Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

Zu 2: Die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen gemäß § 46 Abs. 1 StVO fällt in die Zuständigkeit der jeweiligen Straßenverkehrsbehörde vor Ort. Die dort geregelten Ausnahmen (Erleichterungen für Menschen mit Behinderungen) tragen der Sachlage allerdings nicht ausreichend Rechnung.

Eine Ausnahme gemäß § 46 Abs. 2 StVO (nach der die oberste Landesbehörde von allen Vor- schriften der StVO Ausnahmen für bestimmte Ein- zelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller genehmigen könnte) ist hier ebenfalls nicht möglich. Die Vorschrift des § 46 Abs. 2 StVO berechtigt das Land nicht, auf Dauer eine Ausnahme von der Art und Weise der Erhebung der Parkgebühren zuzulassen, dies könnte nur mittels einer Ausnahmeverordnung auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVO in Verbindung mit § 6 Abs. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung erfolgen.

Zu 3: Eine Öffnungsklausel in der StVO - oder auch eine Erweiterung der in der 11. AusnahmeVO geschaffenen Möglichkeiten (Taschenparkuhr, Handy etc.) - setzt voraus, dass Bedarf und Nutzen für diese Regelung vorliegen. In diesem Fall wäre es denkbar, im Rahmen eines zeitlich begrenzten Pilotprojektes gemäß § 45 StVO Erfahrungen hierzu zu ermitteln. Die Stadt Buchholz wäre bei einem entsprechenden Pilotprojekt gehalten, die dort vorgesehene Evaluierung sicherzustellen. Darüber hinaus besteht für die Kommunen bereits jetzt die Möglichkeit, auf gebührenpflichtigen Parkplätzen einen bestimmten Zeitraum als Kurzparkzeitraum gebührenfrei zu lassen (Brötchentaste).

Anlage 30

Antwort

des Justizministeriums auf die Frage 33 der Abg. Heike Bockmann (SPD)

Siegt am Ende doch die Vernunft? Steht zumindest eine teilweise Wiedereinführung des Widerspruchsverfahrens unmittelbar bevor?

Vereinzelten Presseberichten war zu entnehmen, dass die Justizministerin erwägt, die von der CDU/FDP-Landtagsmehrheit beschlossene weitgehende Abschaffung des verwaltungsrechtlichen Widerspruchsverfahrens zumindest in Teilen rückgängig zu machen. Zahlreiche Landtagsanfragen, zuletzt die Anfrage „Bilanz nach eineinhalb Jahren: Klageflut nach Abschaffung des Widerspruchsverfahrens“ (Land- tags-Drs. 15/3085), haben gezeigt, dass es infolge dieser Abschaffung des Widerspruchsverfahrens zu einer massiven finanziellen Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger gekommen ist, die sich gegen eine belastende Verwaltungsentscheidung wehren wollen. Damit einher gehen ein erheblicher Anstieg der Zahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren und ein entsprechender Arbeitsanstieg bei den Verwaltungsgerichten. Trotz des Wegfalls der sozialhilferechtlichen Verfahren, für die seit dem 1. Januar 2005 anstelle der Verwaltungsgerichte nunmehr die Sozialgerichte zuständig sind, und trotz des Rückgangs der Zahl asylrechtlicher Streitigkeiten gingen bei den Verwaltungsgerichten im Jahr 2005 mit 31 743 Verfahren 5 186 Verfahren mehr als im Vorjahr ein. Dieser Mehreingang beruht ausschließlich auf einer Zunahme der Zahl der gegenüber anderen Verfahrensarten deutlich arbeitsintensiveren Klageverfahren und konzentriert sich auf die Rechtsgebiete, die von der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens betroffen sind. Durch diese Entwicklung hat die Belastung der Richterinnen und Richter bei den Verwaltungsgerichten von 1,15 eines Normalpensums im Jahr 2004 auf 1,52 im Jahr 2005 sprunghaft zugenommen. Der Anstieg der Zahl der Eingänge hat sich im laufenden Jahr noch weiter verschärft. Im ersten Halbjahr 2006 ist gegenüber dem ersten Halbjahr 2005 ein Mehreingang von nochmals 1 280 Verfahren zu verzeichnen.

