Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch mir fehlt der Kollege Uwe Inselmann in diesen Debatten. Ich möchte dazu sagen, dass ich an ihm eigentlich am meisten geschätzt habe, dass ich mit ihm manchmal über die Maßen streiten konnte und dass das nie eine langfristige Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis hatte. Gerade in diesem sehr strittigen Gorlebenkonflikt ist das eine wohltuende Arbeitsbeziehung gewesen.
Aber nun zur Sache, meine Damen und Herren: Wie schon von den Vorrednern angesprochen, glaube auch ich, dass für die Perspektive der Endlagersuche in der Bundesrepublik derzeit nicht entscheidend ist, was in Brüssel, sondern was in Berlin passiert. Der Arbeitskreis Endlager wird seine Empfehlungen für Sicherheitskriterien und eine vergleichende Suche nach einem Standort in den nächsten Tagen der Bundesregierung übergeben. Diese Empfehlungen laufen darauf hinaus, dass noch in dieser Legislaturperiode alle Fraktionen des Bundestages gefragt sind, notwendige gesetzliche Änderungen auf der Grundlage der wissenschaftlichen Empfehlungen zu vollziehen.
Das Mindeste ist nun - ich hoffe, Herr Kollege Wojahn, dass ich zumindest in der Region die Unterstützung der CDU dafür habe -, sich in der Bundesrepublik endlich auf akzeptierte Sicherheitskriterien für die Endlagerung zu verständigen. Dass wir 25 Jahre nach Beginn der Arbeiten in Gorleben noch nicht so weit sind, ist eine Schande und dem Problem nicht angemessen. Gleichzeitig streben wir an, dass das Verfahren einer vergleichenden Suche in dieser Legislaturperiode gesetzlich verankert wird. Dieses Problem darf nicht mehr - wie es bislang die Strategie war - sozusagen im Raum und in der Zeit verschoben werden.
Hier wünsche ich mir - da kann ich Herrn Wojahn verstehen -, dass Niedersachsen in dieser Frage eine sehr viel entschiedenere Rolle spielt. Ich hätte nichts dagegen, wenn sich Niedersachsen öffentlich noch viel klarer positionieren würde, auch mit Initiativen im Bundesrat. Es wird nicht einfach sein, diese vergleichende Suche durchzuführen. Grüne-Regierungsbeteiligungen gibt es nicht so viele, eine SPD-Regierungsverantwortung aber in vielen Bundesländern. Andere Landesregierungen und andere Landtage müssen in diese Verfahrensabstimmung positiv einbezogen werden.
Eine entschiedenere Rolle Niedersachsens ist unverzichtbar. Ich habe z. B. sehr bedauert, dass wir uns in der letzten Legislaturperiode mit unserem Wunsch, hier in Niedersachsen, offiziell organisiert durch diese Landesregierung, erneut ein internationales Hearing zur Endlagerung durchzuführen, nicht haben durchsetzen können.
Noch einige Sätze zu Brüssel: Herr Kollege Wojahn, das, was uns jetzt vorgelegt wurde, ist ein Richtlinienentwurf. Richtlinienentwürfe sind nicht gleich Gesetze. Es ist jetzt der verantwortlichen Arbeit von Regierungen und von Fachpolitikern im Europaparlament überlassen, was aus diesem Entwurf von Frau Palacio werden soll.
Frau Palacio gilt in der Kommission nicht zu Unrecht als Lobbyistin für die Weiterverfolgung der Atomenergie in Europa. Ich werfe dieser Kommissarin nach der Lektüre dieses Richtlinienentwurfs im Wesentlichen vor, dass sie nicht in der Lage ist einzugestehen, dass man nach mehr als einem Vierteljahrhundert, in dem überall in Europa ein Endlager gesucht worden ist, aber man nirgends weitergekommen ist als bis zu diesem Moratorium in Gorleben - nirgends ist man weiter, nirgends hat man die Sicherheitskriterien, nirgends hat man sich in der EU auf ein Verfahren verständigt, außer in Finnland und in Schweden -, jetzt auf diesen Standort Gorleben zurückgreift.
