Protokoll der Sitzung vom 17.05.2001

Jetzt erteile ich dem Herrn Kollegen McAllister das Wort. Sie bringen auch ein und nehmen Redezeit Ihrer Fraktion in Anspruch. Bitte schön!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Niedersachsen und insbesondere die Unterelbe-Region stehen in einer besonderen Verantwortung gegenüber Hamburg und seinem Hafen. Der Hafen ist das Herzstück der Hamburger Wirtschaft und damit der gesamten Metropolregion Hamburg. 79 000 Menschen, die täglich aus Niedersachsen nach Hamburg pendeln, dokumentieren die Bedeutung, die Hamburg auch für das niedersächsische Umland hat.

Vor diesem Hintergrund haben die Menschen in der Unterelbe-Region seit vier Jahrzehnten geduldig Elbvertiefung für Elbvertiefung ertragen. HansJürgen Klein hat eben manches zu Recht zu diesem Thema angesprochen. Bei der letzten Elbvertiefung gab es aber erstmals einen breit organisierten Widerstand. Wir hatten dazu auch zwei Landtagsdebatten hier im Haus. Ich kann mich noch an einen Antrag Ihrer Fraktion zu diesem Thema erinnern,

Herr Plaue. Damals haben viele Menschen in der Region gesagt: Wenn das die letzte Elbvertiefung sein soll, dann werden wir schweren Herzens noch einmal die aufgeführten Risiken in Kauf nehmen.

Nach nur sehr kurzer Zeit steht die Region mit großer Sorge wieder vor einer weiteren Elbvertiefung. So hat die Freie und Hansestadt Hamburg jetzt vorsorglich eine weitere Vertiefung der Unterelbe zur Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans angemeldet. Dabei sind die Auswirkungen der letzten Elbvertiefung von 1999 bisher nur teilweise bekannt. Die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind bisher verfahrensrechtlich immer noch nicht zum Abschluss gebracht worden und bei weitem noch nicht vollständig durchgeführt worden. Herr Minister Jüttner, sie haben mittlerweile vier Kleine Anfragen von mir zu diesem Thema beantworten müssen. Die Nrn. 5 und 6 sind mit Sicherheit in Arbeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Insbesondere in den Bereichen Deichsicherheit, Ökologie, Landwirtschaft, Fischerei und Tourismus werden erhebliche Beeinträchtigungen für unsere Region erwartet. Sie sind in der Begründung unseres Antrages sehr ausführlich skizziert worden. Ich möchte deshalb nur auf einige wenige eingehen.

Als Erstes nenne ich bewusst die Deichsicherheit, weil hier die größten Bedenken liegen. Die tiefe Fahrrinne der Elbe liegt unmittelbar am Cuxhavener Ufer. Der Mündungstrichter der Elbe erweitert sich seeseitig der Oste-Mündung sehr stark. Beide Faktoren bewirken, dass die natürliche vorhandene Beanspruchung des niedersächsischen Elbe-Ufers zunimmt. Jede Vertiefung der Fahrrinne der Elbe führt zu einer Erhöhung des Tidehubs, einer Veränderung der Sturmflutwasserstände, der Strömungsgeschwindigkeiten sowie zu einer Zunahme der Seegangsbelastung und der Belastung des Hauptdeichs, zum Teil auch durch von Schiffen erzeugten Wellengang. Eine Elbvertiefung führt damit zwangsläufig immer zu einer tendenziellen Gefährdung der Deichsicherheit in den Landkreisen Cuxhaven und Stade.

Meine Damen und Herren, die 1997 im damaligen Planfeststellungsverfahren für die Anpassung der Fahrrinne der Unter- und Außenelbe an die Containerschifffahrt - wie es so schön im Hamburger Behördendeutsch heißt - auf 15 m unter KartenNull geäußerten Bedenken potenzieren sich nun

mehr mit der drohenden weiteren Elbvertiefung. Ebenso sind weitere Wattkantenabbrüche zwischen Otterndorf und dem Glameyer Stack bei Altenbruch zu erwarten. Ebenso gibt es erhebliche Nachteile für den Bereich der Oste.

Lieber Herr Plaue, die Vertreter der unteren Deichbehörde haben uns gesagt: Es ist fraglich, ob das Oste-Sperrwerk bei weiter steigenden Sturmflutwasserständen den planfestgestellten Binnenwasserstand von 1,50 m über Mitteltidehochwasser noch halten kann.