Aus einem Schreiben des Verbandes der Niedersächsischen Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter e. V. geht hervor, dass das Justizministerium vor diesem Hintergrund während der Haushaltsvorberatungen vorgeschlagen hatte, für die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Haushaltsjahr 2007 im richterlichen Dienst zwölf Planstellen und im nichtrichterlichen Dienst fünfzehn Planstellen zusätzlich mit dem dazugehörigen Beschäftigungsvolumen vorzusehen. Dieser Vorschlag hat jedoch aus unbekannten Gründen keinen Eingang in den dem Landtag von der Landesregierung vorgelegten

Entwurf des Haushaltsplanes für das Jahr 2007 gefunden.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie viele zusätzliche Planstellen wären nach Auffassung der Landesregierung erforderlich, um auf die gestiegenen Eingangszahlen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu reagieren, und warum wurde im Zuge der Haushaltsplanaufstellung von einer Personalverstärkung der Verwaltungsgerichte Abstand genommen?

2. Ist beabsichtigt, die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens zumindest in Teilbereichen vorzeitig zurückzunehmen? Wenn ja, welche Abreden gibt es innerhalb der Landesregierung, welcher Zeitplan ist hierfür vorgesehen, und um welche Rechtsgebiete handelt es sich?

3. An welchen Kriterien orientiert sich die Auswahl der Rechtsgebiete, in denen das Widerspruchsverfahren wieder eingeführt werden soll?

Im Namen der Landesregierung beantworte ich die der Landesregierung gestellten Fragen wie folgt:

Zu 1: Die Landesregierung hält zusätzliche Planstellen als Reaktion auf die gestiegenen Eingangszahlen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit jedenfalls zurzeit nicht für vorrangig erforderlich. Sie hat deshalb auch bei der Haushaltsplanaufstellung von einer Personalverstärkung Abstand genommen.

Zu 2 und 3: Hierzu verweise ich auf die LTDrs. 15/3085, insbesondere auf die Antwort zu Frage 10.

Anlage 31

Antwort

des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 34 des Abg. Dieter Möhrmann (SPD)

Bahninfrastrukturausbau und -verbesserung im ländlichen Raum

hier: Geplanter Ausbau der Kursbuchstrecke 123 - Heidebahn - erneut ungewiss?

Mit Schreiben vom 22. September 2006 teilte die DB Netz AG Niederlassung Nord der Stadt Schneverdingen mit, dass der Ausbau des dritten Abschnitts der Heidebahn zwischen Soltau und Buchholz nicht vor 2012 beginnen wird. Mit Schreiben vom 11. August 2006 teilte das MW dem SPD-Ortsverein Schwarmstedt mit, „dass alle geplanten Projekte einer nochmaligen Würdigung unterzogen werden müssen.“ Also, das Heidebahn-Projekt insgesamt. Hierzu passen auch Äußerungen des Geschäftsführers der LNVG, Dr. Gorka, von Ende

Juli, der ebenfalls eine Überprüfung des gesamten Ausbaus der Heidebahn angeregt hatte. Zusätzliche Probleme sind durch die Zweckentfremdung von Regionalisierungsmitteln für § 45 a des Personenbeförderungsgesetzes seitens des Landes und die bundesweite Kürzung der Mittel entstanden. So ist für den letzten Streckenabschnitt der Heidebahn von Bennemühlen nach Hannover-Hauptbahnhof die Region Hannover Aufgabenträger und nicht wie für die übrige Strecke von Bennemühlen nach Buchholz die LNVG. Die Region Hannover befährt ihre Strecke aber schon im Halbstundentakt und sieht wegen der Kürzung der Regionalisierungsmittel finanzielle Schwierigkeiten, noch zusätzliche Züge zu bestellen. Sollte der Verkehr der Heidebahn, wie bisher auch, in Bennemühlen gebrochen werden, ist das mit den Investitionen verfolgte Ziel einer Verkürzung der Reisezeit von Soltau nach HannoverHauptbahnhof nicht mehr zu erreichen.

Trotz einmütiger Beschlüsse des Landtags, den ländlichen Raum in Sachen Bahninfrastruktur zu stärken, werden anscheinend geplante Projekte wie der Ausbau der Heidebahn immer wieder neu auf den Prüfstand gestellt. Klarheit soll nach einer Meldung der Walsroder Zeitung vom 21. September 2006 nach Aussagen von Wirtschaftsminister Walter Hirche Anfang Oktober 2006 herrschen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wann erfolgt der erste Spatenstich für den bisher geplanten ersten Bauabschnitt zwischen Bennemühlen und Walsrode, und wer bestellt und finanziert den Bahnbetrieb als Aufgabenträger zwischen Hannover-Hbf und Bennemühlen und auf der übrigen Strecke für den geplanten Tilgungszeitraum der Investitionskosten von 20 Jahren (siehe Schreiben des MW vom 11. August 2006)?

