Protokoll der Sitzung vom 20.11.2002

Sie setzen eine Politik der 100 Anträge für Mehrausgaben fort und bezahlen mit ungedeckten Schecks.

Um es auf den Punkt zu bringen: Der Finanzierungsnachtrag reduziert sich auf wenige Kernpunkte, die auch dringend erforderlich sind. Mit Blick auf die Sorge der Grünen sage ich ausdrücklich: Die zusätzlichen Kredite, die aufgenommen werden, werden ausschließlich zur Finanzierung der wegbrechenden Steuern im Jahr 2002 und 2003 eingesetzt. Dass wir gleichzeitig die 615-Millionen-BEB-Zahlungen mit abdecken, kommt der Kritik entgegen, dass die Stückelung dieses Betrages vermieden werden soll. Sie werden aus dem Haushalt heraus ebenfalls zum Teil kreditär finanziert, aber - was entscheidend ist - wir arbeiten mit diesem Finanzierungshaushalt auch die Folgen der Flutkatastrophe ab, was aus der verschobenen Steuerreformstufe finanziert wird. Sie wissen darum. Wir hätten noch mehr Schulden bundesstaatlich aufnehmen müssen, wenn wir Ihnen gefolgt wären, meine Damen und Herren von der CDU. Das ist doch der Widersinn Ihrer Diskussion, die Sie führen.

(Beifall bei der SPD)

Es wird auch deutlich, dass wir ganz ehrlich klar machen: Wer früher mehr Schulden aufnehmen will oder muss, der wird auch die Zinsen dafür zahlen müssen. Deshalb sind die auch in diesem Finanzierungshaushalt ausgewiesen.

Fasst man das zusammen, dann ist mit dem Finanzierungshaushalt ein verfassungskonformer Weg gefunden worden, um den unmittelbaren Druck auf viele Länderhaushalte, auf die kommunalen Haushalte und auf den Bundeshaushalt wegzunehmen, allerdings - das ist das Schwierige an der Situation - um den Preis zusätzlicher Kreditaufnahme. Deshalb sage ich für die Landesregierung, auch mit Blick auf den Stabilitätspakt: Dies ist keine Entlastung und schon gar keine Freisprechung von der Fortsetzung der Konsolidierungspolitik. Nein, im Gegenteil: Sie muss verschärft werden.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Sie muss mal begonnen werden!)

Die Landesregierung hat auch, unabhängig davon, dass am 2. Februar gewählt wird, Herr Wulff, einen Haushaltsbewirtschaftungserlass vorgelegt,

(Möllring [CDU]: Wann denn?)

der in seiner Schärfe an das anknüpft, was wir über das Jahr hinweg schon getan haben und was von Ihnen jedes Mal bekämpft worden ist, wenn es konkret wurde.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir in Stellen gegangen sind, wenn wir in Maßnahmen gegangen sind, wenn wir in Kürzungen gegangen sind, waren ihre Kolleginnen und Kollegen aus der CDU-Fraktion die Ersten, die im Landtag Fragen gestellt und in der Bevölkerung dafür gesorgt haben, dass der Versuch unternommen wurde, die Sparmaßnahmen zu konterkarieren. Diese Doppelstrategie, Herr Wulff, wird Ihnen am 2. Februar die Quittung bereiten. Sie werden in den nächsten Wochen durchschaut werden, dass Sie bei der Vorlage eines alternativen Finanzierungskonzeptes völlig versagt haben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es macht nicht viel Sinn, die Bundesländer, den Bund oder die Kommunen jetzt im Einzelnen aufzuzählen,

(Möllring [CDU]: Machen Sie mal!)

die nach der Feststellung des gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichtes durch Kreditaufnahme reagiert haben, weil sie gegen die Löcher, die durch die wegbrechenden Steuern entstanden sind, nicht ansparen können. Aber die Zahlen Hessens, weil da ein Direktvergleich so viel Spaß macht, will ich denn doch noch für das Protokoll sagen. Herr Koch, der Kandidat der CDU, der ja Spezialist ist für Untersuchungsausschüsse in diesem Land und das Aussitzen von Problemen, und die FDP, die ja offensichtlich Spezialisten sind, was Möllemann und andere Veranstaltungen in NRW angeht, haben in Hessen die Kreditaufnahme von 818 Millionen Euro auf 1,988 Milliarden Euro erhöht und damit mehr als verdoppelt.

