Dann müssen Sie sich auch einmal fragen - auch mit Herrn Gabriel zusammen -: Ist das denn Regierungsfähigkeit, was Sie hier veranstalten? Ist das Führungskraft, was Sie auf diesem Gebiet veranstalten?
Fangen wir einmal an: Anfang 2000 ging das Ganze los. Der Landeselternrat hatte das Thema OStufe angestoßen. Große Botschaft. Ergebnis: Offener Dialog, runder Tisch und alle diese Dinge.
In den Folgemonaten meldete sich aber Herr Gabriel: Ja, man muss auch über die O-Stufe nachdenken. - Das war schon ein vorsichtiger Einstieg.
Irgendwann, einige Monate später im Jahre 2000, kam erst einmal: Es muss ein großes Gutachten daher. - Das kennen wir ja. Wenn man nicht weiter weiß, muss ein Arbeitskreis oder ein Gutachten daher, alle diese Dinge. 1 Million DM wollte man für Fragestellungen ausgeben, die Leute, die 25 Jahre die O-Stufe beobachtet hatten, längst schon beantwortet hatten. Aber 1 Million DM durfte das in etwa kosten.
- Ich sehe mich über die ganze Zeitstrecke bestätigt. Der Hintergrund war: Sie wussten nicht, mit sich einig zu gehen, und wussten keinen genauen Weg zu beschreiben. Dann hieß es: Erst einmal Zeit gewinnen. Wir versuchen, bis zum September 2001 zu kommen. Dann haben wir alle miteinander die Kommunalwahlen überstanden. - Den Zeitgewinn haben Sie geschafft. Nur, in der Sache sind Sie nicht weitergekommen.
Im August 2000 kam Gabriels Ideen-Skizze. Er ließ die Republik staunen: O-Stufe weg, Abi nach Klasse 12, Haupt- und Realschule zur Sekundarschule verbinden, Ganztagsschule für alle, Herr Aller - er ist nicht da -, koste es, was es wolle. - Da staunte man nicht schlecht. Ich gebe zu, hier und dort haben auch einige O-Stufen-Gegner schon die Sektflaschen kaltgestellt.
Aber was hat sich dann entwickelt? - Sie durften erfahren - in allen Veranstaltungen und Demos deutete sich das an; die Realschul-Demo war für Juni dieses Jahres angesetzt -: Sie hatten mit Ihrer Sekundarschule ausgesprochen schlechte Karten.
Dann kam mit der „Bildungsoffensive“ in diesem nächsten Jahr der nächste Schritt. Da kam unter anderem die Botschaft: Nein, das ist auch nicht so gemeint, Sekundarschule auf freiwilliger Basis. Hinten herum wurde gesagt: Aber hört mal zu, wenn ihr Ganztagsschulen haben wollt, dann müsst ihr schon mal eine Sekundarschule machen. - Das ist dann auch wieder hängen geblieben.
In den nächsten Monaten - ich erinnere mich hier an manche Debatte, Herr Meinhold und all die anderen Kollegen - wurde immer gesagt: Hört doch auf zu reden und zu fordern. wartet doch dieses Gutachten ab! - Da sollte ja die frohe Botschaft drin stehen, Herr Meinhold: Die O-Stufe
Dann kommt nun dieses tolle Gutachten. Ich muss sagen, auch für uns war es in gewisser Weise etwas verblüffend. Ungeachtet der Akzeptanzfrage können wir aber festhalten: In den entscheidenden Kriterien wird die Orientierungsstufe - ich wiederhole diese Formulierung, Frau Seeler - letztlich versenkt. Alle Essentials, die man immer zur Orientierungsstufe herangezogen hat - nicht zureichende Förderung der Schüler, ausgeprägte Selektivität, Prognosesicherheit usw. -, sind nachteilig beantwortet worden, sodass eigentlich jeder zu dem Ergebnis kommen muss: Mit dieser Orientierungsstufe ist kein Staat mehr zu machen.
Dann hätten Sie sich dieses Gutachten wirklich sparen können, und Sie hätten dieses Thema möglicherweise schon vom Tisch gehabt.
