Protokoll der Sitzung vom 23.10.2002

keit von 500 zusätzlichen Polizistinnen und Polizisten fragen.

Der entscheidende Punkt aber ist: Wir haben das auch gewollt. Zu jedem einzelnen Vorschlag, den wir hier vorgelegt haben, haben wir aber immer seriöse Vorschläge zur Gegenfinanzierung unterbreitet. Wir haben Ihnen jedes Mal vorgeschlagen, das Haushaltsvolumen um bis zu 200 Millionen Euro - damals um bis zu 300 oder 400 Millionen DM - herunterzufahren. Wir hätten heute weniger Zinsausgaben, wir hätten einen größeren Gestaltungsspielraum. Natürlich sind wir jetzt auch in der Lage, Einsparvorschläge bis zu 250 Millionen Euro zu unterbreiten, aber wir sind auch so ehrlich zuzugeben, dass das bei Weitem nicht reichen wird, um das finanzielle Desaster, das Sie hier angerichtet haben, auszugleichen.

Deshalb sagen wir auch: Ohne Bundeshilfen, seien sie zweckgebunden für die Ganztagsschulangebote oder seien sie allgemein für den Etatausgleich, wird dieses Land strukturell handlungsunfähig werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich sehe mich jetzt in der Lage, die Beratung zu schließen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen. Wer ihr zustimmen will und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ablehnen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest: Das Erste war die Mehrheit.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, erhält Herr Möllring die Möglichkeit zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 unserer Geschäftsordnung. Bitte sehr!

(Wegner [SPD]: Er beschwert sich jetzt, dass Herr Wulff gesprochen hat! - Heiterkeit bei der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Möhrmann, Sie haben zwei Vorwürfe gegen mich erhoben. Den einen mache ich mit der Zeitung bzw. außerhalb des Parlaments ab. Zweitens haben Sie gesagt, ich hätte keine Ahnung, wie das bei Aldi geht. Grundsätzlich haben Sie ja Recht, dass

es der Kunde bezahlen muss, wenn ich etwas verkaufe und die Mehrwertsteuer erhöht wird. Verträge bei Aldi für Blumen, Lebensmittel und Milchprodukte lauten aber anders.

(Schurreit [SPD]: Jetzt erkläre doch einmal, was du sagen wolltest! - Weitere Zurufe von der SPD)

Einen Augenblick bitte, Herr Möllring. Sie haben nur Angriffe zurückzuweisen.

Herr Möhrmann hat gesagt, ich hätte keine Ahnung, wie das bei Aldi läuft.

(Lachen bei der SPD - Glocke des Präsidenten)

Ich war schon fast fertig, Herr Präsident. - Da wird dem Lieferanten ein Vertrag gemacht, den er zu unterschreiben hat. Dieser hat für einen Endverkaufspreis zu liefern. Ob ihm zwischendurch Kosten, Steuern oder sonst etwas erhöht werden, interessiert den Abnehmer nicht. Deshalb ist es für den Lieferanten eine Katastrophe, wenn Sie die Mehrwertsteuer zwischendurch erhöhen.

(Beifall bei der CDU - Adam [SPD]: Gilt das für Lidl auch? - Möllring [CDU]: Für Lidl gilt das auch! - Un- ruhe)

Meine Damen und Herren, das Präsidium freut sich über die rege Anteilnahme hier im Hause. Es wäre noch dankbarer, wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit jetzt dem Tagesordnungspunkt 15 zuwenden könnten.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 15: Einzige (abschließende) Beratung: Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen für Lehramtsstudiengänge an niedersächsischen Hochschulen - Antrag der Fraktion der CDU – Drs. 14/2776 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur Drs. 14/3731

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Darum kann ich gleich dem Kollegen Klare das Wort in der Aussprache erteilen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute ein bisschen spät geworden. Aber auch noch um diese Zeit fordern wir die Landesregierung auf, die Zulassungsbeschränkungen für Lehramtsstudiengänge an unseren niedersächsischen Hochschulen aufzuheben.

(Dr. Domröse [SPD]: Stellen Sie die Personalstellen zur Verfügung! Was kostet das? Dann bezahlen wir es!)

- Wenn Sie weniger dazwischenrufen, kann ich in Ruhe und auch kurz vortragen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zuhörten.

Es geht um eine Detailfrage, die wir hier aufwerfen und über die wir gerne diskutieren wollen, verbunden mit einer Aufforderung an die Landesregierung. Tatsächlich geht es um ein Riesenproblem für die Schule.

(Mientus [SPD]: Tatsächlich? In der Schule gibt es nur Probleme! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Mientus, Sie sind mir gerade im Blickfeld. Darum möchte ich Sie und nicht die anderen ansprechen, die im Augenblick für Unruhe sorgen. Ich möchte Sie bitten, Ihren Erfahrungseinfluss geltend zu machen, damit die anderen genauso ruhig sind, wie Sie es jetzt sein wollen. - Bitte sehr!

