Protokoll der Sitzung vom 17.11.2000

(Bontjer [SPD]: Die haben Sie alle geschlossen!)

- Augenblick! Ich komme gleich dazu.

(Dr. Domröse [SPD]: Wer hat sie den zugemacht?)

- Ach, Herr Dr. Domröse, auf dieses Argument habe ich ja nur gewartet. Wissen Sie, Sie, meine Damen und Herren von der SPD, sind wirklich die Letzten, die dieses auch nur in irgendeiner Form in Zweifel ziehen sollten.

(Widerspruch bei der SPD)

Sie haben bis zur Bundestagswahl 1998, Herr Adam,

(Adam [SPD]: Was?)

Anträge zur Reduzierung des Verteidigungshaushaltes des Bundes in Höhe von 14 Milliarden DM gestellt

(Beifall bei der CDU - Adam [SPD]: Na und?)

und beschweren sich darüber, dass Standorte reduziert wurden. Meine Damen und Herren, ich glaube, dazu brauchen wir nichts weiter zu sagen. Wir haben in Niedersachsen 24 - -

(Anhaltende Zurufe bei der SPD)

- Ich wusste, dass Sie das erregen würde.

Herr Kollege Adam, wenn Sie so weitermachen, habe ich Sorge um Ihre Gesundheit.

(Althusmann [CDU]: Ich auch!)

Vor allem deshalb, weil Sie als nächster Redner dran sind. Dann können Sie alles ablassen, was Ihnen so auf dem Herzen liegt.

(Althusmann [CDU]: Das freut mich umso mehr! Die Probleme begannen schon mit Adam und Eva, meine Da- men und Herren!)

Bis dahin bitte ich Sie aber, dem Redner zuzuhören, auch wenn es hier und da schwer fällt. - Herr Kollege, bitte schön!

Wir haben in Niedersachsen 24 Standorte mit weniger als 50 Dienstposten, und von den fast 87.000 Soldaten sind noch ganze 53.000 Soldaten und 23.000 Zivilbedienstete übrig geblieben. Das

ist angesichts der gerne getragenen Übungsbelastung im Lande Niedersachsen als großem Flächenland natürlich ein überproportionaler Abbau, der in Niedersachsen erfolgt ist und gegen den wir uns im Übrigen damals - da haben Sie, die Sie hier sitzen, alle mitgestimmt, auch Herr Adam - gewandt haben. Ich habe den Antrag dabei. Ich werde Sie einmal daran erinnern, was Sie, Herr Adam, oder was die Vertreter Ihrer Partei hier im Landtag 1995 gesagt haben, wie unverzichtbar Bundeswehr ist. Sie haben unserem - damals gegen unsere eigene Bundesregierung gerichteten - Antrag 1995 zugestimmt. Insofern wird es Sie nicht verwundern, dass wir heute von Ihnen Gleiches erwarten, also Sie heute in ähnlicher Weise diesen Anträgen zustimmen werden.

Meine Damen und Herren, Planungssicherheit und Zuverlässigkeit sind wichtige Eckpfeiler sowohl für die Soldaten und Verwaltungsmitarbeiter nach innen, aber ebenso wichtige Eckpfeiler für Glaubwürdigkeit und Bündnisfähigkeit Deutschlands in Europa. Was sollen eigentlich unsere NATOVerbündeten jetzt davon halten, wenn am 15. November der neue Generalinspekteur die Wehrpflicht für unverzichtbar und die Bundeswehr selbst für ein hochwirksames Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik erklärt? Stellen Sie sich einmal vor, ein Generalinspekteur oder ein Politiker der CDU/CSU-Bundesregierung hätte damals gesagt, dass die Bundeswehr ein hochwirksames Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik wäre. Sie hätten doch Lichterketten um die Hardthöhe in Bonn oder sonst wo initiiert und zu Demonstrationen aufgerufen, wenn das gesagt worden wäre.

(Beifall bei der CDU)

Einen Tag später auf der Kommandeurstagung in Leipzig erklärt am selben Ort der Bundespräsident ziemlich fahrlässig: Ein neues Nachdenken über die Bundeswehr und die Wehrpflicht erfordert als Antwort auf Herrn Scharping ein Umdenken in Sachen Wehrpflicht und Bundeswehr. Herr Scharping widerspricht ihm zwar, aber relativ langsam, so wie wir es von ihm kennen.

