Protokoll der Sitzung vom 14.11.2001

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 11: Zweite Beratung: Aus Fremden werden Freunde - Aus internationalen Partnerschaften werden Agenda-Netzwerke; Niedersächsisches Modellprojekt zur Reform der entwicklungspolitischen Arbeit - Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 14/2589 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten - Drs. 14/2826

Ich möchte Sie um Aufmerksamkeit bitten. - Der Antrag der beiden Fraktionen wurde am 13. September 2001 an den Ausschuss für Bundesund Europaangelegenheiten zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Berichterstatter ist der Kollege Wendhausen, dem ich das Wort erteile.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde den Bericht zu Protokoll geben. Wir haben den Ursprungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der CDU in einem Wort

(Zuruf von der CDU: Man versteht ü- berhaupt nichts! - Gegenruf von Plaue [SPD]: Daran kann man nichts ma- chen!)

verändert und daraus einen gemeinsamen Antrag gemacht. Der Satz „Nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen sollen regionale Promotorinnen und Promotoren die ehrenamtliche Arbeit unterstützen.“ lautet nunmehr: „Nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen könnten regionale Promotorinnen und Promotoren die ehrenamtliche Arbeit unterstützen“. - Ich bitte Sie, nachher so zu beschließen.

(Beifall bei der SPD)

(Zu Protokoll:)

Wie Sie der Beschlussempfehlung in der Drucksache 2862 entnehmen können, empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, den soeben aufgerufenen Antrag in einer geänderten Fassung anzunehmen. Diese Änderungen sind geringfügig. Ich werde darauf später kurz eingehen. Da der Antrag jedoch unmittelbar an den Ausschuss überwiesen worden ist, möchte ich zu Beginn meiner Berichterstattung zumindest kurz auf die grundlegenden Ziele dieses Antrages eingehen; denn sie haben auch den größten Teil der Ausschussberatungen ausgemacht.

Ziel des Antrages sei es, so haben die Initiatoren in den Ausschussberatungen vorgetragen, eine grundsätzliche Reform der entwicklungspolitischen Arbeit in Niedersachsen anzustreben und eine bessere Mittelausstattung dafür zu erreichen. Nicht zuletzt die Ereignisse vom 11. September in den USA hätten gezeigt, dass dem Bereich der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit eine andere Bedeutung zukomme, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen sei. Denn es sei inzwischen allgemein bekannt, dass den durch die Ereignisse offenkundig gewordenen weltweiten Bedrohungen nicht nur mit Machtmitteln begegnet werden könne. Erforderlich sei auch, sich stärker im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zu engagieren und die Frage einer weltweiten Gerechtigkeit zu thematisieren.

Während die Entschließung in der Nummer 1 zunächst die Notwendigkeit internationaler Partnerschaften auf allen Ebenen betont, sind in der Nummer 2 Forderungen an die Landesregierung zusammengefasst, die die entwicklungspolitischen Aktivitäten und die internationalen Partnerschaften des Landes stärken und auf eine neue Grundlage stellen sollen.

Die Beratungen im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten haben gezeigt, dass sich alle Fraktionen in dem grundlegenden Ziel dieses Antrages einig sind. Unterschiedliche Akzente wurden hingegen in den Details deutlich. So erklärte der Vertreter der SPD-Fraktion, dass es für seine Fraktion nur dann vertretbar sei, Forderungen, die zu finanziellen Leistungen führten, zu erheben, wenn dafür auch ein entsprechender Deckungsvorschlag gemacht werden könne. Deshalb spreche sich die SPD-Fraktion durchaus für eine weitere Unterstützung und Förderung des Jugendaustausches und des Einsatzes von Jugendlichen in freiwilligen Diensten außerhalb Deutschlands aus; sie vermöge allerdings das im Ursprungsantrag

