Sie sagen: Die Motivation der Beamtinnen und Beamten ist gestiegen. - Darüber gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Herr Ahlers, man sollte nicht die Polizeiführer fragen. Wenn man die Motivation der häufig im gehobenen Dienst befindlichen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten kennenlernen will, sollte man beispielsweise eine Um
frage machen, wie sie mehrfach angeregt wurde und die von Ihnen abgelehnt wird. Es ist nahe liegend, warum Sie das nicht machen. Wir haben jetzt fast zeitgleich mit Ihrem Antrag, nämlich mit Datum vom 28. September, eine Große Anfrage zum Thema „Polizeireform in Niedersachsen“ eingebracht. Wir haben uns Mühe gegeben und 65 Fragen formuliert. Ich weiß, dass das Innenministerium für die Beantwortung Fristverlängerung beantragen wird, was ich auch nachvollziehen kann, weil es ziemlich aufwendig ist, das alles zu prüfen, zu recherchieren und dann die Fragen zu beantworten.
Angesichts des Aufwands, den wir uns gemacht haben - Sie haben ja die Möglichkeit, dann alles so darzustellen, wie es ist; ich vermute einmal, dass Sie sich bemühen werden, es positiv darzustellen -, ist der von Ihnen vorgelegte Antrag wirklich kontraproduktiv.
Ich will auf einen Punkt noch etwas näher eingehen. Sie nennen in Ihrem Antrag eine Zahl. Sie ziehen als Beleg für den Erfolg Ihrer Polizeireform die Aufklärungsquote heran, insbesondere die Kriminalaufklärungsquote aus dem Jahr 2005 mit einem Anteil von 55,7 % an aufgeklärten Straftaten. Das ist die einzige Zahl, die Sie nennen.
Ich nenne Ihnen jetzt zwei weitere Zahlen, die man miteinander in Beziehung bringen muss: 2005 sind in Niedersachsen 83 000 Personen Opfer einer Straftat geworden, 2004 waren es 74 000 Personen. Das ist eine Steigerung von fast 12 %, was die Opferquote angeht, die höchste Steigerungsrate überhaupt in den letzten Jahren.
Die zweite Zahl: Die Zahl der Straftaten in Niedersachsen hat ausweislich Ihrer Polizeistatistik von 2005 deutlich zugenommen: 2005 sind nämlich 601 000 Straftaten gezählt worden. Das ist der zweithöchste Wert, der in Niedersachsen erreicht wurde, seitdem solche Statistiken geführt werden. Bundesweit gab es 2005 einen deutlichen Rückgang an erfassten Straftaten. - Das sind Zahlen, zu denen Sie sich verhalten müssen und sollten. Sie sollten nicht nur die Aufklärungsquote heranziehen, die Sie in Ihrem Antrag genannt haben.
In der Schlusszusammenfassung sage ich: In Niedersachsen ist das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, noch nie so groß wie jetzt gewesen. Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie schon im Vorhinein um Nachsicht, dass ich einiges von dem wiederholen werde, was Herr Dr. Lennartz gesagt hat. Ich würde das aber gerne noch ein bisschen ausführlicher machen; denn ich halte es schon für wichtig, das zu tun.
Ich möchte zunächst einmal etwas zu Herrn Ahlers sagen. Herr Ahlers, Sie haben sich im Datum vertan. Heute ist nicht der 11.11., sondern der 11.10.
Dieser Antrag, meine Damen und Herren von den Fraktionen der CDU und der FDP, ist in der Tat an Peinlichkeit nicht zu überbieten.
Die Regierungsfraktionen können nicht einen einzigen handfesten Beweis für das Gelingen ihrer Umorganisation vorlegen, aber es soll mit Mehrheit beschlossen werden, dass die Reform gelungen ist. Mit gleicher Berechtigung könnten Sie auch beschließen, dass die Erde eine Scheibe ist.
Meine Damen und Herren, die Mehrheitsfraktionen in diesem Landtag haben vor Kurzem eine Befragung der Polizei zur Organisationsreform und zur Berufszufriedenheit abgelehnt und wollen heute mit Mehrheit beschließen, die Polizei sei hochzufrieden und motiviert. Das ist abenteuerlich! Das, was Sie hier machen, ist eine Verhöhnung der Polizei, nichts anderes!
Ich will Ihnen nur auszugsweise sagen, wovon Ihr Erfolg der Reform begleitet ist. Man muss heute nur in die Zeitungen gucken. Gucken Sie sich die Titelseite der NP an. Ich lese Ihnen ein paar Schlagzeilen vor:
Das ist wohl ein bisschen übertrieben. - Herr Klosa sagt aber auch, dass der Dienstwagen nur noch im Notfall einzusetzen sei, dass sich Polizisten kalt waschen sollen und dass Hubschrauber aus Ostfriesland nach Hannover abgezogen werden sollen.
Meine Damen und Herren, das ist die Begleitmusik, mit der Ihre Polizeireform begleitet wird! Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen.
