- Frau Kollegin Goede, ich kenne Herrn Pfeiffer besser als einige andere Minister. So wie ich ihn kennen gelernt habe, gehe ich davon aus, dass er schlaflose Nächte verbringt. Ich meine, dass es auch dem Richter so geht, möglicherweise auch dem Staatsanwalt. Diese Selbstgerechtigkeit, mit der der Ministerpräsident dieses Problem relativiert hat, wird diesen Menschen mit ihren schlaflosen Nächten, die direkt in der Verantwortung sind, nicht gerecht; die wird auch dem Anspruch auf Opferschutz nicht gerecht. Ich muss Ihnen sagen, Herr Ministerpräsident: Im Zusammenhang mit dem Schulterschluss mit Herrn Pfeiffer vom Opferschutz für Ihren Minister zu sprechen, das war ein Höhepunkt an Geschmacklosigkeit. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Vorbemerkung, Herr Ministerpräsident: Vermutlich waren Sie nicht anwesend, als wir diesen Tagesordnungspunkt in der letzten Plenarsitzung diskutiert hatten - Stichwort „Sicherungsverwahrung“. Ich habe mich von diesem Rednerpult aus für die CDU-Fraktion dazu bekannt, dass wir auch in Anbetracht verfassungsrechtlicher Probleme das Risiko der nachträglichen Sicherungsverwahrung eingehen wollen,
weil wir der Meinung waren, dass jeder Tag, der ins Land geht, ein Tag zu viel ist und dass das Risiko, das sich damit verknüpft, zu hoch ist. Offensichtlich hat auch die neue Bundesjustizministerin diese Auffassung, weil sie das - Herr Wulff hat dies zitiert - so vertritt. Das kann sie natürlich auch, weil sie in Anbetracht des neuen rechtspolitischen Sprechers der Grünen - Herr Ströbele ist jetzt für die Rechtspolitik der Fraktion der Grünen zuständig - weiß, dass es zu einer solchen Mehrheit im Deutschen Bundestag nicht kommen wird. Das nur vorweg als Vorbemerkung.
Jetzt zum eigentlichen Thema: Das ist keine Debatte - diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich das wirklich ernst meine -, bei der es mir Freude bereitet, zu diesem Thema zu reden. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir Menschenleben zu beklagen haben, müssen wir uns auch sehr genau überlegen, wie wir uns einlassen und welche Tonart wir wählen.
Herr Minister - ich würde Sie gerne direkt ansprechen, aber ich habe bei meinen Vorrednern bemerkt, dass das wegen des Mikrofons nicht möglich ist und man mich nicht hören kann -, ich erinnere mich noch sehr genau an den Tag, als wir beide das erste Mal einen persönlichen Kontakt hatten; das war ein Telefongespräch. Damals waren Sie noch Direktor des Kriminologischen Forschungsinstitutes. Es ging um ein Gutachten, das das Forschungsinstitut damals erstellt hatte. Das Ergebnis dieses Gutachtens war, dass Richter in Niedersachsen zu strenge Urteile fällen würden, deshalb in Niedersachsen zu viele Angeklagte zu Haftstrafen verurteilt würden und deshalb unsere Gefängnisse zu voll seien. - Das war das erste Gespräch, das wir beide miteinander geführt hatten; das war konstruktiv. Ich weiß, dass, als es damals zum Wechsel ins Amt des Ministers kam, diese Einlassungen nicht dazu beigetragen haben, dass in der niedersächsischen Justiz, insbesondere bei den Richtern, Begeisterungsstürme ausbrachen. Die Richter hatten eine gewissen Zurückhaltung, weil sie diese Kritik als Richterschelte empfanden.
Dann wurden Sie also Minister. In einem Punkt können wir Ihnen, meine ich, unisono eine Eins als Note erteilen. Es hat in der Geschichte dieses Landes bisher keinen Justizminister gegeben, der eine solche Öffentlichkeitsarbeit betrieben hat, wie Sie
es getan haben. Es hat keinen Minister gegeben, der so häufig Interviews gegeben hat, so häufig in der Zeitung stand und in so vielen Talkshows auftrat, wie das bei Ihnen der Fall war. Das ist zunächst einmal eine Feststellung. Die Themen, meine Damen und Herren, waren immer die gleichen: Nebenthemen, zugegeben, es waren wichtige Nebenthemen, aber es waren Nebenthemen wie Konfliktschlichtung, Mediation, Opferschutz.
- Wir haben immer gesagt, Herr Plaue: Die Opposition unterstützt Minister Pfeiffer bei diesen Themen, wenn er die Kernaufgabe der Justiz nicht vernachlässigt.
Sie haben dadurch, dass Sie einen Schwerpunkt Ihrer Thematik in diesen Bereichen gesetzt haben, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz sowie bei der Richterschaft den Eindruck erweckt, als würden Sie sich für die Kernthemen der niedersächsischen Justiz nicht mehr interessieren.
Dies, meine Damen und Herren, ist das eine. Das andere ist, dass auch der Tatbestand, dass Sie diesen Kernbereich vernachlässigt haben, festgestellt werden kann.
Herr Ministerpräsident, ich habe dankenswerterweise aufgrund Ihrer Einladung z. B. an Ihrem Besuch in Oldenburg am OLG teilgenommen. Ich habe mir nach diesem Besuch die Frage gestellt: Oh Gott, wie soll ein Ministerpräsident oder auch ein Minister überhaupt noch ein Bewusstsein für das entwickeln, was sich an der Basis tatsächlich vollzieht, wenn solche potemkinschen Dörfer aufgebaut werden, wie das dort der Fall war?
