Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

In dem Steuererhöhungsgesetz reden Sie von tierischem Dünger. Wenn man das nicht steuertechnisch betrachtet, nennt man das Mist. Darauf sollen demnächst statt 7 % 16 % Mehrwertsteuer gezahlt werden. Wenn ich die Kollegin Litfin zitieren wollte, die dafür einen Ordnungsruf bekommen hat, dann müsste ich jetzt sagen: Man kann nicht aus... Geld machen. Ich will das nicht wiederholen, weil das der Sprachgebrauch der Grünen ist. Aber ich will Ihnen eines sagen. Sie erheben auch auf Getreidestroh die doppelte Mehrwertsteuer, und zwar auf das Stroh für die Einstreu in der Tierhaltung. Gerade die Grünen reden davon, dass Einstreu humaner sei als Spaltenböden.

(Beifall bei der CDU)

Es ist schon einmal jemandem gelungen, aus Stroh Gold zu machen. Das war Rumpelstilzchen.

(Zuruf von der SPD)

Rumpelstilzchen hat für die Königstochter Stroh zu Gold gesponnen. Dafür hatte sie ihm das Kind versprochen. Wie er sich hinterher benommen hat, wissen wir alle. Es wird häufiger zitiert, dass sich Gabriel in der Staatskanzlei wie Rumpelstilzchen benimmt. Deshalb habe ich das vorgetragen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von Lanclée [SPD])

Beim Zahnersatz, Herr Lanclée, haben Sie die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes mit dem Hinweis begrüßt, dass das Land dabei einen Gewinn mache. Es wird geschrieben, dass das Land für die Beamten, die beihilfeberechtigt sind, für Zahnersatz und zahntechnische Leistungen zusätzlich 2,85 Millionen Euro aufbringen müsse, aber das Land wegen der erhöhten Mehrwertsteuer 18 Millionen Euro mehr einnehme. Von wem

nimmt es denn diese 18 Millionen Euro mehr ein? - Nicht von den Privatversicherten, sondern von den Kassenpatienten! Das heißt, Sie belasten, um den Landeshaushalt zu entlasten, noch einmal die Kassenpatienten und die gesetzlichen Krankenkassen, die ohnehin schon am Ende sind. Darüber können Sie auch noch lachen, Herr Lanclée. Das ist doch ungeheuerlich!

(Beifall bei der CDU – Lanclée [SPD]: Mensch, also! Dazu muss ich eine Erklärung abgeben!)

Wir reden darüber, dass die Unternehmen von den Lohnnebenkosten entlastet werden müssen. Sie sagen aber: Die Mehrwertsteuer muss um 100 % erhöht werden.

Beim Luftverkehr ist sich die Regierung überhaupt nicht einig. Da heißt es: Es kann zu Wettbewerbsauswirkungen kommen. Wenn ich befürchten muss, dass eine Erhöhung der Mehrwertsteuer im Bereich des Luftverkehrs zu Wettbewerbsverzerrungen führt, dann darf ich die Erhöhung nicht vornehmen. Die Mehrwertsteuer darf ich höchstens dann erhöhen, wenn ich solche Auswirkungen ausschließen kann.

Weiter wird geschrieben: Die Regelung wird im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu überprüfen sein. - Was für Gesetze machen Sie denn, und welchen Gesetzen stimmen Sie zu, die hinterher überprüft werden müssen? Früher nannte man das nachbessern. Das ist doch nicht in Ordnung.

(Wegner [SPD]: Welche Subventio- nen wollen Sie abbauen?)

Da Ihnen als Regierung solche Fragen unangenehm sind, liest man: Solche Annahmen sind als Grundlage für eine sachliche Diskussion nicht geeignet. - Das ist verständlich, wenn man einer Diskussion ausweichen will und dem Fragesteller unterstellt, er hätte nicht sachlich gefragt. Es ging um folgenden Fall. Ich will Ihnen das erklären. Das ist kompliziert.

(Möhrmann [SPD]: Das wird jetzt schwierig!)

Wenn Sie als Investor eine Investition tätigen - -

(Zurufe von der SPD)

- Daran sollten auch Sie interessiert sein, denn auch in Ihrem Wahlkreis gibt es Menschen, die dadurch Arbeitsplätze schaffen, dass sie Investitio

nen tätigen, die sich aber erst nach zwei oder drei Jahren bezahlt machen. - Bei einem Mindestbesteuerungsgrundsatz kann es Ihnen passieren, dass Sie im ersten und zweiten Jahr volle Kosten haben und im dritten Jahr nur die Hälfte der Kosten absetzen können. Das heißt, Sie müssen vier Jahre lang Steuern zahlen, bevor Sie die eigenen Kosten steuermindernd absetzen können. Das kann doch nicht richtig sein.