enthaltene Begehren nach einer „verstärkten“ Förderung, das ja offenbar auf finanzielle Mehrleistungen abziele, nicht mitzutragen. Ähnlich verhalte es sich mit dem Verlangen, nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens regionale Promoterinnen und Promoter einzusetzen, die die ehrenamtliche Arbeit unterstützten. Zum Einen sei es keineswegs sicher, dass dies der einzig denkbare Weg sei, die im Übrigen unstrittige Unterstützung der ehrenamtlichen Arbeit zu leisten; des Weiteren gebe es wie die Ausführungen der Ministerialvertreter in den Beratungen gezeigt hätten - zumindest ansatzweise bereits in einigen Aufgabenfeldern derartige Promoterinnen. Deshalb halte es die SPD-Fraktion zwar für vertretbar, dieses Modell als eine mögliche Variante zu bezeichnen. Dagegen solle sich der Landtag nicht dahin verstehen, dies als Regelfall zu fordern.

Der dritte Spiegelstrich der Nummer 2 des Beschlusstextes sieht nun eine dementsprechend abgeschwächte Formulierung vor.

Die Vertreter der CDU-Fraktion und der Fraktion der Grünen haben sich diesen Änderungen im Interesse der Sache angeschlossen. Sie betonten, primäres Ziel sei es, eine möglichst breite Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag zu erreichen. Wenn sich dies durch die vorgesehenen Änderungen erzielen lasse, seien sie auch aus ihrer Sicht zu akzeptieren.

Deshalb empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten einstimmig, den Antrag mit den eben skizzierten zwei Änderungen in der Ihnen aus der Beschlussdrucksache ersichtlichen Fassung anzunehmen.

In den mitberatenden Ausschüssen für innere Verwaltung, für Jugend und Sport und für Haushalt und Finanzen hat es keine darüber hinaus gehenden Diskussionen gegeben. Auch die mitberatenden Ausschüsse haben sich einstimmig diesem Votum angeschlossen.

Damit bin ich am Ende meiner Berichterstattung und bitte um Zustimmung zu der vorliegenden Beschlussempfehlung.

Meine Damen und Herren, Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht vor. Ich habe keinen Zettel.

(Zuruf von der SPD: Abstimmen!)

Der Kollege Wenzel ist der Meinung, dass er sich zu Wort gemeldet hat. Vielleicht ist seine Wortmeldung verloren gegangen.

(Zurufe)

Sie ist aufgefunden worden. Er hatte sich vorher zu Wort gemeldet.

Ich möchte das Plenum darauf hinweisen, dass ich nicht den Eindruck habe, dass der Techniker an der Lautsprecheranlage sehr viel tun kann. Sie haben Herrn Wendhausen aber besser verstanden, als Sie nicht so laut und unruhig waren.

(Zurufe)

Vielleicht können Sie das für den Rest des Tages beibehalten.

Das Wort hat der Kollege Wenzel.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr als je zuvor ist in den letzten zwei Monaten nach den Anschlägen in New York deutlich geworden, dass es nur diese eine Welt gibt. Mehr als je zuvor ist deutlich geworden, wie wichtig Gespräche, Kontakte und Vertrauen zwischen Menschen verschiedener Länder, Religionen und Kulturen ist. Mehr als je zuvor ist aber auch deutlich geworden, dass die weltweite Anerkennung der Menschenrechtscharta und ein gerechtes Weltwirtschaftssystem Grundlage und Voraussetzung für Frieden und Gerechtigkeit sind. Das Zusammenwachsen Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg wäre nicht denkbar gewesen ohne eine Vielzahl von kommunalen Partnerschaften, von Partnerschaften von Städten, Landkreisen, Gemeinden, aber auch von Ländern. Heute stehen wir vor neuen Herausforderungen, vor der gemeinsamen Verantwortung für Frieden und Gerechtigkeit, für die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen und vor der großen Herausforderung der Osterweiterung der Europäischen Union.