(Mühe [SPD]: Aha! - Hört, hört! bei der SPD)

Das ist die hessische Politik, Herr Wulff. Sie greifen nun die niedersächsische Politik an. Da müssen Sie aber sehr, sehr vorsichtig sind, damit Sie nicht auch gleichzeitig Herrn Koch - das ist ja einer von Ihren Kampfesbrüdern an der Berliner Front - mit treffen. Wir stellen jedenfalls fest: Objektiv scheint es so zu sein, dass selbst reiche Bundesländer gar nicht anders können, als durch die Kreditaufnahme aus dieser Einnahmekrise herauszukommen.

Zusammenfassend ist mit Sicherheit darauf hinzuweisen, dass die Situation, die wir mit dem Finanzierungshaushalt geschaffen haben, auch um der Ehrlichkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern willen dadurch ergänzt werden muss, dass wir sagen, wie dieses Konsolidierungskonzept, das unter dem Eindruck der Steuerschätzung im Jahre 2003 von der neuen Landesregierung vorgelegt wird, in wesentlichen Konturen aussehen kann. Da ist es mit Sicherheit eine mutige Entscheidung, 50 Millionen Euro aus dem Bereich der Zuwendungen und Subventionen herauszunehmen und auch zu bezeichnen. Das fehlt mir bei der CDU völlig. Sie verlaufen sich in dem Irrgarten der Überschriften, die möglichst unpräzise sind, sodass Sie weitermachen können, allen alles zu versprechen, aber keinem einzigen präzise wehzutun.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben gesagt, dass wir über konkrete Maßnahmen in der Verwaltungsreform Einschnitte auch beim Personal dann vorsehen, wenn die Arbeit nicht mehr zu erledigen ist, und dass wir, wenn wir Strukturen verändern, erhebliche Einsparungen durch das Zusammenführen von Personalbewirtschaftungskonzepten, von Personalentwicklungskonzepten und Investitionen in Organisation und Technologie vorsehen wollen. Diese Strategie haben wir mit Summen hinterlegt, die nachprüfbar deutlich machen, dass ein solches Vorgehen funktioniert. Wenn es dann zur Nagelprobe bei Reformen, auch Verwaltungsreformen, kommt, Herr Wulff, haben wir ein gutes Beispiel in diesem Hause gehabt. Da hat nämlich die CDU, als es um die Region Hannover ging, die Hälfte ihrer Leute vor der Tür gehabt, weil diese Kolleginnen und Kollegen eben keine Verwaltungsreform wollten, die in dem Service für die Bürger, in der Zuständigkeit für die Kommunen und für die Verlagerung von Staatsaufgaben auf die kommunale Ebene durchgreifend Erfolge bringt. Da ist die Hälfte ihrer Mitglieder draußen gewesen, weil sie Angst vor der Entscheidung und vor der Kontrolle durch die Bürgerinnen und Bürger in dieser Region hatten.

(Beifall bei der SPD)

So werden Sie jedenfalls Reformen nicht durchgreifend umsetzen können. Dafür fehlt Ihnen schlichtweg der Mumm. Dafür haben Sie im Grunde genommen auch nicht die richtigen Konzepte. Mit Ihrer Überschriftpolitik „Weg mit den Bezirksregierungen“ ist das Problem nicht gelöst; diese

Politik trägt nicht durch. Sie wissen selbst, dass die Menschen und die Aufgaben entsprechend umgebaut werden müssen.

Zu den beiden Punkten, von denen ich gesprochen habe, und zu der Frage, wie die SPD-Landesregierung künftig Verwaltungsreform organisiert, hat der Ministerpräsident sehr deutlich gesagt, dass wir den Prozess von unten - wie bei der Region Hannover - fördern wollen. Aber wir sagen auch, dass wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiten in einen Umbauprozess mitnehmen müssen. Es wird unvermeidlich sein, dass wir mehr Flexibilität und Mobilität von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwarten müssen. Wir können uns gut vorstellen, dass das, was mit dem Hartz-Konzept an Instrumentarium und Maßnahmen angelegt ist, auch in der niedersächsischen Landesverwaltung Eingang finden kann.

Wir sehen es durchaus als realistisch an, die Jobbörse so weiterzuentwickeln, dass freie Stellen präzise benannt und Personal, das von der einen oder anderen Dienststelle umgesetzt werden muss, mit einem ähnlichen Instrumentarium wie bei den Hartz-Vorschlägen in der niedersächsischen Verwaltung umgesetzt werden können, bevor neues Personal von außen eingestellt werden muss, weil wir davon ausgehen, dass viele Dienststellen und Personalkörper zusammengeführt werden können.

(Zuruf von Jahn [CDU])

Ein weiterer Punkt, der für uns in Niedersachsen ganz entscheidend ist: Sie haben offen erklärt, dass Sie als CDU mit allen Mitteln - bis hin zur Blockade im Bundesrat und zur Blockade im Vermittlungsausschuss - verhindern wollen, dass die neue Bundesregierung ihr Paket, also das Steuerentlastungs- oder Steuerumbaupaket, auf den Weg bringt.

