Protokoll der Sitzung vom 17.11.2000

In Naturschutzgebieten, deren Flächen sich überwiegend in öffentlicher Hand befinden, gibt es zunehmend Klagen über die Schwierigkeit, die für die Erreichung des Schutzzweckes notwendige Pflege zu gewährleisten. Dies betrifft insbesondere den Grünlandschutz und die Sicherung artenreicher Wiesenvogelbiotope.

Viele Landwirte sind nicht mehr bereit, die einschlägigen Flächen zu nutzen. Die naturschutzfachlich bedingten Auflagen in Bezug auf Viehdichte, Mähzeitpunkt und Düngung verhindern trotz „Nullpacht“, dass die Bewirtschaftung einen positiven Beitrag zum Betrieb einer intensiven Milch- oder Fleischerzeugung leisten kann. In solchen Fällen kann häufig die Nutzung der Flächen im Rahmen einer Mutterkuhhaltung eine Lösung darstellen. Dazu bedarf es entsprechender Quoten, die zwar handelbar, aber an einen landwirtschaftlichen Betrieb gebunden sind. Die Konstellation, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb vor Ort über Mutterkuhquoten verfügt, ist eher zufällig und entsprechend selten. Für einen systematischen, dauerhaften Einsatz von Mutterkuhherden im Naturschutz wäre es deshalb hilfreich, wenn die jeweilige Naturschutzverwaltung Mutterkuhquoten erwerben und so verwalten könnte, dass sie dem jeweils nutzenden Landwirt zugerechnet werden. Ein solcher Vorschlag scheitert zur Zeit an den vorliegenden Bestimmungen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Teilt sie die positive Einschätzung dieses Vorschlages? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja:

2. Welche rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen müssen wie geändert werden, damit der Vorschlag umgesetzt werden kann?

3. Wie wird sich die Landesregierung für eine entsprechende Änderung der Bestimmungen und eine Ausweitung der Mutterkuhquoten in Deutschland einsetzen?

Bevor ich die vom Abgeordneten Klein gestellten Fragen beantworte, gebe ich folgende Situationsbeschreibung zur Bewirtschaftung von Naturschutzflächen:

Gegenwärtig befinden sich in Naturschutzvorranggebieten über 20.000 ha der landeseigenen Landwirtschaftsflächen. Diese werden fast ausnahmslos bewirtschaftet. Lediglich im Regierungsbezirk Weser-Ems sind zurzeit rund 100 ha nicht verpachtet, da die hohen Grundwasserstände keine Bewirtschaftung zulassen. Dabei handelt es sich vorwiegend um Flächen in Moorgebieten. Aufgrund der naturschutzfachlichen Zielsetzungen sind Sukzessionen auf diesen Flächen hinnehmbar. In den übrigen drei Bezirken gibt es keine unverpachteten landwirtschaftlichen Nutzflächen aufgrund mangelnder Nachfrage. Insofern beschäftigt sich die Kleine Anfrage mit einem Sachverhalt, der zurzeit so nicht existiert. Im übrigen wird für den Fall, dass sich bei weiter verschärfenden Rahmenbedingungen eine rückläufige Nachfrage nach ertragsschwachen Grünlandflächen mit starken Bewirtschaftungsauflagen ergeben kann, auf einen einvernehmlichen Erlass von ML/MU aus dem Jahr 1998 verwiesen. Er regelt, dass Bewirtschaftungsauflagen auf landeseigenen Flächen zu prüfen und gegebenenfalls zu ändern sind, sofern kein privater Bewirtschafter mehr an einer Pacht interessiert ist und die Weiterbewirtschaftung im Sinne der Naturschutzzielsetzung liegt.

Zur Haltung von Mutterkühen ist generell zu bemerken: Die Haltung von Mutterkühen ist auch ohne eine Ausstattung mit Prämienrechten erlaubt. Die so genannten Mutterkuhquoten sichern allerdings dem Halter - sofern er die Bedingungen erfüllt - die Zahlung einer Prämie. Sie ist unter der Bezeichnung „Mutterkuhprämie“ bekannt und verbessert die Wirtschaftlichkeit der Mutterkuhhaltung.

Die wesentliche rechtliche Grundlage für die Prämienzahlung bildet die Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch. Als Ziele sind in der Präambel u. a. genannt:

Erstens. Stabilisierung der Märkte bei gleichzeitiger Sicherung einer angemessenen Lebenshaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung.

Zweitens. Auf gar keinen Fall darf die Gewährung von Prämien zu einer Steigerung der Gesamterzeu

gung führen. Daher sind für jeden Mitgliedsstaat Obergrenzen eingeführt worden.

Drittens. Die Mitgliedsstaaten bilden eine „nationale Reserve“ aus Prämienansprüchen und teilen diese Berufsneulingen, Junglandwirten sowie anderen vorrangig in Betracht kommenden Erzeugern auf Antrag zu.

