Protokoll der Sitzung vom 13.12.2002

(Busemann [CDU]: Was ist ein gro- ßes Vermögen?)

Wer die Kritik an einem solchen Ungleichgewicht mit dem Begriff „Neid“ versieht, der hat erklärt, dass er meilenweit von der gesellschaftlichen Wirklichkeit entfernt ist und nicht mehr wahrnimmt, was die Menschen in diesem Lande empfinden.

(Beifall bei der SPD - Möllring [CDU]: Was sagt denn der Kanzler?)

Unser Vorschlag ist sehr eindeutig und klar. Wir schlagen vor, eine bessere Ausstattung unserer Schulen und Kindergärten durch eine maßvolle Vermögensteuer zu finanzieren, die ausreichend hohe Freibeträge setzt, um Familien und kleine Unternehmen von dieser Steuer auszunehmen.

(Busemann [CDU]: Was ist denn eine maßvolle Vermögensteuer? Wie hoch ist sie?)

Das, meine Damen und Herren, ist ein Konzept der Solidarität.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Es ist verantwortungsbewusst und tragfähig. Wer meint, er hätte einen besseren Vorschlag, der soll ihn vortragen. Dann werden wir diesen besseren Vorschlag prüfen.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU - Möllring [CDU]: Das hat doch Schröder gemacht!)

Meine Damen und Herren, Herr Wulff, Sie sorgen sich offensichtlich mehr darum, dass ein Großaktionär mit einem Aktienkapital von 3,4 Milliarden Euro locker 250 Millionen Euro auf dem New Market verlieren kann, dass er sich aber darüber beklagt, 1 %Vermögensteuer zu zahlen. Um diese Person sorgen Sie sich. Wir sorgen uns um die Köpfe und die Ausbildung der jungen Menschen. Dafür wollen wir unsere Arbeit leisten.

(Beifall bei der SPD)

Sie, Herr Kollege Wulff, stellen sich hinter diejenigen, die mit den Begriffen „Neid- oder Enteignungssteuer“ die gesamte Arroganz gegenüber unserem Staatswesen und seinen Menschen zum Ausdruck bringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will nicht behaupten, dass ich gerne Steuern bezahle. Das wäre nun wirklich übertrieben. Aber ich glaube, dass es zu den Grundlagen unserer sozialen Demokratie gehört, dass die mit den breiten Schultern mehr zu tragen haben als die mit den schmalen Schultern. Wenn wir diesen Konsens aufkündigen, dann kündigen wir mehr auf als nur eine steuerpolitische Debatte.

(Beifall bei der SPD)

Meine Kritik richtet sich gegen die Qualität Ihrer Argumente, Herr Kollege Wulff, und gegen die Drohgebärde der Abwanderung.

(Busemann [CDU]: Das ist keine Drohgebärde!)

Wer die Ressourcen dieses Staates genutzt hat, um seine eigene Entwicklung zu optimieren, der handelt schäbig, wenn er nicht bereit ist, dem Staat seinen Beitrag dafür zu leisten, diese Grundlagen zu erhalten und die Ressourcen zu vermehren. Das ist nicht anständig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Bei dieser Debatte wird der Unterschied zum einfachen abhängig beschäftigten Arbeitnehmer überdeutlich. Der kann nämlich vor dem Finanzamt weder vor seinen Steuern weglaufen, noch kann er sein Einkommen gegen null rechnen. Andere können das, Arbeitnehmer können das nicht. Deshalb gelten unsere Aufmerksamkeit und unsere Politik denen in der Gesellschaft, die sich nicht vor Steuern schützen können, sondern ihren Steuerbeitrag zu leisten haben. Und andere müssen das genauso tun.

(Beifall bei der SPD)

Der Staat ist doch nicht irgendein anonymes Gebilde. Der Staat ist die Summe seiner Dienstleistungen und seiner Fundamente für die Bürgerinnen und Bürger.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer ständig die Einnahmen des Staates diffamiert, wie Sie das tun, und sich geradezu in Rage redet bei den Fantasien über riesige Kürzungspotenziale in den öffentlichen Haushalten, der verkennt völlig, dass die Staatseinnahmen die Grundlage für nachfragewirksame Investitionen sind. Das Geld, das der Staat einnimmt, wird schließlich nicht verbrannt.

(Busemann [CDU]: Dann erhöhen Sie doch die Einkommensteuer!)

Wir wollen damit zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer bezahlen, wir wollen Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen einstellen,

(Zurufe von der CDU)

Schulen bauen und sanieren und Unterrichtsmaterial anfassen. Das ist unser Konzept. Ihr Konzept ist Brüllen und Dazwischenrufen.

(Beifall bei der SPD)

Es mag ja sein, dass Sie das anders sehen, aber für uns sind Investitionen in die Köpfe der jüngeren Generation rentierliche Investitionen und nicht irgendwelche anonymen konsumtiven Ausgaben.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Wer ständig über den Wert von Familien und Kindern lamentiert, wie Sie, Herr Kollege Wulff, das

tun, der muss eine Antwort darauf geben, wie er den Auftrag des Grundgesetzes, nach dem Familien unter dem besonderen Schutz des Staates stehen, ausführen und - das heißt es auch - bezahlen will. Diesen Beleg haben Sie bisher nicht erbracht.

Sechs Wochen vor der Landtagswahl ist es wieder kein eigenes Konzept, das die niedersächsische CDU zur Diskussion stellt, sondern eine weitere Dünndruckausgabe ihrer allenthalben bekannten wirtschaftspolitischen Thesen, die allerdings nur in Forderungen münden und keine Lösungsansätze bieten.

