Wir sollten uns in der Politik hüten, so wie Sie das eben gemacht haben, auch nur annähernd zu suggerieren, dass man Attentate, dass man Kinderkriminalität mit der Schaffung dieser wenigen Heimplätze verhindern könnte. Ich finde es schlimm, wenn die Politik - zum Glück hören nicht mehr so viele zu - dies den Menschen suggeriert. Ich halte das für höchst populistisch.
Uns zu unterstellen, dass wir etwas dagegen hätten, solche Plätze zu schaffen, ist falsch. Es ist nur unheimlich schwierig, und wir können es alleine nicht machen. Sie unterstellen, dass die Landesregierung entgegen allen Verantwortlichkeiten und allen rechtlichen Regelungen in diesem Bereich kommunale und freie Träger zur Schaffung dieser Plätze zwingen könnte. Wieso unterstellen Sie das?
- Das ist ja wirklich erstaunlich! Sie sollten einmal das Kinder- und Jugendhilferecht studieren! Verantwortlich für diese Heimplätze sind kommunale und freie Träger. Sie haben doch die Landtagsanhörung hinter sich. Dort haben wir von Kommunen, von Trägern, von Verbänden und übrigens auch von Ihrer eigenen Kommunalebene gehört, dass das Thema nicht überall so vertreten wird wie von Ihnen. Wir stellen fest, Ihre eigene CDU auf Kommunalebene unterstützt Bürger gegen die
Diese Tradition der Vermischung von Begriffen, die eben schon erwähnt worden ist, dass Sie Jugendkriminalität, Straftäter usw. in einen Topf mit diesen schwierigen und hochdelinquenten Kindern werfen, ist auch nicht in Ordnung.
Wir haben ein Interventionsprogramm aufgelegt, das sich ausdrücklich nicht an strafmündige Kinder richtet - das habe ich Ihnen mindestens schon dreioder viermal von diesem Platz aus gesagt -, sondern bei dem es um Kinder unter 14 Jahren geht, also nicht um Maßnahmen gegen die wachsende Jugendkriminalität, sondern um eine Form der erzieherischen Hilfe. Wie Sie mit der Schaffung dieser Plätze Ersttaten verhindern wollen, ist mir völlig schleierhaft.
Jetzt zu den Fakten: Kinder- und Jugendhilfe ist - das wissen Sie - in erster Linie eine kommunale Aufgabe. Für die Umsetzung des Programms bedeutet das, dass wir mit der Zuwendung für die Plätze in ein System von Aufgaben- und Finanzverantwortung eingreifen. Das wissen Sie auch, und das ist in der Anhörung auch sehr deutlich geworden.
Wir haben uns trotzdem entschlossen, im Rahmen dieses Interventionsprogramms einen solchen Modellversuch zu machen, haben uns aber auch ausdrücklich auf einen solchen beschränkt, der nur in der Zusammenarbeit mit den Kommunen und freien Trägern durchzuführen ist.
Viele Jugendämter in den Kommunen, die eigentlich das größte Interesse an der Unterstützung in diesen Fragen durch das Land haben müssten, stehen der Angelegenheit aber offensichtlich weiterhin abwartend gegenüber. Kein Jugendamt und kein Hauptverwaltungsbeamter hat in den letzten zwei Jahren bei mir oder beim Landesjugendamt nachgefragt und die baldige Umsetzung - im Gegensatz zu Ihnen - eingeklagt. Ich finde das auch eigenartig; ich habe mir das auch anders vorgestellt, das gebe ich durchaus zu.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit erwähnen: Es gibt keine massenhafte Verlagerung niedersächsischer Problemkinder in andere Bundesländer, wie Sie hier den Eindruck zu erwecken versuchen. Es handelt sich in der Realität um sehr wenige Einzelfälle. Ich kann Ihnen das für Bayern sagen. Die Rummelsburger Anstalten und das Mädchenheim Gauting haben - ich glaube, eben ist es schon gesagt worden - je ein Kind aus Niedersachsen in ihren geschlossenen Abteilungen.
Ich betone trotzdem: Jedes Kind, das so weit weg muss, weil wir so etwas nicht anbieten können, ist eigentlich ein Kind zu viel. Dennoch wissen Sie auch, dass häufig aus fachlichen Erwägungen eine Trennung vom Elternhaus und von der näheren Umgebung gewünscht wird, dass es manchmal also durchaus auch therapeutisch notwendig ist, eine räumliche Distanz zum Umfeld des Kindes zu erzeugen.
Im Rahmen derartiger überregionaler Belegungen waren beispielsweise 1998 je 25 Kinder oder Jugendliche aus Bayern oder Baden-Württemberg und fast 400 aus Nordrhein-Westfalen in niedersächsischen Einrichtungen untergebracht. Das heißt: Es gibt durchaus einen Beleg, dass das, was in unseren Einrichtungen zurzeit stattfindet, in anderen Bundesländern doch geschätzt wird.
Für die Betreuung von Kindern im Rahmen des Interventionsprogramms brauchen wir erfahrene Träger und ausgereifte Konzepte. Das verkennen Sie wohl auch nicht.
