Protokoll der Sitzung vom 13.09.2000

Diese Logik liegt aber quer zur Restfinanzierung des § 104. Wir haben heute die Situation, dass es Unterhaltungsverbände gibt, die relativ niedrige Sätze haben und gleichwohl davon profitieren, dass ihnen das Land Teile ihrer Gewässer weggenommen hat und diese finanziert. Das heißt also: Die parallele Logik der §§ 104 und 105 führt in der Praxis zur absoluten Ungerechtigkeit hinsichtlich der Wasserlasten in Niedersachsen.

(Inselmann [SPD]: So ist das!)

Als ich, relativ neu im Amt, gemerkt habe, dass wir hier Ungerechtigkeiten gesetzlich zulassen, habe ich mir vorgenommen, das aus der Welt zu schaffen. Das kann man aber nur aus der Welt schaffen, indem man auf die Logik des Wassergesetzes zurückgeht und sagt: Erstens. Die Gewässer II. Ordnung liegen in der Zuständigkeit der Unterhaltungsverbände. Zweitens. Es muss gewährleistet sein, dass die Belastungen der einzelnen Unterhaltungsverbände relativ nahe beieinander bleiben und die Spreizung nicht zu arg wird.

Natürlich ist es in Kehdingen sehr viel anders als in Südniedersachsen. Das wird man nie 1 : 1 hinbekommen. Das bekäme man nur dann hin, wenn man die Unterhaltungsverbände auflösen, das in Landesverantwortlichkeit überführen und eine andere Beitragsbemessung für die Gesamtbevölkerung in Niedersachsen durchsetzen würde. Ich weiß aber nicht, ob Sie das wollen. Die Unterhaltungsverbände wollen das jedenfalls nicht. Es spricht ja auch eine Menge dafür, die Zuständigkeit für die Gewässerunterhaltung dezentral, d. h. vor Ort zu belassen. Und wenn das so ist, dann muss ich gucken, wie ich die Beitragsgerechtigkeit hinbekomme.

Ich sage Ihnen: Mit der von mir vorgesehenen Streichung des § 105 werden wir diese Beitragsgerechtigkeit hinbekommen, allerdings nur dann - diese Einschränkung will ich machen -, wenn wir einige wenige Verbände, die ansonsten totale

Ausreißer wären, gesondert behandeln. Dafür brauchen wir noch dezidierte Planungen. Das gilt beispielsweise für einen Wümme-Verband. Dort können wir das nicht 1 : 1 umsetzen, wie ich das gerade vorgetragen habe.

(Hogrefe [CDU]: Sehr richtig!)

Das geht im Übrigen auch nur dann, wenn wir gleichzeitig anders mit den überproportionalen Kosten im Schöpfwerksbereich umgehen. Deshalb habe ich vor, die Ansätze für die Mitfinanzierung der Schöpfwerkskosten zu erhöhen - das würde die Verbände an der Küste erleichtern -, § 105 zu streichen, alle diese Gebiete in die Unterhaltung nach § 104 zu überführen, die bei § 105 eingesparten Mittel in Teilen zu § 104 zu packen und im Zuge eines achtjährigen Anpassungsprogramms diese Verabredungen umzusetzen.

Allerdings, meine Damen und Herren - daraus mache ich kein Hehl -, daraus erwachsen Synergieeffekte, die dazu führen werden, dass der Landeshaushalt ein Stück Konsolidierung erfährt. Die Mittel für § 105 sind allerdings nicht vollständig einzusparen, sondern werden zum Teil noch benötigt, um diesen Übergang zu organisieren und hinterher ein vertretbares Maß von Belastungen in den 114 niedersächsischen Unterhaltungsverbänden zu haben.

Das ist meine Planung. Darüber habe ich Sie informiert. Ich werde den Plan dem Kabinett zur Mittelfristplanung im Oktober vorschlagen. Wenn das Kabinett ihn ablehnt, ist das Thema erledigt. Wenn das Kabinett mir folgt, haben wir das ganze nächste Jahr Zeit, die Ausgestaltung der Streichung des § 105 nicht nur im Landtag, sondern auch mit den Betroffenen zu diskutieren. Ich bin sicher, die Einsichtsfähigkeit bei den Verbänden ist im Zweifel höher, als es bei Ihnen gegenwärtig anklingt. Die ersten Gespräche mit den Verbänden lassen das auf jeden Fall erwarten.