Ich empfinde das in Verbindung mit den Bemühungen aus der Kommission, den Wiedereinstieg und den Ausbau der Atomenergie über Osteuropa zu organisieren, als den Gipfel der Verantwortungslosigkeit. Ich hoffe, dass es gegen diese Pläne einen maximalen verantwortlichen Widerstand aus den Mitgliedstaaten der Union gibt, die den Ausstieg aus der Atomenergie in Westeuropa schließlich alle faktisch beschlossen haben. Es gibt keinen Neubau von Atomkraftwerken in Frankreich, es gibt schon lange keinen Neubau von Atomkraft
werken in England, und es wird einen solchen auch in Deutschland nicht geben. Die Ausweitung der Nukleartechnologie in die Länder, die jetzt in Rahmen der Osterweiterung Europa vergrößern sollen, das Ausweichen mit dem Müll in den Osten, das ist verantwortungslos, und das haben wir zu beenden. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema, das wir hier behandeln, hat auch viel mit dem Gefühl der Verbundenheit zu einer Region und zur Heimat zu tun. Deshalb bin auch ich der Überzeugung, dass Uwe Inselmann es gerne gesehen hätte, dass wir dieses Thema heute diskutieren. Uwe hat seine Position aus dieser Verbundenheit formuliert. Mir geht das ähnlich. Deshalb verfolge ich die Dinge mit großer Sorge.
Die Entwicklung ist viel weiter fortgeschritten, als den meisten bewusst ist. Die Europäisierung, die Internationalisierung der Atomwirtschaft läuft im professionellen Maßstab. Im Entsorgungssektor hat die deutsche Atomindustrie zwischenzeitlich eine Doppelstrategie eingeschlagen, die darauf hinausläuft, sowohl die Option Gorleben und Konrad als zwei Beine des Entsorgungssektors zu verfolgen als auch parallel die russische Option voranzutreiben. Das läuft ganz praktisch, und das ist jetzt auch keine Propaganda: Die DBE hat dazu eine Tochtergesellschaft gegründet. Siemens, der TÜV, die DBE sind in Russland bereits aktiv. Die Endlagertechnologie wird dort vorangetrieben. Die Russen bieten für die nach Niedersachsen gelieferten Brennelemente, die u. a. in Unterweser und in anderen deutschen Atomkraftwerken laufen, bereits die Rücknahme an. Es ist bekannt, dass das Fassungsvermögen des genehmigten Atommüllendlagers Schacht Konrad doppelt so groß ist, wie es im Augenblick für deutschen Atommüll genehmigt ist.
Daran können Sie sehen, dass die deutsche Atomwirtschaft erkannt hat, dass es zu risikoreich ist, allein auf Gorleben zu setzen. Die russische Option wird zwischenzeitlich bereits in vielerlei Feldern
vorangetrieben. Im Gegenzug wird darüber diskutiert, Konrad zum europäischen Endlager für 95 % der sonstigen Abfälle zu machen, die so oder so überwiegend aus La Hague und aus Sellafield, also aus internationalen Quellen, zu uns kommen.
Es ist damit zu rechnen, dass sich die Fakten in dieser Art und Weise weiterentwickeln, wenn sich die Landespolitik nicht aktiver dagegenstellt. Hier gilt das, was auch Herr Gabriel gestern gesagt hat: Da muss das Land an erster Stelle stehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ganz herzlich für die einfühlsamen Worte des Präsidenten über unseren Kollegen Uwe Inselmann bedanken. Ich habe am letzten Mittwoch in Bleckede eine Festveranstaltung zum Thema Biosphärenreservat Elbtalaue gehabt. Herr Inselmann saß in der ersten Reihe. Ich nahm die Gelegenheit wahr, seine Arbeit gerade in diesem Projekt zu würdigen, unter großer Zustimmung des dortigen Auditoriums. - Es trifft uns alle sehr.
Meine Damen und Herren, es geht um nukleare Sicherheit, ein in der Tat wichtiges Thema, und zwar nicht nur für die derzeitige Europäische Union, sondern vor allem für die Erweiterungsstaaten. Ich will darauf hinweisen, dass in sieben dieser Staaten, die neu hinzukommen, 22 Atomkraftwerke in Betrieb sind. 20 davon sind sowjetischer Bauart. - Damit ist zu dem Thema alles gesagt. Deshalb gibt es - das waren auch Voraussetzungen für die Beitrittsverhandlungen - aus guten Gründen Anforderungen an Nachrüstung und an Stilllegung derartiger Kernkraftwerke.
Es ist also nicht zu problematisieren, ob sich die EU - ob da rechtlich zulässig ist oder nicht, ist durchaus strittig - Gedanken über einen hohen nuklearen Sicherheitsstandard in Europa macht, sondern wir müssen gewährleisten, dass die Osterweiterung nicht dazu führt, dass Mindeststandards definiert werden und darüber hinausgehende rechtliche Ansprüche, wie sie beispielsweise in Deutschland vorhanden sein könnten, dann zu nivellieren sind. Das ist das Problem in diesem Zusammenhang.
