Meine Damen und Herren, ich eröffne unsere heutige Sitzung in einem fast überfüllten Haus. Die Feststellung der Beschlussfähigkeit ist mir nicht möglich. Wenn die Fraktionen das nachher sicherstellen könnten!
Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 16 - Dringliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratung in der Reihenfolge der Tagesordnung, so wie sie der Ältestenrat beschlossen hat, fort.
Ich möchte Sie noch darauf hinweisen, dass Ihnen zu Beginn der Mittagspause, also etwa um 12.30 Uhr, in der Portikushalle ein etwa zehnminütiger Gesangsvortrag des Shanty-Chors Nordgeorgsfehn geboten wird. Ich empfehle diese Darbietung Ihrer Aufmerksamkeit.
An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst - bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr - wird erinnert.
Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Herr Justizminister Dr. Weber und von der Fraktion der CDU Herr Meier.
Ich darf daran erinnern, dass die SPD-Fraktion ihre Dringliche Anfrage zurückgezogen hat, sodass noch eine Dringliche Anfrage vorliegt. Ich rufe sie jetzt auf:
a) Verkauf von Immobilienbesitz und Industriebeteiligungen durch den PreussagKonzern - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der einstmals staatliche Stahlhersteller Salzgitter AG war 1989 mit der Preussag fusioniert und umbenannt worden. Zur Mitgift gehörten nicht nur Stahlwerke, sondern auch Anlagenbauunternehmen sowie ein großer Immobilienbesitz aus mehr als 30.000 Wohnungen sowie umfangreiche Forsten, Acker- und Gewerbeland in Kiel und der Region Salzgitter.
Die Immobilien wurden im Fusionsvertrag mit nur 454 Millionen DM bewertet, weil die Wohnungen einer Sozialbindung unterlagen. Vertragsgemäß durften innerhalb der nächsten zehn Jahre, also bis 1999, nur 2.500 Wohnungen verkauft werden. Diese Zahl hätte nur überschritten werden dürfen, „wenn dies im Einklang mit der sozialen Verantwortung des Konzerns aufgrund veränderter Verhältnisse wirtschaftlich geboten ist“, wie es im Fusionsvertrag wörtlich heißt. Außerdem wurde vertraglich festgehalten, dass die Westdeutsche Landesbank ihre Beteiligung an Preussag auf 25 % vermindern müsse.
Tatsächlich verkaufte die Preussag in den Jahren nach 1989 offenbar mehr als doppelt so viele Wohnungen wie vertraglich zugebilligt. Auch hat die WestLB ihre Beteiligung am Preussag-Konzern nicht wie vereinbart verringert. Heute, nach Ablauf der Zehnjahresfrist, will der Konzern sich nahezu vom gesamten Wohnungsbestand und auch von den Anlagenbauunternehmen trennen, um aus diesen Einnahmen seine Expansionspläne im Tourismusgeschäft zu finanzieren. Obwohl der Immobilienbesitz ursprünglich zur Salzgitter AG gehörte und die Preussag sich mittlerweile von ihrer Stahlsparte getrennt hat, ist eine Forderung nach Übertragung der Immobilien auf die Salzgitter Stahl AG offiziell nie erhoben worden.
Nachdem das Land die frühere Preussag Stahl AG aufgekauft und als Salzgitter Stahl AG verselbständigt hatte, drängte der damalige Vorstandsvorsitzende der Salzgitter Stahl AG, Hans-Joachim Selenz, auf eine Rückübertragung des Immobilienbesitzes auf die Stahlsparte, notfalls auch mit
juristischen Mitteln. Diese Haltung stieß in Vorstand und Aufsichtsrat des Unternehmens auf Widerspruch, insbesondere beim IG-MetallVertreter Schmidthenner, der gleichzeitig auch dem Aufsichtsrat des Preussag-Konzerns angehörte. Unklar geblieben ist bis heute die Auffassung der Landesregierung zu dieser Frage.
1. Welche Möglichkeiten sieht sie, mögliche Verstöße des Preussag-Konzerns bzw. der WestLB gegen den Fusionsvertrag mit der Salzgitter AG auch heute noch zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren?
2. In welcher Weise haben die Immobilien und Anlagenbauunternehmen der ehemaligen Salzgitter AG bei den Verkaufsverhandlungen der Preussag Stahl AG an das Land Niedersachsen und die NORD/LB eine Rolle gespielt?
3. Welche Anstrengungen hat die Landesregierung unternommen, eine Rückübertragung des Immobilienbesitzes auf die Salzgitter Stahl AG auch nach dem Kauf des Stahlwerks noch durchzusetzen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Klarheit halber möchte ich vorab darauf hinweisen, dass die Dringliche Anfrage Vorgänge zwischen der Preussag AG und den Stahlwerken PeineSalzgitter AG, später Preussag Stahl AG, sowie der Bundesregierung behandelt. Die Landesregierung war zu keinem Zeitpunkt involviert oder auch nur zuständig. Erst seit 1998 hält das Land eine indirekte - über die HanBG - Minderheitsbeteiligung an der Salzgitter AG.
Schon aufgrund dieser historischen Tatsachen ist die Landesregierung zur Klärung der fraglichen Vorgänge nur bedingt der richtige Ansprechpartner. Soweit mir dies möglich ist, möchte ich die Fragen trotzdem beantworten. Zugleich weise ich aber darauf hin, dass die fraglichen Vorgänge bereits mehrmals Thema hier im Landtag und in den Ausschüssen waren. Erst letzte Woche hat es eine sehr ausführliche Unterrichtung im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr gegeben.
