Durch die Schwächung des Innendienstes ist bis jetzt allein in Niedersachsen ein Bearbeitungsvolumen von 7,5 Milliarden DM aufgelaufen, das hier nicht mehr bearbeitet wird. Das ist zum Teil gestundet, das ist zum Teil ausgesetzt, das ist zum großen Teil aber der Tatsache geschuldet, dass diese Titel nicht mehr bearbeitet werden können.
Landeshaushalts alles daran gesetzt wird, um diesen Fallrückstand abzuarbeiten, um so jede denkbare Mark für den Landeshaushalt zu mobilisieren. Stattdessen wird weiter gekürzt. Es wird beim Stellenvolumen der Finanzämter gekürzt. Es wird durch den personalwirtschaftlichen Erlass des Finanzministers vom 1. Februar gekürzt. Die Situation wird weiter verschlimmert. Die Situation verschlimmert sich dadurch, dass bei den Finanzämtern allein in diesem Jahr 150 Stellen gestrichen werden müssen. Diese Maßnahme betrifft das Tarifpersonal. Aber jede Stelle, die dort wegfällt, führt natürlich zu Mehrarbeit bei den Beamten, führt zu Mehrarbeit auch bei den Anwärtern, so weit diese mit solchen Hilfsarbeiten betraut werden. Wir befinden uns in der Situation, dass aufgrund dieser Personalpolitik des Finanzministeriums das Land nicht mehr in der Lage ist, seine Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen. Das ist nicht hinnehmbar. Das sagen wir Ihnen als Grüne. Das sagen wir Ihnen aber auch aus der Sicht der Deutschen Steuergewerkschaft. Sie wissen, dass die das ähnlich sieht wie wir. Deshalb bringen wir heute einen Antrag ein, der drei konkrete Forderungen enthält. Wir wollen erstens, dass das Personal der Finanzämter von den vom Finanzministerium durch Erlass verfügten Stellenkürzungen zur Gegenfinanzierung der Bildungsoffensive ausgenommen wird. Wir halten dies für nachvollziehbar, weil wir die Einnahmemöglichkeiten des Landeshaushalts ausschöpfen wollen. Wir wollen zweitens, dass vor dem geplanten Stellenabbau, der in der Zielvereinbarung des Staatsmodernisierers mit dem Finanzminister festgelegt worden ist, die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Arbeitsfähigkeit der Finanzämter dargestellt wird. Eher stimmen wir einer Stellenkürzung nicht zu. Drittens wollen wir, dass Sie, Herr Aller, die Finanzämter jederzeit in die Lage versetzen, alle vollstreckbaren Titel zu bearbeiten, sodass jede Mark, die dem Staat zusteht, auch eingetrieben werden kann; denn jede Mark, die wir nicht als Einnahme realisieren, muss durch zusätzliche Kürzungen im Landeshaushalt aufgefangen werden. Das ist meiner Meinung nach zwar wichtig; dies sollte gegenüber der Möglichkeit, sich zusätzliche Einnahmemöglichkeiten zu erschließen, aber nachrangig sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Golibrzuch, das ist so eine Überdramatisierung. Ich werde gleich noch etwas dazu sagen.
Wenn man Ihren Antrag anschaut, könnte man auf den ersten Blick annehmen, dass er von einer grundsätzlichen Sorge um die Arbeitsfähigkeit der Steuerverwaltung und dem Anliegen, die Einnahmemöglichkeiten des Landes zu mehren, geprägt ist. Auf den zweiten Blick wird aber deutlich, dass es Ihnen nicht um eine aktuelle machbare Verbesserung der Arbeitssituation in der Steuerverwaltung geht, die das Interesse der Kolleginnen und Kollegen berücksichtigt, sondern wieder - ich sage das jetzt einmal so deutlich - um einen reinen Show-Antrag,
der im Grunde genommen wieder in die Forderungen nach einem Nachtragshaushalt münden kann. Das finde ich nicht gut.
Sie wissen, dass wir, um unsere Bildungsoffensive zu finanzieren, in allen Bereichen der Landesverwaltung - ohne den Bereich der Unterrichtsversorgung - diese Mittel für das Jahr 2000 in Höhe von 75 Millionen DM solidarisch erwirtschaften werden. Die Landesregierung wird diese Mittel durch eine Sperrung von insgesamt 1.011 Vollzeiteinheiten aus allen Bereichen erwirtschaften. Dessen bin ich mir sicher. Wenn Sie nun fordern, den Bereich der Steuerverwaltung außen vor zu lassen, kann ich dazu nur sagen, dass dies auch bei Abwägung der Interessen der Beschäftigten in diesem Bereich leider nicht möglich sein wird. Das hat auch Herr Minister Aller heute früh schon zum Ausdruck gebracht.
