und wenn man mit seiner Politik keinen Erfolg gehabt hat, dann kann man der niedersächsischen Öffentlichkeit gegenüber natürlich mit Zwischenrufen und Störmanövern ein Bild des Grauens liefern.
Mein Gefühl ist es, Frau Vizepräsidentin Goede, dass die Bürger für Ihr Verhalten ein ganz feines Gespür haben, für Ihre Anzeigen, für Ihre Unwahrheiten, für Ihre Vorstöße, für Ihre Kampagnen und für Ihre Bilanz.
Weil das in diesem Land so ist, weil die Menschen das bewerten können, was Sie mit dem Rundumschlagversuch hier liefern, werden wir die Wahl am 2. Februar gewinnen. Das wird dem Land gut tun. Das kann ich Ihnen garantieren.
(Starker, nicht enden wollender Bei- fall bei der CDU - Plaue [SPD]: Ma- chen Sie es doch im Gleichschritt! Das können Sie doch!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wulff, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört. Ich habe auch in den letzten Wochen sehr aufmerksam gelesen, was Sie in Interviews erklärt
haben. Sie reden vom Tarifrecht, wahrscheinlich weil Sie nicht dafür zuständig sind. Sie wollen Kündigungen erleichtern, um Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist eine Logik, die sich nicht unmittelbar erschließt.
(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das haben Sie mit Gabriel verwechselt! Das war Herr Clement für die rot-grüne Regierung!)
Sie reden über viele Dinge. Sie reden aber nicht darüber, welche Steuersubventionen Sie abbauen wollen, sondern Sie unterlegen Ihre Wahlversprechen mit unhaltbaren Wachstumsprognosen.
Es ist hilfreich, dass man weiß, wer nach dem 2. Februar hier regieren will. Wer glaubt, dass das Wachstum in Niedersachsen explodiert, wenn Josef Schlarmann zum Minister ernannt wird, der glaubt auch an Erdmännchen.
(Beifall bei den GRÜNEN - Heiter- keit bei der SPD - Möllring [CDU]: Sagen Sie uns, wie die Grünen es bes- ser machen wollen!)
Die rot-grüne Bundesregierung hat - ich finde, das hätte auch eher kommen können - ein paar kluge Vorschläge gemacht, die zurzeit im Bundesrat blockiert werden. Die rot-grüne Bundesregierung schlägt vor, im Bereich der Minijobs endlich die Teilzeitmauer zu überwinden, um durch gestaffelte Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.
(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das war unser Vorschlag! - Gegenruf von Frau Harms [GRÜNE]: Sie sollten einmal wieder zur Beichte gehen, Herr Wulff!)
- Ich weiß. Wenn es ein guter Vorschlag war, waren Sie im Zweifel immer beteiligt, Herr Wulff. Das wissen wir. Wir wissen um Ihren großen Einfluss.
Die rot-grüne Bundesregierung schlägt vor - was höchst vernünftig ist -, durch Ministeuern Existenzgründerinnen und Existenzgründern in diesem Land - bis zu einer Obergrenze - 50 % der Einnahmen als Betriebsausgaben pauschal steuerlich anzuerkennen, um Wachstum zu stimulieren. Was
macht die CDU/CSU im Bundesrat? Was macht sie, anstatt diesen Vorschlag durchzuwinken? Anstatt tatsächlich etwas für das Wirtschaftswachstum zu tun, streiten Sie mit der Bundesregierung um die Höhe dieser Einkommensgrenzen, streiten, anstatt an dieser Stelle zu sagen: Das unterstützen wir. Das ist ein sinnvoller Vorschlag, hinter den wir uns stellen.
Nein, die Union blockiert alles. Im Verein mit der FDP stoppen Sie solche Diskussion im Bundesrat, bevor sie überhaupt richtig begonnen haben.
