Protokoll der Sitzung vom 11.10.2006

Die Verlagerung auf die Kommunen war äußerst erfolgreich und zeigt sich schon jetzt als Gewinn in Zeit und Effektivität.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie sprachen die Untersuchung der Finanzbeziehungen an. Sie wollen Langfriststrategien entwickeln. Ich sage Ihnen: Zurzeit haben wir nicht den geeigneten Zeitpunkt, Finanzströme maßgeblich zu bemessen und Zukunftsperspektiven zu entwickeln. In der Föderalismusdebatte hat man verabredet, neue Finanzbeziehungen zwischen dem Bund, den Ländern und den Kommunen zu vereinbaren. Im Augenblick ist man dabei, zu diskutieren, wie man die Gewerbesteuer umgestalten kann, man diskutiert über die Grundsteuer C. All diese Dinge zeigen, dass viel im Fluss ist. Es macht im Moment wenig Sinn, zukunftsweisende Perspektiven aufzubauen.

Der damalige Finanzminister Eichel ist mit seinem Vorhaben vollends gescheitert, eine Finanzreform zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auf den

Weg zu bringen. Ohne klare Vorgaben lohnt es sich nicht, diese Dinge weiter anzupacken.

(Zuruf von der SPD: Sie kneifen!)

Sie nehmen in Ihrem Antrag die Fragen der Größe von Kommunen und Landkreisen, der Aufgabenverteilung, der kommunalen Finanzen, der Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger und die Fragen der kommunalen Zusammenarbeit sowie der Kooperationen in den Blick. Was uns an Ihrem Antrag nicht gefällt, ist der Duktus, den Sie auf den Weg bringen. Sie gehen von Vornherein - wenn man Ihre Fragestellungen an eine mögliche Enquete-Kommission liest - davon aus, dass es eine Gebietsreform geben muss - was falsch ist -, dass Landkreise aufgelöst und Regionen gebildet werden müssen - was falsch ist -, und Sie gehen davon aus, dass der Erfolg in zentralen Steuerungsund Überwachungsinstrumenten, die implementiert werden müssen, liegen wird.

All das ist falsch, und deswegen ist Ihr Ansinnen vom Duktus und vom Vorgehen her völlig falsch. Sie gehen nicht offen heran, Sie gehen voreingenommen heran. Sie wollen klarstellen: Die Bildung von Regionen und die Abschaffung des Landkreises scheint für Sie Mittel zu sein, um die Fragen der kommunalen Selbstverwaltung zu lösen. Sie haben doch bereits in der Enquete-Kommission zum demografischen Wandel immer wieder eingespielt, dass Sie darauf setzen, in Niedersachsen Landkreise abzuschaffen und Regionen zu bilden. Das wird heute durch diesen Antrag einmal mehr deutlich. Wer die Grünen in Niedersachsen unterstützt, der sorgt dafür, dass die Landkreise abgeschafft werden und dass Regionen gebildet werden - das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage es noch einmal: Der Aufgabenkatalog ist nicht objektiv. Sie wollen mit diesem Antrag den Startschuss für Sandkastenspiele einer neuen Gebietsreform geben. Dafür werden wir den Weg nicht bereiten.

Sie nennen Argumente des demografischen Wandels, die Ursache für große Veränderungen in der kommunalen Daseinsvorsorge sind. Das ist richtig. Deshalb haben wir vieles von dem, was die Grünen hier zur Diskussion anregen, bereits in der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel...“ besprochen und diskutiert. Wir haben deutlich gemerkt, dass es keine einheitliche Lösung für Niedersachsen gibt, weil wir große Spannungen

haben, was die Bevölkerungszahlen angeht. Wir haben schrumpfende Regionen, die in den nächsten 20 Jahren zweistellige Schrumpfungsraten durchmachen werden, und wir haben in Niedersachsen Regionen, deren Bevölkerungszahl noch bis zu 10 % zunehmen wird. Hierfür brauchen wir den regionalen Maßanzug, und die demografische Entwicklung muss durch flexible Lösungen vor Ort bewältigt werden. Die Ausrichtung der öffentlichen Infrastruktur der Daseinsvorsorge bedarf der regional unterschiedlichen Betrachtung.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist eben falsch, hier Zentralisierungstendenzen den Weg zu bereiten - im Gegenteil: Die Landräte, die in der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel...“ vorgetragen haben, haben uns deutlich gesagt: Wir müssen jedweden Zentralisierungstendenzen entgegenwirken, weil teilräumliche Entwicklungspläne viel vernünftiger und zukunftsweisender sind und gerade wegen der unterschiedlichen demografischen Entwicklung mehr Perspektiven für Lösungen bieten.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Jedem Fürsten seine Eitelkeit!)

