Protokoll der Sitzung vom 15.06.2001

Dann werden wir das alles für Niedersachsen neu bewerten – auch wenn Sie noch so brüllen, Herr Biallas. Das will ich Ihnen einmal deutlich dazu sagen.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Sicherheitslage in Niedersachsen und das subjektive Sicherheitsempfinden, das Sie ja in Ihrem Antrag als hehres Ziel herausstellen, wird durch die Ablehnung Ihres Antrages - da sind wir uns sicher - nicht negativ beeinflusst.

(Schünemann [CDU]: Das werden Sie schon sehen!)

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Lanclée. - Frau Stokar von Neuforn, Sie sind die nächste Rednerin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte die CDU bitten, einmal kurz zu überlegen, ob diese emotionalisierten innenpolitischen Debatten insgesamt nicht eher einen Beitrag dazu leisten, das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung zu verschlechtern.

Meine Damen und Herren von der CDU, ich möchte auch, dass Sie einmal innehalten und überlegen, ob Sie mit diesen sehr emotionalisierten Debatten nicht eher Ihre eigene CDU-Politik, Ihren Wahlkampf im Hinterkopf haben als wirklich die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal daran erinnern, mit welcher Emotionalität wir das Thema großer Lauschangriff hier vor nicht allzu langer Zeit diskutiert haben. Die Übernahme Deutschlands durch die Organisierte Kriminalität wurden hier in den Raum gestellt. Sie haben sich durchgesetzt. Sie haben die SPD mit Ihrer Form der Innenpolitik gejagt. Wir haben seit zwei Jahren den großen Lauschangriff.

(Krumfuß [CDU]: Gott sei Dank ha- ben wir ihn!)

Er wurde fünfmal angewandt, und es ist nicht ein Täter damit überführt worden!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich zur Videoüberwachung kommen. Ich kenne die Situation in der Landeshauptstadt Hannover sehr gut. Ich habe zunächst eine Bitte: Wenn es hier um Verschärfung oder Änderung des Polizeigesetzes geht, streichen Sie doch bitte den Begriff „verrufener Ort“ aus dem Polizeigesetz. Wir haben in Hannover im Kernbereich der Innenstadt 75 Überwachungskameras der Polizei. Daneben haben wir noch 240 private Überwachungskameras, von denen ich hier gar nicht reden will. Die Polizei definiert den gesamten Kernbereich der Innenstadt als einen verrufenen Ort. Dagegen verwahre ich mich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich meine, dass die Innenstadt von Hannover alles andere ist als ein gefährlicher, verrufener Ort.

(Krumfuß [CDU]: Weil wir die Ka- meras dort haben!)

Jetzt wird suggeriert, mit diesen 75 Innenstadtkameras würde in irgendeiner Weise Sicherheit hergestellt. Die Polizeidirektion Hannover hat mir persönlich bestätigt, dass hinter den Monitoren dieser 75 Kameras gar keine Polizeibeamten sitzen. Sie können gar nicht dort sitzen, weil sie überhaupt nicht genügend Personal dafür haben.

(Zustimmung bei der CDU - Schüne- mann [CDU]: Sehen Sie, das ist genau unser Argument!)

Dies führt natürlich zu einer Situation, die wir nicht wollen, dass nämlich die Bürgerinnen und Bürger in der Stadt davon ausgehen,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

sie müssten, wenn sie Zeuge eines Vorfalls werden, überhaupt nicht handeln. Sie gehen auch davon aus, dass gleich die Polizei kommen wird, wenn ihnen konkret in der Innenstadt etwas passiert, weil ja überall Kameras sind, die alles so wunderschön beobachten. Dies ist aber nicht der Fall. Wenn überhaupt, dann sitzen nur sporadisch Polizisten vor diesen Monitoren.

(Möllring [CDU]: Was wollen Sie denn nun? Wollen Sie Kameras, oder wollen Sie keine Kameras? Hier wird nicht Sicherheit produziert, sondern eine gefährliche Scheinsicherheit hergestellt. (Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte, da ich nur sehr wenig Redezeit habe, einen anderen Punkt ansprechen, nämlich die Verdrängung aus der Innenstadt. Ich bin ein ganz gutes Beispiel für diese innenstadtkonzentrierte Sicherheitspolitik in Hannover. Linden-Nord ist ein innenstadtnaher Stadtteil. Wir haben längst die Situation, dass sich große Teile der aus der Innenstadt verdrängten Drogenszene in dieses Wohngebiet zurückgezogen haben. Die Polizei in Linden ist nicht in der Lage, mit solcher Massivität wie in der Innenstadt dagegen vorzugehen.

