Protokoll der Sitzung vom 17.11.2000

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 15 der Abg. Frau Litfin (GRÜNE):

Zukunft der schulpsychologischen Beratung in Niedersachsen

Im Schuldienst des Landes Niedersachsen gibt es zurzeit 87 Planstellen für Schulpsychologinnen und Schulpsychologen und vier Planstellen für Psychologiedirektorinnen und direktoren. Die Landesregierung beabsichtigt, die Zahl dieser Stellen um 24, also um mehr als 25 % zu reduzieren.

Zu den künftigen Aufgaben der Schulpsychologie hatte die Kommission „Schulentwicklung, Beratung, Fortbildung“ beim Niedersächsischen Kultusministerium am 29. November 1996 folgende Empfehlung gegeben: „Bedingt durch die gesellschaftlichen, kulturellen und technologischen Veränderungsprozesse, auf die Schule mit entsprechenden Entwicklungs- und Anpassungsprozessen reagieren muss, haben die Anforderungen an die schulpsychologische Beratung in den letzten Jahren an Umfang und Vielfalt zugenommen. (...) Die derzeitig vorhandene Stellenzahl (...) sollte angesichts des vorhandenen Beratungsbedarfs und der Probleme in den Schulen beibehalten werden.“

Die Arbeitsgruppe „AG ‘99“ zur Schulverwaltungsreform beim Kultusministerium hat in ihrem Bericht vom 19. April 1999 empfohlen, die Zielsetzungen der schulpsychologischen Beratung weiter zu entwickeln und den Schwerpunkt auf die systemische Beratung der Schulen im Hinblick auf Qualitätssicherung und Qualitätssteigerung sowie auf Konfliktmanagement zu legen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie definiert sie die Aufgaben der Schulpsychologie, insbesondere unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Kommission „Schulentwicklung, Beratung, Fortbildung“

von 1996 und der Arbeitsgruppe Schulverwaltungsreform beim Kultusministerium von 1999?

2. Welche Bedeutung hat die schulpsychologische Beratung nach ihrer Auffassung für eine Weiterentwicklung der Schule insbesondere mit dem Ziel, auch Kindern und Jugendlichen aus desintegrierten Familien die gesellschaftliche Integration zu sichern und sie in ihrer Persönlichkeit so zu stärken, dass sie für gewalttätige und fremdenfeindliche Denk- und Verhaltensweisen weniger anfällig sind?

3. Wie soll die schulpsychologische Beratung diese Aufgaben nach Auffassung der Landesregierung bei dem geplanten Stellenabbau von mehr als 25 % bewältigen können?

Die Kleine Anfrage beantworte ich im Namen der Landesregierung wie folgt:

Die Schulpsychologie in Niedersachsen verfügt derzeit über 89 Planstellen, davon vier Planstellen für Psychologiedirektorinnen und –direktoren mit Leitungs- und Koordinierungsaufgaben im Dezernat 401 der Bezirksregierungen. Das entspricht, bezogen auf die Schülerinnen und Schüler an niedersächsischen Schulen, einer Relation von 1 : 14.000. Dies macht deutlich, dass der Schwerpunkt der schulpsychologischen Beratung auch jetzt schon bei Aufgaben liegt, die mit Beratung des Systems Schule zu beschreiben sind. Einzelfallberatung, auf Schüler und Schülerinnen bezogen, muss bei dieser Relation die Ausnahme sein.

Während der Schulverwaltungsreform ist die Schulaufsicht um 30 % zugunsten der Stellen im Schulbereich reduziert worden. Die Schulpsychologie ist damals ausgenommen worden, weil ihr Aufgabenbereich gegenüber dem Erlass von 1984 neu beschrieben werden sollte.

Um die letzte Zielvereinbarung zum Stellenabbau im Umfang von 110 Stellen zu erfüllen, ist nunmehr auch für die Schulpsychologie eine Einsparauflage vorgesehen. Die Reduzierung um insgesamt 24 Stellen ergibt für diesen Bereich eine Minderung um 27 %, es verbleiben 65 Stellen. Es wird sichergestellt, dass die Schulpsychologie ihren Stellenwert in der Systemberatung hat. Gleichzeitig soll das Beratungslehrersystem, in dem fast die Hälfte der Schulpsychologen tätig ist, neu geordnet werden, damit für Schüler und Eltern professionelle Ansprechpartner auf der Ebene der Schule vorhanden sind.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich im Namen der Landesregierung die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu 1 und 3: Auf der Grundlage der Anregungen der Arbeitsgruppe „Schulverwaltungsreform“ wurde die Kommission „Schulentwicklung, Beratung, Fortbildung“ beauftragt; diese legte mit dem Bericht vom 29. November 1996 allgemeine Empfehlungen für den Bereich „Schulpsychologische Beratung“ vor. Demzufolge wird im Bericht der „AG ‘99“ vom 19. April 1999 empfohlen, die Tätigkeitsschwerpunkte der schulpsychologischen Dezernentinnen und Dezernenten den sich wandelnden Anforderungen des Schulsystems und der Verwaltungsreform anzupassen.