2. Für wann ist die Umsetzung der beiden weiteren Bauabschnitte von Walsrode nach Soltau und von Soltau nach Buchholz geplant, und zu welchem Zeitpunkt kann jeweils mit der Festlegung eines konkreten Bautermins gerechnet werden?

3. Wird sich das Land auch über die LNVG nach dem erfolgreichen Umsetzen des Schwarmstedt-Tarifs für Zeitkarten im Großraum Hannover und des Beginns einer ähnlichen Maßnahme mit dem HVV zwischen Soltau, Schneverdingen und Hamburg an der Erweiterung des Großraumtarifs bis Walsrode sowie an der Einführung von Tageskarten für Großraum und HVV auch finanziell beteiligen?

Der Ausbau der sogenannten Heidebahn Bennemühlen - Buchholz in der Nordheide zählt zu den vordringlichen Vorhaben, die die Landesregierung zur Verbesserung der Schieneninfrastruktur und der Erschließung der Fläche seit Jahren anstrebt.

Trotz der alleinigen Verantwortung des Bundes und der DB Netz AG für die Bundesschienenwege hat das Land daher im Jahr 2005 der DB Netz AG eine erste grobe Planung, die sogenannte Vorentwurfsplanung, für die Gesamtstrecke vorfinanziert, um erste gesicherte Erkenntnisse über die erforderlichen Baumaßnahmen und deren Kosten zu erhalten. Auf Basis dieser Planung wurde Anfang 2006 - im Einvernehmen mit den Kommunen entlang der Strecke - entschieden, den Ausbau der Heidebahn stufenweise weiterzuverfolgen. Für den ersten Bauabschnitt, den Bereich von Bennemühlen bis Walsrode, hat das Land der DB Netz AG inzwischen zugesagt, auch die weitere Planung vorzufinanzieren.

Die Kürzung der Regionalisierungsmittel durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006 des Bundes zwingt sowohl das Land als auch die Aufgabenträger, ihre finanziellen Dispositionen zu überprüfen. Die Landesregierung ist trotz der aktuellen Restriktionen, die sich aus dem Haushaltsbegleitgesetz 2006 ergeben, gewillt, auf Basis der bisherigen Kostenschätzungen das Projekt weiterzuverfolgen, und grundsätzlich bereit, eine Komplementärfinanzierung zu den Mitteln des Bundes zum Ausbau der Schieneninfrastruktur zu leisten, um die Gesamtfinanzierung des Ausbauvorhabens sicherzustellen. Dies setzt, wie bislang vorgesehen, die Bestellung durchgehender Züge nach Hannover voraus, um die mit dem Ausbau angestrebte Reisezeitverkürzung tatsächlich realisieren zu können.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Der Baubeginn für den ersten Bauabschnitt soll noch im Jahr 2007 erfolgen. Voraussetzung ist insbesondere der rechtzeitige Abschluss der Planung. Die Bestellung und Finanzierung der Verkehrsleistungen obliegt den Aufgabenträgern jeweils für ihren Verantwortungsbereich.

Zu 2: Die Umsetzung der weiteren Bauabschnitte richtet sich nach der finanziellen Absicherung der dort notwendigen Maßnahmen und kann aus betrieblichen Gründen erst nach Fertigstellung des ersten Bauabschnittes eingeleitet werden.

Zu 3: Die Einführung von Übergangstarifen für Zeitkarteninhaber oder die Ausweitung von Tarifverbünden bedarf zunächst einer eingehenden Untersuchung hinsichtlich ihrer verkehrlichen und finanziellen Auswirkungen; diesbezügliche Erkenntnisse liegen dem Land nicht vor. Die Einfüh

rung von Tageskarten ist in der Vergangenheit nicht gefördert worden. Im Übrigen steht eine mögliche finanzielle Beteiligung unter dem generellen Vorbehalt der Finanzierbarkeit.