(Biallas [CDU]: Wenn Plaue all das vorher gewusst hätte, dann hätte er nicht solch einen Blödsinn geschrie- ben!)

Die gleichen Bedenken gibt es beim Themenbereich Ökologie und Landwirtschaft. Denn natürlich werden auch für eine weitere Elbvertiefung die ökologischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in unserer Region liegen. Meine Damen und Herren, wer mal am Belumer Sommerdeich war und weiß, was es bedeutet, wenn die Ökologen vorschlagen, dass der Belumer Sommerdeich von der Landseite aus an zwölf Stellen geschlitzt werden soll, der kann nachvollziehen, dass die Menschen vor Ort das nicht verstehen können.

Ähnliches gilt für die Probleme bei der Fischerei, die Sie nachlesen können, und im Bereich des Tourismus. Wir können nicht einerseits mit Millionen Mark den Tourismus in Otterndorf fördern und gleichzeitig die Wattkantenabbrüche in Kauf nehmen, groß die maritime Landschaft Unterelbe propagieren und gleichzeitig in Kauf nehmen, dass die Elbvertiefung zu einer weiteren Verschlickung der Nebenflüsse der Elbe führt.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich sage das hier deswegen so deutlich - das ist vielleicht der Unterschied zu anderen Debatten -: Es gibt ein gesamtgesellschaftliches, breites Bündnis in der Unterelbe-Region gegen eine weitere Elbvertiefung. Das Bündnis reicht von Parteien über Kommunen, über Landkreise, über Landwirtschaft, über Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände.

(Ontijd [CDU]: Einschließlich der SPD!)

Unisono sind alle vor Ort gegen eine weitere Elbvertiefung. Das ist also nicht nur ein Thema für

einige wenige Ökofundamentalisten oder Globalisierungsgegner.

(Möllring [CDU]: Was sagt denn die SPD?)

Außerdem gibt es natürlich die Befürchtung, dass durch die begrüßenswerte Absicht der drei norddeutschen Ministerpräsidenten, ihre Hafenpolitik gemeinsam zu koordinieren, auch ein Deal gemacht wurde. Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass der Hamburger Bürgermeister seine Zustimmung zum Tiefwasserhafenstandort Wilhelmshaven nur gegeben hat aufgrund eines Ja der Niedersachsen zu einer weiteren Elbvertiefung.

Von der Landesregierung gibt es hierzu durchaus unterschiedliche Stellungnahmen. Der Ministerpräsident hat anlässlich seines Besuchs in der Stadt Cuxhaven am 18. April erklärt, Niedersachsen werde keinen politischen Widerstand gegen eine erneute Elbvertiefung leisten. Niemand könne Hamburg daran hindern, eine weitere Elbvertiefung für den neuen Bundesverkehrswegeplan anzumelden. Ebenso zitierten die Cuxhavener Nachrichten den Ministerpräsidenten, dass es keinen politischen Widerstand des Landes gegen die Elbvertiefung geben werde.

Umweltminister Jüttner hingegen hat - ich zitiere die Niederelbe-Zeitung - am 26. März festgestellt:

„Aus der von mir zu vertretenden Sicht des Küstenschutzes und des Naturschutzes muss vor dem Hintergrund der langjährigen Erörterungen zur jetzt erst kürzlich vollendeten letzten Fahrrinnenanpassung in der Unter- und Außenelbe eine weitere Unterelbvertiefung insbesondere in dem ausgesprochenen Ausmaß sehr kritisch beurteilt werden.“

(Beifall bei der CDU - Frau Vockert [CDU]: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren von der Landesregierung, wenn der Ministerpräsident schon nicht da ist und ihn das nicht interessiert, meine ich, dass Sie sich jetzt einigen sollten, welche Position Sie vertreten.

(Beifall bei der CDU)

Es ist richtig, wenn der Kollege Klein sagt, dass wir vor Ort dieses Spiel nicht mitmachen, dass der Gabriel Ja sagt und der Jüttner Nein sagt.

Was aber am schlimmsten ist: Dann kam Plaue.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU - Plaue [SPD]: Das haben Sie wohl eine halbe Stunde vor dem Spiegel geübt!)

Am 15. Mai las ich in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung:

„Der SPD-Fraktionsvorsitzende Axel Plaue sieht bei CDU und Grünen unsachliche Kräfte am Werk, die eine von Hamburg gewünschte Vertiefung der Elbe blockieren möchten. ‚Das ist eine provinzielle Politik‘, betonte Plaue.“

(Plaue [SPD]: So ist das!)