(Möhrmann [SPD]: Wer hat denn im Bundestagswahlkampf nach der Min- destbesteuerung gerufen?)

Der nächste Punkt ist - da wird es kleinkariert, Herr Möhrmann -, dass man eine Abschreibung nicht mehr nach dem Jahresprinzip, sondern monatlich vornimmt. Da frage ich: Warum denn nicht stündlich? Sie könnten doch genauso gut sagen: Wenn jemand um 14 Uhr seine Investition tätigt, muss die Abschreibung um 14 Uhr beginnen, und die ersten 13 Stunden des Tages bleiben außer Betracht. Das ist doch kleinkariert. Warum soll jemand, der im Jahre 2003 eine Investition tätigt - ein Auto kauft oder ein Gebäude errichtet -, nicht schon im Jahre 2003 die erste Abschreibung vornehmen? Das wäre unbürokratisch, würde zur Verwaltungsvereinfachung beitragen und wäre auch gerecht, weil wir ja auch bei der Steuer das Prinzip der Jährlichkeit haben und die Steuern nicht tageweise erheben.

(Beifall bei der CDU)

Ganz skurril wird es bei Geschenken und Werbeartikeln. Erst sollten alle Geschenke und Werbeartikel aus versteuertem Einkommen bezahlt werden. Später hieß es: nur Geschenke. Dann hieß es plötzlich: Geschenke bis 40 Euro und Werbeartikel bis 30 Euro. Jetzt heißt es umgekehrt: Werbeartikel bis 40 Euro und Geschenke bis 30 Euro. Wer soll da noch durchblicken?

Dann kam auch noch die Behauptung, dass es bisher keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass damit Arbeitsplätze verloren gehen. Es gibt kleine Firmen, die Kataloge verschicken, Werbeartikel und Geschenke anbieten und davon leben, dass sie diese Geschenke für die Unternehmen versenden. Solche Firmen gibt es auch in Niedersachsen. Davon gibt es eine ganze Reihe. Wir wissen doch, dass, wenn solche Ausgaben steuerlich nicht mehr berücksichtigungsfähig sind, solche Firmen keinen Umsatz mehr haben. Die Firmen können dann zum Konkursrichter gehen oder ihren Laden schließen,

wenn sie nicht in Konkurs gehen. Dann sind wieder ein paar Arbeitsplätze weg. Wir leben doch auch vom Konsum.

Dies sind kleine Punkte. Man sagt, wir haben keine Anhaltspunkte dafür. Das beste Beispiel haben wir doch im Bereich der Gaststätten erlebt, wo festgestellt worden ist, dass viele Gaststätten in den Ruin getrieben worden sind, seit es nicht mehr möglich ist, entsprechende Ausgaben steuersenkend geltend zu machen.

Ich will Ihnen auch sagen, wie schnell das in der Steuerdebatte geht.

(Wegner [SPD]: Wollen Sie Steuerer- höhungen?)

- Wir lehnen Steuererhöhungen ab. Die SPD hat im Bundesrat dem Steuererhöhungsgesetz ihre Zustimmung gegeben.

(Wegner [SPD]: Subventionsabbauge- setz!)

- Subventionsabbaugesetz? Wenn Sie auf Mist 7 % statt 16 % Mehrwertsteuer erheben, ist das eine Subvention? Sie sollten froh sein, wenn die Bauern Getreidestroh einstreuen und die Kühe nicht auf Spaltenboden halten. Sie können nicht auf der einen Seite so und auf der anderen Seite genau umgekehrt argumentieren.

Ich möchte Ihnen einmal anhand eines Beispiels von gestern zeigen, wie schnell sich die Argumentation der Bundesregierung überholt. Gestern war im „Ticker“ des Handelsblatts oder – vornehmer ausgedrückt – auf den elektronischen Seiten des Handelsblatts um 17 Uhr zu lesen: Koalition lenkt bei Dienstwagensteuer ein. – Das konnten Sie sich ausdrucken lassen. Um 20.30 Uhr hieß es: Schröder hält vorerst an Dienstwagensteuer fest. – Einmal abgesehen davon, dass es ein paar Minuten dauert, bis der Journalist eine solche Meldung einstellt, gab es innerhalb von zweieinhalb Stunden völlig gegensätzliche Positionen.