Wir waren wenige Wochen später mit dem Rechtsausschuss am gleichen Standort, und da brach die Kritik plötzlich über uns herein. Die Kritik ist in Niedersachsen unisono die gleiche. Uns sagen alle: Wir sind an der Grenze der Belastbarkeit,
wir sind vielerorts bereits über diese Grenze hinweg, bitte helft uns! Da nützen auch keine statistischen Tricksereien, meine Damen und Herren. Es mag an der einen oder anderen Stelle funktionieren. Aber es gibt viele Stellen in Niedersachsen, es gibt viele Gerichte, von denen wir Hilferufe bekommen und die uns sagen: Uns reicht das Perso
nal nicht mehr, bitte helft uns! Das muss zur Kenntnis genommen werden, Herr Minister. Deshalb haben wir u. a. die Große Anfrage gestellt.
Eine abschließende Bemerkung möchte ich noch machen: Es gibt nach meinem Dafürhalten einen Unterschied zwischen der Frage - dies hat Ihnen eben niemand vorgeworfen; darauf lege ich gesteigerten Wert -, ob ich etwas sozusagen persönlich kausal verursacht habe, und der Frage, ob ich für etwas die politische Verantwortung trage.
Meine Damen und Herren, ich weiß auch - ich mache das jetzt lange genug -, dass das Amt des Justizministers unter Umständen wirklich nicht vergnügungssteuerpflichtig ist, dass unter Umständen Sachverhalte eintreten können, für die Sie persönlich kausal nicht die Ursache gesetzt haben, für die Sie aber, weil Sie Justizminister und nicht Hochschulprofessor sind, die politische Verantwortung tragen.
Dieser Vorfall ist von allen in der niedersächsischen Presse und darüber hinaus als Justizskandal beschrieben worden. Dieser Justizskandal hat dazu beigetragen, dass erneut das Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger in die niedersächsische Justiz gestört ist.
Wenn dieser Fall eingetreten ist - und er ist leider eingetreten -, dann muss sich die Landesregierung, Herr Ministerpräsident, überlegen: Wie stelle ich dieses Vertrauen schnell wieder her? Das gelingt nicht, wenn ich nach der Devise „Haltet den Dieb“ mit dem Finger z. B. auf die Opposition zeige und sage: Dass ihr uns kritisiert, ist eine Riesensauerei. - So eine Presseerklärung der SPD-Fraktion zu diesem unglaublichen Vorgang. - Das bekomme ich nur aus der Welt, wenn ich mich selbstkritisch frage, ob ich etwas falsch gemacht habe, wenn ich auch in der Lage bin, mich vor die niedersächsische Bevölkerung zu stellen und zu sagen: Dies ist ein großer Fehler gewesen. Wir stehen dafür ein, und wir sagen Ihnen zu, dass wir in der Zukunft versuchen, so etwas zu vermeiden.
Das gehört dazu, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wenn ich Minister bin. Dafür bin ich Minister und nicht Hochschulprofessor. Da gibt es Unterschiede. Wenn ich dazu nicht bereit bin, dann muss ich dieses Amt aufgeben.
- Das ist kein Blödsinn, Herr Adam. Ich hoffe gleich noch auf Ihre Ausführungen zur Rechtspolitik. Da bin ich außerordentlich gespannt. Sie sollen ja der zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende dafür sein.
Ich sage abschließend auch: So etwas kann natürlich so schnell nicht Frau Knorre passieren, so etwas wird auch nicht Herrn Bartels und wahrscheinlich auch nicht dem Umweltminister passieren. Aber im Innen- und im Justizbereich gibt es solche Ereignisse. Herr Schünemann hat auf das Beispiel Bad Kleinen hingewiesen. Rudi Seiters hat hier Maßstäbe gesetzt.
Herr Minister, ich sage Ihnen noch einmal: Es gibt nach meinem Dafürhalten nicht viele Möglichkeiten, das Vertrauen der Bevölkerung wiederherzustellen. Denken Sie bitte darüber nach! Ich sage auch - das ist kein Geheimnis -, dass wir beide uns immer bemüht haben, konstruktiv, menschlich anständig miteinander umzugehen. Ich werde mich darum auch künftig bemühen; das ist überhaupt keine Frage. Aber es muss erlaubt sein, bei einem so schwerwiegenden Vorfall auch solche Äußerungen vor diesem hohen Haus zu machen, ohne dass man dafür mit „Riesensauerei“ oder Ähnlichem an die Wand gestellt wird. Dies geht nicht. Das können wir als Opposition nicht zulassen. Herzlichen Dank.
Wir müssen jetzt noch zur Ausschussüberweisung bzw. Abstimmung über den Antrag der CDUFraktion kommen. Kann ich davon ausgehen, dass die sofortige Abstimmung beantragt ist? - Sofortige Abstimmung ist beantragt.
Wir können die sofortige Abstimmung durchführen, falls nicht Ausschussüberweisung beantragt wird. Beantragt jemand Ausschussüberweisung? Das ist nicht der Fall. Dann können wir sofort über den Antrag abstimmen.
Wer dem Antrag der CDU-Fraktion in der Drucksache 3908 die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenstimmen! - Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 5: Einzige (abschließende) Beratung: Entwurf eines Gesetzes zu dem Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staats- vertrag) - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 14/3740 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Medienfragen - Drs. 14/3859
Dieser Gesetzentwurf wurde am 4. Oktober 2002 an den Ausschuss für Medienfragen zur federführenden Beratung und Berichterstattung überwiesen.
- Meine Damen und Herren, wenn Sie den Saal leise verlassen, dann können die anwesenden Kollegen und Kolleginnen auch verstehen, was ich sage. - Berichterstatter ist der Kollege Behr, dem ich das Wort erteile.