Zur Erledigung dieser Aufgabe ist im Juli dieses Jahres eine Arbeitsgruppe „Schule und schulpsychologische Beratung“ eingerichtet worden, die ihre Empfehlungen im Juli 2001 vorlegen wird.

Die Aufgabenfelder der schulpsychologischen Beratung und der Beratungslehrkräfte sind im Hinblick auf ihre besondere Leistungsfähigkeit für schulische Praxis zu beschreiben und weiterzuentwickeln. Das bedeutet, dass innerhalb des Schulsystems die Problemstellen identifiziert werden sollen, an denen eine wirksame Intervention schulpsychologischer Beratung tatsächlich möglich ist. Außerdem soll der besondere schulpsychologische Beratungsbedarf in einzelnen Schulformen beschrieben werden.

Zu 2: Die schulpsychologische Beratung hat nach Auffassung der Landesregierung jetzt und auch künftig eine hohe Bedeutung bei der systematischen Weiterentwicklung der Schulen. Sie dient damit auch dem Ziel, Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeit zu stärken und deren gesellschaftliche Integration zu sichern.

Anlage 13

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 16 des Abg. Busemann (CDU):

Gravierender Fachlehrermangel insbesondere im naturwissenschaftlichen Bereich

In Niedersachsen zeichnet sich insbesondere im Bereich der Hauptschulen und Realschulen ein gravierender Fachlehrermangel im naturwissenschaftlichen Bereich ab. Die Studienanfängerzahlen reichen unter Berücksichtigung der einschlägigen Schwundquote bei weitem nicht aus, um auch nur den Ersatzbedarf zu decken. Ab 2005 prognostiziert das Niedersächsische Kultusministerium im Bereich aller Schulformen außerhalb der Gymnasien einen Lehrermangel von teilweise 100 %. Bereits jetzt gibt es offensichtlich erhebliche Schwierigkeiten, Lehrerstellen mit naturwissenschaftlichen Fächern insbesondere im ländlichen Raum zu besetzen. So berichten die „Informationen für die Realschule“ in ihrer Ausgabe vom September 2000:

„Dies sind die Tatsachen im Bereich der Bezirksregierung Lüneburg. Ausgeschrieben waren zu Beginn des Einstellungsverfahrens 70 Stellen für das Lehramt an Realschulen. Davon konnten über 30 nicht in der ausgeschriebenen Fächerkombination oder mit dem ausgeschriebenen Einzel- oder beliebigem Beifach besetzt werden! 10 Stellen waren mit dem Fach Physik ausgeschrieben, meistens als ‚Physik/beliebig‘. Davon konnte eine einzige mit viel Mühen mit einer Lehrkraft besetzt werden, die Physik studiert hat! Letztlich sind einige Stellen immer noch unbesetzt, einige wurden in Stellen für ein anderes Lehramt umgewidmet, andere wurden mit Bewerbern besetzt, die von der Ausschreibung völlig abweichende Fächerkombinationen mitgebracht haben, zum Ärger einiger Schulen völlig am Bedarf vorbei. Es gab reihenweise Absagen von Bewerberinnen und Bewerbern, die für eine Stelle vorgesehen waren, dann aber die attraktiven Angebote in anderen Bundesländern vorzogen. Es lässt sich vorhersagen, dass die zukünftigen A-12-Stellen an den Einheitsschulen bei fachlich qualifizierten Bewerbern mindestens im Bereich der Naturwissenschaften keinerlei Interesse mehr finden werden. Unter diesem Blickwinkel erscheint das Gerede von der Bildungsoffensive als Geschwätz.“

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele und welche Stellen sind an welchen allgemein bildenden Schulen welcher Schulform in welcher Fächerkombination mit mindestens einem naturwissenschaftlichen Fach (Physik, Chemie, Biologie) zum Schuljahresbeginn 2000 ausgeschrieben worden?

2. Wie viele und welche der an allgemein bildenden Schulen zum Schuljahresbeginn 2000 ausgeschriebenen Stellen konnten zum einen nicht in der ausgeschriebenen Fächerkombination oder zum anderen nicht mit dem ausgeschriebenen Einzel- oder beliebigem Beifach besetzt werden, differenziert nach den unter 1. abgefragten Stellen und nach den übrigen ausgeschriebenen Stellen?

3. Welche der zum Schuljahresbeginn 2000 an allgemein bildenden Schulen ausgeschriebenen Stellen sind immer noch unbesetzt, welche wurden in Stellen für ein anderes Lehramt umgewidmet, welche wurden mit Bewerbern besetzt, die von der Ausschreibung abweichende Fächerkombinationen mitgebracht haben, und welche wurden mit Bewerbern besetzt, die das geforderte Fach nicht studiert haben?