Ich gebe aber zu - das habe ich eben schon gesagt -, dass auch ich eine stärkere Resonanz auf diesen Antrag erwartet hätte. Im Anhörungsverfahren ist eine Reihe von Bedenken vorgebracht worden. Wir haben mit den Trägern lange diskutiert. Alle Träger stehen immer noch unter dem Eindruck der Fachdiskussion, die dahin ging, dass man keine geschlossene Unterbringung will. Ich meine, wir sollten diese Möglichkeit als eine Ergänzung unseres Angebots trotzdem vorsehen. Wie ich ebenfalls schon erwähnt habe, sollten wir dabei aber auch vorsichtig sein, zu meinen, dass durch die Schaffung eines solchen ergänzenden Angebots nun das gesamte Problem erledigt würde. Bitte versuchen Sie, davon Abstand zu nehmen! Mir ist es lieber, wenn wir fünf oder zehn Plätze haben, die fachlich gut eingebunden und gut belegt sind, als dass wir Einrichtungen haben, die sich fachlich überfordert fühlen oder ihr Angebot zurückgeben; denn, wie Sie wissen, hatten wir schon die ge
schlossene Unterbringung, aber die Heime haben das nicht mehr gemacht. Deshalb wollen wir einen entsprechenden Anreiz für die Träger schaffen.
Zum Stand der Umsetzung: Sie können mir abnehmen, dass wir viel getan haben, viele Gespräche geführt haben, um der Komplexität gerecht zu werden. Ich will es Ihnen ersparen im Einzelnen darzustellen, was wir im letzten Jahr alles gemacht haben. Nun stellt sich heraus, dass wir mit drei Trägern eine Vereinbarung für 14 Plätze hinbekommen. Mit einem weiteren Träger befinden wir uns in der Diskussion. Darüber hinaus erwägt ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe, in einer eigenen Einrichtung Plätze zu schaffen, die dann im Rahmen des genannten Programms belegt werden könnten. Die Gespräche hierzu befinden sich allerdings noch in einem frühen Stadium. Frau Vockert, bevor Sie jetzt schon wieder die nächste Anfrage formulieren - uns liegt ja schon eine Reihe davon vor -, füge ich hinzu, dass die betreffenden Träger zunächst noch formelle Hürden überspringen müssen. Das kann die Landesregierung nicht beeinflussen, und das wird noch einige Wochen in Anspruch nehmen. So muss einer der Träger - das sollte Ihnen zu denken geben - eine neue Immobilie suchen, nachdem das Vorhaben an dem zunächst vorgesehenen Standort unter einen starken Druck vonseiten der Bevölkerung geraten ist, der auch durch Ihre CDU-Leute unterstützt worden ist.
Ich betone noch einmal: Ich halte die Umsetzung des Interventionsprogramms nach wie vor für richtig. Ich befürworte auch, dass wir uns wirklich bemühen, die Träger zu finden, die das gern machen wollen. Vor dem Hintergrund dieses schwierigen Prozesses möchte ich Ihnen noch Folgendes sagen: Dass Sie jetzt auch noch meine Beamten oder mich bzw. das Landesjugendamt dafür rügen wollen, dass wir uns heftig bemüht haben, diese Plätze hier hinzubekommen, halte ich nun für völlig unangemessen.
Den Antrag dahin gehend, dass wir Rahmenbedingungen schaffen sollen, halte ich für überflüssig, weil diese geschaffen sind. Jetzt geht es nur noch darum - da würde ich Sie auch herzlich darum bitten mitzutun -, dass wir auch Träger finden, die es machen wollen. Dann können wir zufrieden sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Möhrmann, unser Geschäftsführer, hat mich davon überzeugt, dass es sinnvoll ist, eine kurze Rede zu halten. Deshalb habe ich meine Papiere liegen lassen. Diese 42 Seiten möchte ich Ihnen um diese Zeit heute nicht mehr zumuten.
Meine Damen und Herren, ich möchte wenige Bemerkungen zu dem Thema machen. Frau Kultusministerin Jürgens-Pieper hat bereits deutlich gemacht, wie die Landesregierung die Dinge sieht. Wir von der SPD-Fraktion können uns dem nur anschließen. Deshalb möchte ich lediglich wenige Bemerkungen machen.
Erstens. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass fast alle Träger, Jugendämter, Kirchen, Gewerkschaften, alle, die sich mit diesem Thema fachlich befassen, gesagt haben: Dies ist der falsche Weg. Lasst diesen Unsinn!
Die Landesregierung war also in der Situation, mit Trägern zu verhandeln mit dem Ziel, dass diese etwas tun, was sie eigentlich gar nicht machen wollen. Deshalb sage ich, meine Damen und Herren: Wir haben zwar zwei Jahre gebraucht, aber es wurden in dieser Zeit sehr behutsame und sehr kreative Verhandlungen geführt. Hier mussten Leute überzeugt werden dahin gehend, etwas zu tun, was sie eigentlich gar nicht wollen.