Meine Damen und Herren, da denken altpräsidiale Kommissionen und ein inzwischen hinausgeworfener Inspekteur erneut, aber ohne Neuigkeitswert, über die Zukunft der Bundeswehr - für den Papierkorb bestimmt - nach. Da bricht über die Bundeswehr innerhalb von zehn Jahren inzwischen die vierte Reform herein, Innenminister Bartling warnt noch im Mai vor einer Reduzierung der Wehr

pflichtigen auf unter 80.000 - es werden 77.000 sein -, und jetzt der neue präsidiale Anschlag, wenn Sie so wollen, auf die allgemeine Wehrpflicht.

Das wird Folgen haben. Der Herr Bundesverteidigungsminister wurde auf dem Flughafen KölnBonn auch vergessen. Möglicherweise droht dies auch dem Bundespräsidenten.

Aber, meine Damen und Herren, von diesen geistigen Kapriolen aber sind unsere Damen und Herren von den Grünen wahrlich nicht gefeit. Ich will Ihnen einmal vorlesen, was der Herr Schlauch uns vor kurzem sagte. Herr Schlauch erklärte vor kurzem, wir bräuchten angesichts der Reformen der Bundeswehr jetzt endlich einmal einen richtigen Scharnhorst. Wir haben aber nur einen Scharping. Dieser Herr Schlauch, der für die Abschaffung der Wehrpflicht eintritt, hätte zumindest wissen müssen, dass der 1807 zum Leiter der Militärreorganisation eines Staates berufene Heeresreformer Scharnhorst Folgendes forderte: Erstens. Die Bewohner eines Staates sind grundsätzlich die geborenen Verteidiger des selben. Zweitens. Er führte 1813 die Wehrpflicht erst für den Krieg und im darauf folgenden Jahr allgemein ein. Drittens. Sogar die Ausbildung eines Generalstabs umfasste damals die Heeresreform von Herrn Scharnhorst. So weit zu den geistigen Kapriolen von Herrn Schlauch.

Zu guter Letzt ein Zitat von Karl Jaspers:

„Wer einen kommenden Krieg für sicher hält, wirkt gerade durch die Gewissheit mit, dass er entsteht. Wer den Frieden für sich erhält, wird unbesorgt und treibt ohne Absicht in den Krieg. Nur wer die Gefahr sieht und keinen Augenblick vergisst, kann sich vernünftig verhalten und tun, was möglich ist.“

Ich danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Jetzt ist der Kollege Adam dran.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Rede des Kollegen Althusmann kann man den Christdemokraten in Lüneburg nur zurufen: Achtung, Achtung, Althusmann will in den Bundestag. Passt auf! - Was hier abgeliefert worden ist, war weiß Gott weder eine Begründung des vorliegenden Antrags der CDU-Fraktion zur Zukunft der Bundeswehr in Niedersachsen noch ein Beitrag zu einem Thema, das sich der Niedersächsische Landtag zu eigen machen sollte. Es war nur eine verteidigungspolitische Retourkutsche eines zwar an Lebensjahren jungen Mannes, aber eines politisch ewig Gestrigen.

(Heineking [CDU]: Nun komm mal zur Sache!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Kollege Althusmann kann reden, so viel er will. In einem Punkt lassen sich Demokraten, glaube ich, aber nicht auseinander dividieren, nämlich in dem Punkt, dass wir zur Bundeswehr, zu unseren Soldaten, aber auch zu den zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundeswehr in allen Standorten Niedersachsens stehen.

(Beifall bei der SPD)

Insofern, meine Damen und Herren, gibt es Anträge, die rechtzeitig kommen. Es gibt Anträge, die unterstützend sind. Es gibt Anträge, die etwas bewirken können. Dann gibt es Anträge, die anscheinend gestellt werden in der Hoffnung, dass man damit eine positive öffentliche Wirkung erreicht. Schließlich gibt es Anträge, die zu spät kommen und mit „erledigt“ beschieden werden müssen.

So ist es auch mit dem vorliegenden Antrag, der vom Kollegen Althusmann hier in keinster Weise begründet worden ist. Dieser Antrag kommt wahrlich zu spät, weil er - das ist bekannt - nicht richtig ist. Es ist bekannt, dass die Landesregierung reagiert hat. Es ist bekannt, dass sich Ministerpräsident und Innenminister mit der Bundesregierung, mit dem Verteidigungsminister auseinander gesetzt und unser aller Interessen - sofern wir aus den betroffenen Standorten von Heer, Luftwaffe und Marine kommen - vertreten haben.

