Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

Dass Berufsfischer und Betreiber von Teichwirtschaften Einbußen dort zu verzeichnen haben, wo sich Kormorankolonien in der Nachbarschaft befinden, ist ersichtlich. Aber, meine Damen und Herren, die Erfahrungen aus Mecklenburg-Vorpommern zeigen, dass der Abschuss ein ungeeignetes Instrument ist, um den Bestand zu regulieren. Das zeigen neueste Zahlen aus diesem Frühjahr. Weder wurde die Zahl der Kormorane nennenswert gesenkt, noch konnten die Fischereierträge bedeutend gesteigert werden. Zudem wechseln die Fischarten, von denen sich Kormorane ernähren, über Jahre hinweg. Ich frage Sie: Warum soll es so schwierig sein, nachgewiesene große Schäden für Berufsfischer durch Entschädigungen abzugelten, wie es bei den Fraßschäden durch Zugvögel geschieht?

Angesichts der Erfahrungen aus anderen Bundesländern frage ich Sie, meine Damen und Herren: Was soll das Ziel einer derart ausgeweiteten Abschussregelung sein, wie sie jetzt für Niedersachsen durchgezogen wird? Soll das - wie Staatssekretär Eberl meint - legitime Recht des Menschen, den Kormoran zu jagen, ausgeübt werden? Soll das Speisenangebot um das Gericht „Kormoranbrüstchen“ erweitet werden? - Herr Ehlen, Herr Sander, Sie wollen den Fischern doch nur zeigen, dass die Landesregierung im Kampf gegen den Kormoran fest an ihrer Seite steht, egal, ob das im Ergebnis etwas bringt oder nicht,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

und insbesondere ganz egal, was das Bundesnaturschutzgesetz vorgibt oder nicht vorgibt. Gerichte haben dazu - wie mir bekannt ist, z. B. in Schleswig-Holstein - eine andere Auffassung als Sie.

Ich appelliere an Sie, Herr Ehlen und Herr Sander, nehmen Sie Abstand von der Abschussverordnung, und sichern Sie den weiteren Schutz der Kormoranbestände in Niedersachsen, wie wir es in unserem Antrag fordern. Wollen Sie die Kormoranbestände durch natürliche Feinde regulieren, fördern Sie die Wiederansiedlung des Seeadlers. Das hat eine hohe Effektivität. Aber eröffnen Sie am 16. August nicht die Ballersaison auf Kormorane. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hennig Brandes von der CDU-Fraktion hat sich nun zu Wort gemeldet. Herr Brandes, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich gewusst hätte, Frau Steiner, dass Sie Ihre ökologischen Grundsätze vortragen, wäre ich fast geneigt gewesen, eine ökologische Grundsatzdebatte anzuzetteln. Aber so viel Redezeit habe ich nicht. Wir haben ja gestern gehört, dass es wichtigere Themen gibt, z. B. das Schulgesetz, hinter das die Kormoranproblematik dann doch etwas zurücktritt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion wird diesen Antrag ablehnen. Ich möchte kurz begründen, warum wir den Antrag ablehnen.

Sie fordern, generell keinen Abschuss des Kormorans zuzulassen. Aus Punkt 2 Ihres Antrags geht hervor, Sie möchten sogar Naturschutz- und Artenschutzmaßnahmen ergreifen, die besonders auf den Kormoran ausgerichtet sind. Ich glaube, das geht total am Thema vorbei. Damit lösen wir die Probleme, die wir vor Ort haben, nicht.

(Beifall bei der CDU)

Für mich heißt das, Frau Steiner, dass Sie entweder die Schäden in der Fischwirtschaft nicht zur Kenntnis nehmen oder dass Sie nicht bereit sind, der Fischwirtschaft im Hinblick auf ihre Probleme, was den Kormoran angeht, zu helfen. Sie sind doch eigentlich diejenigen, die immer das Wort „Nachhaltigkeit“ im Mund führen. Aber wenn es darum geht, einmal einen ganz praktischen Beitrag bei einem ganz praktischen Problem zu leisten und einer nachhaltigen Nutzung den nötigen gesetzlichen Spielraum einzuräumen, dann blockieren Sie das.

Ich meine, dass Sie das aus einem völlig falschen Artenschutzverständnis heraus blockieren, so nach dem Motto: Die Natur regelt alles von selbst, der Seeadler wird es schon richten. - Frau Steiner, es ist nachgewiesen, dass es Schäden gibt. Es gibt in einzelnen Teichwirtschaften Ertragseinbußen von bis zu 95 %. Außerdem ist ein erheblicher Artenrückgang an natürlichen Fischbeständen nachgewiesen worden.

Was den Seeadler angeht, den Sie genannt haben, so sollten Sie eigentlich wissen, dass der Seeadler als Nahrungsgeneralist nicht in der Lage ist, Kormoranbestände zu regulieren, und schon gar nicht in der Lage ist, Schäden in Teichwirtschaften abzuwenden. Denn dann müsste an jedem Teich ein Seeadler sitzen und aufpassen, dass kein Kormoran kommt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich glaube, Sie haben sich da in eine ökologische Überlegung verstiegen, die in der Praxis in keiner Weise weiterhilft.