Erstens. Für das Lehramt an Realschulen haben die Bezirksregierungen zum 21. August 2000 38 Stellen mit dem Fach Physik ausgeschrieben. Hierfür gab es 20 Bewerbungen aus Niedersachsen und vier aus anderen Ländern. Eingestellt werden konnten 13 Realschullehrkräfte mit dem Fach Physik, alle aus Niedersachsen. Darunter waren auch die fünf neuen Absolventinnen und Absolventen des niedersächsischen Vorbereitungsdienstes vom April 2000. Eingestellt werden konnten weiterhin drei in Niedersachsen wohnende Lehrkräfte, die in diesem Jahr den Vorbereitungsdienst in Nordrhein-Westfalen bzw. Hessen absolviert hatten. Nicht eingestellt wurden ein Altbewerber, der nur an bestimmten zentralen Orten unterrichten wollte, ein Bewerber, der an einer Schule in freier Trägerschaft in Niedersachsen weiter unterrichtet, eine Bewerberin, die noch an einer deutschen Auslandsschule tätig ist, und drei Bewerberinnen und Bewerber, die vor 15 und mehr Jahren mit Noten 3,5 und schlechter die Lehrerausbildung absolviert hatten. Weiterhin hatte ein Altbewerber unmittelbar vor dem Vorstellungsgespräch abgesagt. Die vier Bewerber aus anderen Ländern haben - wie bei allgemeinen Mangelfächern zu erwarten - Einstellungsangebote in anderen Ländern angenommen.

Es ist also bei den Realschullehrkräften mit Physik nicht festzustellen, dass Bewerberinnen und Bewerber aus Niedersachsen attraktivere Angebote aus anderen Ländern vorgezogen hätten.

Zweitens. Den Bezirksregierungen wird vom Kultusministerium vor jeder Stellenausschreibung mitgeteilt, wie viele Altbewerberinnen und –bewerber ohne BAT-Verträge an niedersächsischen

Schulen und wie viele neue Absolventinnen und Absolventen des niedersächsischen Vorbereitungsdienstes es für die einzelnen Fächerkombinationen gibt. Danach waren zum 21. August 2000 für das Lehramt an Realschulen und dem Fach Physik sechs Altbewerberinnen und Altbewerber und fünf neue Absolventinnen und Absolventen zu erwarten. Tatsächlich hatten sich darüber hinaus drei Lehrkräfte von Schulen in freier Trägerschaft, drei neue Absolventinnen und Absolventen des Vorbereitungsdienstes anderer Länder und drei sonstige Altbewerberinnen und -bewerber beworben. Obwohl für Mangelfächer nur eine begrenzte Zahl an Bewerbungen zu erwarten ist, werden mehr Einstellungen bekannt gegeben, um auch bisher nicht bekannten Bewerberinnen und Bewerbern Einstellungsmöglichkeiten zu bieten. Im Übrigen ist bei dem dezentralen Auswahlverfahren nicht immer bekannt, wo die neuen Absolventinnen und Absolventen den Dienst antreten wollen, sodass auch deswegen eine höhere Zahl von Stellenausschreibungen für Mangelfächer gerechtfertigt ist.

Drittens. Die Fächer der Stellen werden folgendermaßen bekannt gegeben: benötigtes Fach a, möglichst Fach b. Bei der Auswahl wird versucht, zunächst eine Lehrkraft mit einer Ausbildung für beide Fächer zu finden. Wenn dieses nicht gelingt, erfolgt eine Auswahl aus allen Bewerberinnen und Bewerbern, die für das erste Fach ausgebildet sind und ein anderes zweites Fach haben. Wenn damit die Stelle auch nicht besetzt werden kann, wird sie umgewidmet und z. B. das zweite Fach an die erste Stelle gesetzt oder die Auswahl bei einem anderen Lehramt mit den benötigten Fächern vorgenommen.

Dies vorausgeschickt, werden die einzelnen Fragen wie folgt beantwortet.

Zu 1: Zum 21. August 2000 wurden an den allgemein bildenden Schulen ohne Sonderschulen von 1.835 Stellen 273 für die naturwissenschaftlichen Fächer Physik, Chemie und Biologie bekannt gegeben. Davon hatten 29 Stellen zwei naturwissenschaftliche Fächer; diese wurden in der Tabelle mit beiden Fächern gezählt. Diesen Stellen wurde die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber aus Niedersachsen gegenübergestellt, die sich für die einzelnen naturwissenschaftlichen Fächer haben ausbilden lassen; auch hier können Lehrkräfte zwei naturwissenschaftliche Fächer haben.

L e h r a m t a n

Grund- und Hauptschulen Realschulen Gymnasien

Schulform

PH CH BI PH CH BI PH CH BI

selbst. Orientierungsstufe 2 4 1 3 3 3

Hauptschule, GHS, HRS 1) 32 13 15 13 7 7 4 2 4

selbständige Realschule 16 12 10

KGS 4 1 2 6 2 1 3 7 5

IGS 2 1 6 8 8

Gymnasium 46 20 29

insgesamt 38 14 21 38 21 22 62 40 46

Bewerbungen aus Niedersachsen 8 13 150 20 13 85 103 176 414

1) einschließlich angebundener Orientierungsstufen

Die 273 Stellen sind im einzelnen der Anlage 1 zu entnehmen.