Protokoll der Sitzung vom 24.09.2002

(Beifall bei der SPD)

und deshalb einer Entschließung zustimmen, die ausreichend durchdacht, solide finanziert, konzeptionell tragfähig und an den Interessen der Kinder orientiert ist.

Alles vorher Gesagte umfasst unser Entschließungsantrag. Er berücksichtigt den kompletten Bedarf zur Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern, der kontinuierlich umgesetzt wird. Die von der Landesregierung verfolgten Ziele zur Ausweitung der Betreuungs- und Bildungsangebote sowie zur Verbesserung der Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungssituation in den Kindertagesstätten sind ebenso enthalten wie weitere konkrete Forderungen, Frau Janssen-Kucz, an die Landespolitik - keine Beliebigkeiten, Frau Vockert.

Ich bitte daher, sehr geehrte Damen und Herren, der Ausschussempfehlung in der Drucksache 14/3662 zuzustimmen. - Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD)

Mir liegt nun die Wortmeldung von Frau Ministerin Dr. Trauernicht vor. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Titel der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Jugend und Sport „Die Zukunftschancen unserer Kinder sichern - Erziehung, Bildung und Betreuung im vorschulischen Bereich verbessern“ umschreibt die Zielrichtung und die Handlungsfelder, die auch die Landesregierung im Bereich der Kindertagesbetreuung auf ihre politische Tagesordnung gesetzt hat. Wenn man sich die den Titeln der Entschließungsanträge der Oppositionsfraktionen zugrunde liegenden Stoßrichtungen ansieht, dann kann man feststellen, dass der Titel der Beschlussempfehlung auch die Stoßrichtungen der Oppositionsfraktionen umfasst.

Ich begrüße die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Jugend und Sport. Es gibt keinen Zweifel: Wir brauchen quantitativ ausreichende, flexible Kindertagesbetreuung, wir brauchen qualitativ hochwertige Kindertagesbetreuung. Dies ist das gesellschaftliche Thema der Zukunft. Mein Eindruck ist, es ist uns allen bewusst und wir ar

beiten auch alle daran. Es gibt aber durchaus parteiliche Unterschiede. Den ersten Unterschied bei der Frage: Wo stehen wir eigentlich, ist das Glas halb voll oder halb leer? Hier gibt es jedenfalls seitens der Oppositionsfraktionen die klassische Miesmacherei.

(Widerspruch bei der CDU)

Es wird nicht zur Kenntnis genommen, dass viele Träger der Jugendhilfe in Niedersachsen bereits hervorragende Arbeit leisten. Der zweite klassische Unterschied ist folgender: Sie machen Vorschläge, aber Sie sagen nicht, wie Sie sie finanzieren wollen.

(Zuruf von der CDU: Das machen Sie jetzt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Bildung, Betreuung und Erziehung“ ist nicht erst seit heute ein Thema. Viele Einrichtungen nehmen ihren Auftrag engagiert und ernsthaft wahr. Das bin ich nicht müde zu betonen, auch gegenüber den vielen unwissenden Skeptikern. Für uns in der Jugendhilfe ist längst klar, dass nicht alles einfach so weitergehen kann wie bisher. Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir unsere Arbeit vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Entwicklungen und der Bedürfnisse der Kinder und ihrer Familien ständig zu überprüfen und ständig weiter zu entwickeln haben.

Dabei wissen wir um die Eigenständigkeit des Bildungsauftrages gerade im Bereich der Kindertagesbetreuung. Wir wollen, dass die PISAErgebnisse so verstanden werden, dass Bildung im Kindergarten nicht allein als Schulvorbereitung missverstanden werden darf. Aber es gibt auch überhaupt keinen Zweifel: Schulvorbereitung ist auch nicht von Schaden und deswegen Teil des Bildungsauftrages auch im Kindergarten. Ich bin durchaus mit Frau Vockert der Ansicht, dass Donata Elschenbroich und andere den Weg aufzeigen, wie er in den Einrichtungen zu gehen ist.

