Initiativen für die Beseitigung dieser inakzeptablen Wettbewerbsverzerrungen auch in anderen Bereichen müssen für unseren Wirtschaftsstandort Niedersachsen oberste Priorität haben.
Jetzt darf ich noch etwas zum Bruttoinlandsprodukt sagen, weil auch Herr Beckmann darauf abgehoben hat. Ich kann mich noch gut an das Jahr 1999 erinnern, als Kollege Senff von dieser Stelle aus mit stolzgeschwellter Brust und mit Dankesbezeugungen und Bücklingen in Richtung Regierungsbank die BIP-Steigerung 1998 in Niedersachsen von mehr als 4 % als großartige Leistung der Landespolitik dargestellt hat und sich vor lauter Stolz fast nicht wieder einkriegen konnte. Alles nach dem Motto „Wir danken Ihnen, Herr Ministerpräsident, für Ihre erfolgreiche Politik“. - So hat er hier damals gestanden. Wenn ich dieser Logik folge, meine Damen und Herren, bleibt Folgendes festzustellen: BIP-Steigerung 1999: Deutschland
2,5 %, Niedersachsen 2,1 %. Tendenz: fallend! Erstes Halbjahr 2000. Herr Senff, jetzt muss ich ja Ihrer Logik folgen und sagen: Gabriel-Politik auf dem Prüfstand! BIP-Entwicklung im ersten Halbjahr 2000: Deutschland 3,0 %, alte Bundesländer 3,2 %, Niedersachsen 1,9 %.
denn Steigerungen als Erfolg darzustellen und Verschlechterungen anderen anzulasten, kann ja wohl nicht mehr laufen, zumal jetzt der übliche Rundumschlag Richtung Bonn bzw. Berlin auch nicht mehr passt.
Die konkreten Zahlen des Bruttoinlandsprodukts pro Einwohner müssen uns in Niedersachsen betroffen machen, weil diese Zahlen eigentlich die richtige Vergleichsbasis sind. BIP pro Einwohner 1999: Deutschland 47.232 DM, Niedersachsen 43.370 DM. Das sind 92 % des Bundesdurchschnitts. Bayern aber liegt 15 % über dem Bundesdurchschnitt. Bremen liegt mit 62.947 DM sogar um 33 % über dem Bundesdurchschnitt.
Besonders erwähnen möchte ich Hamburg, das mit 81.266 DM um 72 % über dem Bundesdurchschnitt und - wenn Sie so wollen - um 80 % über dem niedersächsischen Wert liegt. Das, Herr Beckmann, ist die eigentliche Vergleichsbasis. Da nützen doch die schönsten selbst gestrickten Erfolgspamphlete in Sachen Wirtschaft und Verkehr nichts. Da können Sie noch so oft „Niedersachsen eine Erfolgsstory“ oder „Ein Jahr Landesregierung mit MP Sigmar Gabriel: Versprochen und gehalten“ drucken. Da gab es den Originalton Gabriel: „Rasante wirtschaftliche Entwicklung in Niedersachsen.“ So hieß es in der Erfolgsstory. Die Zahlen sprechen aber eine ganz andere klare Sprache, und Adam Riese wird ja wohl auch selbst vom MP nicht völlig außer Kraft gesetzt werden können. Deshalb heißt es jetzt, Herr Senff: Ein Jahr Gabriel – Niedersachsen fällt wirtschaftlich zurück! - Das ist die Realität.
Ich darf jetzt aber auch noch Folgendes sagen, meine Damen und Herren. Wer um alles in der Welt hat den Ministerpräsidenten beraten, diese stümperhaften Erfolgsbilanzen vorzulegen? - Für die Beschaffung von 23 Doppelstockwagen, Neigetechnikfahrzeugen, Leichtnahverkehrstriebwagen und 40 S-Bahn-Fahrzeugen und auch für die Umsetzung des Projektes NordWestBahn hat die Regierung Gabriel seit Dezember 1999 nichts, aber auch gar nichts mehr geleistet, weil alle Entscheidungen und Weichenstellungen weit vor dem Dezember 1999 erfolgt sind. Das ist eine ungerechtfertigte Selbstbeweihräucherung, ein Schmücken mit fremden Federn, das für mich völlig inakzeptabel ist.