Wozu hat das geführt? Dafür bin ich nur ein Beispiel. Ich als langjährige Bürgerin von LindenNord bin einen anderen Weg gegangen. Ich bin in die Innenstadt gezogen, weil ich es mir im Moment leisten kann. Wenn die Innenstadt komplett videoüberwacht wird, verdrängen wir damit die Kriminalität, gerade auch die Kriminalität, die die Bürgerinnen und Bürger ganz besonders beunruhigt, in die Stadtteile. In den Stadtteilen haben wir aber

kein Polizeikonzept, um damit umzugehen. Diese Form der Videoüberwachung führt nicht zu mehr Sicherheit.

(Glocke der Präsidentin)

Lassen Sie mich zum Schluss einen letzten Punkt aus dem CDU-Antrag ansprechen, den ich ganz interessant und richtig finde. Ich wünsche mir in Hannover eine offene und breite Diskussion, und ich möchte, dass die Kommune das Hausrecht zurück bekommt. Ich möchte in der Stadt Hannover nicht die Übertragung des Hausrechtes an die Polizei.

Ich habe eine weitere Bitte, damit wir überhaupt eine transparente und offene Diskussion führen können. Es wäre hilfreich,

(Glocke der Präsidentin)

wenn wir in der Innenstadt Hinweisschilder hätten, mit denen die Bevölkerung darüber informiert wird, in welchem Raum der Stadt es eine polizeiliche Überwachung gibt.

(Frau Pawelski [CDU]: Die gibt es in Leipzig!)

Dies wäre die Voraussetzung dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger und die Kommune entscheiden können, - -

Frau Stokar von Neunforn, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss, das ist der letzte Satz. Das wäre die Voraussetzung dafür, dass darüber entschieden werden kann, was in der Stadt wirklich ein gefährlicher Ort ist, an dem die Bürgerinnen und Bürger vielleicht eine Videoüberwachung haben wollen. Dies kann ein Park oder ein entlegener Stadtteil sein.

Frau Kollegin Stokar von Neuforn, kommen Sie jetzt zum Schluss.

Das muss nicht die Innenstadt sein. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Schüne- mann [CDU]: Das haben wir auch nie behauptet!)

Herr Kollege Schwarzenholz, ich erteile Ihnen bis zu drei Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Vision, die die CDU-Fraktion in diesem Antrag aufmacht, ist eigentlich keine demokratische, wenn Sie sich den Antrag genau ansehen.

(Schünemann [CDU]: Das kann ja wohl nicht wahr sein!)

Das ist eigentlich keine demokratische Vision, weil ein demokratischer Staat bei der Frage der Herstellung von Sicherheit nicht darauf setzt, Menschen zu überwachen, sondern versucht, Verhältnisse zu schaffen, in denen sich Sicherheit von innen heraus stabilisiert und nicht Sicherheit künstlich durch Repression geschaffen wird.

(Zuruf von der CDU: Das schaffte die SED! - Weitere Zurufe von der CDU)

Das ist ein Grundprinzip liberaler Verbrechensverhinderung. Dieses Grundprinzip durchbrechen Sie. Ich empfehle Ihnen, sich einmal - vielleicht haben Sie es ja teilweise schon gemacht - den systematischen Wahnsinn des Anspruchs des MielkeApparates an die Überwachung anzusehen.

(McAllister [CDU]: Den kennen Sie ja! - Weitere Zurufe von der CDU)

Gucken Sie sich das doch einmal genau an. Der Anspruch, Daten und Bilder zu erfassen, um die Bürgerinnen und Bürger zu überwachen, ist jämmerlich gescheitert.

Wenn ich mir Ihren Antrag angucke, stellen sich mir die Fragen: Was soll denn überhaupt real damit bewirkt werden? Sollen diese Bilder alle ausgewertet werden? Wer soll sich alle diese Videobänder, die Sie aufnehmen wollen, angucken?

(Krumfuß [CDU]: Das erklären Sie mal den Opfern!)

Und dann suggerieren Sie den Leuten noch Sicherheit. Sie haben argumentiert, dass z. B. Vergewaltigungen verhindert werden können.

(Zuruf von Schünemann [CDU])