Die Debatte über die Ergebnisse der PISA-Studie hat einmal mehr deutlich gemacht, dass wir den natürlichen Wissensdrang der Kinder gerade im Vorschulalter nutzen müssen und nutzen wollen. Deshalb begrüße ich auch ganz besonders, dass die Beschlussempfehlung des Ausschusses eine Überprüfung der im Kindertagesstättengesetz festgelegten Vorgaben zum Inhalt und zur Ausgestaltung des Bildungsauftrages im Kindergarten auf der

Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse anregt.

Bildung im Kindergarten ist ganzheitliche Bildung. Sie soll nicht in erster Linie Wissen vermitteln, sondern Grundkompetenzen. Die Kinder sollen Kreativität und Sozialverhalten lernen, sie sollen die Fähigkeit zur Konfliktlösung entwickeln, sie sollen ihre Sprach- und Sprechkompetenz entfalten können und vieles andere mehr. Dazu brauchen Kinder im Kindergarten andere Angebote und Rahmenbedingungen als Schulkinder.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Haus hat mit einem Experten- und Expertinnengespräch Anfang des Jahres und dem aus diesem Gespräch entstandenen gemeinsamen Konzept „Kindergarten bildet“ den aktuellen Diskussionsprozess in Niedersachsen forciert und gleichzeitig erste Maßnahmen zur Verbesserung des Bildungsauftrages in den niedersächsischen Kindertagesstätten auf den Weg gebracht. Dabei stehen in der Tat die Sprachförderung, die Förderung der sprachlichen Kompetenz im Mittelpunkt. Es ist ein Gebot der sozialen Chancengleichheit - das lernen wir aus PISA -, dass wir das Zeitfenster, das uns gerade in der frühen Kindheit zur Verfügung steht, für das Erlernen der Sprache intensiv nutzen.

Die Integration der Kinder aus den zugewanderten Familien soll besser gelingen. Deshalb gibt es das im Kabinett im Juni verabschiedete Konzept zur Förderung des Erwerbs der deutschen Sprache im Elementarbereich, das es uns ermöglicht, in Kitas mit hohem Migrantenanteil, mit Kindern mit hohem Sprachförderungsbedarf zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Ich bin froh, sagen zu können, dass wir dafür 8 Millionen Euro jährlich zur Verfügung haben. Meine Damen und Herren, zeigen Sie mir ein anderes Land, das in diesen Zeiten diese zusätzliche Anstrengung unternommen hat! Sie werden keines finden.

(Beifall bei der SPD)

Die von meinem Haus herausgegebene Broschüre „Wie Kinder sprechen lernen“ - das ist bereits gesagt worden - wird mit großer Zustimmung angenommen. Sie gibt Anregungen für die Förderung von Sprache und Sprechen ganz allgemein im Kita-Bereich. Wir wollen diese Ansätze durch eine Fortbildungsoffensive vertiefen, eine Offensive, die wir gemeinsam mit den Trägern der Kindertageseinrichtungen auf den Weg bringen und deren

konkrete Ausgestaltung zusammen mit den Spitzenverbänden zurzeit stattfindet.

Niedersachsen hat als erstes Bundesland Rahmenrichtlinien fertig gestellt, die eine konsequente Förderung der Sprach- und Sprechkompetenz in die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher integriert. Diese Richtlinien werden in Kürze in Kraft gesetzt. Das heißt, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kindertagesbetreuung bildet bereits heute. Wer das nicht glaubt, der möge Einrichtungen besuchen, dort wird es ihm gezeigt. Es heißt also, diese vorhandenen Schätze, diese Angebote in den Kindertageseinrichtungen zu heben und sie als Best-practice-Angebote allen zur Verfügung zu stellen, damit ihre Verbreitung gelingt.