Wenn jetzt in der „Erfolgsstory“ - man muss sich diesen Begriff einmal auf der Zunge zergehen lassen - steht - Sie begeben sich mit solchen Publikationen ja in eine große Gefahr; ich lese das ja -, dass in Niedersachsen künftig so genannte „Selbstlerninseln“ gefördert würden, dann kann ich dazu - seit spätestens gestern Morgen steht das auch eindeutig fest – nur Folgendes sagen: Mit der Staatskanzlei und dem Ministerpräsidenten haben wir zweifellos die größte politische Selbstlerninsel mit höchsten Defiziten!
Dies wird vom Ministerpräsidenten sicherlich alles energisch dementiert. Aber seit der Kabinettsumbildung wissen wir ja auch, was ein GabrielDementi ist. Es ist die verneinende Bestätigung einer Tatsache, die bislang ein Gerücht war.
Wir als CDU-Fraktion können dem Einzelplan 08 - um den geht es hier ja - heute nicht die TÜVPlakette verleihen. Wir erwarten im Bereich Wirtschaft und Verkehr auch durch die neue personelle Konstellation ein Stück weit Erneuerung und konzeptionelle Neuorientierung. Gerade in der Zeit des Umbruchs, in der sich die Arbeitswelt dramatisch verändert und in der für die Verkehrspolitik innovative Antworten gefunden werden müssen, muss das Ministerium Ideenschmiede sein. Ich bin Ihnen für Ansätze dankbar - ich sage das hier ganz ausdrücklich -, weil das sehr zukunftsorientiert war. Wir verbinden das, Frau Ministerin Knorre, aber auch mit der Hoffnung, dass Sie die anhaltende Beratungsresistenz der Mehrheitsfraktion gegen gute Vorschläge der Opposition abbauen können. Niedersachsen würde das gut tun.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Gabriel kommt ja heute gar nicht mehr hier herein. Dem ist der gestrige Tage wohl so auf die Nieren geschlagen, dass er sich jetzt - -
(Wendhausen [SPD]: Er ist doch heute Morgen entschuldigt worden! - Zuruf von der SPD: Der Herr Minis- terpräsident!)
Herr Kollege Wenzel, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass der Herr Ministerpräsident entschuldigt ist.
(Zurufe - Eveslage [CDU]: Frau Prä- sidentin, was sollen die Zwischenrufe von der Regierungsbank? - Unruhe)
Immer mit der Ruhe! Ich stelle nur fest: Er war heute nicht da. Ich verstehe gar nicht, dass hier solch eine Unruhe herrscht.
Wenn man sich einmal die Regierungserklärung von Ministerpräsident Gabriel zu Gemüte führt, dann stellt man fest, dass er vor hatte zu gestalten und nicht nur zu verwalten. Zur Verkehrspolitik hat er zwar nicht viel gesagt. Aber ich gehe davon
Ich muss allerdings feststellen, dass in dem Teil des Landeshaushalts, der den Verkehrsbereich betrifft, kaum gestaltende Kräfte erkennbar sind. Dort, wo etwas geschieht, haben wir Sie getrieben, oder - wie mein Kollege Dinkla eben schon erwähnt hat - es war schon vorher entschieden, etwa bei der NordWestBahn oder bei der Reaktivierung des Haller Willem; dort haben wir zusammen mit der CDU den Anstoß gegeben. Bei der Verwendung der UMTS-Mittel für die Sanierung der in großen Teilen maroden Schieneninfrastruktur kam der Anstoß ebenfalls von den Grünen. 6 Milliarden DM fließen zusätzlich in die Bahninfrastruktur, in Niedersachsen u. a. in den Ausbau der Strecke nach Nordenham, an der auch zwei wichtige niedersächsische Häfen liegen, und in die Modernisierung der Signaltechnik zwischen Leer und Rheine.