Wir haben Ihnen diesen Antrag im September zur Beratung und heute zur Beschlussfassung vorgelegt, der vorsieht, dass die entwicklungspolitischen Aktivitäten und die internationalen Partnerschaften in Zusammenarbeit zwischen Landtag, Landesregierung und den in Niedersachsen tätigen NichtRegierungs-Organisationen auf eine neue Grundlage gestellt werden. Ziel ist es, den Jugendaustausch

und den Einsatz von Jugendlichen in freiwilligen Diensten verstärkt zu unterstützen. Wir wollen Kommunen und Landkreise unterstützen, die gemeinsam ihre bilateralen Partnerschaften nutzen, um sich für einen dritten Partner zu öffnen - im Süden oder in Osteuropa - und gemeinsam etwas Neues zu tun. Darüber hinaus schlagen wir vor, nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen regionale Promotorinnen und Promotoren zu beschäftigen, die die ehrenamtliche Arbeit unterstützen.

Ich freue mich, dass die SPD-Fraktion diesen Antrag mit einigen Änderungen mitgetragen hat. Ich sehe aber noch einigen Diskussionsbedarf mit der Staatskanzlei und Herrn Minister Senff. In der Regierungserklärung haben wir alle gehört, was der Schwerpunkt sein soll. Wir haben aber im Haushalt nur sehr wenig zu diesem Punkt finden können. Im Gegenteil: Auch in diesem Bereich gibt es Rückgänge im Haushalt und keine Akzente in Richtung auf das, was wir hier im Rahmen der Regierungserklärung vorgetragen bekommen haben. Auf die Frage, wie das sein könnte, hieß es: Wir haben so viele Schwerpunkte. - Ich frage mich natürlich, was das für ein Schwerpunkt ist, wenn er sich am Ende nicht auch im Handeln ausdrückt. Meine Bitte, Herr Gabriel, Herr Senff: Beweisen Sie die Ernsthaftigkeit Ihrer Aussagen auch im Rahmen der Haushaltsberatungen in der nächsten Sitzung des Plenums.

Wir glauben, dass dieser Antrag eine Chance bietet für die Einwerbung von EU-Zuschüssen. Voraussetzung dafür ist oft, dass zwei oder drei Partner aus verschiedenen Ländern etwas gemeinsam auf die Beine stellen. Erst dann haben Sie gemeinsam die Möglichkeit, Zuschüsse von der Europäischen Union einzuwerben, an die Sie alleine nicht herankommen. Auch das ist ein elementares Ziel dieses Antrages.

Darüber hinaus sehen wir die Chance, die ehrenamtliche Arbeit zu stärken, der ehrenamtlichen Arbeit ein Rückgrat zu verschaffen. Wir sehen hier für die Zukunft die Chance, auf der Basis einer solchen Struktur verstärkt Drittmittel für das Land Niedersachsen für entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit anderen Ländern einzuwerben. Ich glaube, dass das insgesamt ein Erfolg werden kann.

Im Rahmen der Beratungen sind einige Worte verändert worden; Herr Kollege Wendhausen hat bereits darauf hingewiesen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss. - Ich habe aber aufgrund des vierten Spiegelstriches, mit dem die Landesregierung aufgefordert wird, über den Erfolg dieser Maßnahmen zu berichten, die Hoffnung, dass wir gemeinsam etwas auf die Reihe bekommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Wendhausen.

