Protokoll der Sitzung vom 14.02.2002

Ich bin gerade so drin, Frau Präsidentin. Sie müssen das verstehen.

Bitte.

Jetzt kommen wir zum Thema Rechtsstaatlichkeit. Die CDU/CSU, die Partei des Rechtsstaates, wie wir wissen - das bekommen wir ja immer gesagt - -

(Zuruf von der CDU: Das ist sie ja auch!)

- Vorsichtig, vorsichtig! Zurzeit laufen Anträge des Antragstellers e.on auf dezentrale Zwischenlager. In § 6 des Atomgesetzes gibt es eindeutig definierte Kriterien. Wenn die erfüllt sind, muss einem Antrag stattgegeben werden. Die kommunale Ebene ist über das Baugenehmigungsverfahren beteiligt. Der bayerische Ministerpräsident wirkt, öffentlich erkennbar - er macht auch gar kein Hehl daraus -, auf die örtlichen Bürgermeister der Standortgemeinden von Kernkraftwerken ein, um

sie zu veranlassen, genau diese baurechtlichen Zustimmungen zu verwehren. An zwei Stellen hat er das nicht erreicht, weil die Räte gesagt haben, dafür sei wohl kein Spielraum, die Rechtslage sei eindeutig. Allein der Gemeinderat im niederbayerischen Niederaichbach folgte Stoibers unverhüllter Empfehlung und stimmte gegen den Bauantrag. Der Bürgermeister der Gemeinde von der CSU wird mit dem Satz zitiert: Der Gemeinderat hat sich nicht rechtens verhalten. Wahrscheinlich werden wir uns noch einmal mit der Sache beschäftigen müssen. Seien bestimmte Kriterien erfüllt, müsse die Gemeinde zustimmen. Das habe auch Staatskanzleichef Huber (CSU) in einem Telefonat mit dem Bürgermeister eingeräumt. Das für Baurecht zuständige Innenministerium erklärt dagegen, einem Antrag müsse dann nicht zugestimmt werden, wenn das Flächen- und Gesamtkonzept der Gemeinde gestört werde.

(Heiterkeit bei der SPD)

Meine Damen und Herren, so etwas Abwegiges und so etwas Rechtsstaatswidriges hat man selten. Bayerisches Innenministerium! - So viel zum Thema Rechtsstaatlichkeit!

(Beifall bei der SPD)

Jetzt kommen wir zum Thema Kirchturmspolitik. 25 % des Atomstroms werden in Bayern produziert. Niedersachsen wird an dieser bayerischen Veranstaltung beteiligt. Wir haben vorhin über das Endlager Asse geredet. Mehr als 12 000 Gebinde aus Bayern befinden sich im Endlager Asse. Wir haben im TBL in Gorleben einen CASTORBehälter aus Gundremmingen und einen aus dem KKW Isar I. Wir haben allein im Abfalllager Gorleben mehr als 1 000 Fässer aus Bayern, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der SPD: Unerhört!)

Jeder Ansatzpunkt, auch nur an einer Stelle Verantwortung für die Folgen der Nutzung der Atomenergie zu übernehmen, wird von der Bayerischen Staatsregierung rigoros abgewimmelt. Entweder Gorleben, Ahaus oder Russland! Das sind Ihre Antworten. Die Weiternutzung ja, aber keinerlei Fitzchen Verantwortungsbewusstsein für die Folgen dieser Technologie! Das finde ich wirklich nicht in Ordnung.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Die letzte Bemerkung betrifft Kirchturm 2. Wenn man schon den Dreck nicht haben will, ansonsten aber eine vergleichsweise solide Finanzausstattung hat, dann könnte man ja Kumpel sein und sagen: Na ja, dann geben wir ein paar Euro dazu.

(Wojahn [CDU]: Das liegt doch an der Landesregierung, dass sie keine vernünftige Politik macht! - Wider- spruch von der SPD - Wojahn [CDU]: Genauso ist das! Sie haben alles lau- fen lassen!)

- Herr Wojahn, Herr Bartling könnte Ihnen einmal sagen, welche Verabredungen auf der Innenministerkonferenz hinsichtlich der Polizeikosten für die Transporte nach Gorleben getroffen worden sind.

(Wojahn [CDU]: Die Niedersächsi- sche Landesregierung hat die Verein- barungen aufgekündigt!)

Die Innenminister der anderen Länder waren kurzfristig der Meinung, es sei nicht mehr als fair, sich an diesen Finanzierungen zu beteiligen.

(Wojahn [CDU]: Richtig!)

Was aber ist in den vergangenen Jahren dabei herausgekommen? - Das kann ich Ihnen gerne sagen. 1995: 24,85 Millionen DM betriebswirtschaftliche Kosten für Transporte nach Gorleben. Bezahlt hat das Land Niedersachsen. 1996: 46,1 Millionen DM betriebswirtschaftliche Kosten für Atommülltransporte nach Niedersachsen. Bezahlt hat die niedersächsische Landeskasse.

(Wojahn [CDU]: Unfähig ist die Lan- desregierung!)

1997: Die Haushaltsmehrbelastung betrug 17,65 Millionen DM. Bezahlt hat das Land Niedersachsen. März 2001: 56 Millionen DM Polizeikosten, die das Land Niedersachsen dafür trägt, dass Bayern und die anderen Bundesländer ihre Glaskokillen aus La Hague zurückbekommen. Das ist alles unverschämt, was hier abläuft!