Wenn Sie in Ihrer Jahresbilanz mit der "Verbesserung des Schienenpersonennahverkehrs" werben, dann muss man die Bilanz anderer Bundesländer dagegen halten. 11 % mehr Fahrgäste gibt es in Niedersachsen; in Rheinland-Pfalz sind es fast 90 %. Die Zahl der Züge im Nahverkehr haben Sie um 1 % gesteigert; andere Bundesländer haben hier 10, 20, ja 30 % zugelegt.
Aber ich will nicht lange in die Vergangenheit blicken, sondern vielmehr schauen, was in Ihrem Haushaltsplan vorgesehen ist. Ich will sehen, wo wegweisende Signale zur Gestaltung erkennbar sind, wo wegweisende Signale zur Begegnung der Herausforderung „Klimaschutz“ und zur Verbesserung der Mobilität aller Bürgerinnen und Bürger Niedersachsens erkennbar sind. Ich möchte hier drei Aspekte ansprechen.
Zur Straßenbauverwaltung: Die Zukunft der Straßenbauverwaltung wird nicht im Straßenbau liegen, sondern eher in der Straßenunterhaltung. Frau Ministerin Knorre hat ja gerade interessanterweise diesen Aspekt auch angesprochen. Gründe liegen zum einen in der Haushaltssituation des Bundes, aber auch darin, dass das vorhandene Geld in erster Linie in Zukunftsbranchen investiert werden muss, die die Beschäftigung hier in Niedersachsen auch noch in zwei oder drei Jahrzehnten sichern. Das sind dann eher Datenautobahnen als Autobahnen, und das ist dann eher die Investition in die Bildung und Ausbildung unserer Kinder, in Hochschulen, Forschung, Entwicklung und Qualifizierung. Ich
bin sehr gespannt, was Sie morgen früh beispielsweise zu unserer Mündlichen Anfrage zum Thema Brennstoffzellen - ein anderes Zukunftsfeld - zu sagen haben.
Das Geld, das im Verkehrsbereich bleiben wird, muss effizienter eingesetzt werden. Ein Schritt in diese Richtung ist die Budgetierung des Verkehrshaushalts, die wir für diesen Haushaltsplan vorgeschlagen haben.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist aber die Umorganisation. Die Straßenbauverwaltung baut heute nur Straßen und verwaltet sie. Hier muss eine Organisation aus einem Guss her. Wir brauchen eine Gesellschaft oder eine Behörde für Mobilitätsgestaltung. Wir müssen die Potentiale aller Verkehrsträger in den Blick rücken. Nicht „Straßen bauen und verwalten“ darf die Devise sein, sondern Probleme lösen und Mobilität verbessern, und zwar so umweltfreundlich wie möglich.
Nun zur Bestellung von Verkehrsleistungen im Schienenverkehr: 500 Millionen DM stellt uns der Bund jährlich für Betriebsleistungen im Schienenpersonennahverkehr zur Verfügung. 370 Millionen DM davon verwaltet das Land. Seit mehr als zwei Jahren gibt es aber keinen Vertrag mehr mit der Bahn über die Verwendung dieser Mittel. Das sei ein Zustand - das hat Herr Minister Fischer, der Vorgänger von Frau Knorre, hier mehrfach behauptet -, der gut für das Land sei. Ich behaupte das Gegenteil. Der größte Auftragnehmer von Herrn Ministerpräsident Gabriel, die Bahn, tanzt ihm auf der Nase herum und bestimmt nach Gutsherrenart, wo Unterhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden und wo ganze Bahnstrecken stillgelegt werden,
obwohl sich der Ministerpräsident in dem Glauben wähnt, dort Züge bestellt zu haben. Ich rede hier von der Bahnstrecke Northeim – Bodenfelde.