Ich glaube, die Beitragsgerechtigkeit ist notwendig und kann auf dem Weg hergestellt werden, den ich Ihnen eben dargestellt habe.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der Grünen spricht der Kollege Klein.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, hier haben wir es mit einem guten Beispiel für politische Schlitzohrigkeit zu tun, nämlich dafür, wie man mit allgemeinen honorigen Handlungsmaximen Akzeptanz für Maßnahmen erzielen möchte, die, im Detail betrachtet, durchaus problematisch sind. Wer kann schon etwas dagegen sagen, wenn - ich beziehe mich auch auf den schon angesprochenen Brief - verworrene Zuständigkeiten entflochten werden sollen, wenn überflüssige Vorschriften beseitigt werden sollen und die Verwaltung vereinfacht werden soll und wenn Beitragsgerechtigkeit durch Entlastung der Schöpfwerksverbände hergestellt werden soll? Letzteres freut mich als Hadelner besonders.

Nur, worum geht es im Detail? - Es geht zunächst um den nach wie vor andauernden Versuch des Landes, sich der Verantwortung für die Sicherstellung vergleichbarer Lebensbedingungen im Lande zu entziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Ich habe Ihnen einmal meine Beitragsbescheide mitgebracht. Die letzten Maßnahmen haben bei mir von 1998 bis 2000 zu einer Kostensteigerung von 55 % geführt.

(Inselmann [SPD]: Nennen Sie doch einmal die Beträge! Das tun Sie näm- lich nicht!)

Deswegen muss ich kein Bier weniger trinken. Aber die, die Boden als Produktionsmittel einsetzen, sind davon durchaus betroffen.

Worum geht es weiterhin? - Man kann doch nicht so tun, als sei diese geplante Übertragung nur die Korrektur eines Versehens, die sich eigentlich von selbst versteht. So haben Sie es eben darzustellen versucht. Ich glaube, es gibt gute Gründe, bestimmte Gewässer aus der Summe der übergebietlichen Anlagen herauszunehmen und als Landesgewässer zu betrachten, auch wenn sie formal Gewässer II. Ordnung sind. So wird nämlich ein Schuh daraus.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Es ist doch relativ klar. Auch das Umweltministerium will natürlich seine Vorgaben zur Personaleinsparung erfüllen. 70 Stellen vor Ort einsparen

zu können, ist sicherlich verlockend. Aber, meine Damen und Herren, was hat es denn mit Sparen zu tun, wenn man seine Aufgaben einfach von anderen bezahlen lässt? - Das ist doch keine echte Aufgabenreduzierung. Die Gewässerunterhaltung hinterm Deich ist nach wie vor völlig unverzichtbar.

Was mich besonders ärgert - nicht zuletzt, weil Sie es jetzt noch einmal so demonstrativ dargestellt haben, Herr Minister -, ist, dass Sie versuchen, die Akzeptanz für diese Maßnahme zu erreichen, indem Sie die Verbände an der Küste mit dem Argument der Beitragsgerechtigkeit gegeneinander ausspielen. Erst übertragen Sie Kosten des Landes auf die Verbände insgesamt. Dann aber nehmen Sie einen kleinen Teil davon - das haben Sie auch zugegeben - und geben ihn den Verbänden, die besonders hohe Schöpfwerkkosten haben, zurück. Diejenigen Verbände, die einerseits dazu gehören, anderseits aber nicht von dem § 105 betroffen sind, machen letztlich Profit dabei, kommen also positiv dabei heraus, und das hat Ihnen sicherlich auch die ersten zustimmenden Stellungnahmen verschafft.

(Ehlen [CDU]: Da werden Stimmen gekauft!)

Meine Damen und Herren, ich halte diese Verquickung von Aufgabenübertragung und Wiederherstellung der Beitragsgerechtigkeit für in höchstem Maße unfair. Wenn Ihnen die Beitragsgerechtigkeit am Herzen liegt - Sie haben es ja zugespitzt angesprochen -, dann sollten Sie sich für einen fairen Finanz- und Lastenausgleich zwischen den kleinteilig organisierten Verbänden einsetzen, wie ich es ja schon einmal bezüglich der Treibselproblematik vorgeschlagen habe. Es sollte doch das Ziel sein, einen solidarischen Einheitsbeitrag an der gesamten Küste, möglicherweise sogar in ganz Niedersachsen zu erreichen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass wir dies mit einer Institutionalisierung über Kooperation oder sogar Fusion erreichen. Dann könnte das Land hier auch seinen Beitrag leisten.

Meiner Meinung nach kann es nicht angehen, dass das Land auf der einen Seite verspricht, dass der ländliche Raum nach der EXPO - inzwischen muss man ja sagen: nach der Abwicklung der EXPOLasten - endlich wieder ein Investitionsschwerpunkt werden soll, auf der anderen Seite diesen ländlichen Raum aber durch Abschaffung des § 105 schröpft. Meine Damen und Herren, dieses Spiel - ungedeckte Schecks in die linke Tasche und

Bargeld aus der rechten Tasche herausnehmen können wir jedenfalls nicht akzeptieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir werden uns in den Ausschussberatungen - ich schließe mich hier der Bitte nach Mitberatung auch im Landwirtschaftsausschuss an - nicht mit diesen allgemeinen Zielsetzungen begnügen, sondern wir werden dann Butter bei die Fische fordern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD spricht jetzt der Kollege Beckmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir in dieser Frage etwas weniger Aufgeregtheit gewünscht.