Das wird auch dadurch deutlich, dass Sie den Artenschutz und die Gewässerrenaturierung auf den Kormoran ausrichten möchten. Ich meine, dass auch das völlig am Thema vorbeigeht. Stattdessen sollte man sich auf die wirklich seltenen und schutzwürdigen natürlichen Arten konzentrieren.

Sie wollen hier den Eindruck erwecken, als ob ein Vernichtungsfeldzug gegen den Kormoran bevorsteht, an dessen Ende natürlich die Ausrottung dieses Vogels steht. Sie befürchten, dass es über den Teichen jetzt nur noch knallt und dass jeder Vogel, egal, welcher Vogel anfliegt, abgeschossen und vom Himmel geholt wird. Ich meine, dass das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Es geht hier lediglich darum, im Einzelfall durch Abschuss und

Verhinderung der Gründung von Kolonien Schäden vor Ort abzuwenden.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Da steht in Ihrer Verordnung aber etwas ande- res!)

- Das werden wir sehen -. Wir sehen einer Kormoranverordnung entgegen, die genau das regelt, nämlich Schäden vor Ort abzuwenden, und die gewährleistet, dass die Fischwirtschaft die entsprechenden Möglichkeiten zur Schadensabwehr bekommt.

Ich meine, dass noch etwas wichtig ist: Wir wollen nämlich eine Verwaltungsvereinfachung der bisherigen Erlassregelung. Ich habe mir einmal solch eine Genehmigung besorgt. Das sind zwölf Seiten mit zwölf Auflagen und seitenlangen Kommentaren. Das ist genau das, was wir künftig nicht mehr wollen, Frau Steiner. Wir wollen diese Bescheide nicht mehr.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Steiner, wir reden nicht nur über Bürokratieabbau, sondern wir praktizieren ihn auch. Das kann man selbst an solch einem Beispiel, auch wenn es nur einen Randbereich betrifft, sehen.

Eines gehört natürlich dazu - das müssen Sie auch wissen -: ein gewisses Vertrauen gegenüber den Betroffenen. - Wir sind nicht der Meinung, dass die Fischwirtschaft nur darauf aus ist, Kormorane zu schießen, zumal man mit den Kormoranen überhaupt nichts anfangen kann. Man kann sie weder verspeisen noch sonst irgendetwas damit machen. Ich glaube, dass die Fischwirte etwas anderes zu tun haben. Die Fischwirte wollen nämlich Fische züchten und keine Kormorane schießen. Von daher sehen wir dieser Sache gelassen entgegen.

Was den Kormoranbestand angeht, so haben Sie selbst eingeräumt, dass dieser in Niedersachsen und erst recht in Europa in keiner Weise bedroht ist, sondern eher weiter anwächst. Ich meine, dass diese Abschussregelung auf diese Entwicklung keinen Einfluss haben wird. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, als Nächster erteile ich der Abgeordneten Sigrid Rakow von der SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wo man hinschaut, sind die Schwarzen. Die haben sich gewaltig vermehrt.

(Beifall bei der CDU)

In manchen Ecken hocken sie haufenweise. - Zitat eines Bürgers aus Nordwestniedersachsen, dem dieser Zustand so nicht gefällt.

(Beifall bei der SPD.- Bernd Althus- mann [CDU]: Gut für unser Land, diese Schwarzen!)

Er meinte damit die Kormorane.

Es geht dabei um einen Bewohner Europas, der hier seit 9 000 Jahren beheimatet ist, eine durchaus wechselvolle Geschichte hinter sich hat, zwischen starker Verbreitung und beinaher Ausrottung. Im Moment ist der Kormoran allerdings wieder dabei, sich ordentlich zu verbreiten. Die Population ist gewaltig angewachsen.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Nein! Das trifft doch nicht zu!)

Genau das ist der Punkt, weshalb es diese Probleme gibt und weshalb sich Widerstand regt.

Wir haben vor Ort in vielfältiger Weise Streitereien gehabt und Demonstrationen erlebt, wo die Interessengegensätze zwischen Fischereiwirtschaft, den Berufsfischern, den Sportanglern und eben auch den Naturschützern ganz gewaltig aufeinander prallen. Weil diese Konflikte vorhanden sind, muss man ganz konsequent nach einer Lösung suchen. Alles andere nützt gar nichts.

Der Ärger, den der Kormoran hervorruft, liegt in erster Linie daran, dass er einen Nahrungsbedarf von 450 Gramm Fisch pro Tag hat, was sich ganz schön summiert. Was bedeutet das z. B. hinsichtlich der 200 Brutpaare am Zwischenahner Meer? Wir haben auch noch andere Zahlen, die vielleicht eingängiger sind. 300 Kormorane fressen in einer Woche eine Tonne Fisch. Es ist sicherlich verständlich, dass das einem Berufsfischer nicht gerade Freude macht.