Wenn ich die Liste der Reisezentren lese, die die Bahn schließen will und schon geschlossen hat, dann zeigt sich auch, dass Herr Dr. Neuber von der Landesnahverkehrsgesellschaft und das Ministerium hier - ich sage: bislang - als Bettvorleger agiert haben, weil die Reisezentren im Vertrag nicht mehr gesichert waren. Die Liste der geschlossenen Reisezentren ist lang und man sieht, wie das Land sich hat abspeisen lassen. Aber noch länger ist die Liste der Reisezentren, die zur Schließung anstehen: Buchholz, Burgdorf, Helmstedt, Holzminden,
Neustadt, Verden, Bad Sachsa, Friedland, Gifhorn, Münden, Nordenham. Es sind noch zehn andere Städte darauf. Alle sind nicht gerade klein.
Meine Damen und Herren, es gibt aber auch Lichtblicke in Niedersachsen. Dazu gehört die Inbetriebnahme der NordWestBahn. Diese Maßnahme hat der Vorvorgänger von Herrn Gabriel in die Wege geleitet. Dafür muss man ihn in der Tat auch ausdrücklich loben. Ministerpräsident Gabriel hatte die Freude, diese neue Bahn jetzt einweihen zu können. Probleme gibt es auch hier - das kann man nicht verkennen -, aber das sind Probleme von der erfreulichen Sorte, nämlich zu wenig Fahrzeuge, weil die Nachfrage doppelt so hoch ist wie nach Prognosen aller Gutachter. Aber auch diese Probleme sollten schleunigst gelöst werden, damit die Fahrgäste nicht länger auf dem Bahnsteig stehen bleiben müssen oder in übervollen Zügen stehen müssen.
Wir fordern den Ministerpräsidenten auf, möglichst schnell weitere Teilnetze in Niedersachsen auszuschreiben. Das kann sehr wohl bedeuten, dass die Deutsche Bahn AG weiter fährt, aber dann bitte mit modernen Fahrzeugen, auf ordentlich unterhaltenen Schienen und zu eindeutigen vertraglichen Konditionen. Ich habe Hoffnungen, dass sich mit unserer neuen Ministerin hier vielleicht einiges in Zukunft zum Besseren wendet.
Ich möchte noch ein paar Worte zur Verwendung der Investitionsmittel für Bus und Bahn sagen. Nach der EXPO geht das Geld in die Regionen. Das hat die Landesregierung gesagt. Jetzt kommt alles ganz anders, weil die Finanzplanung völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Mein Kollege Golibrzuch hat das gestern schon angesprochen. Trotzdem werden wir die Landesregierung nicht aus der Verantwortung zur Schaffung gleicher Lebensverhältnisse im Land entlassen.
Wenn ich dann höre, alle Anträge aus den Regionen seien bedient worden, dann halte ich das für ein Märchen. Teilweise werden Wünsche von Landkreisen, Städten und Gemeinden seit Jahren von der LNVG geprüft - oder sollte ich besser sagen „totgeprüft“? Die LNVG muss künftig effizienter und innovativer arbeiten. Hier kam das Stichwort Wettbewerb. Das kann da sicher nicht
schaden. Die LNVG muss enger mit den Kommunen zusammenarbeiten. Ich halte auch die Ausschreibung der Stelle des Geschäftsführers für dringend erforderlich, wenn sie im Sommer dieses Jahres frei wird. Ich glaube, dann wird hier mehr frischer Wind durch den Laden wehen.
Viel Geld könnte man sparen, wenn die Fördermaßnahmen stärker standardisiert werden. Warum braucht jede Stadt ein eigenes Design für ihre Stadtbahnwagen? Warum gibt es noch immer unterschiedliche Standards für bundeseigene und nichtbundeseigene Eisenbahnen? Warum gibt es keine Abschläge bei den Trassengebühren, wenn das Land der DB AG neue Fahrzeuge finanziert? Das ist in Zukunft schon wettbewerbsrechtlich ein Thema.