Natürlich haben wir in Deutschland ein Problem mit der Wirtschaftslage. Das ist in erster Linie aber nicht konjunkturell bedingt. Dieses Problem hat auch nicht in erster Linie mit der Steuerpolitik zu tun. Wenn wir die wahlkampfbedingten Aufgeregtheiten einen Moment beiseite lassen, dann sind wir uns doch darüber einig, dass wir in Deutschland in erster Linie zu hohe Sozialabgaben haben. Warum haben wir in Deutschland so hohe Sozialabgaben? - Weil von 1982 bis 1998 in diesem Land keine Familienpolitik stattgefunden hat.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD Es war erst die rot-grüne Bundesregierung, die den Eingangssteuersatz verbessert und das steuerfreie Existenzminimum erhöht hat. Es war die rot-grüne Bundesregierung, die das Kindergeld erhöht hat. Ich sage Ihnen: Wir haben eine rückläufige Bevöl- kerungsentwicklung. Das ist auch kein Wunder, wenn in Deutschland zwei Jahrzehnte lang keine Familienpolitik stattfand. Es ist natürlich auch ein Problem, wenn Sie sich die Bevölkerungsprogno- sen anschauen. Im Jahre 2040 wird es nach Lage der Dinge noch 66 Millionen Menschen in Deutschland geben. Jeder Zweite davon wird über 65 Jahre alt sein. Aktuell ist die Alterstruktur in Niedersachsen in den letzten fünf Jahren so, dass mittlerweile jeder vierte Niedersachse über 60 Jahre alt ist. Das ist ein Zuwachs von fünf Pro- zentpunkten. Was glauben Sie denn, wie Sie das Wirtschaftswachstum generieren können? - Doch nicht ohne Zuwanderung! Es ist auch ein Ver- säumnis von 16 Jahren CDU/FDP-Bundes- regierung in Bonn, dass es nach wie vor kein mo- dernes Zuwanderungsgesetz in Deutschland gibt. Ich sage Ihnen ferner: Zusätzliche Arbeitsplätze in Deutschland und zusätzliches Wirtschaftswachs- tum erreichen Sie nur durch eine moderne Famili- enpolitik und durch ein modernes Zuwanderungs- recht. (Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)
Diese hohen Lohnnebenkosten haben Sie nicht nur durch Versäumnisse in der Vergangenheit verschuldet. Vielmehr haben Sie auch tatsächlich dazu beigetragen. Sie haben dazu beigetragen, indem Sie die Kosten der deutschen Einheit einseitig zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über die Sozialversicherung finanziert haben.
Unser Problem sind diese hohen Abgaben. Was unsere Wirtschaft drosselt, ist diese Helmut-KohlGedächtnissteuer, die wir jeden Tag zu entrichten haben. Diese Helmut-Kohl-Gedächtnissteuer, diese hohen Sozialabgaben, ist die größte Wachstumsbremse in Deutschland. Deswegen ist es unredlich, wenn Sie behaupten, dass Sie durch einen CDUWahlsieg höhere Wachstumsraten erzielen können.
Zur Steuerpolitik: Nicht einen einzigen konstruktiven Satz zur Steuerpolitik haben Sie hier gesagt. Der Ministerpräsident hat völlig zu Recht auf das Beispiel des Bundestagswahlkampfes verwiesen. Im Bundestagswahlkampf sind Sie - flott voran immer dafür eingetreten, eine Mindestbesteuerung für Großkonzerne durchzusetzen. Dazu sage ich: Gut gebrüllt! - Wo ist jetzt der Vorschlag der CDU/CSU? Der Vorschlag der rot-grünen Bundesregierung liegt auf dem Tisch. Dieser Vorschlag ist vernünftig, weil er kleine und mittelständische Unternehmen völlig ausklammert. Es ist völlig klar: Bis zu einer bestimmten Obergrenze der Einkommen werden kleine und mittelständische Unternehmen auch künftig die Gewinn- und Verlustverrechnung vornehmen können. Das heißt, wir reden ausschließlich über die zusätzliche steuerliche Belastung von Großkonzernen. Jetzt sagen Sie doch einmal, welche Interessen Sie vertreten! Ich frage Sie: Welche Interessen vertreten Sie in diesem Land? Vertreten Sie die Interessen von Großkonzernen, oder vertreten Sie die Interessen von kleinen und mittelständischen Unternehmen, von sozialversichtungspflichtigen Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern und auch die Interessen der öffentlichen Haushalte, die ohne die Schließung solcher Steuerschlupflöcher in der Tat nicht in den Griff zu bekommen sind?
Es geht ja noch viel weiter. Unmittelbar nach der Bundestagswahl hat sich dankenswerterweise Herr Koch, Ihr Ministerpräsident in Hessen, in einem Interview mit Capital zu der Frage ausgelassen: Wie halten Sie es denn mit Kontrollmitteilungen? Kontrollmitteilungen sind ein sinnvolles Instrument. Wenn denn die Zinsabgeltungssteuer funktionieren soll, dann nur mit einer solchen Kontrollmitteilung an die Finanzämter, die dann über Wertpapiererträge, Fondserträge und über Kapitalund Zinsbewegungen hinreichend informiert werden können. Herr Koch hat erklärt: Kontrollmitteilungen? Ich habe damit überhaupt gar kein Problem. Her damit! Wir brauchen das zur Sanierung der öffentlichen Kassen, auch in Hessen. Was machen Sie jetzt stattdessen, unmittelbar vor den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen?
Sie vergessen all diese Äußerungen, Sie vergessen das, was steuerpolitisch vernünftig ist, und hetzen die Leute auf, indem Sie sagen: Mit den Kontrollmitteilungen soll der Schnüffelstaat eingerichtet werden.
(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Frau Scheel sagt das! Ihre Sprecherin! Gegenruf von Frau Harms [GRÜNE]: Ihre Rede in Oldenburg! Was Sie da alles zum Schnüffelstaat gesagt haben!)