Aber er macht immer aufbauende Zwischenrufe. Dafür bedanke ich mich, Herr Mientus.

Es geht um das Problem: Wie und mit welchen Mitteln begegnet man dem fehlenden Lehrernachwuchs? Nicht Ihnen persönlich, Frau Ministerin, aber den Kultusministern der SPD-Zeit werfe ich vor: Dieses Problem besteht schon lange, nicht nur in Niedersachsen, aber hier in Niedersachsen wird viel zu wenig und viel zu wenig nachhaltig an dieser Frage gearbeitet.

Die Situation ist heute schon äußerst angespannt. Das merken wir daran, dass viele Stellen nicht mehr besetzt werden können, dass Schulen bei vielen Stellen gar nicht die gewünschten Fächerkombinationen zugewiesen bekommen.

(Dr. Domröse [SPD]: Nach der Wahl kommen Sie doch zurück in den Schuldienst!)

Das führt dazu, dass man in den Schulen große Probleme hat, die Stundenpläne noch vernünftig zu stecken.

Ganz besonders dramatisch macht sich der fehlende Lehrernachwuchs in den naturwissenschaftlichen Fächern bemerkbar. Aber auch in Musik und in Fremdsprachen sieht es ähnlich schlecht aus. Wenn man ein wenig differenzierter hinschaut, dann merkt man, dass einige Schulformen - die Sonderschule und auch die Hauptschule - besonders betroffen sind. Auf den Punkt gebracht, werden wir in relativ überschaubarer Zeit dazu kommen, dass an den Sonderschulen und Hauptschulen ein Fachunterricht in bisheriger Form überhaupt nicht mehr stattfinden kann. Das ist leider die Folge, und das ist berechenbar, da die Anzahl der Lehrer berechenbar ist, da die Altersstruktur berechenbar ist und da die Anzahl derer, die ausscheiden, in etwa berechenbar ist. Deshalb, meine Damen und Herren, muss hier eingegriffen werden, und zwar schnell. Die Situation wird noch weiter eskalieren, weil - auch das sind bekannte Zahlen in den nächsten acht bis zehn Jahren 44 % der Lehrer aus Altergründen ausscheiden werden. Es gibt noch ein besonderes Problem: Das sind die Frühpensionierungen, die man natürlich auch einbeziehen muss und die auch dramatisch sind. 68 % der Lehrer scheiden schon mit 56 Jahren aus dem Dienst aus. Das ist ein fiskalisches Problem, über das man auch einmal reden muss.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns die Worte des im Kultusministerium für diese Fragen zuständigen Mitarbeiters kurz vor Augen halten. Er hat im Kultusausschuss folgenden Satz gesagt: Wir

gehen einer Katastrophe entgegen, und zwar auf das Jahr 2005 bezogen. - Das sind nicht meine Worte, sondern die des Mitarbeiters, der dafür zuständig ist. Wir werden uns in dieser Frage alle noch umgucken. Was wir heute noch als Notlösungen bezeichnen - Seiteneinsteiger oder andere, die demnächst unterrichten werden -, werden künftig noch die freundlichen Wege sein. Wir werden Notprogramme bekommen, weil wir sonst in manchen Fächern den Unterricht überhaupt nicht mehr gewährleisten können. Dann werden wir uns wahrscheinlich gegenseitig keine Vorwürfe machen müssen. Wir müssen vielmehr darauf eingehen, wie wir die Probleme lösen. Besser, ein Unterricht findet statt, als dass wir ihn nicht stattfinden lassen. Deshalb wird man noch über alle möglichen Maßnahmen reden. Wir haben in den 60er-Jahren ähnliche Probleme gehabt.

Meine Damen und Herren, Gott sei Dank wollen junge Leute wieder Lehrer werden. Das ist ein gutes Zeichen. Sie wissen, dass sie jetzt eingestellt werden. Das ist möglicherweise der Grund, der dahintersteht. Hier setzt unser Antrag an. Wir müssen denen, die das jetzt machen wollen, sofort einen Studienplatz geben. Genau das ist unsere Bitte. Es sollte so schnell wie möglich gehandelt werden. In Hannover haben sich 1 613 junge Leute beworben und wollten ein Lehrerstudium aufnehmen. Nur 295 konnten aufgenommen werden.

(Zuruf von Minister Oppermann)

- Das haben Sie als Pressemitteilung veröffentlicht. - Das ist ein gutes Zeichen. Aber wir müssen alle nehmen, weil wir sie alle aufgrund der dramatischen Situation brauchen werden.

