Protokoll der Sitzung vom 20.11.2002

Tagesordnungspunkt 15: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes - Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drs. 14/3890

Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung: Aktionsprogramm zur Gewährleistung der inneren Sicherheit in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3882

und

Tagesordnungspunkt 17: Zweite Beratung: Rot-grüne Untätigkeit beenden und eine Kronzeugenregelung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Terrorismus schaffen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3324 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 14/3884

Der Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 3324 wurde in der 105. Sitzung am 25. April 2002 an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen jetzt zur Einbringung zu Tagesordnungspunkt 15. - Herr Kollege Schünemann, Sie machen alles?

(Schünemann [CDU]: Alles nicht!)

Sie bringen ein, und Sie nehmen gleichzeitig die Redezeit für Ihre Fraktion in Anspruch. Ich erteile Ihnen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit will ich mich bei der Einbringung auf die wesentlichen Punkte beschränken.

Meine Damen und Herren, innere Sicherheit ist das zentrale Thema, die zentrale Aufgabe des Staates. Deshalb ist es notwendig, dass wir alles dafür tun, dass die Menschen in unserem Lande vor Straftaten geschützt werden.

Wir können deshalb in Niedersachsen nicht damit zufrieden sein, dass wir eine Aufklärungsquote von nur rund 50 % haben, während in anderen Bundesländern von drei Tätern zwei dingfest gemacht werden können, also zwei Drittel der Straftaten dort aufgeklärt werden können.

(Lanclée [SPD]: Glaube keiner Statis- tik, die du nicht selbst gefälscht hast!)

- Herr Lanclée, ich gebe zu, dass die Kriminalstatistik in Niedersachsen schon manchmal Anlass zu Diskussionen gegeben hat. Wenn wir das aber als Basis nehmen, können wir es auch mit anderen Bundesländern vergleichen. Dann muss man schon einmal zur Kenntnis nehmen, dass es Bundesländer

gibt, die tatsächlich zwei Drittel der Straftaten aufklären. Das, lieber Herr Lanclée, sollte tatsächlich Ziel in Niedersachsen sein.

Deshalb sollten wir sehen, wie wir es tatsächlich schaffen können, auch in Niedersachsen eine bessere Aufklärungsquote zu bekommen, und wir sollten uns bemühen, die Jugendkriminalität einzudämmen, sodass wir nicht ständig steigende Zahlen haben. Wir haben, vor allen Dingen was die Schwerkriminalität angeht, leider Gottes in Niedersachsen steigende Zahlen.

Wie können wir es schaffen, Niedersachsen zum sichersten Land in Deutschland zu machen? Das muss Anspruch und Ziel eines jeden Politikers sein.

(Zustimmung bei der CDU)

Es gibt dort vier Dinge, die wir beachten müssen. Einmal müssen wir natürlich die Polizei so ausstatten, ihr vor allen Dingen rechtlich die Möglichkeit geben, dass sie tatsächlich vernünftig eingreifen und die Straftäter dingfest machen kann. Deshalb ist es notwendig, dass man in Niedersachsen ein effektives Polizeigesetz bekommt. Ferner ist es absolut notwendig, dass wir eine vernünftige Personalausstattung und eine vernünftige materielle Ausstattung haben. Natürlich - das ist ganz wichtig - brauchen wir eine Kriminalprävention, die vor allen Dingen vor Ort noch verbessert werden kann.

Lassen sie mich auf das effektive Polizeigesetz kommen. 1990 hat Rot-Grün zunächst die Regierung hier übernommen. Das Erste, was sie dort getan haben, war, das bewährte Polizeigesetz abzuschaffen. Damals hatten wir Herrn Trittin als Bundesratsminister hier. Nachdem das neue Polizeigesetz, das Gefahrenabwehrgesetz, verabschiedet worden ist, hat er gesagt: Wir können jetzt froh sein, dass wir Polizei und Verfassungsschutz an die Kette gelegt haben. - Das haben wir nicht vergessen. Das bedeutet natürlich, dass Sie in Niedersachsen eben kein effektives Polizeigesetz, sondern - ich will es vorsichtig ausdrücken - das liberalste Polizeigesetz haben.

Geändert worden sind die Vorschriften und gesetzlichen Regelungen zum Teil nur dann, wenn schreckliche Ereignisse passiert sind. Ich nenne die Chaos-Tage. Sie können sich daran erinnern. Es ist zum Teil nachgebessert worden, und der Unterbindungsgewahrsam ist, auf vier Tage beschränkt, eingeführt worden. Dann haben wir den 11. September 2001 gehabt. Wir alle haben noch in

Erinnerung, dass die Rasterfahndung und die Aufzeichnung von Videoaufnahmen ermöglicht worden sind. Darüber hinaus müssen wir doch einmal gucken, wie es in anderen Bundesländern aussieht. Wenn man aus der Wirtschaft kommt, weiß man, dass Benchmarking - das heißt: vom Besten lernen - genau das richtige Wort ist. Wir müssen sehen, was sich in anderen Bundesländern bewährt hat.