Aber darüber hinaus zu konstruieren, die Steuerverwaltung sei generell nicht mehr arbeitsfähig, wir würden ausschließlich diesen Bereich übermäßig belasten, wir würden gemäß der Zielvereinbarung bis zum Jahr 2003 425 Stellen in diesem Bereich streichen, wir würden qualifizierte Anwärterinnen und Anwärter nicht übernehmen, und wir würden wissentlich Steuerausfälle in Milliardenhöhe riskieren – das ist schlichtweg unwahr, Herr Golibrzuch, und das wissen Sie auch.
Ich kann verstehen, Herr Golibrzuch, dass Sie manchmal, wenn es Ihrer Profilierung dienen soll, dazu neigen, sich an die Spitze der Bewegung der Beschäftigten der Steuerverwaltung zu setzen. Dass Herr Rolfes das auch macht, wurde aus seinem Redebeitrag am Mittwoch zu diesem Thema deutlich, als er beispielsweise Herrn Lüerssen, den Landesvorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, zitiert hat. Ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass dies ziemlich vordergründig ist.
Wir haben sowohl im Arbeitskreis „Haushalt und Finanzen“ als auch im Arbeitskreis „Verwaltungsreform und öffentliches Dienstrecht“ der SPDFraktion sehr intensiv mit den Kolleginnen und Kollegen der Steuerverwaltung und auch mit Herrn Lüerssen geredet. Sie haben uns die Situation in der Steuerverwaltung ausführlich geschildert und vorgetragen, was aus ihrer Sicht notwendig ist. Wir haben ihnen aber auch gesagt, dass dies aus unserer Sicht nicht in diesem vollen Umfang umsetzbar ist. Wir haben auch darüber gesprochen, wie wir gemeinsam Entlastungen, die für diesen Bereich auch machbar sind, schaffen können.
Nun lassen Sie mich einige einzelne Punkte erwähnen. - Herr Aller hat heute früh in der Fragestunde auch schon einzelne Argumente angeführt. Sie sollten wissen, dass insgesamt versucht wird, das generelle Problem der Finanzverwaltung mithilfe des Abbaus schwieriger Gesetzeskonstruktionen und der Einführung von Pauschalierung dauerhaft zu lösen. Die Personalsituation und die Arbeitsbelastung der Finanzverwaltung sind in erster Linie dadurch begründet, dass Veränderungen des Steuerrechts in den letzten Jahren sehr detaillierte Einzelfallprüfungen abverlangt haben. Wir müssen daran arbeiten, Regelungen im Steuerrecht zu schaffen, die einfacher zu kontrollieren sind, und übermäßige Bürokratie abbauen.
Sie wissen, dass die Landesregierung durch eine ständige Verbesserung der technischen Ausstattung - alle Büroarbeitsplätze werden mittlerweile mit der erforderlichen IuK-Technik ausgestattet; das ist im Rahmen des Projekt VDV II erfolgt und hat 140 Millionen DM gekostet; das wird auch weiterentwickelt - einen großen Beitrag leistet, um eine schnelle, fehlerfreie Bearbeitung der Steuerangelegenheiten anzubieten, die natürlich auch die Arbeitsbelastung der Kolleginnen und Kollegen reduziert. Diese technische Ausstattung ist also gegeben.
Weiter müssten Sie auch wissen - wenn dies nicht der Fall ist, werde ich es Ihnen noch einmal sagen -, dass die vorgesehene Sperrung der Beschäftigungsmöglichkeiten insgesamt in den jeweiligen Einzelplänen erbracht werden soll. Es kann also in begründeten Ausnahmefällen auch flexibel reagiert werden.
Für den Bereich der Steuerverwaltung heißt das: Die Einsparungen werden überwiegend aus dem Bereich des NLBV, des Niedersächsischen Landesamtes für Bezüge und Versorgung, erbracht werden. Trotz Sperre wird immer noch die Möglichkeit bestehen, Aushilfskräfte zu beschäftigen. Es wird auch versucht werden, den Rest der Einsparauflage durch die Nichtwiederbesetzung von frei werdenden Angestelltenstellen zu erbringen.
Ich muss dazu sagen, dass dies meinen Kolleginnen und Kollegen von der Deutschen AngestelltenGewerkschaft nicht passt, aber ich meine, dass es leider unumgänglich ist.
Die flexible Ausgestaltung der Sperren wird auch ermöglichen, dass in den Bereichen des mittleren und gehobenen Dienstes alle Nachwuchskräfte übernommen werden können. Das ist ein wichtiger Beitrag.
Meine Damen und Herren, ich kann zwar die Sorge der Beschäftigten der Finanzverwaltung verstehen, aber Ihren Antrag, Herr Golibrzuch, nicht. Er dramatisiert wirklich sehr.
Wir werden versuchen, die Steuerverwaltung im Rahmen der Möglichkeiten zu entlasten. Dies werden wir aber mit machbaren Mitteln machen, ohne von dem Gesamtziel, unsere Bildungsoffensive finanzieren zu können, abzuweichen.
