Protokoll der Sitzung vom 11.10.2006

Mittlerweile geben Sie selbst zu, dass sich die Ausbildungsplatzsituation in Niedersachsen nicht so entwickelt hat, wie Sie es sich vorgestellt haben. In der Beschlussempfehlung des Ausschusses über Ihren Änderungsantrag sind im Prinzip entsprechende Vorschläge unterbreitet. Das Gleiche gilt für die Haushaltsplanentwürfe des MW und des MK. Sie greifen jetzt auf einmal zum Teil Vorschläge auf, die wir bereits im März gemacht haben und die Sie noch vor Kurzem abgelehnt haben.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das stimmt überhaupt nicht!)

Zusätzliche Ausbildungsplätze in der Landesverwaltung, Stärkung von Ausbildungsverbünden, das Programm 2 000 mal 2 500 oder - regional von Ihnen beabsichtigt - die Einrichtung von Ausbildungsgängen in schulischer Verantwortung. Ich will für meine Fraktion ausdrücklich sagen: Alle diese Maßnahmen finden durchaus unsere Unterstützung. Aber, meine Damen und Herren, wir sind auch der Überzeugung, dass diese Maßnahmen trotz alledem nicht ausreichen werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir brauchen einen niedersächsischen Ausbildungspakt, der 2 500 zusätzliche und nicht nur 2 500 neue Ausbildungsplätze garantiert, und wir

brauchen ein Sofortprogramm, um den Berg von Altbewerberinnen und Altbewerbern endlich mit Ausbildung zu versorgen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir werden am Freitag im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auch über diesen Antrag und dieses Programm diskutieren. Ich hoffe, dass wir dafür auch von Ihnen Unterstützung bekommen.

Lassen Sie mich noch etwas zu den 2 114 offenen Ausbildungsplätzen sagen, die wir ja auch noch haben; denn ich bin ziemlich sicher, dass Herr Hirche darauf eingehen wird. Es ist positiv zu vermerken, dass wir zum 30. September noch mehr offene Ausbildungsplätze zur Verfügung hatten als vor einem Jahr. Aber: Die Nachvermittlungsaktion im letzten Jahr hat ja nur zu 11 % zusätzlichen Vermittlungen geführt. Wenn ich jetzt unterstelle, dass aufgrund der doppelten Anzahl von noch freien Ausbildungsplätzen gegenüber dem Vorjahr noch rund 20 % der Jugendlichen vermittelt werden könnten - 20 % von 3 345 -, dann kann sich jeder ausrechnen, dass in Niedersachsen unter dem Strich immer noch 2 700 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz übrig blieben. Ich meine, dass das 2 700 Jugendliche zu viel sind. Deswegen brauchen wir noch mehr Anstrengungen. In diesem Zusammenhang fordere ich Sie auf, die Empfehlung des Ausschusses abzulehnen und unseren ursprünglichen Antrag und hoffentlich auch unsere Initiative, die wir am Freitag im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr beraten, mit zu unterstützen. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Hagenah, Sie haben jetzt das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich will zunächst auf die aktuellen Zahlen eingehen, die hoffentlich uns allen heute in der Mittagspause auf dem Tisch lagen. Für Niedersachsen bedeuten diese Zahlen, dass wir eine Differenz von 28 000 Jugendlichen haben, die sich nicht in einem Ausbildungsverhältnis befinden. Wir haben 43 000 Ausbildungsverträge. Das ist positiv und bedeutet ein Plus von 2 %.

Demgegenüber hatten wir aber 71 000 Bewerberinnen und Bewerber. Das ist die Zahl der tatsächlich vorhandenen und von uns insgesamt zu berücksichtigenden Jugendlichen, wenn wir nicht alle die, die in der Warteschleife sind und dort bis zum nächsten Jahr schlichtweg beschäftigt werden, aus dem Blick verlieren wollen. Das dürfen wir nicht! Dann nämlich stellen wir die Sache vom Kopf auf die Füße. Die 3 345 noch gar nicht versorgten Jugendlichen, die weder einen Platz in der Warteschleife noch einen Ausbildungsplatz bekommen haben, sind in Wirklichkeit nur die Spitze des Eisberges.