Wir setzen auf die kommunale Zusammenarbeit. Das haben wir in der Enquete-Kommission in mehreren Sitzungen und Anhörungen thematisiert. In der freiwilligen Kooperation liegen unsere Antworten auf die Herausforderungen insbesondere bei rückläufigen Bevölkerungszahlen. Nur über eine freiwillige Beteiligung können wir Motivation und dauerhaftes Engagement der Bürgerinnen und Bürger erhalten. Hierfür sollte Know-how zur Verfügung gestellt werden, um eine Vernetzung von einzelnen Projekten zu bewirken. Man sollte von Erfahrungen gegenseitig prosperieren.

So kann man leistungsfähige Verwaltungen herausarbeiten, indem man Aufgaben bündelt, Angebote bündelt und damit unsere Dörfer lebens- und liebenswert erhält, weil man verschiedene Leistungen - kommunale oder auch wirtschaftliche Leistungen - in Servicepunkten zusammenfasst und so erhält. Viele niedersächsische Kommunen zeigen vorbildlich, wie ihre Kooperationsbereitschaft ausgeprägt ist. Diese gilt es weiter zu fördern. In der interkommunalen Zusammenarbeit liegt der Schlüssel zur Stärkung unserer Kommunen. Das hat das Gutachten von Professor Hesse deutlich gezeigt, es hat auch viele Möglichkeiten aufgezeigt. Das befindet sich im Augenblick in der Um

setzung. Dazu werden wir die Ergebnisse abwarten müssen.

Sicherlich gibt es an vielen Stellen noch Veränderungsbedarf. Allerdings wird das eine Zukunftsaufgabe sein, der wir uns stellen müssen, die wir aber vor Ort zu entscheiden haben und nicht von oben herab verordnen wollen.

Fakt ist, dass Sie jetzt plötzlich die Kommunen entdeckt haben. Ich habe Sie von den Grünen hier im Hause immer eher als die politische Gruppierung kennen gelernt, die Misstrauen geäußert hat, wenn wir etwas auf die Kommunen übertragen wollten. Wir haben die Kommunen immer im Blick gehabt und haben immer eine Politik gemacht, die die Kommunen mit ins Boot genommen hat, die die kommunale Selbstverwaltung gestärkt hat. Wir haben bei unserer Politik immer auf die Kommunen gesetzt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Von daher brauchen wir auch jetzt keine Nachhilfe, wie wir zukunftsfähige Kommunen entwickeln wollen, sondern im Gegenteil: Wir haben sie immer im Blick gehabt und haben sie mit unserer konkreten Politik unterstützt. Das wurde in unserer Regierungszeit deutlich, als wir die Verwaltungsreform durchgeführt haben; ich habe es bereits ausgeführt. Aber auch die Einführung des strikten Konnexitätsprinzips hat dazu geführt, dass wir die Stellung der Kommunen in Niedersachsen eindeutig gestärkt haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Das hat es all die Jahre nicht gegeben. Das haben jetzt wir in unserer Regierungszeit eingeführt und umgesetzt. Viele haben davon gesprochen. Diese bürgerliche Mehrheit hier im Hause hat es geschafft, dass die Kommunen jetzt gleichberechtigte Partner sind, wenn es darum geht, Aufgaben durchzuführen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben die Gewerbesteuerumlage gegen den Widerstand der damaligen Sozialdemokraten, von Rot-Grün in Berlin senken können, weil das über den Bundesrat erreicht worden ist, was unseren Kommunen jährlich über 200 Millionen Euro bringt. Wir haben die Weitergabe der Einsparungen im Wohngeld von 127 Millionen Euro an die Kommunen geleistet und vieles mehr. Das zeigt, dass wir hier im Hause die politische Kraft sind, die für leis

tungsfähige Kommunen konkrete Politik macht, die die Kommunen im Blick hat.