Dann allerdings hat die EU-Kommission - das ist schon sehr kritisch zu diskutieren -, übrigens unter
Beteiligung zweier deutscher Kommissare, die keine Einwände geltend gemacht haben - Herr Verheugen und Frau Schreyer -, noch einige Bausteine in diesen Richtlinienentwurf eingebaut, die hoch problematisch sind.
Das beginnt mit dem Thema Erweiterung des Förderrahmens von 4 auf 6 Milliarden Euro. Wenn dort keine geeignete und enge Zweckbestimmung vorgesehen ist, dann ist nicht auszuschließen, dass damit nicht nur Stilllegungen bzw. Nachrüstungen vorgenommen werden, sondern eben auch der Betrieb von Kernkraftwerken organisiert wird.
Sieht man sich das Grünbuch der Europäischen Kommission zur Energieversorgungssicherheit aus dem November 2000 an, wird auch deutlich, dass darin das Interesse formuliert ist, der Kernenergie eine Zukunft zu geben - anders, als das in der deutschen Debatte der Fall ist. Deshalb ist die zuständige Kommissarin in Europa eher dabei, gesellschaftliche Akzeptanz zu organisieren, als eine Abwicklungsstrategie zu entwickeln. Dafür hat sie keine Kompetenz. Das trifft auf unseren entschiedenen politischen Widerstand; das will ich hier ganz deutlich sagen.
Die zweite kritische Bemerkung bezieht sich darauf, dass in diesem Richtlinienentwurf Zurückstellungen organisiert werden, die faktisch den Atomkonsens vom Juni 2000 in Deutschland zur Auflösung bringen könnten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die nationale deutsche Politik dies in irgendeiner Art und Weise akzeptieren kann. Es wird Sache der Bundesregierung sein, dem mit Entschiedenheit zu widersprechen. Wenn ich die Debatte des Umweltrates zu Beginn dieser Woche richtig wahrgenommen habe, hat mein Kollege Trittin dies auch in aller Deutlichkeit getan.
Der dritte zu kritisierende Punkt hat mit dem Thema Endlagerkonzept zu tun. Es ist unstrittig, dass die EU dafür keine Kompetenzen hat. Gleichwohl macht sich die EU an die Arbeit und erläutert die europäische Situation beispielsweise mit einem Satz, in den man Gorleben hineinlesen kann, der aber so abwegig ist, dass es einem wirklich die Sprache verschlägt, weil darin faktisch gesagt wird: Es gibt schon ein Endlager, aber die Politik verhindert, dass davon Gebrauch gemacht wird. Meine Damen und Herren, ein bisschen mehr Solidität in der europäischen Debatte würde ich mir schon wünschen.
Dann kommt die Kommission auf den Gedanken, uns einen Zeitplan vorzugeben. Obwohl die Situation gegenwärtig in ganz Europa offen ist - darauf ist eben ja zu Recht hingewiesen worden -, will die EU schon im Jahre 2003 beschlossen haben, dass mit dem Jahr 2008 alle Standorte für Endlager in Europa praktisch definiert sind, und möchte gewährleistet wissen, dass diese Endlager im Jahre 2013 bzw. 2018 ihren Betrieb aufnehmen. Meine Damen und Herren, das liegt so sehr neben der internationalen Debatte und würde den mühsam gefundenen Kompromiss zur Endlagersuche in Deutschland so konterkarieren, dass wir um zunehmende Auseinandersetzungen gar nicht herumkämen. Das ist auch gar nicht organisierbar. Es ist in jeder Hinsicht sachfremd.
Vor diesem Hintergrund kann ich nur dringend raten, diese Bausteine aus den Richtlinienentwürfen verschwinden zu lassen. Die Umweltministerkonferenz hat bereits im November ihre kritischen Anmerkungen dazu vorgetragen. Wir werden in den Beratungen der nächsten Wochen den deutschen Sachverstand in diese europäische Debatte einbringen. - Vielen Dank.
Herr Kollege Jüttner, ich meine, dass es tatsächlich richtig ist, dass sich das Land Niedersachsen nicht nur in Brüssel in diese Debatte einmischt, sondern es muss auch hier in der Bundesrepublik offensiver darüber diskutiert werden.