Aber, meine Damen und Herren: Auch Niedersachsen muss seinen Beitrag zur Umstrukturierung und Verkleinerung der Bundeswehr leisten und hat

ihn auch geleistet. Dieser Beitrag darf allerdings nicht überproportional sein.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Althusmann?

Aber bitte!

Ich danke Ihnen, Herr Adam. - Herr Adam, können Sie aufgrund der von Ihnen soeben gemachten Aussagen bestätigen, dass die gesamten Feinplanungen inzwischen offenbar fertig sind, sodass eine weitere Debatte um Standorte in Niedersachsen erledigt wäre?

Herr Althusmann, wenn Sie sich jetzt hinsetzen, sich zurücklehnen und meiner Rede weiter zuhören, dann wird Ihre Frage sicherlich noch beantwortet. - Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Das Land Niedersachsen hat seinen Beitrag geleistet und wird ihn auch weiterhin zu leisten haben, aber nicht so, wie dies im Zusammenhang mit der von der CDU zu verantwortenden Strukturreform zwischen 1990 und 1995 der Fall gewesen ist. In dieser Zeit gingen nämlich sehr, sehr viele Arbeitsplätze insbesondere von zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Niedersachsen verloren.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag beschäftigt sich nur mit einer Streitkraft, nämlich mit dem Heer. Auch die Äußerungen des Kollegen Althusmann haben sich schwerpunktmäßig auf das Heer bezogen. Gleichwohl verkenne ich nicht, Herr Kollege, dass Sie auch die anderen Streitkräfte erwähnt haben. Diejenigen, die Ihnen in der Vorbereitung ihre Papiere gegeben haben, hätten Ihnen aber auch sagen müssen, dass U-Boote noch nie in Niedersachsen stationiert waren, sondern immer nur in der Ostsee. Da hat man Sie auf die falsche Fährte gesetzt.

Meine Damen und Herren, es gibt bei der Marine Probleme, die ich nicht verleugnen möchte. Der Inspekteur der Marine plant im Rahmen der Neustrukturierung, die Marine nur noch durch zwei Marineoberkommandos vertreten zu lassen. Nachdem das Marineamt schon vor einigen Jahren mit

rund 400 soldatischen und zivilen Arbeitsplätzen von Niedersachsen nach MecklenburgVorpommern umgesiedelt wurde - übrigens eine bei allen Parteien unstrittige Maßnahme, weil sie im Rahmen der Vereinigung zweier Streitkräfte stattgefunden hat -, ist jetzt geplant, auch das Marineunterstützungskommando in das Marineamt aufgehen zu lassen. Das würde heißen, dass Niedersachsen bei allen drei Streitkräften über kein Bundeswehroberkommando mehr verfügt. Das ist ein Punkt, an dem politisch angesetzt werden muss und an dem der Minister auch angesetzt hat.

(Zuruf von Althusmann [CDU])

- Durch Ihre Zwischenrufe, junger Mann, zeigen Sie uns, wie ernst Sie Ihre eigenen Anträge nehmen. Das sehen wir ganz anders. Wir wollen nämlich helfen, wo zu helfen ist.

(Beifall bei der SPD)

Das Gleiche gilt für die Kommandos auch anderer Teilstreitkräfte, aber auch für Bundeswehrschulen und die Wehrbereichskommandos; denn wir haben die Aufgabe, uns auch für zivile Arbeitsplätze einzusetzen.

Meine Damen und Herren, wir werden unseren Beitrag zur Umstrukturierung der Bundeswehr zu leisten haben. Wir werden diesen auch leisten. Wir wollen aber auch darauf hinweisen, dass zwischen 1990 und 1995 - also: Strukturreform Rühe - rund 34.000 Soldaten und zivile Arbeitnehmer in Niedersachsen ihren Arbeitsplatz verloren haben. Nur eines, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, lieber Kollege Althusmann, werden Sie auch durch Ihren jetzigen Beitrag nicht schaffen: Mit der Strukturreform bei der Bundeswehr wird die Bündnisfähigkeit deutscher Streitkräfte im Vergleich zu den Bündnispartnern nicht infrage gestellt. Ich glaube, dass keiner Ihrer soldatischen Kameraden den Beitrag, den Sie heute geleistet haben, wirklich versteht. Wir Sozialdemokraten stehen zur Zukunft der Bundeswehr in Niedersachsen, werden unseren positiven Beitrag dazu leisten und sind sicher, dass die Landesregierung unsere Interessen aus allen Standorten wahrlich so vertreten wird, dass wir diese Strukturreform auch werden mittragen können. - Vielen Dank.