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Das ist eine Arbeitsteilung, die mit uns nicht zu machen ist. Die einen profitieren, und die anderen bezahlen. Mit uns nicht, meine Damen und Herren!

(Wojahn [CDU]: Ihr seid unfähig!)

Frau Harms, es geht in der Politik auch um Symbole. Bei diesem Thema geht es aber um mehr als Symbole. Es geht um die Frage, wie ab Herbst 2002 in Deutschland eines der zentralen Themen bearbeitet wird, nämlich die Atompolitik. Die Frage, wie das aussieht, entscheidet darüber mit, mit welchen Problemen wir uns in Niedersachsen zu befassen haben. Deshalb sage ich nur: Der Kerl soll im Süden bleiben, wo er hingehört!

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Meinhold [SPD]: Der bleibt da auch! - Weiterer Zuruf von der SPD: Jawohl! - Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Wulff!

(Plaue [SPD]: Jetzt können Sie sich als ein wahrer Niedersachse zeigen! Zeigen Sie dem Stoiber, was eine nie- dersächsische Harke ist! - Zuruf von der SPD: Das geht schief!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie müssen wahnsinnig viel Angst haben.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD - Plaue [SPD]: Mir wackeln die Knie!)

Denn sonst würden Sie dem politischen Mitbewerber etwas mehr Respekt entgegenbringen.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD - Zurufe von der SPD - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich jedenfalls hoffe, dass man sich so viel intellektuelle Redlichkeit erhält, dass man in einem Plenarsaal von diesem Pult aus weder Herrn Gabriel noch Herrn Schröder noch irgendjemanden sonst ungerügt als „der Kerl“ bezeichnen kann. Ich halte das für unwürdig.

(Beifall bei der CDU)

Mit diesem Thema haben alle Parteien gewaltige Probleme: die Grünen mit Herrn Trittin und Gorleben, die SPD, die CDU/CSU. Wir haben die Situation, dass wir gerade im Emsland mit CDU-Mehrheit das Zwischenlager in kürzester Frist zur Genehmigung gebracht haben, und in der Wesermarsch hat uns Ihre SPD-Kreistagsmehrheit so

eben eine Resolution übersandt, dass sie kein Zwischenlager will, weil sie das Endlager in weiter Ferne sieht und deshalb befürchtet, dass aus dem Zwischenlager ein Endlager werden könnte.

(Beifall bei der CDU - Wojahn [CDU]: So sieht das aus!)

Da bei diesem Thema jeder eine Unzahl an Problemen hat, würde ich mir wünschen, wir würden zu diesem Thema eine Regierungserklärung im Rahmen der nächsten Plenarsitzung hören, damit wir aus niedersächsischer Sicht noch einmal die Vergangenheit aufbereiten und uns mit der Zukunft beschäftigen können.

(Plaue [SPD]: Lassen Sie uns mit der Zukunft beschäftigen, Herr Kollege!)

In Ihrem Entschließungsantrag steht „Der Landtag bekräftigt erneut die Nichteignung des Salzstockes in Gorleben“, obwohl Ihre Bundesregierung, SPD und Grüne, im Atomkonsens schriftlich niedergelegt hat, dass es bis heute keine Bedenken gegen die Eignung von Gorleben als Endlagerstätte gebe.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Wir haben eine andere Auffassung!)

Es ist eine Zumutung, wenn Ihre Bundesregierung, also Rot-Grün, mit den ihr zur Verfügung stehenden Ämtern, wie dem Bundesamt für Strahlenschutz, erklärt, es gebe keine Bedenken gegen die Eignung von Gorleben, und Sie verlangen, dass wir im Landtag mit unseren Möglichkeiten die Nichteignung feststellen.

Weiterhin fordern Sie auf, ein Standortfindungsverfahren in Gang zu setzen. Wir als Opposition in Hannover und Berlin fragen uns, wofür Sie eigentlich 1998 die Mehrheit in Deutschland bekommen haben. Die haben Sie doch deshalb bekommen, damit Sie die Dinge, die Sie für richtig halten, umsetzen. Warum machen Sie es denn nicht, wenn Sie die Mehrheit in Berlin haben? Tun Sie es doch!

(Beifall bei der CDU)

Glauben Sie doch nicht, dass auch nur ein Grüner an einem Standort in Deutschland, in Baden-Württemberg, in Bayern, im Saarland, in Thüringen, in Sachsen oder sonst wo, sagen würde: „Wir finden es richtig, dass irgendwo in Deutschland nach einem Standort gesucht wird. Wir finden, dass man verschiedene Standorte untersuchen sollte.“ - Wenn wir für die Suche nach einem anderen Standort eine Mehrheit haben wollen,

(Plaue [SPD]: Sind Sie für Gorleben?)

- Herr Plaue, hören Sie jetzt einmal zu; das ist ein wichtiges Thema -, dann brauchen Sie - -

(Zurufe von der SPD)

- Sie sind doch ein Flegel, Herr Plaue, so wie Sie sich in den letzten Tagen hier aufführen!

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Hef- tiger Widerspruch bei der SPD - Un- ruhe - Glocke der Präsidentin)