Protokoll der Sitzung vom 30.08.2002

Der Landesregierung ist seit Jahren das Problem der so genannten „Überhangstunden“ von vollzeitbeschäftigten Grundschullehrkräften bekannt, die im Stundenschema der „Verlässlichen Grundschulen“ nicht sinnvoll eingesetzt werden können. Mit Lehrermehrarbeitskonto muss eine vollzeitbeschäftigte Grundschullehrkraft 29 Unterrichtsstunden geben, das Stundenschema der „Verlässlichen Grundschule“ sieht jedoch selbst in den Schuljahrgängen 3 und 4 nur 26 Wochenstunden vor. Laut Angaben der Landesregierung gab es zum Schuljahresbeginn 2001/2002 7 860 so genannte „Überhangstunden“, was bei einer Arbeitszeitverpflichtung von 28 Wochenstunden ohne Lehrermehrarbeit pro Grundschullehrkraft 280 Lehrerstellen entspricht. Bei weiterer Umsetzung der „Verlässlichen Grundschule“ sind demnach bis zu 500 Lehrerstellen, mit denen die Unterrichtsversorgung statistisch um 1 % verbessert wird, gebunden. Die Problematik

der „Überhangstunden“ hat ferner zur Folge, dass die „Verlässlichen Grundschulen“ im Durchschnitt mit 102 % überversorgt werden müssen.

Bisher wurden Lehrkräfte mit „Überhangstunden“ etwa im Bereich von so genannten „Fördermaßnahmen“ eingesetzt, was auch zu „15-Minuten-Häppchen“ von Förderangeboten in den Pausen oder Randstunden geführt hat. Jetzt berichten Schulen, dass Grundschullehrkräfte mit „Überhangstunden“ an andere Schulen, etwa an Haupt- und Realschulen, abgeordnet werden. Vor dem Hintergrund des Grundschulstundenschemas können sie aber nur in Randstunden eingesetzt werden. Angesichts unterschiedlicher Schulanfangszeiten kommt dafür faktisch nur die 6. Unterrichtsstunde in Frage, sodass stundenplanerisch ein sinnvoller Unterrichtseinsatz überhaupt nicht möglich ist. Für die Landesregierung ergibt sich allerdings der positive Nebeneffekt, dass die Unterrichtsversorgung an der betreffenden Schule statistisch verbessert wird, ohne dieser aus ihrer Unterrichtsversorgungsproblematik wirklich herauszuhelfen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie viele Lehrerstunden werden zum Schuljahresbeginn 2002/2003 durch das bekannte Problem der so genannten „Überhangstunden“ vollzeitbeschäftigter Grundschullehrkräfte gebunden?

2. Warum lässt es die Landesregierung zu, dass Grundschullehrkräfte mit „Überhangstunden“ an andere Schulen abgeordnet werden, wo sie zwar die Unterrichtsversorgung statistisch verbessern, sinnvoll aber gar nicht eingesetzt werden können, weil sie faktisch nur in der 6. Unterrichtsstunde oder anderen Randbereichen zur Verfügung stehen?

3. Warum hat die Landesregierung bis heute kein Konzept vorgelegt, wie die wachsende Zahl der „Überhangstunden“ an „Verlässlichen Grundschulen“ in einer Größenordnung von bis zu 500 Lehrkräften, was einem Prozent der Unterrichtsversorgung entspricht, sinnvoll und qualitätssteigernd an unseren Schulen eingesetzt werden können?

Mit der Verlässlichen Grundschule ist die Stundentafel um vier Stunden für jeweils zwei Stunden Fremdsprachenlernen in den Klassen 3 und 4 erhöht worden. Damit gibt es in diesen Schuljahrgängen jetzt 26 Schülerpflichtstunden pro Woche.

Vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte haben – ohne Berücksichtigung von Anrechnungsstunden - in der Grundschule eine Unterrichtsverpflichtung von 28,0 bzw. 29,0 Stunden, wenn sie jünger als 50 Jahre sind (Arbeitszeitkonto). Der Einsatz von

Vollzeitlehrkräften stellt in jeder Grundschule besondere Anforderungen an die Gestaltung des Stundenplans. In den „normalen“ Schulen führte das in der Regel zu gestaffelten Unterrichtszeiten, d. h. wechselnden Anfangs- bzw. Schlusszeiten für den Unterricht. Diese für Eltern und Kinder oft recht unerfreuliche Situation konnte durch die Einführung der Verlässlichen Grundschulen nunmehr vermieden werden. Die festen Schulzeiten machen es erforderlich, den Verlässlichen Grundschulen die Lehrerstunden, die im Rahmen der Unterrichtsverpflichtung von Lehrkräften über 26,0 Stunden hinaus erteilt werden müssen, zusätzlich zuzuweisen.

Die Erfahrungen aus den Verlässlichen Grundschulen haben gezeigt, dass diese so genannten „Überhangstunden“ vielfältig genutzt werden können und das Unterrichtsangebot der Schule bereichern. Berichte aus vielen Verlässlichen Grundschulen haben gezeigt, dass die zusätzlichen Lehrerstunden („Überhangstunden“) für Förderund Fordermaßnahmen sehr sinnvoll eingesetzt werden. Von einer Verschwendung von Lehrerstellen kann hier also nicht gesprochen werden.

Es gibt für die Verlässlichen Grundschulen im Übrigen kein „Stundenschema“. Die Rahmenvorgaben bestimmen lediglich, dass täglich ein mindestens fünfstündiges Schulangebot für alle Schülerinnen und Schüler gemacht werden muss, und legen die Anzahl der mindestens zu erteilenden Unterrichtsstunden für die Klassenstufen fest. Hat eine Schule aufgrund großer Klassen oder besonderer Förderbedarfe mehr Unterrichtsstunden zur Verfügung, als zur Erteilung der Schülerpflichtstunden gemäß der Stundentafel erforderlich sind, kann die Unterrichtszeit auch verlängert werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Da die Statistik der allgemein bildenden Schulen erst zum Stichtag 15. August 2002 erstellt worden ist und die kontrollierten und ausgewerteten Daten zum Lehrerverzeichnis frühestens ab Mitte September vorliegen werden, kann diese Frage derzeit nicht beantwortet werden.

Das Informatikzentrum Niedersachsen kommt nach Auswertung der Lehrerverzeichnisse zum Stichtag 8. Februar 2002 zu dem Ergebnis, dass 2 215 Lehrkräfte mit einer Unterrichtsverpflich

tung von mehr als 26,0 Wochenstundenden in den 1 099 Verlässlichen Grundschulen arbeiteten. Von diesen Lehrkräften wurden 4 329 Stunden teilweise als „Überhangstunden“ und teilweise durch Abordnung an andere Schulen unterrichtet; das entspricht einem Gegenwert von 155 Stellen.

Aus diesen Daten wird deutlich erkennbar, dass die von den Fragestellern genannten Zahlen zum Umfang der „Überhangstunden“ nicht zutreffen und auch in Zukunft nicht zutreffen werden.

Zu 2: Bei der Abordnung von Grundschullehrkräften mit einer Unterrichtsverpflichtung von mehr als 26,0 Stunden ist ein pädagogisch sinnvoller Einsatz auch an anderen Schulformen möglich.

Zu 3: Auf die Ausführungen in der Vorbemerkung wird verwiesen.

Anlage 11

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 17 des Abg. Pörtner (CDU):

Länderübergreifender Leistungsvergleich des Grundschulsystems – ohne Beteiligung Niedersachsens?

Laut einem Bericht der Welt vom 9. Juli 2002 hat die Hansestadt Hamburg auch an einer erweiterten Bildungsstudie für den Grundschulbereich, Iglu genannt, von der eine aussagekräftige Bewertung des Grundschulsystems der einzelnen Bundesländer erwartet wird, nicht teilgenommen.