Dazu haben wir zu der bereits ebenfalls erwähnten großen Messe mit Fachforen eingeladen: „Kindergarten bildet von A bis Z“. Die Resonanz auf diese Veranstaltung ist überwältigend. Ich lade Sie alle sehr herzlich ein. Meine Damen, meine Herren, diese Messe als Leistungsschau wird zeigen, wie im Kindergarten ganz konkret diejenigen Bildungsangebote entwickelt werden, die Kinder für ihr körperliches, emotionales und soziales Wohlbefinden brauchen. Das heißt nun aber nicht, dass wir uns alle damit zufrieden geben und dass diese Veranstaltung allein die notwendige Transparenz über die Qualität der Bildungseinrichtungen in Niedersachsen schaffen kann. Deswegen begrüße ich die Stichworte „Qualitätsüberprüfung“ und „Qualitätssicherung“ in diesem Zusammenhang. Das sind Verfahren, die den Fachkräften eine Rückmeldung über Stärken und Schwächen geben und die damit eine gute Grundlage für die Weiterentwicklung und die Profilbildung sind.

Vor diesem Hintergrund werden wir weitere Schritte unternehmen. Die ersten Schritte sind eingeleitet. In Göttingen haben wir soeben einen für die gesamte Stadt auf den Weg gebrachten Prozess der Qualitätsfeststellung finanziert. Dieser wird als Pilotprojekt anlaufen. Schon während des laufenden Verfahrens wird es Rückmeldungen und Informationen an die anderen Kommunen geben, sodass sie diesen Weg ebenfalls gehen können. Die Landesregierung wird dies unterstützen.

Meine Damen und Herren, Qualität zu entwickeln und Qualität zu sichern setzt als wichtigstes Prinzip voraus, dass wir uns am Bildungsweg jedes einzelnen Kindes orientieren, das heißt, das einzelne Kind in seinen Stärken und Schwächen wahrnehmen und fördern. Auch dazu gibt es Methoden, die zurzeit beispielsweise in Schweden praktiziert

werden: die Dokumentation dieses Prozesses in so genannten Portfolios. Das wäre z. B. ein Erfolg versprechender Weg, um nur einen Punkt zu nennen. Es erlaubt den Kitas, den Eltern und später auch den Grundschulen, für das einzelne Kind entsprechende Weichenstellungen vorzunehmen, und vermittelt wichtige Informationen über den Bildungs- und Lernprozess.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, das Thema „Bildungsauftrag des Kindergartens“ ist Thema seit In-Kraft-Treten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes auf Bundesebene. Es ist in Niedersachsen immer ein Thema im Bereich der Jugendhilfe gewesen. Der Bereich der Kindertagesstätten ist innerhalb der Jugendhilfe bestens aufgehoben. Wir werden diesen Prozess mit den erforderlichen Handlungsbausteinen intensiv weiter vorantreiben und Sie gern über diesen Prozess im Einzelnen informieren. Ich würde mich freuen, wenn wir alle gemeinsam - Politik, Bildungseinrichtungen, Erzieherinnen, Kommunen, Verbände, Wirtschaft, Gewerkschaften u. a. - Verantwortung übernehmen und mit der jeweiligen Kompetenz diesen Prozess verbessern würden.

(Ontijd [CDU]: Das muss in erster Li- nie die Landesregierung machen!)

Das Land wird jedenfalls weiterhin die Zusammenarbeit mit den Genannten pflegen; denn nur dann werden wir die Zukunftschancen unserer Kinder sichern. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Mühe hat nun das Wort.

(Busemann [CDU]: Wir brauchen noch jemanden, der das bezahlt!)

Das ist ein gutes Stichwort, Herr Busemann. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will das Stichwort gerne aufgreifen und möchte zunächst zu dem Redebeitrag von Frau Janssen-Kucz sprechen. Ich finde, wir müssen redlich und vor allem finanzpolitisch seriös miteinander umgehen. Wer verlangt, den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zwischen zwei und zwölf Jahren gesetzlich zu sichern, der muss auch sagen, wer das bezahlen soll.