Sie hetzen die Leute auf, anstatt konstruktiv daran mitzuwirken, dass die öffentlichen Kassen tatsächlich das erforderliche Geld erhalten, mit denen wir die Ausgaben für die soziale Infrastruktur und für die Bildungsinfrastruktur bestreiten können. Wir brauchen dieses Geld, und deswegen vertreten wir die Auffassung, dass wir auch diese Kontrollmitteilungen brauchen.
Ich stelle fest: In der Steuerpolitik ist von Ihnen nicht ein einziger konstruktiver Beitrag gekommen, sondern es sind allenfalls nörgelpolitische
Ich sage Ihnen: Auch wir sind nicht in jedem Punkt mit den steuerpolitischen Vorschlägen der Bundesregierung glücklich, übrigens auch nicht mit denen des Ministerpräsidenten.
Es gehört dazu - auch wenn man koaliert -, dass man vielleicht einmal unterschiedlicher Auffassung ist, dass man sich dann aber einigt. In Bezug auf die Dienstwagensteuer - das will ich Ihnen gerne sagen - ist mir nicht erinnerlich, dass es eine ähnliche öffentliche Aufregung und eine ähnliche öffentliche Debatte gegeben hätte, als die CDU/CSU-FDP-Regierung 1996 die einprozentige Besteuerung von Dienstwagen eingeführt hat. Warum ist also jetzt der Untergang des Abendlandes angesagt, wenn diese Steuer, die CDU/CSU und FDP eingeführt haben, um 50 % erhöht wird, nämlich von 1 % auf 1,5 %? Vielleicht ist es ja so - ich lasse mich da gern eines Besseren belehren -, dass die Automobilindustrie neue, zusätzliche Argumente hat. Vielleicht ist es aber auch nur so, dass in den letzten sieben oder acht Jahren die Lobbyarbeit der Konzerne an dieser Stelle verbessert worden ist. Auch wir fahren im Wahlkampf mit einem VW-Bus durch die Gegend und leisten uns trotzdem eine eigene Meinung. Um das ganz deutlich zu sagen: Die FDP fährt in diesem Wahlkampf mit BMW. Das sagt wohl eine ganze Menge über die Politik dieser Partei aus.
Wir haben auch eine eigene Auffassung zu der Eigenheimzulage. Ich will Ihnen das gerne sagen: Die Eigenheimzulage macht im Bundeshaushalt 9 Milliarden Euro aus. Die Eigenheimzulage ist die größte Steuersubvention, die Sie überhaupt in Deutschland finden. Für sie wird viermal so viel Geld aufgewendet wie für die Steinkohlesubvention, die sonst immer gern als Argument genannt wird. Wenn Sie die Eigenheimzulage nicht antasten wollen, dann können Sie auch gleich sagen, dass Sie gegen den Abbau von Steuervergünstigungen sind. In dieser Frage haben wir auch eine unterschiedliche Auffassung. Wir sagen: Jawohl, es ist richtig, Mitnahmeeffekte zu begrenzen. Es ist richtig, insbesondere Familien mit Kindern weiterhin solche Zulagen zu gewähren. Richtig ist aber auch, die Zahlung dieser Eigenheimzulage abzu
schmelzen. Es ist schon deswegen falsch, an dieser Stelle mit der Konjunktur zu argumentieren, weil andere Staaten in der OECD oder der Europäischen Union dieses Zulageninstrument nicht kennen und trotzdem andere Wachstumsraten aufzuweisen haben als Deutschland. Das deutet darauf, dass wir eben Sonderlasten der deutschen Einheit zu schultern haben, das verweist auf die dramatische Überalterung der Gesellschaft, und das verweist vor allem auf die Versäumnisse von zwei Jahrzehnten CDU/CSU-FDP-Regierung in Bonn und Berlin. Ich sage Ihnen: Das wollen wir nicht noch einmal erleben.
Sie haben hier deutlich gemacht, Sie wollen Steuersubventionen beibehalten. Sie haben jedenfalls nicht erklärt, welche Sie möglicherweise senken wollen. Sie haben erklärt, Sie wollen die Ausgaben steigern. Es ist das die 3 500-neue-Stellen-Lüge, zu sagen: Wir schaffen es durch zusätzliches Wachstum, eine entsprechende Zahl von Lehrern und von Polizeianwärtern neu einzustellen. - Das wird es nie geben. Ferner versprechen Sie im gleichen Atemzug, die Verschuldung zu senken. Das ist kein Konzept, das ist keine Logik, das ist die Milchmännchenrechnung des Christian Wulff. Diese Rechnung wird nicht aufgehen.
Die Mehrheit, die Sie zurzeit in den Umfragen haben, ist sehr fragil. Es sind Gott sei Dank noch knapp zehn Tage bis zur Landtagswahl.