Das Ergebnis, das wir ab 1. Januar 2001 gegebenenfalls 14 Plätze zur Verfügung haben werden, die dann für den Notfall dazu benutzt werden können - hoffentlich werden diese Plätze nie gebraucht -, Kinder für kurze Zeit in Obhut zu nehmen, kann sich sehen lassen. Das ist in Ordnung. Ich meine, damit können wir leben.
Feld ist. Nach dem KJHG ist das ein Feld, für das die Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig sind; das ist gar keine Frage.
Drittens. Wir sollten uns auch über Folgendes im Klaren sein, meine Damen und Herren: Die Betreuung eines betreffenden Jungen oder Mädchens würde 220.000 DM pro Jahr kosten. Dafür könnten locker - das als Vergleich - zwei Kindergartengruppen à 25 Kinder halbtags hervorragend betreut werden. Wir müssen uns also sehr genau überlegen, wie wir die entsprechenden Mittel verteilen bzw. ob wir hier nicht maßlos übertreiben.
Viertens. Hierfür sind auch bauliche Veränderungen herbeizuführen - für Sicherungsmaßnahmen und sehr vieles mehr -, die die Träger sehr viel Geld kosten, und dies für Gebäude, für Einrichtungen, die möglicherweise überhaupt nicht gebraucht werden. Für die letzten zwei Jahre ist abgefragt worden, welche Kinder wohin gekommen sind. Dabei haben wir festgestellt, dass zwei Kinder aus Niedersachsen in Bayern bzw. in BadenWürttemberg untergebracht worden sind. Ansonsten gab es hier keinen Bedarf. Alle anderen Kinder dieses Landes sind sorgsam und vernünftig in den Heimen und Häusern untergebracht worden, die hier vorgehalten werden.
Wenn ich aber einmal nach Bayern schaue, dann stelle ich dazu fest, dass es eine vernünftige pädagogische Konzeption bedeutet, hier eine entfernungsmäßige Distanz zu schaffen, sodass die Kinder nicht etwa von Vechta nach Cloppenburg per Anhalter wieder zurückfahren können, sondern weit genug entfernt sind, um eine entsprechende Betreuung zu erfahren - dazu will ich dann doch noch etwas sagen -, die pädagogisch und psychologisch so gut ist, dass die Kinder, die Jungen und Mädchen, die vielleicht zwölf oder 13 Jahre alt sind, nach einer solchen Inobhutnahme in ihrer Entwicklung so stabilisiert sind, so gut vorbereitet sind, dass sie mit positiven Voraussetzungen für soziales Handeln, für demokratisches Handeln, für friedliches Handeln wieder in die Gesellschaft gehen können, dass sie erkennen, dass der Staat von ihnen auch die Wahrnehmung von Pflichten
und von Verantwortung erwartet. Das ist die Hauptaufgabe der Unterbringung. Ich meine, damit sind wir mit dem Programm, das hier als Modellmaßnahme vorgeschlagen worden ist, auf dem richtigen Weg.
Im Großen und Ganzen sage ich, meine Damen und Herren: Wir brauchen - ich sage das ganz deutlich; ich benutze auch dieses Wort - keine Kindergefängnisse in Niedersachsen. Wir wollen das nicht.
- Ich habe das hier und da mal gelesen. Augenscheinlich fühlen Sie sich ja auch angesprochen, wenn Sie hier so reagieren.
Meine Damen und Herren, zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich noch eine Bemerkung zu einem anderen Feld machen. Wir diskutieren in diesem Hause seit Jahren über Schulen, über Kindergärten, über Jugendarbeit, über all die Einrichtungen der Jugendhilfe, wir reden über Ehrenamtlichkeit, über Sozialarbeiter, über Erzieherinnen, über Lehrerinnen und Lehrer und über all die anderen Frauen und Männer, die Kindern in ihrer Erziehung helfen, sie dabei unterstützen, Defizite abzubauen, und vieles mehr tun. Das werden wir auch in Zukunft immer wieder machen müssen, weil es unsere verfassungsmäßige Aufgabe ist, in diesen Bereichen tätig zu sein. Ich glaube aber, wir müssen in Zukunft in dieser Gesellschaft quer über die Parteien hinweg, gemeinsam mit Kirchen, Gewerkschaften und allen anderen Institutionen in stärkerem Maße auch darüber diskutieren, wie wir Familien, junge Eltern wieder in die Lage versetzen können, mehr als bisher selbst zu erziehen, selbst tätig zu werden, als Sozialisationsinstanz, als erste Instanz in diesem Zusammenhang, in ihrem eigenen Bereich dafür Sorge zu tragen, dass die vielen Defizite, die wir über Präventionsräte und andere Maßnahmen zu kurieren versuchen, vielleicht gar nicht mehr auftreten, d. h. wie wir Familien helfen können, wieder richtig, effektiv und nachhaltig zu erziehen. - Ich danke Ihnen.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat hat empfohlen, diesen Antrag zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Jugend und Sport und zur Mitberatung an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, an den Kultusausschuss, an den Ausschuss für innere Verwaltung und an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zu überweisen. Andere Vorstellungen sehe ich nicht. Dann ist das so beschlossen.