An der erweiterten Untersuchung haben sich demnach sieben Bundesländer beteiligt, die ihre Stichproben auf freiwilliger Basis auf 25 Schulen ausgeweitet haben, wodurch nunmehr Aussagen über die Leistungsfähigkeit ihres Grundschulsystems und Vergleiche unter den Bundesländern möglich werden. Die Ergebnisse werden in gut einem Jahr erwartet. Dem Vernehmen nach hat sich auch das Land Niedersachsen nicht an dieser erweiterten Vergleichsstudie beteiligt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Hat sich die Niedersächsische Landesregierung an der erweiterten Bildungsstudie für den Grundschulbereich beteiligt und damit Aussagen über die Leistungsfähigkeit ihres Grundschulsystems ermöglicht?

2. Wenn nein, warum verhindert sie damit länderübergreifende Vergleiche und Aussagen über die Leistungsfähigkeit des nieder

sächsischen Grundschulsystems und setzt sich dem politischen Vorwurf aus, „nicht Schwarz auf Weiß bescheinigt (zu) bekommen, wie schlecht (ihre) Bildungspolitik war“ (Die Welt vom 9. Juli 2002)?

3. Will die Landesregierung bestreiten, dass eine mögliche Nichtteilnahme auch darauf zurückzuführen ist, dass erste Vergleichsuntersuchungen wie etwa in Hannover katastrophale schulische Leistungen von Grundschülerinnen und Grundschülern aufgezeigt haben und vor dem Hintergrund einer entsprechenden Abfrageaktion

Unter Vorsitz des damaligen Niedersächsischen Kultusministers Prof. Wernstedt hat die KMK im Oktober 1997 beschlossen, sich an der internationalen Vergleichsuntersuchung zu Schülerleistungen PISA 2000 (Programme for International Student Assessment) der OECD zu beteiligen und darüber hinaus eine nationale Erweiterung der Studie (PISA-E) zum Zweck des Ländervergleichs in Auftrag zu geben. Diese Entscheidung trug der Tatsache Rechnung, dass Qualitätsentwicklung im Schulsystem nur auf der Grundlage sorgfältig ermittelter Befunde und deren systematischer Analyse erfolgen kann.

In PISA 2000 wurde standardisierte Leistungsmessung zu zwei Dritteln im Bereich der Lesekompetenz von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern getestet. Vor diesem Hintergrund wurde das Angebot der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) gerne aufgegriffen, in der internationalen Schulleistungsuntersuchung im Bereich des Leseverständnisses von Grundschülern (Process in Inter- national Reading Literacy Study, PIRLS) eine deutsche Stichprobe mit aufzunehmen. Mit Beschluss vom 25. Mai 2000 stimmte die Kultusministerkonferenz der Teilnahme aller Bundesländer an der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung zu, an der nunmehr insgesamt 35 Länder beteiligt sind. In Deutschland wird diese Studie unter der Abkürzung IGLU durchgeführt. Die Projektleitung ist dem Institut für International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg übertragen worden. Laut Vertrag werden die Ergebnisse im April 2003 vorliegen.

Ziel der Studie ist es, das Leseverständnis, die Lesefähigkeit sowie das Textverständnis von Schülerinnen und Schülern der vierten Jahrgangsklassen zu erfassen. Darüber hinaus sollen durch Lehrer-, Eltern- und Schulleiterbefragungen die

Rahmenbedingungen schulischen Lernens erhoben werden. Ziel der Studie ist es nicht, die Leistungen einzelner Schülerinnen und Schüler, einzelner Lehrkräfte oder Schulen zu prüfen. Ein Ranking ist daher nicht vorgesehen.

An der internationalen Studie nehmen in Deutschland 150 Schulen mit je zwei vollständigen Klassen teil. Niedersachsen ist dabei mit 14 Schulen beteiligt. Die Untersuchung wurde nach den Osterferien im Zeitraum zwischen dem 23. April und dem 31. Mai 2001 an einem Tag durch geschulte Testleiterinnen und Testleiter des Instituts „Data Processing Center (DPC)“ Hamburg durchgeführt.