Der Hammer in dem Gutachten - hierzu gibt es ja auch einen Entschließungsantrag; deshalb möchte ich darauf eingehen war das Zwei-SäulenModell. Mein lieber Mann! Ein Gymnasium ohne O-Stufe ab Klasse 5 bis Klasse 12, zumindest für einen auserlesenen Teil der Gymnasiasten. Da fragt man sich: Fangen jetzt Sozialisten an, über Eliteschulen und so etwas nachzudenken? Was ist denn jetzt los?
Alles andere sollte in einer Verbundschule zusammengefasst werden. Ich will Ihnen dazu einmal sagen - vielleicht haben Sie es auch bereits verabschiedet:
Wenn Sie Gesamtschulen machen wollen - letzte Woche oder auch in Zukunft -, dann nennen Sie das auch so. Wer konstatiert, wie Sie das Schulwesen in Niedersachsen in allen Belangen an die Wand gefahren haben, versteht auch den latent vorhandenen Drang, über Einheitsmodelle oder Billigmodelle nachzudenken.
Sie bekommen es auch hin, demnächst ohne viel Geld oder mit weniger Lehrern diese Schule zu organisieren. Das dringt immer und immer wieder durch, auch in den letzten Tagen.
Nun zum Thema Schulkrieg, meine Damen und Herren. Das ist so eine Sache. Man ahnt ja: In bestimmten Punkten werden Sie außerordentlich sensibel, Herr Plaue, Frau Seeler u. a., und fragen sich: Wie können Herr Busemann und seine Leute so etwas wie Schulkrieg sagen? Darf man das in diesen Zeiten?
Dazu möchte ich Ihnen Folgendes sagen - unsere Analyse sah von Anfang an so aus -: Wer in Niedersachsen so etwas wie Verbundsschulen organisieren will, unternimmt einen Anschlag auf unser Schulsystem. Das ist eine so dramatische Veränderung der Schulstruktur, dass automatisch massiver Protest entstehen wird. Das gehört zur natürlichen Wahrnehmung der Verhältnisse.
Aber wenn Sie mir schon nicht glauben, dann lese ich Ihnen den vorletzten Absatz auf Seite 95 Ihres Gutachtens vor:
„Wie man auch immer die Integrierte Gesamtschule einschätzen mag, und trotz der Tatsache, dass sie in vielen Mitgliedstaaten der OECD als flächendeckende Schulform der vorherrschende Schultypus ist, so kommt man doch an der Feststellung nicht vorbei, dass ein integratives Schulsystem in Deutschland nicht mehrheitsfähig ist. Im Gegenteil, längst überwundene bildungspolitische Konflikte würden wieder aufleben. Ein Schulkrieg ließe sich kaum vermeiden.“
Also, Frau Seeler, bevor Sie sich über mich aufregen, lesen Sie doch Ihr Gutachten selber einmal. Was soll das denn?
Doch jetzt geht die Tragikomödie weiter. Ich bin jetzt bei Akt acht, neun und zehn. Um die Konfusion perfekt zu machen, gibt es ja nun neue Modelle. Kollege Voigtländer und Genossen haben ein Modell vorgelegt. Die Presseerklärung der SPD-Landtagsfraktion plus -regierung von gestern und die Vorschläge des Herrn Ministerpräsidenten heute Morgen haben wir uns zu Gemüte geführt.
Also, Herr Kollege Voigtländer, mit dem Modell, das Sie sich mit den beiden anderen Kollegen ausgedacht haben, will ich mich nicht auseinandersetzen. Sagen wir einmal: Modell acht - Schlaumeiermodell.
Die Vorschläge der SPD-Landtagsfraktion taugen für eine schul- und bildungspolitische Diskussion überhaupt nicht, meine Damen und Herren, weil sie unverfängliches Wischiwaschi darstellen und keinerlei konkrete Festlegungen treffen.
Von der SPD-Fraktion - das will ich Ihnen bei dieser Gelegenheit auch einmal sagen, Herr Plaue müssen wir auch irgendwann einmal konkrete Antworten auf die Ausgestaltung unserer Schulstruktur erwarten und nicht nur Allgemeinplätze. Das ist nach anderthalb Jahren Diskussion nicht mehr an der Zeit, sondern es muss konkret werden.