Im Sonderschulbereich - Frau Ministerin, das haben wir auf der Veranstaltung der Sonderschullehrer auch gehört - ist das Problem am dringlichsten. Dort kann der Fachunterricht schon fast nicht mehr durchgeführt werden. Die Sonderschullehrer haben das auf ihrer Verbandstagung in einer wirklich sachlichen Form problematisiert, sodass man eine Antwort geben muss. Derzeit werden im Sonderschulbereich zwei Drittel der Bewerber abgelehnt. Das kann keine Perspektive für die Sonderschulen sein. Dort besteht heute schon eine dramatisch schlechte Unterrichtsversorgung. Diesen Schulen können wir nicht sagen: Wir haben keine Antworten auf eure drängenden Probleme. Wir müssen vielmehr Antworten finden. Das kann man auch, indem man mehr Leute zum Studium zulässt.

(Zustimmung bei der CDU)

Noch einmal, meine Damen und Herren: Sie haben das Problem über Jahre nicht ernst genommen, jedenfalls nicht so ernst, wie es sich gehört hätte. Sie haben es zum Teil ausgeblendet. Mit unserem Antrag bitten wir Sie dringend, sofort umzusteuern, damit wir dem Nachwuchsproblem gerecht werden können. Das heißt: Menschen, die Lehrer werden wollen, sollen es auch werden. Wir brauchen sie für unseren Staat und für unsere Kinder.

(Beifall bei der CDU)

Frau Dr. Andretta hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Nachhaltigkeit, mit der sich die CDU weigert, die Wirklichkeit in diesem Lande zur Kenntnis zu nehmen, hat uns heute schon des Öfteren in Erstaunen versetzt.

(Rolfes [CDU]: Was soll eigentlich Ihre Polemik?)

Herr Klare, Ihre Argumentation ist abenteuerlich.

(Rolfes [CDU]: Abenteuerlich ist die Art, wie Sie hier reden!)

Wir freuen uns, dass Sie im Lande nicht mehr behaupten, an Niedersachsens Schulen gingen die Lichter aus, weil niemand mehr bei uns Lehramt studieren will. Es ist noch nicht allzu lange her, dass dies Gegenstand Ihrer Argumentation war.

(Rolfes [CDU]: Woher kommt nur diese Arroganz? Bei uns würde die an der 5-%-Hürde scheitern!)

Nun fordern Sie uns auf, alle Zulassungsbeschränkungen umgehend aufzuheben, weil Massen von Studienbewerbern für das Lehramt an den Pforten unserer Hochschulen abgewiesen würden. Hätten Sie, Herr Klare, sich die Mühe gemacht, sich die von Frau Mundlos im Wissenschaftsausschuss umfangreich angeforderten Statistiken anzusehen, dann wüssten Sie, dass mit der Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen kein einziges Problem gelöst wird; im Gegenteil. Richtig ist vielmehr: Im Wintersemester gab es für den Studiengang „Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen“ mehr Bewerbungen als Studienplätze. Genau gab es

4 176 Bewerbungen auf die landesweit vorhandenen 2 457 Studienplätze. Die meisten allerdings wollten in Hannover studieren. Weniger begehrt dagegen waren Braunschweig und Vechta. In Hannover - das ist richtig - mussten viele Bewerber abgelehnt werden. An den Standorten Hildesheim und Vechta dagegen - das haben Sie hier verschwiegen - blieben 95 Studienplätze unbesetzt. Ginge es nach Herrn Klare, hätte Hannover alle 1 159 Bewerberinnen und Bewerber aufnehmen müssen, obwohl nur 280 Anfängerplätze zur Verfügung standen.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Stapeln!)

Die Folge wären völlig überfüllte Hörsäle und Labore in Hannover - ganz zu schweigen von den zusätzlichen Überlastmitteln, die nach Hannover gingen -, andererseits leere Seminare und nicht ausgelastete Professuren an anderen Standorten gewesen. Dieser bildungsökonomische Unsinn - anders kann ich es nicht nennen - würde noch dadurch getoppt werden, dass bereits bestehende fächerspezifische Engpässe, auf die Sie zu Recht hingewiesen haben, weiter verschärft würden; denn wir wissen doch, an Haupt- und Realschulen werden Lehrer für Physik, Chemie und Technik gesucht, nicht aber zum Beispiel für Deutsch und Erdkunde. An Gymnasien werden Latein-, Spanisch- und Mathelehrer gesucht, nicht aber Lehrer für Deutsch und Politik. Dennoch führt das Fach Deutsch ungebrochen die Hitliste bei der Studienwahl an. Ohne Zulassungsbeschränkung für Deutsch hätten wir ein wachsendes Heer von Deutschlehrern, das zukünftig niemand braucht, wir hätten aber immer noch keinen einzigen zusätzlichen Latein- und Mathelehrer, davon sogar weniger.