(Möllring [CDU]: Es hat den Tages- ordnungspunkt „Unterrichtung“ gege- ben! Aber eine Unterrichtung hat es nicht gegeben!)
Das Thema ist auch im Haushaltsausschuss angesprochen worden. Insofern ist es nicht so aktuell und nicht so dringlich. - Ich kann hier also nicht mit Informationen aufwarten, die dem Hohen Haus nicht ohnehin schon vorliegen.
Zu 1: Der Bund hat 1989 seine Beteiligung an der damaligen Konzernobergesellschaft Salzgitter AG, vormals Stahlwerke Peine-Salzgitter AG, an die Preussag AG verkauft. Die genaue vertragliche Ausgestaltung ist hier nicht bekannt. Vertragspartner der entsprechenden Verträge sind somit der Bund, die Preussag AG und die Salzgitter AG. Sollten Verstöße gegen vertragliche Auflagen erfolgt sein, können diese selbstverständlich nur von den Vertragspartnern verfolgt werden. Ein Recht Dritter hierzu, z. B. des Landes Niedersachsen, besteht nicht.
Den hier unterstellten Verstoß gegen Auflagen bei Teilveräußerungen des seinerzeit von der Salzgitter AG auf die Preussag AG übergegangenen Immobilienvermögens hätte insbesondere der Bund als Veräußerer aufzugreifen gehabt. Den Angaben zufolge sah die damals von der CDU geführte Bundesregierung keinen Anlass, gegen die Preussag AG Ansprüche aus Vertragsverletzungen geltend zu machen. - Eine Änderung dieser Ansicht aufseiten der nunmehr rot-grün geführten Bundesregierung ist hier nicht bekannt.
Weder vom Bundesrechnungshof noch von der Europäischen Kommission sind dem Vernehmen nach Beanstandungen geltend gemacht worden. Das Land sieht daher weder die Notwendigkeit noch eine rechtliche Möglichkeit, die Einhaltung der Verträge überprüfen zu lassen.
Zu 2: Die Immobilien und die Anlagebauunternehmen der ehemaligen Salzgitter AG befinden sich im Eigentum der Preussag AG. Sie gehören nicht zur Salzgitter AG. Der Erwerb der Preussag
Stahl AG durch die NORD/LB und das Land Niedersachsen über die HanBG erfolgte 1998, vor dem beabsichtigten Verkauf dieser Gesellschaft - und zwar ausschließlich dieser Gesellschaft - durch die Konzernmutter Preussag an einen ausländischen Konkurrenten. Die Veräußerung der Anlagebauunternehmen und der Immobilien durch die Preussag AG stand zu diesem Zeitpunkt nicht zur Debatte und hat deshalb nach hiesigem Kenntnisstand bei den Vertragsverhandlungen im Ergebnis keine Rolle gespielt.
Zu 3: Wie in der Dringlichen Anfrage richtig erwähnt, erfolgte die Übertragung des Immobilienvermögens von der ehemaligen Stahlwerke PeineSalzgitter AG auf die Preussag AG im Rahmen des Kaufvertrages aus dem Jahre 1989. Wie bereits in der Antwort zu Frage 2 dargelegt, war der in Rede stehende Immobilienbesitz nicht Gegenstand des Kaufvertrages 1998. Das Land legt Wert darauf, dass die gesellschafts- und aktienrechtlichen Regelungen eingehalten werden, die die Zuständigkeiten des Vorstandes, des Aufsichtsrates und der Hauptversammlung festlegen, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass das Land über die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft nur Minderheitsaktionär mit einem Anteil von 25,5 % ist. Das Land geht dabei davon aus, dass die Organe der Salzgitter AG stets alle zulässigen Möglichkeiten zum Vorteil des Unternehmens wahrgenommen haben und weiter wahrnehmen werden. Vor diesem Hintergrund sieht die Landesregierung für eine Rückübertragung weder die Notwendigkeit noch die rechtliche Grundlage, insbesondere nicht an Stelle von Vorstand und Aufsichtsrat.
Gleichwohl ist sich die Landesregierung der politischen und sozialen Dimension dieser Angelegenheit bewusst. Deshalb hat Ministerpräsident Gabriel unmittelbar nach Bekanntwerden der Verkaufsabsichten der Preussag den ehemaligen Bundesbauminister Karl Ravens gebeten, ein Konsortium aus Wohnungsunternehmen zu bilden, die an dem Erwerb dieser Wohnungen interessiert sind und den Mieterschutz gewährleisten können. Die NILEG, die Allwo, das BHW und die Salzgitter Wohnungsbau stehen zurzeit in Verhandlungen mit der Preussag. Über dieses Vorhaben hat Ministerpräsident Gabriel den Landtag in der SeptemberSitzung ausführlich informiert. - Ich danke Ihnen.
Herr Minister, welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Anzahl der bis 1998 vom Preussag-Konzern verkauften Wohnungen?
Die Zahl ist den Pressemitteilungen zu entnehmen, die allen zugänglich gewesen sind. Es sind ca. 8.000 Wohnungen.
Herr Ministerpräsident, liegen - - - Entschuldigung. Herr Minister, liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, welche Erlöse der Preussag-Konzern bei dem Verkauf der Wohnungen erzielt hat?