Ich verstehe nicht, was das eigentlich soll: Einerseits werden immer wieder zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer gefordert. Wenn wir dann aber Möglichkeiten aufzeigen, dies im Endeffekt auch finanzieren zu können, sagen Sie andererseits: In dem Bereich darf nicht gespart werden, und dem Bereich auch nicht. Sie dramatisieren, was die Einnahmeverluste des Landes betrifft, über alle Maßen.
Wir werden Ihren Antrag im Fachausschuss erörtern. Ich bin mir aber sicher, dass wir Ihnen insgesamt nichts Neues erzählen, wenn ich jetzt schon andeute, dass wir ihn ablehnen werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Nach dem Haushaltsführungserlass vom 1. Februar 2000, der heute Morgen schon mehrfach angesprochen worden ist, sollen für die Bildungsoffensive 1.011 Vollzeiteinheiten aus dem Beschäftigungsvolumen gesperrt und damit eingespart werden.
Der Einzelplan 04 ist mit 188 Vollzeiteinheiten betroffen, wovon 147 - also das Gros - aus den Finanzämtern herausgepresst werden sollen. Das wird von der Steuergewerkschaft - wie ich meine, zu Recht - als unverantwortliche Sparauflage angeprangert. Wer diesen Erlass zu verantworten hat, ignoriert die Realität der Arbeitsüberlastung in den Finanzämtern.
Es wird ignoriert, dass in den Finanzämtern durch das Steuerchaos von Rot-Grün, beispielsweise das 630-Mark-Gesetz - -
- Meine Damen und Herren, wir wissen alle, welche Irrungen und Wirrungen es um dieses Gesetz gegeben hat. Bei den Finanzverwaltungen laufen massenweise Freistellungsanträge ein. Nun kommen zunächst einmal die nachfolgenden Steuererklärungen dazu, die auch bewältigt werden müssen. Es muss über Fragen im Zusammenhang mit der Scheinselbständigkeit entschieden werden. Komplizierte Vorschriften im Einkommensteuerrecht müssen beachtet werden. Ich möchte nur einmal spaßeshalber § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes anführen, der früher zwei Zeilen umfasste, um den Gesamtbetrag der Einkünfte zu ermitteln, und der jetzt 34 Zeilen umfasst. Mit komplizierten Vorschriften müssen sich die Finanzbeamten nun einmal auseinandersetzen. Es gibt einen neuen § 2 a - zu ausländischen Einkünften - und 2 b und dergleichen mehr. Ich meine, man darf das nicht alles so beiseite schieben.
Es gibt eine Verlustausgleichsregelung, das Wertaufholungsgebot, Teilwertabschreibungen; das alles hat sich sehr stark verändert. Auch bei der Umsatzsteuer gibt es einige Änderungen, beispielsweise die Begrenzung des Vorsteuerabzugs bei Pkw bei den Reisekosten. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil hinsichtlich des Familienlastenausgleichs, meine Damen und Herren, soll jetzt endlich umgesetzt werden. Danach sind Veranlagungen ab 1985 noch rückwirkend zu ändern. Das ist nicht von heute auf morgen zu erledigen, sondern das kostet Arbeitskraft.
Bei dieser Sachlage muss doch gefragt werden, ob der Fachminister seiner Fürsorgepflicht und Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern in der Steuerverwaltung gerecht wird.
Wird der Finanzminister seiner Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern gerecht, die Anspruch auf Gleichmäßigkeit der Besteuerung, auf Steuergerechtigkeit und Bearbeitung ihrer Anträge in einer angemessenen Frist haben? - Ich sage ebenfalls: Nein.
Es ist auch zu fragen, ob der Finanzminister seiner Verantwortung gegenüber Land und Bund dafür, dass alle Steuerquellen ausgeschöpft werden, gerecht wird. Bei der Unterbesetzung der Finanzämter ist auch diese Frage mit einem klaren Nein zu beantworten.
Der Steuerzahlerbund - ich darf einmal darauf hinweisen - hat am 29. März noch veröffentlicht: Jeder dritte Bescheid ist falsch. - Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren!
Herr Aller hat als finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und auch als Finanzminister sehr oft Verbesserungen für die Steuerverwaltung gefordert,
einmal zitieren: Wir brauchen mehr Personal in der Steuerverwaltung, um die Steuern zeitnah und schnell beizubringen.
Am 23. Oktober 1992, als die Große Anfrage der SPD und Grünen „Deutsches Steuerrecht in der Krise? - Lage der niedersächsischen Steuerverwaltung“ abgefeiert wurde, hat er gesagt:
„Der Einzelplan 04 ist nicht mehr die Sparkasse der Landesregierung... Ich glaube, wir haben deutlich machen können, daß der Stellenwert der Steuerverwaltung von dieser Landesregierung höher eingeschätzt wird als von der alten Landesregierung.“