Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt spricht Frau Kollegin Evers-Meyer zu den Punkten 27 und 28. Bitte schön, Frau Evers-Meyer!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich nehme zunächst zum Tagesordnungspunkt 28 Stellung.

Meine Damen und Herren, wir haben zur Kenntnis genommen, dass es hier zu Zahlungsverzögerungen gekommen ist. Das liegt daran, dass der im Jahr 2001 eingetretenen Mehrbedarf im Bereich der Pflegeversicherung von den Gebietskörperschaften nicht rechtzeitig erkannt worden ist. Sie sind aber noch am 4. Dezember 2001 zugewiesen worden. Bei der Kostenerstattung im Rahmen des Niedersächsischen Aufnahmegesetzes erhielten einige Kommunen die Zahlungen für das vierte Quartal nicht Anfang bis Mitte des Jahres, sondern erst Ende November. So viel zum Sachverhalt. Was soll also das Gerede davon, dass die Kommunen zu einer Vorfinanzierung über einen längeren Zeitraum angehalten werden? Ich verstehe das nicht.

(McAllister [CDU]: Lügt der Land- kreistag?)

Viele Dinge, die wir heute von Herrn Krumfuß gehört haben, haben wir schon gestern ausführlich besprochen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist uns allen deutlich - ich möchte das in diesem Zusammenhang noch einmal sagen; ich hoffe, dass wir in der nächsten Plenarsitzung nicht noch einmal das gleiche Thema behandeln müssen -: Die Finanzlage der Kommunen - das ist doch das, was Sie hören wollen - hat sich dramatisch verschärft, und zwar durch eine Steuerreform, die die größte Steuerentlastung für Bürger und Wirtschaft, insbesondere den Mittelstand, in der Geschichte der Bundesrepublik gebracht hat.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

- Sie können protestieren,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

aber es bleibt so. Das Entlastungsvolumen beträgt immerhin 56 Milliarden Euro.

(Schünemann [CDU]: Wie viele Ar- beitsplätze hat die Steuerreform ge- bracht?)

Wenn wir es mit der Sorge um die Finanzlage unserer Kommunen erst meinen - das möchte ich auch bei der CDU voraussetzen -, bitte ich darum, in dieser Diskussion glaubwürdig zu bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Tatsache ist doch, Niedersachsen hat keine finanzielle Möglichkeit, die Zuschüsse an die Kommunen zu erhöhen. Der Verschuldungsstand unseres Landes ist wohl jedem hier im Hause bekannt.

(Schünemann [CDU]: Wer trägt denn dafür die Verantwortung?)

Wer also Vorschläge macht und Forderungen stellt, muss sagen, woher er z. B. das Geld für Darlehensprogramme nehmen will, ohne die Verschuldung noch höher zu treiben - -

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Evers-Meyer, darf ich Sie kurz unterbrechen? - Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Möllring?

- nein, ich möchte es gern kurz machen -, und vor allem aufhören zu fordern, dass die nächste Stufe der Steuerreform vorgezogen werden muss, weil das sonst unweigerlich zu weiteren erheblichen Einnahmeverlusten bei unseren Kommunen führt.

(Rolfes [CDU]: Was hat das denn damit zu tun?)

- Herr Krumfuß hat so ausführlich Stellung genommen. Deshalb müssen Sie mir schon die Gelegenheit geben, darauf einzugehen.

(Beifall bei der SPD)

Auch möchte ich die Opposition einmal daran erinnern, dass es in der Vergangenheit doch wohl durchaus Versuche vonseiten des Landes gegeben hat, die Kommunen von überzogenen und teuren Vorschriften zu befreien. Doch das wurde nicht zuletzt von Ihnen boykottiert. Ich rede hier nur vom Kita-Gesetz und von dem Versuch der Landesregierung, Kindergartenzuschüsse nach Bedürftigkeit und nicht nach Einwohnerzahl zu verteilen.

(Beifall bei der SPD - McAllister [CDU]: Was ist mit der 100 %-Fi- nanzierung? - Weitere Zurufe von der CDU)

Meine Fraktion begrüßt, dass unser Innenminister die Bundesregierung aufgefordert hat, die Kommunen finanziell zu entlasten, indem sich der Bund

z. B. an den Sozialhilfekosten beteiligt, und dass jetzt eine Expertenkommission eingesetzt wird, die sich mit den Grundsätzen des kommunalen Finanzsystems befassen soll. Diese Kommission wird neben Vertretern von Bund, Land und Kommunen auch Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften haben.

(Schünemann [CDU]: Wenn dann ge- nau das gleiche rauskommt wie bei der Kommission in Niedersachsen, nämlich nichts! - Heineking [CDU]: In diese Kommission kommt Herr Zitzelsberger mit rein!)