Die 28 000 Jugendlichen, die nach den Zahlen, die uns heute auf den Tisch gelegt worden sind, das ganze Ausmaß der Jugendlichen, die sich in diesem Jahr beworben haben, aber nicht mit Ausbildung versorgt sind, beschreiben, muss man in Relation zu den Maßnahmen stellen, die Sie anbieten. Ich habe die heutige Presseerklärung des Wirtschaftsministers zu diesem Thema gelesen. Danach soll das Programm 2 000 mal 2 500 - also die Zusatzförderung für schwer vermittelbare Auszubildende -, das eigentlich erst im Haushalt 2007 umgesetzt werden sollte, vorgezogen werden. Damit soll das, was Herr Hundt heute Morgen in einer Presseerklärung forderte, bewirkt werden: Es soll ein Anreiz geschaffen werden, um auch diejenigen in solche Programme aufzunehmen, die schwächer qualifiziert sind und bei der Prüfung der Geeignetheit für eine Ausbildung nicht sofort ins Auge fallen. Das ist zwar ein richtiger Schritt. Wenn man diese Aktion aber in Relation zu den von mir genannten 28 000 Jugendlichen stellt, dann bieten Sie nur für 1,3 % der Jugendlichen etwas an. Dann stellt man fest, dass Ihre Aktionen nur homöopathisch und nicht wirklich problemgerecht sind.

Dem entspricht auch der Entschließungstext in der Fassung des Änderungsantrags von CDU und FDP. Der Koalitionsantrag beschreibt im Grunde genommen nur das aktuelle Regierungshandeln und nimmt das sauber auf, was an zusätzlichen Ideen für das nächste Jahr angedacht ist. Im Ergebnis ist das aber genauso mangelhaft wie das Regierungshandeln selbst; denn es bleiben zu viele Jugendliche in der Warteschleife übrig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Niedersachsen hält weiterhin den Minusrekord bei der Chance für Schulabgänger, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, und ist Spitzenreiter

beim Abschieben in die Warteschleife. Davor können wir die Augen nicht verschließen. Bei der Lösung dieser Misere werden uns diese neuen Maßnahmen nicht entscheidend voranbringen, weil sie nur kleine Schritte sind.

Angesichts dessen ist der Streit um die letzten 3 000 Jugendlichen, die weder das eine noch das andere haben, letztlich müßig. Es ist schlimm, dass einige übrig bleiben. Aber die ganz große Zahl derer, die in der Warteschleife die Motivation verlieren, sich weiter zu bewerben, entspricht der Dunkelziffer, die noch viel schlimmer ist. Ich meine deshalb, dass wir uns denjenigen widmen sollten und nicht erneut dem Optimismus verfallen sollten, dass die Nachvermittlungsaktivitäten bis zum Jahresende wenigstens in statistischer Hinsicht für ein reineres Gewissen sorgen.

Wir sollten die Gesamtsituation in Niedersachsen ernst nehmen. CDU und FDP wären auch gut beraten, die Vorschläge aus den heute abgelehnten Anträgen der Grünen und der Sozialdemokraten noch einmal auf Wiedervorlage zu legen; denn das waren die strukturell besseren, weil grundsätzlicheren Vorschläge zur Verbesserung der Lage. Sie müssen alle diejenigen, die sich jetzt in dem Übergangssystem befinden, mit echten Qualifizierungen versorgen. Außerdem müssen Sie, wie es Herr Lenz soeben betont hat, den Pakt in Niedersachsen zu einem echten Pakt für zusätzliche, und zwar netto-zusätzliche Ausbildungsplätze umschreiben und dürfen keine Augenwischerei betreiben, indem Sie hervorheben, dass es immer wieder Arbeitgeber gibt, die Ausbildungsplätze anbieten, gleichzeitig aber verschweigen, dass mehr bestehende Ausbildungsplätze wegfallen. Damit streuen Sie den Jugendlichen und der Öffentlichkeit Sand in die Augen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Masse der Jugendlichen wird dadurch aber nicht geholfen. Das ist nicht problemgerecht. Ihr Änderungsantrag führt uns hier nicht weiter. Wir müssen ihn daher ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat Frau Kollegin Konrath von der CDUFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Beginn meiner Ausführungen stelle ich fest, dass der Ausbildungsmarkt unverändert Anlass zur Besorgnis bietet. In dieser Einschätzung sind sich vermutlich alle Mitglieder des Hauses einig. Auch in der Zielsetzung, allen ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Jugendlichen ein Ausbildungsoder Qualifikationsangebot zu machen, stimmen wir überein. Ich zitiere aus dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:

„Wer den eigenen Lebensweg mit der Erfahrung der Ausbildungs- und Arbeitslosigkeit beginnt, verliert Perspektive, Motivation und Selbstvertrauen. Der individuelle Verlust von Zukunftschancen und Zutrauen bedeutet in der Folge hohe soziale und wirtschaftliche Lasten für alle.“

Wer, meine Damen und Herren, wollte dieser Auffassung widersprechen?

Das Missverhältnis zwischen der beträchtlichen Anzahl von Jugendlichen, die auf einen Ausbildungsplatz warten, und der Zahl an freien Ausbildungsplätzen, die mangels qualifizierter Bewerberinnen und Bewerber nicht besetzt werden können, besteht nach wie vor. Das Problem ist leider äußerst vielschichtig und nicht mit einem einzigen Befreiungsschlag aus der Welt zu schaffen. Wir werden unterschiedliche Stellschrauben betätigen müssen, um zum Ziel zu kommen.

Meine Damen und Herren, da wir uns in der Diagnose und Analyse des Problems weitgehend einig sind, sollte es uns auch gelingen, über die richtigen Mittel und Wege Einigkeit zu erzielen. Ich bin der Überzeugung, dass eine Kombination von bewährten und innovativen Maßnahmen den größtmöglichen Erfolg verspricht. Entscheidend wird sein, dass alle Beteiligten ihre spezifischen Beiträge leisten.

Wirtschaftspolitik hat sich um die richtigen Rahmenbedingungen zu kümmern und notwendige Impulse zu vermitteln. Wer Spielräume für Investitionen schafft, sorgt gleichzeitig für mehr Arbeitsund Ausbildungsplätze.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Minister Hirche hat im September-Plenum angekündigt, dass die Landesregierung den mit der

Wirtschaft eingegangen Ausbildungspakt eingehend daraufhin prüfen wird, ob er auch in diesem Jahr eingehalten wird. Vom nächsten Jahr an sollen 2 000 zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze mit 2 500 Euro für Jugendliche gefördert werden, die schon ein Jahr oder länger die Schule beendet und noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Fördermittel für rund 350 zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze wird das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr noch in diesem Jahr bereitstellen.

Schul- und Bildungspolitik muss die richtigen Standards setzen, ausreichende Unterrichtsversorgung gewährleisten und unsere Jugendlichen ausbildungsfähig machen. Die in den allgemeinbildenden Schulen begonnenen Maßnahmen - wir haben hier im Hause im Juli ausgiebig darüber diskutiert zur Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit und Berufsorientierung sollen konsequent fortgesetzt und weiterentwickelt werden.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Gut so!)

Die Unternehmen müssen noch problembewusster werden. Nur wer die Mühen und Kosten einer Ausbildung auf sich nimmt, wird künftig über genügend qualifizierten Nachwuchs verfügen. Schon in wenigen Jahren werden wir einen erheblichen Fachkräftemangel in vielen Bereichen haben. Wir appellieren an die Betriebe, so viele Ausbildungsplätze wie möglich anzubieten. Begrüßenswert wäre, wenn der eine oder andere Großbetrieb oder Konzern seine Ausbildungsquote steigern würde.

An die Jugendlichen selbst appelliere ich, die Durststrecke zwischen schulischer und beruflicher Ausbildung diszipliniert in Angriff zu nehmen. Der ehrgeizige, gut ausgebildete Bewerber hat naturgemäß die besten Chancen auf einem höchst wandlungsfähigen Arbeitsmarkt. Es lohnt sich daher immer noch, Leistung zu zeigen.