Darüber hinaus legt die Verordnung die Bedingungen fest, die ein Erzeuger erfüllen muss, um Prämienzahlungen zu erhalten. Weiterhin enthält sie Regelungen hinsichtlich der Bildung und Handhabung der „nationalen Reserven“, die im Rahmen der nationalen Höchstgrenzen bei Prämienrechten zu bilden sind. Ergänzend liefert die Verordnung (EG) Nr. 2342/1999 der Kommission vom 28.Oktober 1999 die Durchführungsvorschriften. Schließlich setzt die Verordnung über die Gewährung von Prämien für männliche Rinder, Mutterkühe und Mutterschafe (= Rinder- und Schafprä- mienverordnung) vom 22. Dezember 1999 die o. g. Regelungen in nationales Recht um.

Ein Erwerb der Prämienansprüche sowie deren Verteilung durch Naturschutzverwaltungen ist rechtlich nicht möglich. In den eingangs erwähnten Verordnungen ist der Erwerb von Prämienansprüchen ausschließlich durch den Rindfleischerzeuger festgelegt. Ein Erwerb dieser Ansprüche durch andere Personen oder Institutionen ist nicht vorgesehen.

Unter Berücksichtigung entsprechender EUVorgaben werden Prämienrechte aus der „nationalen Reserve“ in Niedersachsen nach der folgenden Prioritätenliste verteilt:

Die erste Priorität genießen Antragsteller, die aufgrund von Verträgen mit der öffentlichen Hand im öffentlichen Interesse Flächen in Naturschutzgebieten bewirtschaften.

Unter die zweite Priorität fallen Antragsteller, die ohne Vertrag mit der öffentlichen Hand Flächen in Naturschutzgebieten bewirtschaften, ohne im Besitz ausreichender Prämienrechte zu sein. Für diese Antragsteller ist es unerheblich, ob es sich um Haupterwerbs- oder Nebenerwerbslandwirte handelt.

Antragsteller, die keine Naturschutzflächen bewirtschaften, werden nachrangig berücksichtigt.

Insofern ist schon gegenwärtig eine ausreichende Berücksichtigung naturschutzfachlicher Belange bei der Vergabe von Prämienrechten1 gesichert.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Die Landesregierung begrüßt die naturschutzgerechte Pflege von Naturschutzgebieten durch Mutterkuhhaltung.

Zu 2: Ich sehe keine realistischen Möglichkeiten, dass der Ministerrat oder die Kommission bereit wären, die Rechtsgrundlagen im vorgeschlagenen Sinne zu ändern.

Zu 3: Im Jahr 2000 erfolgte die EU-weite Neuanpassung der Prämienrechte an die von der EUKommission vorgegebenen nationale Obergrenze, und zwar auf der Basis der 1997 gewährten „Mutterkuhprämie“ plus 3%. Für Deutschland ergeben sich daraus insgesamt 639.535 Prämienrechte. Davor verfügte Deutschland über 733.491 Prämienrechte, wovon sich aufgrund der Nichtzuteilung der in den Jahren 1997 bis 1999 wegen Nichtnutzung eingezogenen Prämienansprüche 90.759 Ansprüche in der nationalen Reserve befanden. In Niedersachsen waren 62.629 Prämienrechte zugeteilt und 10.979 Prämienrechte in der „nationalen Reserve“. Die notwendige Anpassung an den neuen Quotenplafond wurde durch den Einzug der nationalen Reserve sowie eine 2,5prozentige Quotenkürzung bei den Erzeugern realisiert. Seit der o. g. EU-weiten Neuanpassung zum 1. April 2000 wurden bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon ca. 1 % der Prämienansprüche wegen Nichtnutzung eingezogen. Da trotz erheblichen Widerstandes einzelner Mitgliedsstaaten, u. a. auch Deutschlands, der Ministerrat und die Kommission aus marktpolitischen Gründen nicht bereit waren, auf eine Reduzierung der nationalen Obergrenzen zu verzichten, halte ich eine Ausweitung der Prämienansprüche für Mutterkühe für Deutschland nicht für durchsetzbar.

1 Hinweise zur aktuellen Ausstattung Niedersachsens mit Prämienansprüchen: Der von der EU-Kommission vorgegebene nationale Quotenplafond zum 01.04.2000 beträgt 639.535 Prämienansprüche. Für Niedersachsen ergibt sich folgende Situation: zugeteilte Prämienansprüche für Anträge 2000 = 58.698,70 Nationale Reserve: Å Zugang wegen unzureichender Nutzung = 510,00

Anlage 3

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 6 der Abg. Frau Harms (GRÜNE):

Kopftuchurteil

Das Lüneburger Verwaltungsgericht hat die Landesregierung am 16. Oktober 2000 dazu verurteilt, die Lehrerin Iyman Alzayed in den Schuldienst einzustellen.

Damit wurde Frau Alzayed das Recht zugebilligt, im Unterricht Kopftuch zu tragen, wie sie es als gläubige Muslimin für geboten hält.

Statt dieses Urteil zu akzeptieren, will die Landesregierung nunmehr das Oberverwaltungsgericht anrufen, um eine Einstellung von Frau Alzayed zu verhindern.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie will die Kultusministerin mit der Fortsetzung der Klage gegen Frau Alzayed zur Integration von Menschen verschiedener Kulturen beitragen?