(Busemann [CDU]: Haben Sie das Politbarometer gesehen?)

Ihr arbeitsmarktpolitisches Programm ist eine mit heißer Nadel genähte Patchworkdecke aus Stoibers unehrlichem Wahlprogramm und seinen Bundesratsanträgen. Sechs Wochen vor der Landtagswahl in Niedersachsen beschäftigt die CDU das Landesparlament mit Anträgen aus der Rumpelkiste ihres Bundestagswahlkampfs,

(Zurufe von der CDU)

deren Frischegarantie längst abgelaufen ist. Sechs Wochen vor der Landtagswahl hat den Oppositionsführer in Niedersachsen, hat Herrn Wulff der Mut verlassen, sich mit dem amtierenden Ministerpräsidenten zu messen. Er wagt sich nicht mehr an landespolitische Themen heran, er redet nur noch über Bundespolitik. Und so ein Mann will Landespolitik machen und Ministerpräsident werden?

(Beifall bei der SPD)

In Ermangelung eigener landespolitischer Alternativen flüchten Sie sich immer mehr in bundespolitische Themen, und Sie glauben, die Menschen lassen Ihnen das durchgehen.

(Zuruf von der CDU)

Herr Kollege Wulff, ich bin mir sicher, die Menschen werden Sie nach Alternativen zur Regierungspolitik hier in Niedersachsen fragen, und dann werden sie merken, dass außer heißer Luft bei Ihnen nichts ist. Sie reden über Gott und die Welt, nur nicht über Niedersachsen. Sie versprechen allen alles und können doch nur hoffen, dass Sie die Unhaltbarkeit Ihrer Versprechen niemals erleben müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die drei arbeitsmarktpolitischen Anträge der CDU-Fraktion sind der Beleg für die Ideenlosigkeit der niedersächsischen CDU. Gegensteuern statt neuer Steuern - die Logik dieses Slogans spiegelt den intellektuellen Gehalt Ihrer arbeitsmarktpolitischen Forderungen wider. Wir kennen alle das Problem noch aus unserer Schulzeit. Beim Abschreiben muss man höllisch aufpassen. Man muss aufpassen, dass die Wirklichkeit einen nicht überholt, und man muss vor allen Dingen aufpassen, ob das, was man abgeschrieben hat, auf das eigene Problem passt, in diesem Fall auf die Probleme, die es hier in Niedersachsen gibt. Ich sage Ihnen, Herr Kollege Wulff: Wer glaubt, dass er nur mit immer neuen Steuersenkungsvorschlägen, nur mit immer neuen Vorschlägen, wie Mehrausgaben zu sehen sind, diese Dinge miteinander verzahnen kann, und wer dann noch glaubt, die Menschen nehmen einem das ab, der wird erleben, dass die Menschen einem dafür die rote Karte zeigen. Und die haben Sie verdient, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Ich will auf Ihre Anträge insofern eingehen, als ich auf den Punkt hinweise, den Sie selbst ja offensichtlich nicht zu lösen bereit und in der Lage gewesen sind. Sie reden z. B. davon, dass Sie kleine Einkommen steuer- und sozialabgabenfrei stellen wollen, und zwar sämtliche, egal, in welchen Bereichen sie erzielt werden.

(Busemann [CDU]: Was will denn Hartz? Erzählen Sie mal!)

An einer anderen Stelle, nämlich in der Begründung, sprechen Sie davon, dass das natürlich so nicht sein kann, sondern dass man versuchen muss, einen Teil dieser vorab sozialversicherungs- und steuerfrei gestellten Einkommen dazu zu benutzen, die sozialen Sicherungssysteme zu sanieren bzw. aufrechtzuerhalten. Was gilt denn nun, Herr Kollege Wulff? Wollen Sie den Menschen suggerieren, dass diese kleinen Einkommen steuer- und sozialversicherungsfrei sind, oder gilt, wie Sie in Ihrer Begründung geschrieben haben, dass selbstverständlich ein Teil davon zur Finanzierung des Staatshaushalts herangezogen werden muss? Sie machen eine Mogelpackung auf, Sie suggerieren den Menschen etwas, und in der Begründung kassieren Sie es wieder ein. Das ist Politik Marke CDU: vorne etwas versprechen, hinten wieder

reinholen. Das ist Ihre Politik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Aber niemand will noch weitere Jahre Ihr Gejammer und Ihre Nörgelei hören, ob das um den Standort Niedersachsen geht oder ob es um den Standort Deutschland geht. Das ist übrigens nicht nur meine Meinung. Ihren Überdruss haben Anfang der Woche neben Herrn Frenzel auch der Porsche-Chef Wiedeking und der Autovermieter Sixt, Wolfgang Rupp von der Fimega in BadenWürttemberg, der Zukunftsforscher Matthias Horks und der Chef der Schweizer Prognos AG, Gustav Greve, geäußert.

Wir sind in einer Situation, in der Leute wie Sie ständig den Standort mies machen, ständig erklären, dass alles bergab geht, die Wirklichkeit jedoch anders aussieht, in der wir uns aber irgendwann in der sich selbsterfüllenden Prophezeiung wiederfinden. Schauen Sie doch einmal nach draußen. Gehen Sie doch einmal durch die Städte. Die Städte sind voll mit Menschen, die einkaufen. Der Einzelhandelsverband sagt: Wir sind froh über die Umsätze.

(Zurufe von der CDU)

Das steht allerdings nur in einem kleinen Artikel. Die großen Schlagzeilen beschäftigen sich aber mit Negativparolen. So redet man den Standort schlecht.