(Zuruf von der CDU)

Sie wissen, dass es im Kern um den Abbau von Subventionen geht. Ich halte es für skurril, dass man, wenn man überall Subventionsabbau fordert, dann, wenn er konkret angewendet wird, plötzlich von Steuererhöhungen spricht. Diese Verkehrung der Realität will mir als Finanzminister und auch vielen Ihrer Finanzminister nicht einleuchten.

Herr Kollege Stratthaus hat vor der Wahl öffentlich erklärt, er könne sich vorstellen, dass es eine Mindestbesteuerung geben soll, und dafür kämpfe er auch. Da, wo sie auf dem Tisch liegt, wird aber

offen erklärt: Vor dem 2. Februar findet in Deutschland nichts statt.

(Beifall bei der SPD)

Eine solche Blockadepolitik, meine Damen und Herren, schlägt dem Fass den Boden aus. Da werden auf der ersten Seite der Bild Leute mobilisiert, die die Bundesregierung kritisieren, und hinter diesen Fotos verstecken sich CDU-Politiker und Scharfmacher, die im Grunde genommen nichts anderes wollen als Stillstand und Chaos in dieser Republik, damit sie ihr Süppchen auf dieser Situation kochen können.

(Beifall bei der SPD)

Um das für Niedersachsen noch deutlicher zu machen: Sie im Niedersächsischen Landtag vertreten niedersächsische Interessen. Ich habe Ihnen bereits bei der Koalitionsvereinbarung vorgerechnet,

(Zuruf von der CDU: Angst vor der Wahl!)

wie viel aus dem Paket den niedersächsischen Landeshaushalt und - was viel wichtiger ist - die niedersächsischen Kommunen entlasten würde. Das sind schon Summen - unabhängig davon, ob sie um plus/minus 10 Millionen verändert werden -, die man zur Kenntnis nehmen darf. Es sind 140 Millionen Euro für das Jahr 2003, 420 Millionen Euro für das Jahr 2004, 580 Millionen Euro für das Jahr 2005 und 640 Millionen Euro für das Jahr 2006.

Sie wissen, dass einige Veränderungen noch anstehen - das ist klar -, aber diese Größenordnung brauchen wir, um den niedersächsischen Haushalt auf vernünftige Beine zu stellen. Die Kommunen würden, wenn Sie mitmachten, auf der Zeitschiene sehr schnell in den Genuss von 60 Millionen Euro, 210 Millionen Euro, 320 Millionen Euro und 360 Millionen Euro kommen.

Nimmt man das als eine Herausforderung für Sie, werden sie sich entscheiden müssen, ob sie für das Land und für die Interessen Niedersachsens eintreten oder ob sie für die CDU-Strategie des Blockierens und Vermeidens streiten. Bei Letzterem jedenfalls treten Sie die Interessen des Landes mit Füßen. Bei den Kommunen brauchen Sie gar nicht mehr vorstellig zu werden. Denen haben Sie 500 Millionen Euro Jahr für Jahr versprochen, aber nie finanziert.

(Möllring [CDU]: Das alles haben die Kommunen bezahlt!)

Hier haben Sie die Nagelprobe. Entscheiden Sie sich mit der Bundesregierung für die Kommunen. Dann tun Sie etwas für Niedersachsen und die Städte und Gemeinden in diesem Land.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die CDU hat sich offensichtlich entschieden, dass sie die Wahl 2003 erreichen möchte, ohne das Visier hochzuklappen. Herr Wulff, damit kommen Sie nicht durch. Sie wissen, dass die Leistungsbilanz der SPD seit 1990

(Jahn [CDU]: Traurig ist!)

Sie insbesondere in den Bereichen voll getroffen hat, bei denen Sie meinten, Sie seien im Vorteil. Das gilt für die Kindergartenpolitik, das gilt für die Bildungspolitik in der Schule, das gilt für die Hochschulpolitik,

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

das gilt für den Wirtschaftsstandort Niedersachsen, das gilt für die strategischen Investitionen, und das gilt im Kern auch für die Möglichkeiten der Finanzpolitik, intelligent zu sparen,

(Zuruf von Gansäuer [CDU])

um dort Akzente zu setzen, wo niedersächsische Politik für die Zukunft geschrieben wird.

Die Vorlage des Finanzierungshaushaltes hat Sie offensichtlich stark überrascht. Die Vorlage des Finanzierungshaushaltes und des Konsolidierungshaushaltes, der nachgeschaltet wird,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)