht zwei oder drei meiner Kollegen versetzt werden, und wenn ich nicht weiß, wie ich dann die Lücken stopfen soll? Diese Garantien vermissen wir in dem Konzept von Sigmar Gabriel.
Was die Schulen aber auch brauchen, ist Vertrauen. Wir müssen auf die Kraft, auf die Professionalität in den Schulen vertrauen, und die Landesregierung muss sich sicher sein, dass sie den Schulen zutraut, dass diese in der Lage sind, ihre eigene Arbeit eigenständig zu organisieren.
Ich meine, dieses Vertrauen ist nicht vorhanden bzw. wird nicht dokumentiert. Es sind ja eher Zumutungen, die jetzt formuliert werden. Zu Beginn der nächsten Wahlperiode werden sich die Schulen, wenn diese Landesregierung allein bleibt, nicht nur damit herumstreiten müssen, wie die Schulstrukturreform umgesetzt werden soll - das wird viel Kraft und viele Kämpfe vor Ort kosten -, sondern sie sollen gleichzeitig mit dem Prozess der Entwicklung ihrer Eigenständigkeit beginnen. Wie das gelingen soll, ist mir wirklich noch ein großes Rätsel, insbesondere deshalb, weil die Kultusministerin durch die Lande zieht und wie letztens in Verden verkündet „Ruhe für die Schulen wird es nicht geben“. Für diese Entwicklungsprozesse
brauchen die Schulen aber Ruhe! Sie brauchen Gelassenheit, um tatsächlich selbständig werden zu können!
In den vergangenen Jahren haben die Schulen alles andere als das große Vertrauen erlebt. Eher das Gegenteil war der Fall. Ihnen ist gesagt worden: Fortbildung kann nicht mehr stattfinden, wann ihr es wollt, sondern wir schreiben euch vor, wann das sein soll. Wir schreiben euch vor, wann alle Lehrkräfte im Lande an den Schulen präsent zu sein haben. Wir schreiben euch vor, welche Vergleichsarbeiten geschrieben werden sollen. - Das ist kein Ausdruck von Vertrauen, sondern eher das Gegenteil.
Die neue Herausforderung der Freiheit braucht aber auch eine klare Linie an der Spitze. Auch diese klare Linie vermisse ich. Seit Jahren läuft an einigen Schulen das QuiSS-Programm. Das sind Schulen, die die Selbständigkeit bekommen haben, die jetzt alle bekommen sollen. Glauben Sie ja nicht, dass die Ergebnisse dieses Programmes ausgewertet worden wären, bevor das neue Konzept allgemein gültig verkündet worden ist. So kann man mit der Arbeit der Leute, die sich dort wirklich den Hintern aufgerissen haben, nicht umgehen!
Ich möchte dem Ministerpräsidenten und der Frau Kultusministerin ganz gerne ein in der Wortwahl sicherlich überzogenes, inhaltlich aber aus meiner Sicht treffendes Zitat von Stanislaw Jerzy Lec mit auf den Weg geben.
Ich beeile mich, und ich hoffe, dass Sie darüber nachdenken. Lec sagt:
„Wie können die, die sie nie gekannt haben, die Freiheit erkennen? Und wenn sie dahinter nur eine neue List des Tyrannen vermuten?“
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Busemann, es sind absolut keine Wolkenkuckucksheime, über die wir hier reden, sondern das sind aus Sicht meiner Fraktion Wege, die unbedingt gegangen werden müssen,
damit die Schulen in die Lage versetzt werden, ihre Arbeit professionell zu tun. Das sind Wege, Kollege Wulf, die wir gemeinsam gehen können. Aber diese Wege müssen auch richtig gegangen werden.
Zur Ministerin: Es war an Arroganz wirklich kaum noch zu überbieten, wie Sie hier aufgetreten sind.
Wenn Sie die schulpolitischen Debatten der letzten Jahre verfolgt haben - davon gehe ich doch einmal aus -, ist es schon eine Unverschämtheit, unseren Konzepten zu unterstellen, dass wir keine Überprüfungen und keine Qualitäts-Checks haben wollten, dass ich hier nicht immer wieder gestanden habe und von interner und externer Evaluation geredet habe.
Wenn Sie in dieser Art und Weise mit Ihrem Personal, d. h. mit den Lehrern und Lehrerinnen, umspringen - ich fürchte, das tun Sie -, müssen wir uns nicht wundern, wenn die Motivation, den Weg in die Selbständigkeit, in die Freiheit auch mitzugehen, relativ gering ist und so die Widerstände, die sich ergeben werden, größer werden, als sie sein müssen. - Sie sind auf die Motivation in den Kollegien angewiesen. Ohne die werden Sie nicht weiterkommen.
Ich fürchte, dass die Frau Ministerin unter dem Gerster-Syndrom leidet: die falsche Person für die richtige Sache.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Klein hat eben völlig zu Recht gesagt: Dann beschränken wir das neue Gesetz doch auf die 90 %, in denen sich alle einig sind. Ich glaube, dann gibt es auch in diesem Hause Zustimmung,
und ich glaube, dann gibt es tatsächlich Fortentwicklung im Schulwesen. Aber diese 90 %, die Axel Plaue hier erwähnt hat, sind Marginalien.
Es ist nicht der Kern dieses Schulgesetzes.
Der Kern dieses Schulgesetzes ist die Abschaffung der Orientierungsstufe und die Neuorganisation der fünften und sechsten Jahrgänge. Gegen diesen Kern haben sich alle, aber auch wirklich alle im Kultusausschuss Angehörten ausgesprochen.
Niemand ist dafür.
Ich möchte einmal aus einer Petition zitieren, die ich erst heute auf den Schreibtisch bekommen habe, und zwar von Stefani Röders-Arnold, Schulelternratsvorsitzende des Gymnasiums in Soltau. Sie schreibt:
„Abgesehen davon ist die gesamte geplante Schulreform so unausgegoren wie noch keine vor ihr. Durch die Vielzahl der nicht nur zur Entscheidung anstehenden und später dann durchzuführenden Maßnahmen ist ein solches Konglomerat entstanden, dass es von einem Normalbürger überhaupt nicht mehr nachvollziehbar ist, was eigentlich mit dieser Schulreform bezweckt werden soll.“
Das, meine Damen und Herren, frage auch ich mich bis heute.