Herr Plaue, ich halte Ihre Aussage als Vorsitzender der SPD-Fraktion für skandalös und für einen Nackenschlag gegen alle Menschen in der Unterelberegion.

(Beifall bei der CDU - Beckmann [SPD]: Den Pathos in der Stimme kannst du dir sparen! Das ist so blöd!)

Herr Plaue, mit Ihnen nehme ich es jetzt gerne auf. Herr Plaue, so geht man mit den besorgten Menschen in der Unterelberegion nicht um. Ich frage Sie hier direkt: Ist es provinziell, wenn ein nicht unbedeutender Teil Niedersachsens, nämlich die gesamte Unterelberegion, nahezu unisono gegen eine weitere Elbvertiefung ist?

(Beifall bei der CDU - Fischer [CDU]: Das weiß der aber nicht!)

Herr Plaue, ich frage Sie: Ist es provinziell, wenn beide Kreistage, viele betroffene Gemeinden und Samtgemeinden, Parteien, Landvolkverbände, der DGB in seinem Aufruf zum 1. Mai und selbst die Wirtschaftsverbände übereinstimmend öffentlich ihre Stimme dagegen erheben? Ist das wirklich provinziell?

(Beifall bei der CDU)

Herr Plaue, ist es provinziell, wenn der neugewählte Hadler Schultheiß eindringlich warnt, dass der Otterndorfer Elbdeich einer weiteren Elbvertiefung nicht standhalten kann? Herr Plaue, ist es provinziell, wenn man auf die Gefährdung der Deichsicherheit hinweist? - Diejenigen, die die Sturmflut von 1962 miterlebt haben, wissen, dass man mit dem Blanken Hans nicht spaßen sollte.

(Beifall bei der CDU)

Aber wenn Sie, Herr Plaue, das alles nicht beeindruckt und Sie auf CDU und Grüne einprügeln, dann möchte ich Ihnen wenigstens sagen, dass Sie Ihren eigenen SPD-Leuten vor Ort in den Rücken fallen.

(Beifall bei der CDU)

Die von mir stets verehrte und gelegentlich gelobte Landtagsvizepräsidentin Frau Goede

(Lachen bei der CDU - Beckmann [SPD]: Jetzt wird es aber mehr als peinlich!)

hat zusammen mit dem Kollegen Robbert die Kreistagsresolution zur Ablehnung der Unterelbvertiefung aktiv mit vorangetrieben. Frau MeynHoreis steht an vorderster Front und ebenso Herr Wolfkühler. Wir sind vor Ort einer Meinung. Herr Plaue, Ihre Einlassung war offenbar von wenig Sachkenntnis geprägt, aber ich fordere Sie auf, das gleich an Ort und Stelle richtig zu stellen. Sie haben ja hier die Gelegenheit dazu.

(Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Abwägung zwischen den ökonomischen Notwendigkeiten, nämlich der Erreichbarkeit des Hamburger Hafens, und den in unserem Antrag und von mir vorgetragenen Bedenken vielfacher Natur kann man eigentlich nur zu dem Ergebnis kommen, dass eine Elbvertiefung politisch kaum zu verantworten ist. Sie ist vor Ort schwer durchsetzbar, und vor allem ist sie auch nicht zwingend notwendig; denn für Schiffe künftiger Größen stehen mit Wilhelmshaven und auch Cuxhaven zwei Standorte in Niedersachsen am seeschifftiefen Fahrwasser zur Verfügung. Der Kollege Klein hat dazu bereits Ausführungen gemacht.

(Beifall bei der CDU)

Wichtig ist uns, dass wir uns in den anstehenden Ausschussberatungen im Landtag möglichst auf eine einheitliche Position einigen und die Landesregierung damit beauftragen können, mit einer Stimme in die bevorstehenden Verhandlungen mit dem Bund und der Freien und Hansestadt Hamburg zu gehen. Deshalb fordern wir in Punkt 3 unseres Antrages den Landtag auch auf, dass die Landesregierung in den folgenden Verfahren allen Bedenken Rechnung tragen solle. Ob es zu einer weiteren Vertiefung der Unterelbe kommt, liegt

nämlich in der Hand Niedersachsens; denn wir müssen das Einverständnis zu einer weiteren Elbvertiefung erteilen.