(Zurufe von der CDU)

- Ja, ja. Mir liegt hier der Presseartikel von Frau Zachow vor, in dem in diesem Zusammenhang der Untergang des ländlichen Raumes beschrieben worden ist. Das ist schon sehr bedeutend.

(Möllring [CDU]: Hier hat sie aber doch geredet und nicht ihren Zei- tungsartikel vorgelesen! Das können Sie doch voll unterstreichen!)

Wenn ich dagegen sehe, was Sie hier eben zu diesem Thema inhaltlich gesagt haben, dann ist mir Gott sei Dank nicht so ganz bange um den Untergang des ländlichen Raumes. Die Pressemitteilung - das müssen Sie zugeben - ging aber ungefähr in diese Richtung.

(Wojahn [CDU]: Ein Presseartikel bringt das sowieso nicht!)

- Ich sage Ihnen einmal, wo bei Ihnen das Problem liegt. Sie hätten vielleicht Herrn Ehlen reden lassen sollen.

(Althusmann [CDU]: Sprich doch mal zum Thema!)

- Ja, genau. Das nämlich ist genau die Situation. Herr Ehlen ist Mitglied eines Verbandes.

(Möllring [CDU]: Der Ältestenrat hat gemeint, es sei keine Landwirtschafts- sache!)

Von daher ist er gut informiert über die Diskussionen, die wir mit dem Verband geführt haben. Ihr Problem ist nun, dass wir mit den Verbänden reden, Sie aber nur hinter den Verbänden herlaufen. Genau das ist Ihr Problem. Deshalb Ihre große Aufgeregtheit. Das ist eigentlich schade.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Ich meine, dass wir angesichts der Tatsache, dass Sie so rechtzeitig in die Diskussion eingebunden worden sind, sehr sachlich miteinander umgehen sollten. Herr Klein hat einige Ansätze gemacht, wobei er allerdings wieder ein paar Begriffe verwendet hat, angesichts deren ich ihn gern daran erinnern möchte, was seine Kollegen Anfang der 90er-Jahre gesagt haben, als wir den Sockelbetrag erhöht haben. Daran sollten Sie lieber nicht erinnert werden, Herr Klein.

(Möllring [CDU]: Wir müssen uns ja sogar noch anhören, was Remmers 1985 gesagt hat!)

Es gibt noch ein paar Punkte, über die wir in Zukunft ebenfalls reden müssen. Wir müssen auch über die Situation der Verbände reden. Die Verbände wissen, was auf sie aufgrund der Entwicklung in Europa zukommen wird. Darüber und auch über die Kleinteiligkeit unseres Verbandswesens werden wir mit ihnen reden müssen. Sie wollen sogar mit uns und mit Ihnen sowie mit dem Parlament und der Regierung darüber reden. Sie wissen nämlich, dass eine ganz neue Situation auf sie zukommen wird, angesichts deren sie unsere Unterstützung brauchen. Ich glaube, das ist in der Diskussion. Verden ist gerade 14 Tage her. Dort waren 200 Mitglieder anwesend.

(Kethorn [CDU]: Sie haben sich schon bewegt!)

Dort ist von den Betroffenen in sehr sachlicher Form und ohne diese Aufgeregtheit, die Sie hier an den Tag legen, Frau Zachow, diskutiert worden. Das hätte ich mir in diesem Zusammenhang auch hier so gewünscht. Der Minister hat die einzelnen Punkte deutlich gemacht.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich finde es etwas verwunderlich, dass Sie beim Beitrag Ihres Fraktionsvorsitzenden zum Haushalt vehement Beifall geklatscht haben, als er gesagt hat: Wir bringen die Verwaltungsreform nicht schnell genug durch. Wir bauen nicht schnell genug Personal ab. Wir senken die Personalkosten nicht. - Zu allen diesen Punkten, die er dort vorgestellt hat, haben Sie Beifall geklatscht. Da hat er Recht. Jetzt aber kommt ein Vorschlag, angesichts dessen Sie sagen: Da müssen wir uns aber zunächst einmal zum Retter des ländlichen Raumes machen. Unserer Auffassung nach darf dort überhaupt nichts passieren. - Wir müssen uns in diesem Punkt schon einig werden. Dass etwas umgesetzt werden soll, gleichzeitig aber nichts passieren darf, wird nicht funktionieren.