(Lanclée [SPD]: Was sich bei uns be- währt hat!)

- Das, was sich bei uns bewährt hat, müssen wir natürlich im Gesetz belassen; das ist überhaupt keine Frage. Aber wir müssen doch auch einmal sehen, Herr Lanclée, warum es in anderen Bundesländern besser läuft. Und wenn es in anderen Ländern besser läuft, müssen wir entsprechende Regelungen auch in unser Polizeigesetz übernehmen.

(Zustimmung von Althusmann [CDU])

Es macht schon Sinn, dass man den Unterbindungsgewahrsam gerade hier in Niedersachsen auf zehn Tage ausweitet. Wir haben Glück gehabt, dass der letzte CASTOR-Transport das Zwischenlager tatsächlich so schnell erreicht hat. Wenn man bedenkt, dass das in früheren Zeiten zum Teil länger als Woche gedauert hat, macht es schon Sinn, bis zu zehn Tage Unterbindungsgewahrsam auch hier einzuführen.

Außerdem kann ich überhaupt nicht verstehen, dass der finale Rettungsschuss bis zum heutigen Tage im Polizeigesetz nicht eindeutig rechtlich abgesichert ist,

(Lanclée [SPD]: Das ist falsch!)

weil man dadurch die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in einer ganz schwierigen Situation tatsächlich im Regen stehen lässt.

Meine Damen und Herren, der Begriff „öffentliche Ordnung“ ist bis zum heutigen Tage auch noch nicht als schützenswertes Rechtsgut wieder ins Polizeigesetz geschrieben worden. Das werden wir natürlich sofort machen, wenn wir im nächsten Jahr dazu die Möglichkeit bekommen.

(Lanclée [SPD]: Frommer Wunsch! - Adam [SPD]: Träumer!)

- Sie können natürlich auch jetzt schon zustimmen, dann können wir es sehr schnell einführen. Ich glaube, dass es absolut notwendig ist.

Schauen Sie sich doch die Praxis vor Ort an. Es macht keinen Sinn, wenn Sie das insgesamt den Kommunen aufdrücken. Wenn Städte so etwas tatsächlich machen wollen und wie in Cuxhaven Verordnungen verabschieden, die sich hervorragend bewährt haben, greifen anschließend, wenn auch andere Städte das machen wollen, die Bezirksregierungen ein und sagen: So etwas wollen wir auch nicht. - Ich kann nicht verstehen, dass Verordnungen, in denen vorgeschrieben wird, wie die öffentliche Sicherheit und Ordnung tatsächlich geschützt werden sollen, anschließend von der Bezirksregierung abgelehnt werden. Das muss man den Kommunen zugestehen.

(Althusmann [CDU]: Das ist ein Skandal!)

Meine Damen und Herren, es geht nicht nur darum, Straftaten aufzuklären, sondern es geht natürlich vor allen Dingen auch darum, Straftaten zu verhindern. Nach dem derzeitigen Polizeigesetz kann die Polizei erst tätig werden, wenn der Verdacht einer Straftat vorliegt; Das hat ganz klar einen Vergangenheitsbezug. Es bedeutet, dass man damit rechnet, dass eine Straftat bereits begangen worden ist. Viel wichtiger ist doch, dass wir der Polizei die Möglichkeit geben, schon ermittelnd tätig zu werden, wenn eine Straftat geplant wird. Das betrifft vor allen Dingen die Bereiche Terrorismus, Organisierte Kriminalität und insgesamt die Schwerstkriminalität. Hier müssen wir Maßnahmen einführen, damit die Polizei schon dann tätig werden kann, wenn es berechtigte Anhaltspunkte gibt.

(Lanclée [SPD]: Das macht die Poli- zei!)

Wir wollen zwei Dinge im Polizeigesetz einführen: Erstens die präventiv-polizeiliche Überwachung der Telekommunikation. Es ist natürlich völlig klar, dass dazu eine richterliche Anordnung erforderlich ist und dass diejenigen, die nach der Strafprozessordnung ein Auskunftsverweigerungsrecht haben, davon natürlich ausgeschlossen werden. Das will ich hier ganz klar erwähnen.