Ich nutze die kleine Pause, um auf Folgendes hinzuweisen: Sie haben sicherlich gemerkt, dass die Mikroanlage piept, wenn sie ganz hochgefahren ist. Das bedeutet, wir brauchen Ruhe im Plenum. Ich bitte die Rednerinnen und Redner, näher an das Mikrofon zu gehen. Bei Stefan Wenzel hat das ja ganz gut geklappt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt Tausende von Initiativen in Niedersachsen, die sich mit Entwicklungszusammenarbeit beschäftigen. Diese Initiativen leisten einen großen und wachsenden Beitrag, den Menschen in anderen Ländern und Erdteilen zu helfen und zum Teil ihr Überleben zu sichern. Der VEN hilft dabei, die unterschiedlichen Ebenen dieser Arbeit zu verknüpfen. Mein Dank gilt dem VEN für seine nachhaltige Arbeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß, dass dieser Antrag ein Wunschkind des VEN ist, weil wir diesen Antrag lange und ausführlich mit diesem Verein diskutiert haben. Uns ist klar geworden, dass bei nachlassenden staatlichen Förderungen die Arbeit in diesem Politikfeld auf mehrere Arme verteilt werden muss, weil die zu bewältigenden Aufgaben von Jahr zu Jahr wachsen. Die Entwicklungszusammenarbeit hat jedoch nicht den Stellenwert in der Bevölkerung, den diese Arbeit verdient. Es ist schwer verständlich zu machen, aber notwendig, so viele finanzielle Mittel zulasten anderer Politikfelder frei zu schaufeln. In enger Zusammenarbeit mit dem VEN haben wir diesen Antrag in erster Linie mit Blick auf die Finanzen entwickelt und als Lösung das Promotorenmodell gefunden. Der Gedanke ist, Regionalpromotoren zu installieren, die die ent

wicklungspolitischen Aktivitäten ordnen, bündeln und professionalisieren sollen. Ein Wunschtraum ist es im Augenblick aber auch, diese Promotoren zu professionalisieren. Diese Stellen sollen vorrangig bei bestehenden Lokalinitiativen und -projekten eingerichtet werden. Gefördert werden sollen Eine-Welt-Projekte in Niedersachsen zum globalen Lernen, zu Fragen der Ursachen von Armut, sozialem Elend und politischer Unterdrückung, zu Fragen internationaler wirtschaftlicher Abhängigkeit, zur Unterstützung der Menschenrechte und der Demokratie, zur Förderung des Friedens und der Konfliktprävention, zu Fragen von Migration und Flucht, zu Fragen des friedlichen menschlichen Zusammenseins, zu Fragen der Globalisierung und zum fairen Handel usw. Des Weiteren sollen diese Promotoren in die Aktivitäten der lokalen Agenda 21 mit einbezogen werden. Zu den Forderungen hinsichtlich bilateraler Partnerschaften und Jugendaustausch wird Herr Minister Senff noch nähere Ausführungen machen.

Ich freue mich, dass dieser Antrag unstrittig ist, insbesondere mit dem Blick auf das aktuelle Geschehen in dieser Welt. - Schönen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege von der Heide.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Kollege Stefan Wenzel hat unseren gemeinsamen Antrag vorgestellt. Dem möchte ich nichts hinzufügen, sondern nur noch bemerken, dass es uns mit diesem Antrag um mehr geht als nur darum, Papier zu bedrucken.

Gerade die heutigen Zeiten zeigen - die beiden Fraktionen haben ja schon fast visionär gehandelt, als sie im Mai diesen Antrag formuliert haben -, wie wichtig Kennenlernen und Verständigung sind. Was wir tun wollen, ist ein bisschen Prophylaxe, damit wir nachher nicht Konflikte dadurch heilen müssen, dass wir Militär irgendwohin schicken oder politisch etwas begradigen.

Uns geht es um das Kennenlernen, so wie wir es bei der deutsch-französischen und bei der deutschpolnischen Verständigung praktiziert haben, uns geht es darum, von den anderen auch etwas zu übernehmen. Es macht Sinn, an bestehenden Part

nerschaften Dritte zu beteiligen, die dann von unseren Erkenntnissen profitieren können.

Wie der Kollege Wenzel schon gesagt hat, ist es für uns nicht in erster Linie wichtig, dass wir eine Förderung durch die EU erzielen können. Wir wollen Entwicklungspolitik nicht nur daran messen, welche Vorteile wir daraus ziehen können, sondern auch daran, dass die Welt einen Vorteil hat, wenn es weniger Konflikte gibt, weil die Menschen mehr Verständnis füreinander haben.