(Beifall bei der SPD)

Die Kommunen werden es nicht bezahlen können, die Eltern werden es nicht bezahlen können, und das Land wird es nicht bezahlen können, meine Damen und Herren. Insofern erwarte ich hier Redlichkeit.

Frau Janssen-Kucz, ich erwarte auch, dass Sie das Ganze mit den finanzpolitischen Forderungen von Herrn Golibrzuch in Einklang bringen, der immer genau das Gegenteil sagt, nämlich fordert, weniger Geld auszugeben.

(Frau Janssen-Kucz [GRÜNE]: Das habe ich mit ihm abgesprochen!)

Ich komme zum zweiten Punkt: Hochschulabschluss für alle im Kindertagesstättenwesen Tätigen. Meine Damen und Herren, das ist doch das Gleiche. Stellen Sie sich einmal vor, 22 000 bis 25 000 Damen und Herren, die in den Kindertagesstätten arbeiten, bekämen mit einem Male statt BAT VI BAT IV oder BAT III. Das wäre völlig illusorisch und überhaupt nicht zu bezahlen und würde die Elternbeiträge auf ein unbezahlbares Niveau hochschnellen lassen oder die Kommunen in ein Desaster führen. Auch das sind zwar schöne Forderungen, aber - Herr Busemann, da haben Sie völlig Recht - das ist völlig unbezahlbar.

Nun komme ich auf Frau Vockert zu sprechen. Die alte Leier, meine Damen und Herren.

(Biallas [CDU]: Das ist aber eine Be- leidigung von Frau Vockert! Das ist keine alte Leier!)

Heute Morgen hat Herr Wulff das Land wirtschaftspolitisch schlecht geredet. Heute Nachmittag redet Frau Vockert im Kindertagesstättenbereich das Land schlecht. Ich kann dazu nur eines sagen: Das ist nicht nur alter Wein in neuen Schläuchen. Dieser Wein schmeckt auch richtig fade; denn der Antrag der CDU-Fraktion stammt aus 2001.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Frau Vockert, verehrte Damen und Herren der CDU-Fraktion, wenn Sie das alles ernst meinen würden, dann hätten Sie doch einen Haushaltsantrag stellen können, dann hätten Sie doch sagen können, dass Sie dafür in den Doppelhaushalt 2002/2003 soundso viele Millionen Euro einstellen wollten. Null steht in Ihrem Antrag. Sie nehmen das nicht ernst und deshalb nehmen wir Sie nicht ernst. Sie haben nicht einen einzigen Vorschlag für die Finanzierung unterbreitet. Solange Sie nicht

einen ordentlichen gedeckten Finanzierungsvorschlag unterbreiten, nehmen wir Ihre Argumente in diesem Bereich nicht ernst; denn es ist unredlich, der Bevölkerung zu sagen, Sie wollten das und das machen, obwohl Sie genau wissen, dass Sie das nicht bezahlen können.

(Beifall bei der SPD - Biallas [CDU]: Dasselbe macht ihr doch auch dau- ernd!)

Meine Damen und Herren, Reden und Lamentieren ist das Credo Ihrer Seite. Handeln ist das Credo dieser Seite.

(Beifall bei der SPD)

Frau Dr. Trauernicht hat es deutlich gemacht: Wir haben gemeinsam mit dem Kultusministerium die Rahmenrichtlinien für die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher erneuert. Sie sind erst vor wenigen Wochen auf den Markt gekommen. Wir haben die Fort- und Weiterbildung neu organisiert, wir haben die Sprachförderung neu organisiert, und wir wollen auch die Qualitätsüberprüfung neu organisieren.

(Ontijd [CDU]: Wer bezahlt denn das?)