Nun ist also die Frage, mit wem wir uns eigentlich auseinandersetzen. In den letzten Monaten war es fast schon ein Kalauer, wenn die Lehrer morgens zur Schule kamen und im Kollegium gefragt wurde: Na, wovon hat der Herr Ministerpräsident heute Nacht geträumt? - Nun stellen wir heute fest, wenn wir die Zeitung lesen: Auch in der letzten Nacht hat er offenbar wieder geträumt, und da und dort gab es einmal einen Geistesblitz. Signale der SPD-Fraktion hörte man in diesem Zusammenhang, und jetzt gibt es also einen neuen Vorschlag: O-Stufe weg - Sie kennen das alles; es kann auch heute noch jeder in verschiedenen Zeitungen nachlesen. Aber warum das immer über die Zeitungen laufen muss, wenn man doch mit uns einen Dialog und Gespräche führen will, verstehe ich nicht.
Die Orientierungsstufe ist eigentlich ein Aufguss der alten Ideenskizze von Mitte 2000, nichts anderes. Neuer Wein in alten Schläuchen - das kennen wir ja. Die Orientierungsstufe soll jetzt Förderstufe heißen. Die Sekundarschule heißt jetzt kombinierte Haupt- und Realschule. Das Abitur kann sowohl nach Jahrgangsstufe 12 als auch nach Jahrgangsstufe 13 abgelegt werden - neuer Wein in alten Schläuchen. Sie haben eigentlich anderthalb Jahre vertrödelt.
Ich will auch das, was Herr Gabriel vorgelegt hat - ich nenne es Modell 10 - etwas kommentieren. Ich halte das für halbherzig und inkonsequent. Was ist eine Förderstufe an den weiterführenden Schulformen wert, wenn in ihr weiterhin Lehrer anderer Schulformen quer durch die Bank unterrichten? So steht es jedenfalls in den Presseartikeln. Kann es sein - man will das Wort „O-Stufe“ nicht mehr in den Mund nehmen und nennt das Ganze Förderstufe; jede Schulform bekommt nun eine Förderstufe -, dass nun jeder ein kleines „O-Stüfchen“ bekommt, oder was soll man darunter verstehen? Das würden wir gern näher erklärt bekommen.
Warum setzen Sie nicht konsequent auf ein Abitur nach zwölf Jahren in einem achtjährigen gymnasialen Bildungsgang als Gestaltungsprinzip, wie das andere Bundesländer auch machen, und zwar mit Erfolg? Wenn wir uns die Hinweise aus BadenWürttemberg und aus Sachsen anhören - die haben die besten Erfahrungen damit -, sagen wir: Hört mit dem zweigleisigen Abitur - da nach zwölf Jahren, dort nach 13 Jahren usw. - auf.
Das wird vor allem in einem Flächenland nicht funktionieren. Lassen Sie bitte die Finger davon. Das gibt ein schulorganisatorisches Chaos. Wir können nur sagen: Das findet absolut nicht unsere Zustimmung.
Sie sprechen auch neuerdings einen interessanten Punkt an, und zwar mehr Gymnasien für den ländlichen Raum. Das ist ein interessanter Aspekt. Auch wir haben immer wieder unsere Vorstellungen dazu entwickelt.
Wenn Sie sagen, dass ein neues Gymnasium 50 Millionen DM kostet - was meinen Sie wohl, wie flott die Schulträger werden, wenn Landesmittel fließen? Aber man hört es schon ein bisschen: Am Ende werden tolle Beschlüsse gefasst, und die Schulträger sollen es bezahlen; dann wird das Ganze schon unter einer anderen Hausnummer diskutiert werden - will ich Ihnen Folgendes sagen: Sie können das pragmatisch auch ganz anders lösen, aber Sie haben in den letzten Jahren schulrechtlich nicht die Möglichkeiten geschaffen, z. B.
Gymnasien im Sek. I-Bereich einzuführen, und auch Außenstellenlösungen haben Sie rein verwaltungstechnisch nicht realisieren lassen,