(Beifall bei der CDU)

Wir setzen auf die Kommunen als Partner und wollen sie nicht bevormunden. Wir machen gute Politik für die Kommunen. Unsere Kommunen sind gut aufgestellt. Von daher brauchen wir keine Enquete-Kommission, die das erst feststellt, sondern wir sind in Niedersachsen zusammen mit unseren Kommunen gut unterwegs.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Leuschner das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Hilbers, wenn in Niedersachsen alles so toll wäre, wären wir einen großen Schritt weiter. Die SPD-Landtagsfraktion teilt Ihre Auffassung, Herr Professor Dr. Lennartz, dass die von der CDU/FDP-Landesregierung durchgeführte Verwaltungsreform nicht zu Ende gedacht wurde.

(Beifall bei der SPD)

Das haben wir hier häufiger diskutiert, und das habe ich hier auch immer gesagt. Die Verwaltungsreform wurde einzig mit dem populistischen Ziel „weg mit der Mittelinstanz!“ durchgeführt. Danach ist man nicht weitergegangen. Wir haben zum Ausdruck gebracht, dass es klar ist, dass wir sie nicht wieder rückgängig machen können, wenn diese Entscheidung einmal getroffen worden ist. Aber man muss darüber hinaus denken und andere Modelle weiterführen. Wir haben gesehen, dass in vielen Bereichen die interkommunale Zusammenarbeit nicht funktioniert, die Regierungsvertretungen funktionieren nicht so, wie sie es sollten, und wir müssen darüber hinaus einen Schritt weiterdenken.

Frau Leuschner, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! - Deswegen halte ich den Antrag, von Herrn Professor Lennartz eingebracht, mit der Position der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für durchaus wichtig. Eine Enquete-Kommission könnte diese Aufgabe erledigen. Die aufgezeigten politischen Handlungsfelder sind die Themen der Zukunft. Das ist auch die Meinung der SPD-Fraktion, dass diese Themenstellungen weiter zu untersuchen sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich würde Ihnen, lieber Kollege Hilbers, recht geben, dass der Zeitrahmen sicherlich sehr engagiert und sehr kurz ist. Ich habe in der letzten Legislaturperiode beispielsweise in einer EnqueteKommission mitgearbeitet und kann nur zum Ausdruck bringen, dass da sehr viel Arbeit in einem längeren Zeitraum geleistet werden muss.

(Bernd Althusmann [CDU]: Besonders von der CDU!)

Sie machen geltend, dass Sie auf Ergebnisse der Enquete-Kommission „Demografischer Wandel...“ zurückgreifen und dadurch das Verfahren beschleunigen könnten. Das kann sein. Aber in diesem Punkt, Herr Professor Lennartz, sind wir skeptisch.

Dennoch sind wir durchaus dafür, die EnqueteKommission zu unterstützen, auch unter den Fragestellungen, die aufgeführt worden sind. Wir halten es für einen sinnvollen Weg. Wir müssen uns dieser Aufgabe widmen, weil es so nicht mehr weitergeht. Da haben Sie uns an Ihrer Seite. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Nun hat sich von der FDP-Fraktion Herr Kollege Bode zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Leuschner, es ist eigentlich schade, dass Sie meine Zwischenfrage nicht zugelassen haben. Ich wollte Licht in das Dunkel bringen, das hier gerade von Ihnen und auch von den Grünen verbreitet worden ist. Es ist schon ganz spannend, was wir heute gehört haben. Sie sprechen

darüber, dass die Verwaltungsreform ein Meilenstein war, der Niedersachsen verändert hat.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Das habe ich nicht gesagt!)

Wir sagen: absolut positiv in eine zukunftsweisende neue Struktur.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Sie hören nicht zu!)

- Das sagen wir, sagen wir. Sie haben hier gesagt: nicht zu Ende gedacht. Herr Bartling hat früher sogar gesagt, man müsse unbedingt Regionen bilden.

(Heiner Bartling [SPD]: Was?)

- Ja, doch, so ging es los. Regionen müsse man bilden, Kreis- und Gebietsreform.