Diese Kommission wird sich - hören Sie bitte genau zu, Herr Schünemann, denn gleich kommt ein sehr wichtiger Punkt, an dem es dann zum Schwur kommt - mit den Aufgaben der Kommunen und auch mit deren Finanzierung befassen, und dazu gehören ganz besonders die Sozialhilfekosten im Zusammenhang mit der Arbeitslosenhilfe.

(Zuruf von Schünemann [CDU])

Doch das zentrale Thema der Reform des Gemeindefinanzsystems - da kommt es zum Schwur - wird die Zukunft des gesamten Steuer-EinnahmeSystems betreffen. Aber da stoßen wir unheimlich schnell an die Vorgaben unseres Grundgesetzes. In § 28

(Möllring [CDU]: Artikel!)

- Entschuldigung, ich möchte das korrigieren -, in Artikel 28 Abs. 2 Satz 3 ist nämlich festgelegt, dass zu den Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung der Gemeinden eine mit Hebesatzrecht versehene wirtschaftsbezogene Steuerquelle gehört.

(Zuruf von Rolfes [CDU])

Nur eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag kann diesen Artikel ändern. Da sind dann auch Sie gefordert.

(Rolfes [CDU]: Wer will denn das ändern? Was erzählen Sie denn hier? - Zuruf von Schünemann [CDU])

Sie sehen also, meine Damen und Herren von der CDU: Es ist nicht so einfach, wie Sie es zu den Tagesordnungspunkten 27 und 28 vorgeben.

Frau Kollegin Evers-Meyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Heineking?

Nein, ich bin jetzt fertig.

(Möllring [CDU]: Sie hat den fal- schen Artikel zitiert!)

Zu dem Thema ist schon genug geredet worden. Wir lehnen diese beiden Anträge ab.

(Beifall bei der SPD - Möllring [CDU]: Hoffentlich kriegt sie einen guten Listenplatz für Berlin, damit wir uns das nicht länger anhören müssen!)

Meine Damen und Herren, jetzt hat Herr Minister Aller das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern in der Aktuellen Stunde sind wohl die wichtigen Dinge, die man aus parteipolitischer Sicht zu diesem Thema sagen muss, gesagt worden. Dem Kollegen Klein bin ich sehr dankbar, dass er heute den Antrag der Grünen zum Anlass genommen hat, über die aktuellen Auseinandersetzungen, die man in Vorwahlkampfzeiten wohl im Landtag führen muss, hinausgegangen ist und konzeptionelle Vorschläge gemacht hat, die weiterführend sind. Das Fazit dessen, was er gesagt hat, ist für den einen Bereich in vollem Umfang zu unterstreichen, nämlich dass die Sicherung der kommunalen Finanzen für die Zukunft erforderlich macht, dass man sich mit einer Analyse über die Ursachen der jeweiligen Situation in allen Bundesländern, also nicht nur in Niedersachsen, auseinander setzt, denn es ist kein niedersächsisches Problem.

(Schünemann [CDU]: Aber da ist das Problem am größten!)

Wir müssen auch berücksichtigen, wie die Steuerpolitik auf die verschiedenen Einnahmequellen der Kommunen schlechthin durchschlägt. In die Betrachtung muss man auch die Lösungsansätze einbeziehen, die weitreichende Diskussionen erforderlich machen, etwa über die Zukunft der Gewerbesteuer, das Zusammenführen von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe und Grundsicherung oder die

Ausfüllung des Konnexitätsprinzips. Gefordert worden ist das alles oft genug, zu Papier gebracht worden auch, aber keine Bundesregierung hat es seit 1969, seit der letzten Finanzreform, geschafft, diese immer wieder auftauchenden Schwierigkeiten so zu regeln, dass sie jetzt nicht voll durchschlagen. Deshalb gilt das, was ich gestern gesagt habe, nämlich dass es ein parteiübergreifender Diskurs werden muss, um dafür die Plattform zu schaffen. In meiner Zeit als Finanzminister, der oft in Berlin war, Frau Kollegin Pothmer, um gerade auch die Interessen der niedersächsischen Kommunen zu vertreten und eine Politik zu verhindern, die noch stärker eingegriffen hätte, habe ich gelernt, dass es eine Allianz derer gibt, die nicht im kommunalen Bereich verankert sind und kein Gefühl dafür haben, wie Gesetze, die im Bonner Parlament möglicherweise gut gemeint beschlossen werden, unten herauskommen. Das ist der eine wichtige Punkt.

Herr Minister Aller, gestatten Sie eine Zwischenfragen von Herrn Kollegen Schünemann?

Ja, selbstverständlich.

Bitte schön, Herr Kollege Schünemann!