Über die internationale Untersuchung hinausgehend haben sich zwölf Bundesländer für eine nationale Erweiterung der Lesestudie um eine Untersuchung der mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen, IGLU–E, entschieden. An IGLU-E nehmen nicht teil die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Darüber hinaus haben sechs Bundesländer (Brandenburg, Bremen, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern und Thürin- gen) ein Oversampling zur Beantwortung besonderer Fragestellungen im Grundschulbereich ihres Landes in Auftrag gegeben. Da für eine solche repräsentative Erhebung mindestens 25 Schulen der jeweiligen Länder einbezogen werden müssen, erhöhte sich die Zahl der insgesamt teilnehmenden Schulen um 96.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Nein.

Zu 2: Zum Zeitpunkt der Planung und Durchführung von IGLU ging es in Niedersachsen nicht um die Untersuchung der Leistungsfähigkeit des niedersächsischen Grundschulsystems, sondern vielmehr um die Einführung der „Verlässlichen Grundschulen“, die bereits zum 1. August 1999 begonnen hatte. Darüber hinaus kann und konnte die Untersuchung einzelner Grundschulen nicht im Mittelpunkt bildungspolitischer Überlegungen stehen. Vielmehr muss es uns um die Frage der Sicherstellung von Standards und die Überprüfung von Unterrichtsergebnissen in allen Grundschulen gehen. Insofern habe ich zwischenzeitlich entschieden, dass zukünftig in den Grundschulen zentrale Vergleichstests durchgeführt werden.

Zu 3: Ja. Die Durchführung der von der Universität Hannover, Institut für Psychologie und Soziologie in den Erziehungswissenschaften – Abteilung Psychologie -, beantragten Untersuchung „Ausgewählte Effekte der Lehrer-Schüler-Interaktion“ wurde im September 2000 in meinem Hause beantragt und durch die Bezirksregierung im Januar 2001 genehmigt. Wie bereits oben ausgeführt, war die Entscheidung über die Teilnahme an IGLU und die Nichtteilnahme an IGLU-E bereits im Oktober 2000 getroffen worden. Auch die von Ihnen benannte „Abfrageaktion“ meines Hauses steht in keinem Zusammenhang mit der Nichtteilnahme an IGLU-E. Zu Beginn des Schuljahres 2001/2002 waren die Bezirksregierungen aufgefordert worden, aus statistischen Gründen über Zeugniszensuren am Ende der Klasse 4 zu berichten.

Anlage 12

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 18 der Abg. Frau Vogelsang (CDU):

Qualifikationsmöglichkeiten für Unternehmerfrauen im Handwerk

Mitarbeitende Unternehmerfrauen im Handwerk, die häufig aus anderen Berufen kommen und sich einarbeiten, haben ab sofort die Möglichkeit, bundesweit verschiedene Abschlüsse zu erzielen. Erste Stufe dabei soll die Ausbildung zur Bürokauffrau im Handwerk sein und eine kaufmännische Ausbildung beinhalten. Nach Ansicht der Unternehmerfrauen im Handwerk im Land Niedersachsen gibt es Unzufriedenheit mit der Bezeichnung „Bürokauffrau im Handwerk“.

Mit Blick darauf, dass es z. B. einen eigenen Ausbildungsberuf für Industrie-, Außenhandels- oder Versicherungskaufleute gibt, vermag man nicht einzusehen, dass es keinen eigenen Ausbildungsberuf „Handwerkskauffrau/Handwerkskaufmann“ geben soll.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie das Ansehen der „Unternehmerfrauen im Handwerk“, und wie sieht sie die Chancen einer Realisierung?

2. Ist sie gewillt, die Handwerksfrauen in ihrem Bestreben, einen eigenen Ausbildungsgang „Handwerkskauffrau/mann“ installiert zu bekommen, zu unterstützen?

3. Was wird sie konkret tun, um dem Ansinnen der Unternehmerfrauen nachzukommen?