Ich habe heute Morgen den Zeitungen entnommen, dass der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschieden hat, dass die Kompetenzen der EU-Kommission erweitert werden sollen. Es wird nicht interpretiert, aber es wird eine Ausweitung der Kompetenzen der Kommission gerade auch bei der Standortauswahl für Kernanlagen ganz allgemein geben. Was das heißt, kann ich heute Morgen auch noch nicht sagen. Ich bin aber ganz sicher, dass das Land Niedersachsen als dasjenige Land in der Bundesrepublik, das bereits über zwei Standorte verfügt, die eben präjudizierend sind, seine Atompolitik sehr viel offensiver gestalten muss.
An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, dass Sie selbst einmal diese Debatte entfacht haben. Ich
kann mich erinnern, dass Sie im Zusammenhang mit Schacht Konrad vor einem Jahr oder vor zwei Jahren für uns alle sehr überraschend in einer Diskussion eben diese europäische Lösung eingefordert haben. Man muss da sehr vorsichtig sein. Was „europäische Lösung“ heißt, ist sehr schwer zu beurteilen. So etwas kann einem, auch wenn man das vielleicht nicht beabsichtigt hat, auf die Füße fallen.
b) Schulchaos in Niedersachsen: Gabriels Förderstufe schon jetzt gescheitert - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3989
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einem halben Jahr wurde hier im Landtag ein Schulgesetz mit dem Neukonstrukt einer Förderstufe beschlossen. Deshalb darf man nach einigen Monaten vielleicht doch einmal fragen, wie sich das Ganze denn so entwickelt hat. Dann schaut man am 28. November in die Ostfriesen-Zeitung und liest dort - ich meine mich zu erinnern, Herr Golibrzuch, dass auch Sie sich darin geäußert haben -: Die Förderstufe sei praktisch vom Tisch, Landkreise und Städte hätten ihre Planungen für die Förderstufe bereits eingestellt. - Ich frage, ob sie sie überhaupt jemals aufgenommen haben. Aber sei‘s drum!
Dann guckt man am 2. Dezember in die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Dort heißt es eher hämisch in Ihre Richtung, Frau Ministerin, ob ihr denn nicht entgangen sei, dass es auch ein halbes Jahr nach der Verabschiedung der Schulreform noch keine einzige Kommune gebe, die die Strukturvorgaben des SPD-Schulgesetzes umgesetzt habe. Dazu kann ich dann nur sagen, dass die Basis also nicht absolut unvernünftig zu sein scheint.
Dann muss man sich auch einmal vor Augen führen, wie sich das Ganze denn in der nächsten Zeit vielleicht entwickeln wird. Es ist ja wohl jedermann klar, dass sich hier im Blick auf den 2. Februar die politischen Konstellationen relativ deutlich gegenüber stehen, auf der einen Seite Rot-Grün und auf der anderen Seite Schwarz-Gelb. Wir sollten uns einmal ansehen, was dann wohl aus der Förderstufe wird. Ich sage Ihnen: Die Förderstufe wird die schulpolitische Wirklichkeit in Niedersachsen nicht erleben.
Blenden wir einmal zurück: Es war ja nun der Herr Ministerpräsident, der vor über zwei Jahren des Nachts eine Idee hatte, eine Ideenskizze, wobei er dachte: Wir müssen die Union ja irgendwie wieder einfangen. Die wollen das Abi nach zwölf Jahren, die wollen die Orientierungsstufe abschaffen. Ähnliches wollte er dann auch tun. Aber herausgekommen ist eine Förderstufe, ein - wie ich Ihnen sagen kann - absoluter Murks. Das dürften Sie hoffentlich bemerkt haben.
Meine Damen und Herren, was heißt jetzt „Förderstufe“? Umetikettieren der alten Orientierungsstufe, Verzicht auf jegliche Differenzierung, keine Chance auf schulformspezifische Profilierung, notfalls sogar Entscheidung der Zuordnung der Schüler durch Losprinzip - wo bleibt denn da der Elternwille? -, das Ganze in den Jahrgängen 5 und 6 - Gesamtschule pur! Das Ganze funktioniert auch nicht. Dann wäre die alte O-Stufe notfalls noch besser gewesen. Was Sie jetzt vorhaben oder tun wollen, ist eine Verschlimmbesserung.
Schauen Sie sich die Situation doch einmal bundesweit an. Die Republik hat doch schon gefragt: Warum geht Niedersachsen über Jahre und Jahrzehnte den Sonderweg einer Orientierungsstufe? Nun schieben Sie das zum Teil auf PISA und kreieren jetzt eine Förderstufe. Da fragt ganz Deutschland wiederum: Warum machen die Niedersachsen eine Förderstufe? Warum gibt es dort wieder einen Sonderweg? Was soll das Ganze denn?