Anlage 32

Antwort

des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit auf die Frage 35 der Abg. Ursula Helmhold (GRÜNE)

Bürokratieaufbau in der Eingliederungshilfe

Die Bundesregierung hat eine Novelle zum Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) in die Beratungen des Bundestages und des Bundesrates (BR- Drs. 617/06) eingebracht, in der vorgesehen ist, den § 92 Abs. 1 zu streichen. Dies bedeutet eine Umorientierung des so genannten Bruttoauf das Nettoprinzip in der Eingliederungshilfe. Der bisher geltende Absatz besagt, dass Leistungen für behinderte Menschen auch dann vom zuständigen Sozialhilfeträger zu erbringen sind, wenn den Betroffenen die Aufbringung der Kosten zu einem Teil aus eigenen Mitteln zuzumuten ist. Damit wird den Einrichtungsträgern unbeschadet der vom behinderten Menschen oder seinen Angehörigen aufzubringenden Eigenanteile eine Finanzierungsgarantie für die Pflegesätze gegeben, die eine sichere langfristige Erbringung der Leistungen ermöglicht. Die Streichung des § 92 Abs. 1 würde dazu führen, dass die grundsätzliche Vorleistungspflicht der Träger der Sozialhilfe in vollund teilstationären Einrichtungen oder für ärztliche Maßnahmen ersatzlos entfallen würde mit der Folge, dass die Einrichtungsträger zu Inkassostellen für die Einziehung der Eigenbeiträge der Behinderten werden würden und die Sozialhilfeträger nur noch die auf sie entfallenden Restkosten an die Träger der Einrichtungen zahlen müssten. Dieser komplette Paradigmenwechsel führt nicht nur zwangsläufig zum Aufbau einer neuen Bürokratie bei den Einrichtungsträgern, sondern erschwert den Zugang behinderter Menschen zu den erforderlichen Leistungen, weil Einrichtungsträger wegen möglicher Ausfallrisiken dazu übergehen müssten, z. B. potenziell Sozialhilfeberechtigte erst dann aufzunehmen, wenn über die Hilfestellung abschließend entschieden ist und eine Kostenübernahme seitens des Sozialhilfeträgers abgegeben wird. Außerdem wären Leistungsberechtigte oder die sie betreuenden Angehörigen und Betreuer gezwungen, Unterhaltsansprüche gegenüber Dritten und die Abrechnung mit Einrichtungen selbst zu betreiben. Unabhängig davon ist gerade bei Leistungen der Eingliederungshilfe fachlich die Ablösung des/der Leistungsberechtigten von der Familie ein häufiger Schwerpunkt der sozialen und pädagogischen Arbeit. Durch die Streichung des § 92 Abs. 1 würden Konflikte zwischen Unterhaltsverpflichteten und Leistungsberechtigten

die Erbringung notwendiger Hilfen verhindern oder zumindest sehr erschweren.

Ich frage die Landesregierung:

1. Befürwortet die Landesregierung die Streichung des § 92 Abs. 1 des SGB XII?

2. Welche Erfahrungen wurden im Rahmen von Erprobungen des sogenannten Nettoprinzips in Niedersachsen bisher gemacht?

3. Wird die Landesregierung im Falle des Wegfalls des Bruttoprinzips und der Einführung des Nettoprinzips in der Eingliederungshilfe den Einrichtungen zusätzliche Mittel für mehr Personal für die Erledigung der bisher vom Sozialhilfeträger zu bearbeitenden Aufgaben bei der Einziehung von Eigenanteilen der behinderten Menschen zur Verfügung stellen?

Das Nettoprinzip in der Eingliederungshilfe führt zu einer Verfahrensänderung in der Weise, dass die behinderten Menschen die von Ihnen für die Hilfe einzusetzenden Mittel direkt an die Einrichtung zu zahlen haben und nicht mehr an das Sozialamt. Das bedeutet ein Mehr an Normalität, wie es bei anderen Leistungen des SGB XII, z. B. der Hilfe zur Pflege, schon seit Jahren der Fall ist. Für begründete Fälle sieht der Gesetzentwurf durch die Änderung des § 19 Abs. 5 SGB XII eine Vorleistungspflicht des Trägers der Sozialhilfe vor. Damit ist auch in Zukunft sichergestellt, dass behinderte Menschen die erforderliche Hilfe unbürokratisch und rechtzeitig erhalten werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Niedersachsen hat der Novelle zum SGB XII im Bundesrat, entsprechend dem Mehrheitsvotum, zugestimmt.

Zu 2: Bei der Hilfe zur Pflege und der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten hat die Umsetzung des Nettoprinzips im Vorfeld ebenfalls Einwände hervorgerufen. Die Umstellung von Brutto- auf Nettozahlungen der Sozialhilfe konnte jedoch flächendeckend erfolgreich umgesetzt werden.