Wir wollen die zum Teil unbefriedigende Situation am Ausbildungsmarkt nicht schönreden. Deshalb haben CDU und FDP einen Antrag eingebracht, in dem wir Wege aufzeigen, wie alle Möglichkeiten des dualen Systems - das ist der Kern der Ausbildung - ausgeschöpft werden können und über weitere Bildungsangebote im beruflichen Bereich das bestehende Problem weiter abgebaut werden kann.

Meine Damen und Herren, die von der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit heute veröffentlichten Zahlen zum Ausbildungsstellenmarkt

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

lassen erfreulicherweise einen positiven Trend erkennen. Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist gegenüber dem Vorjahr um 2 % auf 43 493 Verträge angestiegen. Auch die rechnerische Lücke zwischen den nicht vermittelten Bewerbern und den noch unbesetzten Ausbildungsstellen ist gegenüber dem Vorjahr kleiner geworden. Fehlten Ende September 2005 rechnerisch 1 876 Plätze, waren es im September 2006 noch 1 224 Stellen. Angesichts des deutlichen Anstiegs der Bewerber und Bewerberinnen aus früheren Schulentlassungsjahren besteht jedoch kein Anlass zur Zufriedenheit. Vielmehr sind wir zu verstärkten Anstrengungen aufgefordert, und die Landesregierung wird reagieren.

(Zustimmung von Ernst-August Hop- penbrock [CDU])

Lassen Sie uns gemeinsam mit allen zur Verfügung stehenden Instrumenten dafür Sorge tragen, dass im Rahmen der Nachvermittlung alle unversorgten Jugendlichen auch in diesem Ausbildungsjahr ein Qualifizierungsangebot erhalten. Ich denke, wir sind uns einig: Es ist unser gemeinsames Problem, und wir brauchen Ausdauer und konsequentes Handeln, um hier gemeinsam Hilfe und Besserung herbeizuführen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als Nächster hat der Kollege Hermann, FDPFraktion, das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Es ist unumstritten: Die vielseitigen Bemühungen von Wirtschaft, Verbänden und Politik in den vergangenen drei Jahren haben Schlimmeres auf dem Ausbildungsmarkt verhindert und eindeutig zur Verbesserung der Situation beigetragen. Die Zahlen der Kammern und der Verbände zeigen dies deutlich. Auch wenn einige Zahlen schon genannt wurden, so muss ich sie in Teilen doch wiederholen.

Die IHK Hannover verzeichnet zum 30. September 2006 im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg von 4,5 % bei den eingetragenen Ausbildungsverhältnissen. Landesweit ist es bei der IHK ein beachtliches Plus von 3,3 %. Die Vereinigung der Handwerkskammern in Niedersachsen registriert zum September mit 16 155 neu eingetragenen Lehrverträgen eine Plus-Minus-Null-Situation im Vergleich zum Vorjahr. Ich sage: Der Sinkflug im Handwerk ist Gott sei Dank gestoppt, weil die letzten sieben düsteren Jahre hinter uns liegen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dass die aktuellen Zahlen der Arbeitsagentur nicht so optimistisch sind, ist nicht überraschend; denn immer mehr Stellen werden der Agentur gar nicht gemeldet. Doch auch hier sehen wir - so denke ich, im Gegensatz zu Ihnen auf der von mir aus linken Seite des Hauses - Licht am Horizont. Den 3 345 nicht vermittelten Jugendlichen standen insgesamt 2 121 unbesetzte Ausbildungsstellen gegenüber. Daraus ergibt sich eine rechnerische - ich betone: rechnerische - Lücke von 1 224 Ausbildungsplätzen. Im Jahr zuvor lag diese bei 1 876. Diese Lücke ist um ein Drittel geringer geworden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist eigentlich ein ziemlich großer Schritt. Ziel ist natürlich, keine Lücke zu haben. Dieses Ziel haben wir - das ist richtig - noch nicht erreicht.