Angesichts des offensichtlichen Widerspruchs zwischen den Realitäten im Lande und der Realitätswahrnehmung der Fraktionen der CDU und der FDP wird es Sie sicherlich nicht verwundern, dass wir uns ganz nachdrücklich dafür einsetzen, dass dieser Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP an jedem Schwarzen Brett eines jeden Kommissariats in Niedersachsen ausgehängt wird, und die Rede von Herrn Ahlers möglichst noch dazu.
Ich möchte jetzt infolgedessen, was Herr Professor Lennartz gesagt hat, auf einen interessanten Zusammenhang in Ihrem Antrag eingehen. Als erstes messbares Ergebnis für den angeblichen Erfolg der Polizeireform wird von den Fraktionen der CDU und der FDP angeführt, dass die Aufklärungsquote im Land Niedersachsen auf bisher noch nicht erzielte 55,7 % angestiegen ist. Meine Damen und Herren, diese Argumentation ist an Unseriosität nicht mehr zu überbieten; denn es sind erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr - -
- Herr Kollege Biallas, ich kann Ihnen gern noch ein paar Anmerkungen zu den Statistiken machen, die ich vorstellen durfte. Aber solche Probleme wie in der Statistik 2005 hatten wir damals nicht. Ich
komme noch dazu, woher diese resultieren. Das haben Sie wahrscheinlich noch nie zur Kenntnis genommen.
Meine Damen und Herren, ich behaupte sogar, dass die polizeiliche Kriminalstatistik, die der Minister im März 2006 veröffentlicht hat, falsch ist und dass der Innenminister seit Monaten seine Verpflichtung ignoriert, dem Landtag eine korrigierte Statistik vorzulegen.
Ich möchte Ihnen anhand von sechs Punkten gerne aufzeigen, warum ich der Auffassung bin, dass die Kriminalstatistik für das Jahr 2005 ein falsches Bild der Sicherheitslage in Niedersachsen zeichnet:
Erstens. Wir wissen von mehreren Revisionen der Zahlen innerhalb des Landeskriminalamtes, bevor die Statistik vom Innenminister der Presse vorgelegt wurde.
Zweitens. Wir wissen vom Bundeskriminalamt, dass von dort erhebliche Zweifel gegenüber den in Niedersachsen veröffentlichten niedersächsischen Zahlen angemeldet worden sind,
weil Niedersachsen das einzige Bundesland mit steigenden Fallzahlen ist. Übrigens steigen in Niedersachsen - dies ist anders als in anderen Bundesländern; Herr Lennartz hat darauf hingewiesen - auch die Gewaltdelikte, meine Damen und Herren.
Drittens. Wir wissen, dass das LKA zahllose Arbeitsgruppen eingerichtet hat, um dem Fehler in der Statistik auf die Spur zu kommen.
- Das sagen einem die Beamten offen, Ihnen wahrscheinlich nicht. Sie müssen selbst einmal nachfragen.
Viertens. Wir wundern uns darüber, dass die Zahlen für das Jahr 2005 noch immer nicht im Internet verfügbar sind. In den Vorjahren wurden sie sehr zeitnah öffentlich zugänglich gemacht. Offenbar ist man sich intern über die Unzulänglichkeit des Zahlenmaterials längst im Klaren, will die Angelegenheit jedoch nicht publik werden lassen.
Fünftens. Wir wissen, dass es aufgrund der Statistikumstellung im September 2005 Doppelerfassungen gegeben hat.
Sechstens. Wir wissen auch von NIVADIS-internen Problemen, die zu statistischen Doppelerfassungen beim Aufrufen abgeschlossener Sachverhalte geführt haben und übrigens auch jetzt noch führen. Das hat fatale Auswirkungen auf die Kriminalstatistik.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Das, was der Innenminister der Öffentlichkeit vorgestellt hat, war vor dem Hintergrund dieser von mir aufgezeigten Verzerrungsfaktoren weniger eine verlässliche Kriminalstatistik als vielmehr ein mehr oder weniger komplett wertloser Datenfriedhof.
Fakt ist, meine Damen und Herren, dass es die Landesregierung trotz ihrer internen Bemühungen, die festgestellten Unplausibilitäten aufzuklären, nicht für notwendig erachtet hat, die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass die vom Innenminister vorgelegte polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2005 völlig ungeeignet ist, das tatsächliche Kriminalitätsgeschehen in Niedersachsen auch nur annäherungsweise abzubilden.
Ich halte es vor diesem Hintergrund für geradezu abenteuerlich, dass ausgerechnet diese unsichere Datenbasis als Beweis für die Erfolge und die Richtigkeit von Organisationsentscheidungen herhalten soll. Erst legt der Innenminister eine Kriminalstatistik vor, die ganz offensichtlich falsch ist, und dann kommen die Regierungsfraktionen mit diesem Antrag und nehmen die falsche Statistik als Beleg für eine in meinen Augen jedenfalls falsche Organisationsreform. Weder die Reform noch die Statistik wird dadurch auch nur einen Deut richtiger.