2. Wie will die Kultusministerin mit ihrem Verhalten die Religionsfreiheit sicherstellen?

3. Will die Kultusministerin mit ihrer Fortführung der Klage gegen Frau Alzayed eine Anpassung an eine „deutsche Leitkultur“ erzwingen?

Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat einer Klage stattgegeben, mit der Frau Iyman Alzayed, eine Muslimin deutscher Staatsangehörigkeit, ihre Einstellung in den niedersächsischen Schuldienst anstrebt. Die Bezirksregierung Lüneburg hatte die Einstellung zuvor aufgrund von Zweifeln an ihrer beamtenrechtlichen Eignung abgelehnt, da sie zum Ausdruck gebracht hatte, auch im Unterricht ein Kopftuch tragen zu wollen. Da diese Zweifel nach wie vor bestehen, beabsichtigt die Bezirksregierung nunmehr, das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht anzurufen.

Die erwähnten Zweifel beziehen sich auf die Beachtung der so genannten Neutralitätspflicht, die für jede Beamtin und jeden Beamten verbindlich ist. Sie beinhaltet die Pflicht zu einer Amtsführung, die religiös und weltanschaulich neutral ist. Für Lehrkräfte besteht eine spezielle Neutralitätspflicht, da sie nach § 50 Niedersächsisches Schulgesetz die unmittelbare pädagogische Verantwortung für den Unterricht und die Erziehung der Schülerinnen und Schüler tragen. Sie haben dabei auch Artikel 7 Grundgesetz zu beachten, der eine

Pflicht des Staates zur Neutralität in Fragen der Religion und des Glaubens einschließt. Die Neutralitätspflicht ist der notwendige Ausgleich dafür, dass der Staat das Erziehungsrecht der Eltern durch die Schulpflicht einschränkt. Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass jede Lehrkraft den Schülerinnen und Schülern im Unterricht als Vertreterin des Staates gegenübertritt. Da ihr Verhalten somit dem Staat zugerechnet wird, muss sie sich an dem Gebot weltanschaulicher Neutralität ausrichten.

Durch das Tragen des Kopftuches während des Unterrichts würde Frau Alzayed jederzeit demonstrativ ihre Zugehörigkeit zum Islam zum Ausdruck bringen. Da sich hieraus eine religiöse Beeinflussung der Schülerinnen und Schüler ergeben kann, würde sich Frau Alzayed nicht religiös neutral verhalten. Dies ist gerade im Grund- und Hauptschulbereich - also den Schulformen, in denen Frau Alzayed vorwiegend eingesetzt werden müsste nicht zu verantworten, da sich die überwiegend religionsunmündigen Kinder vielfach an den Lehrkräften als Vorbildern orientieren. Für Schülerinnen muslimischen Glaubens kann hier obendrein ein erheblicher Anpassungsdruck entstehen.

Weiterhin würde die negative Bekenntnisfreiheit der Schülerinnen und Schüler verletzt. Gegenüber dieser negativen Bekenntnisfreiheit hat die positive Bekenntnisfreiheit, auf die sich selbstverständlich auch Frau Alzayed berufen kann, zurückzutreten. Dieses Grundrecht verleiht Frau Alzayed nämlich keinen Anspruch darauf, ihrer Glaubensüberzeugung mit staatlicher Unterstützung Ausdruck zu verleihen.

Ein Anspruch auf Einstellung kann Frau Alzayed auch nicht aus Artikel 9 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten herleiten. Da diese Konvention bewusst kein Recht auf Einstellung in den öffentlichen Dienst enthält, kann eine Einstellung auch nicht unter Hinweis auf diese Konvention eingeklagt werden.

Das Tragen eines Kopftuches durch eine Lehrkraft während des Unterrichts ist nach alledem als Verstoß gegen die Verpflichtung zur religiös und weltanschaulich neutralen Amtsführung anzusehen; es ist daher mit den Dienstpflichten einer Lehrkraft nicht vereinbar.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu 1 und 2: Wie der Vorbemerkung zu entnehmen ist, ist die erwähnte Anrufung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts nicht gegen die Integration von Menschen verschiedener Kulturen gerichtet. Der Staat, in dem Menschen unterschiedlicher oder gar gegensätzlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zusammenleben, kann die friedliche Koexistenz vielmehr nur gewährleisten, wenn er selbst in Glaubensfragen Neutralität bewahrt. Das beabsichtigte Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung dient daher dem Ziel, das aus dem Grundrecht der negativen Bekenntnisfreiheit gegenüber dem Staat folgende Recht der Schülerinnen und Schüler durchzusetzen, nicht mit religiösen Symbolen durch staatliche Maßnahmen in der Schule ohne Ausweichmöglichkeit ausgesetzt zu sein. Mit der angestrebten obergerichtlichen Entscheidung soll demnach die negative Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler sichergestellt werden.

Zu 3: Nein.

Anlage 4

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 7 des Abg. Klare (CDU):

„Überhangstunden“ an „Verlässlichen Grundschulen“ - statistische Tricks statt Problemlösung