Wenn ich es richtig weiß, hat Herr Schröder Herrn Gabriel bei der gestrigen Wahlkampfveranstaltung in Goslar mitgeteilt, dass an der Dienstwagensteuer festgehalten wird. Ich weiß auch, warum er ihn hinterher umarmt hat. Wenn man nämlich jemanden umarmt, kann man viel besser hinter dessen Rücken grinsen. Er legt Gabriel doch rein. Schröder benimmt sich im Moment nach dem Motto: Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genom

men. Er hat dem Gabriel hier in Niedersachsen eine absolute Mehrheit hinterlassen.

(Zuruf von Frau Conrady [SPD])

- Der Herr hat es gegeben, und der Herr hat es genommen. So heißt das nun einmal. Jetzt tut Schröder alles, um Gabriel deutlich zu machen, dass er ohne ihn nichts ist, und nimmt ihm jede Pointe. Das war bei der Vermögensteuer so und ist auch bei der Dienstwagensteuer so. Wir werden sicherlich noch einige Punkte finden.

Ich finde es unehrlich, wenn so getan wird, als würde alles einfacher und gerechter. Das steht so in der Antwort, liebe Elisabeth. Die Leistungsfähigen sollen das bezahlen. Wir haben bewusst nicht nach der Spitze, sondern nach dem Besitzer eines normalen Passats gefragt. Es ist vorgerechnet worden, dass auf den Besitzer eines normalen Passats eine Mehrbelastung von 378 Euro im Jahr zukommt.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Er bezahlt im Jahr fast 1 200 Euro an Steuern, nur weil er den Wagen seiner Firma auch privat nutzen darf. Dass heißt, hunderte von Familienvätern zahlen 100 Euro zusätzlich.

(Zuruf von Wegner [SPD])

- Herr Wegner, Ihnen kann das ja egal sein, aber es gibt Standorte, die von VW abhängig sind. Schon in diesem Jahr sind 20 000 Dienstwagen weniger bestellt worden als im letzten Jahr. Fragen Sie doch einmal bei VW. Warum sollte in dieser Situation jemand einen Dienstwagen kaufen? Erst im März oder April wird dieses Gesetz verabschiedet, und kein Mensch weiß, was es letztlich beinhalten wird. Ich kann doch in einer Firma keine Investition tätigen und einem Mitarbeiter einen Wagen zur Verfügung stellen, wenn ich nicht weiß, wie sich das Gesetz rückwirkend zum 1. Januar auswirken wird.

Sie reden von Fahrtenbüchern. Welche Bürokratie entstünde, wenn in Deutschland von Finanzbeamten Millionen von Fahrtenbüchern kontrolliert werden müssten? Das ist doch unmöglich.

(Lanclée [SPD]: Das muss doch jeder nachweisen!)

- Nein! Bei der Ein-Prozent-Regelung war das nicht so schlimm. Jetzt haben wir eineinhalb Prozent. Das wird noch erhöht. Das bezieht sich nicht

nur auf die Oberklassewagen, sondern erstreckt sich bis hin zu den absoluten Kleinwagen. Das betrifft auch die Pflegekraft von der Sozialstation, die ältere Menschen pflegt und den Wagen benutzen darf, um einzukaufen. Auch sie muss diese eineinhalb Prozent zahlen.

(Plaue [SPD]: Das muss sie nicht!)

- Natürlich muss sie das. Obendrein müssen auch noch Sozialabgaben gezahlt werden. Sie ziehen den kleinen Leuten das Geld aus der Tasche und begründen das so: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Wilhelm Schmidt aus Salzgitter, den Sie ja kennen und der Erster Parlamentarischer Geschäftsführer ist, hat in einem Schreiben vom 8. Januar 2003, also nachdem diese Große Anfrage beantwortet worden ist, Folgendes geschrieben:

„Seit dem 11. September 2001 sehen wir uns mit einer weltweiten konjunkturellen Krise konfrontiert, von der insbesondere ein stark vom Export abhängiges Land wie die Bundesrepublik betroffen ist. Vor diesem Hintergrund war und ist die Bundesregierung gezwungen, die Löcher in den Kassen zu schließen.“

Das ist schlichtweg unwahr. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht davon betroffen; denn die Weltwirtschaft ist um 3 % gewachsen und wir sind Zweitbester im Export. Hätten wir keinen Export gehabt, dann hätten wir ein Minuswachstum von 1,3 %.

(Zuruf von Wegner [SPD])

- Aber doch nicht, weil Sie gearbeitet haben, sondern weil unsere Wirtschaft perfekt ist. Deshalb hat das nichts mit dem 11. September zu tun; denn dadurch wurde der Export nicht beflügelt.