Zweitens wollen wir auch bei Schwerkriminalität, bei Organisierter Kriminalität und bei Terrorismusverdacht die präventiv-polizeiliche Strukturermittlung ermöglichen. Das bedeutet nichts ande

res, als dass man bei begründeten Anhaltspunkten Verdeckte Ermittler einsetzt, um Straftaten zu verhindern. Davon völlig unberührt ist natürlich, dass wir weiterhin daran festhalten, dass bei der Organisierten Kriminalität der Verfassungsschutz durchaus im Vorfeld Ermittlungen übernehmen kann. Dieses Vorgehen hat sich in einigen Bundesländern, die es bereits eingeführt haben, sehr bewährt. Ich kann gar nicht verstehen, warum wir in Niedersachsen diesen Beispielen nicht folgen wollen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zwei Punkte ansprechen, die uns besonders Sorge bereiten. Zum einen ist das der Anstieg der Jugendkriminalität, die in erster Linie natürlich präventiv verhindert werden muss. Da muss erheblich mehr getan werden, z. B. in Präventionsräten. Vor allen Dingen bei Gewalt an Schulen kann man durch aktive Präventionsräte sehr viel erreichen.

Zum anderen natürlich müssen Jugendliche, wenn sie eine Straftat begehen, auch sehr schnell merken, dass es so nicht geht und dass die Strafe so schnell wie möglich auf die Tat folgt. Deshalb müssen wir gerade in diesem Bereich beschleunigte Verfahren einführen. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass wir bis zum heutigen Tage die geschlossene Heimunterbringung in Niedersachsen nicht geregelt haben, obwohl wir das hier im Parlament fraktionsübergreifend - zumindest die beiden großen Fraktionen haben zugestimmt - beschlossen haben.

(Biallas [CDU]: Das ist ein Skandal!)

Der Ministerpräsident hat erst vor wenigen Wochen die Jugendämter dazu aufgefordert, Jugendliche in begründeten Fällen in geschlossenen Heimen unterzubringen. Aber das ist natürlich doppelzüngig: Wenn ich diese Heime in Niedersachsen überhaupt nicht zur Verfügung stelle und die Kommunen mit den Kosten auch noch allein und im Regen stehen lasse, macht das doch beim besten Willen keinen Sinn.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Frau Elsner-Solar [SPD])

Meine Damen und Herren, in MecklenburgVorpommern hat man eine Möglichkeit eingeführt, die für bestimmte Jugendliche tatsächlich sinnvoll ist.

(Watermann [SPD]: Sie sollten über Themen reden, von denen Sie etwas verstehen! Davon verstehen Sie nichts!)

- Ich selber war in Gauting und habe mir genau angeschaut, wie es da vonstatten geht. Ich würde auch Ihnen empfehlen, sich das einmal anzugucken, weil Sie vielleicht auch noch erzählen wollen, dass dort die Jugendlichen weggesperrt werden. Das ist etwas völlig anderes. Diese Jugendlichen werden rund um die Uhr von Therapeuten betreut, um sie wieder auf den rechten Weg zu bringen. Von dieser Sache, lieber Herr Kollege Watermann, verstehe ich nun wirklich etwas.

(Watermann [SPD]: Gar nichts!)

Meine Damen und Herren, man muss den Jugendlichen, die eine Bewährungsstrafe bekommen haben, auch deutlich machen, was es bedeutet, eine Straftat begangen zu haben. Deshalb hat man in Mecklenburg-Vorpommern eine Art Jugendarrest auch bei Bewährungsstrafen ermöglicht, d. h. Jugendliche können auch bei einer Bewährungsstrafe für wenige Tage durchaus in Jugendstrafvollzugsanstalten untergebracht werden, damit sie sehen, was es bedeutet, wenn sie ihre Bewährungsstrafe aufs Spiel setzen.

Wir halten es durchaus für angemessen, dass das Jugendstrafrecht geändert und die Höchststrafe von 10 auf 15 Jahre erhöht wird. Sie alle haben vielleicht noch das Beispiel vor Augen, über das erst vor wenigen Monaten in der Presse berichtet worden ist. Ein Zwanzigjähriger hatte einen dreifachen Mord begangen, wurde nach Jugendstrafrecht zu zehn Jahren Haft verurteilt und hat nach seiner Entlassung leider Gottes wieder eine sehr schreckliche Tat begangen. Das war nur möglich, weil er nach Jugendstrafrecht verurteilt worden ist. Ich meine, dass die Höchststrafe hier auf jeden Fall angehoben werden muss.

Lassen Sie mich noch etwas zur Ausländerkriminalität sagen, weil wir hier einfach die Fakten zur Kenntnis nehmen müssen. Der Anteil der Ausländer an der Kriminalitätsrate ist doppelt so hoch wie der Anteil der Ausländer an unserer Bevölkerung. Wir müssen schon sehen, wie wir mit dieser Tatsache umgehen. Vor allen Dingen hat das natürlich etwas mit Integration zu tun. Darüber haben wir an anderer Stelle schon einmal gesprochen, und wir haben das holländische Modell für Niedersachsen auch schon einmal im Landtag beantragt.

Ich kann nicht nachvollziehen, dass Politiker, vor allen Dingen ja auch der Bundeskanzler, in großen