Weiterhin führt das Jagen durch den Kormoran dazu, dass verletzte Fische im Wasser sind, die krank werden und Pilze und Parasiten bekommen, was dem Ökosystem nicht gerade zuträglich ist. Die Fischerei beklagt, dass die bejagten Fische, die es überlebt haben, weniger Nahrung aufnehmen und sich aufgrund des Stresses nicht so entwickeln, wie es eigentlich gewünscht ist. An einigen Stellen ist außerdem beobachtet worden, dass das Zusammenspiel zwischen Graureiher und Kormoran auch zu einem Rückgang des Amphibienbestandes führt. Auch das kann ökologisch so nicht gewünscht sein.

In ihrem Antrag fordern die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen den konsequenten Schutz der Kormoranbestände. Das würde heißen, dass man z. B der Verringerung des Fischbestandes zustimmt. Beim Dümmer ist beobachtet worden, dass der Fischbestand auf 20 % zurückgegangen ist. Das würde auch heißen, dass man am Zwischenahner Meer zugesteht, dass pro Woche eine Tonne Fisch in den Kormoranmägen verschwindet. Das würde auch bedeuten, dass man es der Fischwirtschaft zumutet, dass sich die Fische langsamer entwickeln und dass die Alterspyramide der Fische ohne weiteres gestört sein kann.

In dieser Form kann das doch auch von Ihnen nicht gewollt sein. Konsequenter Schutz der Kormorane würde eindeutig die Fischerei benachteiligen. Die Fischer sollten durchaus die Möglichkeit haben, sich ein bisschen zu wehren. Im Moment fühlen sie sich den Kormoranen durchaus ausgeliefert.

Es geht nicht, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, um den vermeintlichen Schaden, der dort entsteht, sondern es geht schon um einen tatsächlichen: Die Tonne Fisch ist tatsächlich weg.

Sie schreiben weiter: „Der Abschuss von Kormoranen ist ein ungeeignetes Instrument zur Bestandsregulierung...“. - Ich gestehe Ihnen zu, dass das nicht unbedingt eine gute Methode ist. Aber es ist zumindest kurzfristig eine wirksame.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Nein! Das bestreiten wir, und dass kann man belegen!)

Dieser Abschuss ist auch keine „wilde Ballerei“, wie Sie es in Zeitungsüberschriften schon verkündet haben, sondern der Abschuss muss sich selbstverständlich im Rahmen der Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes bewegen. Soweit es das Gesetz zulässt, kann man das aber umsetzen. Dort heißt es, dass das Abschießen erlaubt ist, um er

hebliche Schäden in der Landwirtschaft zu vermeiden. Ich meine, das ist eine Basis, auf der man sich einigen kann.

Die Belange der Teichwirtschaft sind durch Erlass hinreichend geregelt. Aber an anderen Gewässern gibt es noch Bedarf. Wenn man dann guckt, was sich nach dem Naturschutzgesetz regeln lässt, dann muss man Gebiete ausnehmen wie Naturschutzgebiete, Natura-2000-Gebiete und andere Bereiche, die entsprechend geschützt sind. Man muss auch gucken, dass der Abschuss nicht während der Brutund Aufzuchtszeit vollzogen wird. Außerdem muss man dann, wenn das so nicht ausreichen sollte, natürlich schauen, ob die Naturschutzbehörde eventuell noch Ausnahmen zulassen kann.

Diese Maßnahmen sollen begleitet werden. Denn wir möchten nicht, dass der Kormoranbestand so sehr verringert wird, dass der Kormoran wieder auf die Rote Liste der zu schützenden Arten gehört, dass man also Sorge haben muss, dass er vom Aussterben bedroht ist. Aber wir möchten die Bestandsregulierung in einer Form, die allen Belangen Rechnung trägt: denen der Fischereiwirtschaft und denen der Naturschützer. Das heißt, dass das Verfahren, wenn man den Abschuss genehmigt, begleitet werden muss. Wir hätten gerne Monitoringmaßnahmen, in deren Rahmen beobachtet wird, wie sich der Abschuss auswirkt, welche Folgen er hat, ob die Bestände noch gesichert sind oder ob man eventuell eingreifen muss.

Außerdem sind langfristige Maßnahmen wichtig, z. B. der naturnahe Gewässerausbau, durch den Fische natürliche Verstecke finden, sodass der Kormoran nicht so leichte Chancen hat. Wichtig ist auch, dass man sich europaweit umguckt und Lösungen findet, die nicht nur hier vor Ort den einzelnen Regionen helfen, sondern dass man das Kormoranproblem europaweit löst und Lösungen findet, die sich über alle Länder hin erstrecken, sodass ein gemeinsamer Managementplan wirklich zieht.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ziel der Bemühungen soll insgesamt sein, dass das Populationswachstum der Kormorane so reguliert wird, dass die Bestände ökologisch und fischereiwirtschaftlich akzeptabel sind. Hier suchen wir den Kompromiss zwischen Naturschützern und Fischerei. Wir möchten alle Gruppen einbeziehen und gemeinsam eine Lösung suchen, die sowohl den Kormoranen als auch den Fischern nützt. - Danke.